Geld & Arbeit

Betriebsfeier auf dem Partyschiff

Übermütiger Mitarbeiter sprang in den Rhein: Arbeitgeber kündigt wegen Störung des Betriebsfriedens

Offenbar war Herr M, Vertriebsmitarbeiter bei einem Lifthersteller, auch früher schon bei Betriebsfeiern durch, nun ja, leicht exzentrisches Verhalten aufgefallen. Ob "nur" vom Alkohol beflügelt oder auch von anderen Substanzen, blieb vor Gericht strittig.

Jedenfalls hatte der Arbeitgeber den 33-Jährigen einmal nach einer Firmenfeier ermahnt, weil er sich einen Plastik-Flamingo geschnappt und darauf herumgeritten war. Dementi des Arbeitnehmers: Er sei nicht "geritten, sondern mit dem Flamingo durch den Saal getanzt".

Harmlos, verglichen mit seiner tollkühnen Aktion bei der feucht-fröhlichen Betriebsfeier, die auf einem Partyschiff im Rhein stattfand. Trotz der starken Strömung des Flusses sprang M in Unterhose in den Rhein und schwamm — angefeuert von einigen Kollegen — rund um das Schiff. So habe er "die Stimmung auflockern wollen", erklärte M.

Der Arbeitgeber nahm es nicht so locker und kündigte M nach diesem "Event" fristlos. Möglicherweise auch deshalb, weil eine Putzkraft dem Chef berichtet hatte, der Mitarbeiter habe vor dem Sprung auf der Schiffstoilette Kokain geschnupft — was M entschieden bestritt. Offizielle Begründung der Firma: M habe sich selbst und andere mit dieser Aktion gefährdet und massiv den Betriebsfrieden gestört.

Der Betriebsrat stimmte der Kündigung zu, weil er dem Gerücht aufsaß, M sei nackt in den Fluss gesprungen. Dessen Kündigungsschutzklage hatte beim Arbeitsgericht wegen der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats Erfolg: Das Gremium sei von falschen Tatsachen ausgegangen, so das Arbeitsgericht. Mit diesem Punkt hielt sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, das über die Berufung des Arbeitgebers zu entscheiden hatte, gar nicht mehr auf (3 Sa 211/23).

Zwar teilte das LAG die Ansicht des Arbeitgebers, dass der Mitarbeiter gegen seine Pflichten verstoßen und den Betriebsfrieden gestört hatte. Es schlug den streitenden Parteien aber einen Vergleich vor: Der Lifthersteller solle die Kündigung zurücknehmen und Herrn M weiter beschäftigen, wenn der Arbeitnehmer im Gegenzug eine Abmahnung für seinen Pflichtenverstoß akzeptiere. Dem stimmten beide Seiten zu.

Sturz auf der Restaurantterrasse

Gastwirt muss für die Unfallfolgen nicht haften, wenn der Untergrund erkennbar uneben ist

An einem sonnigen Sommerabend ging Herr X in ein Restaurant und ließ sich an einem Tisch auf der Terrasse nieder. Die Terrasse ist mit Natursteinen gepflastert, der Belag uneben. Herr X bestellte etwas zu essen und suchte dann die Toilette auf. Auf dem Rückweg zu seinem Tisch stolperte er, stürzte zu Boden und verletzte sich.

Erfolglos verklagte X den Inhaber des Restaurants auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Dem Gastwirt sei keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (11 U 33/23). Er sei nämlich nicht verpflichtet, einen absolut "gefahrfreien Zustand" der Terrasse herzustellen.

Gastwirte müssten grundsätzlich nur Sicherheitsmaßnahmen treffen, die Besucher berechtigterweise erwarten könnten. Maßnahmen also, die notwendig seien, um Gefahren abzuwenden, auf die sich Besucher nicht einstellen könnten.

Gegenmaßnahmen seien jedoch überflüssig, wenn Unebenheiten im Boden auf den ersten Blick erkennbar seien — so wie hier die von Natur aus unebenen Steine und die Fugen zwischen den Steinen. Restaurantgäste müssten sich den Bedingungen vor Ort anpassen und beim Gehen auf die Beschaffenheit des Untergrunds achten.

Kreditvertrag des Partners mit-unterschrieben

Sittenwidrig: Die Bank wusste, dass die Frau damit finanziell überfordert war

Die 20-jährige Verkäuferin arbeitete in einer Bäckerei und verdiente etwa 1.300 Euro netto im Monat. Um ihrem damaligen Freund einen Gefallen zu tun, unterschrieb auch sie seinen Kreditvertrag mit einer Bank. Er wolle ein Auto kaufen, hatte er ihr erklärt. Tatsächlich wollte der Freund mit dem Geld aber vor allem alte Kredite "umschichten": Der Darlehensvertrag lautete auf rund 90.000 Euro, wofür er monatlich eine Rate von ca. 1.000 Euro zu zahlen hatte.

Zwei Jahre später war der Mann dazu nicht mehr in der Lage. Deshalb kündigte die Bank den Kreditvertrag. Da er den restlichen Betrag von 50.000 Euro erst recht nicht zurückzahlen konnte, verklagte die Bank seine (mittlerweile Ex-) Freundin auf Zahlung. Das Landgericht Osnabrück gab der Bank sogar Recht. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg bewahrte die Verkäuferin vor dem Ruin (8 U 172/22).

Die Frau habe nicht selbst Kredit aufgenommen, sondern nur eine Mithaftung übernommen. Derartige Konstellationen seien zwar rechtlich möglich. Im konkreten Fall sei aber der krass einseitig belastende Vertrag nichtig: Er sei sittenwidrig, weil er die Frau offensichtlich finanziell überforderte. Sie müsse daher trotz ihrer Unterschrift nicht für die hohen Schulden ihres ehemaligen Partners haften.

Der Bankmitarbeiter habe beim Vertragsschluss gewusst, wie sehr die junge Frau an ihrem Freund hing und wie viel sie verdiente, genauer gesagt: wie wenig. Dass sie sich mit dem Kreditvertrag dem Freund zuliebe total übernommen habe, sei klar gewesen. Es widerspreche dem Anstandsgefühl, wenn Banken so eine Situation ausnutzten. Noch dazu habe die Verkäuferin nicht einmal geahnt, wie prekär ihre Unterschrift war: Denn sie habe geglaubt, es gehe nur um 7.500 Euro für ein Auto.

Höhere Beiträge, weniger Leistung

Beim Wechsel der privaten Krankenversicherung vom Versicherungsmakler schlecht beraten

Eine selbständige Augenoptikerin suchte ihre Versicherungsagentur zu einem Beratungsgespräch auf. Sie klagte über die "schleppende Leistungsabwicklung" ihrer privaten Krankenversicherung, bei der sie eine Krankheitskostenvollversicherung mit Zusatzversicherungen unterhielt (Krankenhaustagegeld, Krankentagegeld, private Pflegepflichtversicherung). Agenturmitarbeiter S empfahl der Optikerin einen Wechsel.

Er füllte für sie den Antrag für den neuen Vertrag aus, den die 50-Jährige unterschrieb. Ein paar Wochen später kam der Vertrag zustande. Erst danach bemerkte die Optikerin, wie nachteilig der von der Agentur vermittelte Krankenversicherungsvertrag für sie war. Sie musste nicht nur höhere Beiträge zahlen musste als zuvor. Weitaus schlimmer war, dass der Vertrag weder Krankentagegeld, noch Krankenhaustagegeld vorsah.

Daraufhin zog die Frau vor Gericht, um feststellen zu lassen, dass ihr die Agentur wegen miserabler Beratung alle Vermögensnachteile ersetzen muss, die ihr durch den Wechsel der Krankenversicherung entstehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe gab ihr Recht (12 U 268/22). Empfehle ein Versicherungsmakler einen Wechsel, müsse er dem Kunden die wesentlichen Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung erläutern, so das OLG.

Für Selbständige sei es von existentieller Bedeutung, sich mit Krankentagegeld und Krankenhaustagegeld gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit abzusichern. Agenturmitarbeiter S habe seine Beratungspflicht verletzt, weil er die Kundin nicht darüber informiert habe, dass dieses Risiko im neuen Vertrag nicht abgedeckt war. Durch dieses Versäumnis habe er der Kundin geschadet: Denn bei korrekter Beratung hätte sie den günstigeren Altvertrag nicht gekündigt und den besseren Versicherungsschutz nicht verloren.

Der Optikerin sei auch nicht deshalb Mitverschulden vorzuwerfen, weil sie bei genauem Studium der Vertragsunterlagen die Deckungslücke selbst hätte erkennen können: Wer einen sachkundigen Berater aufsuche, tue dies, weil ihm/ihr die nötigen Kenntnisse fehlten. Der Kunde dürfe dann darauf vertrauen, beim Beratungsgespräch die Informationen zu bekommen, die es ihm/ihr ermöglichten, das Angebot richtig zu beurteilen.

Supermarkt muss zerdrückte Pfanddosen zurücknehmen

Kurzartikel

Zu Unrecht hat sich eine Lidl-Filiale geweigert, die plattgedrückten Einweg-Dosen eines Kunden zurückzunehmen: Denn durch das Pfand-Logo waren sie trotzdem eindeutig als Pfanddosen zu erkennen. Das Verpackungsgesetz sehe nicht vor, dass die Dosen bei der Rückgabe in gutem Zustand sein müssten, erklärte das OLG Stuttgart. Zudem bestehe objektiv keinerlei Interesse des Supermarkts an pfleglicher Behandlung einer Pfandsache, die ohnehin zerstört werde.

Pferdekäuferin will Behandlungsunterlagen einsehen

Wurde ihr Dressurpferd vor dem Kauf behandelt, muss sie dies vom Verkäufer, nicht vom Tierarzt fordern

Von Oktober 2019 bis November 2020 war ein wertvolles Dressurpferd in einer Gemeinschaftspraxis von Tierärzten behandelt worden. Auftraggeber war Tierhalter M, der das westfälische Reitpferd 2021 für 500.000 Euro an Frau S verkaufte. Im Kaufvertrag wurde eigens vermerkt, dass die tierärztliche Schweigepflicht gegenüber der Pferdekäuferin nicht gelten sollte.

Doch die Tierärzte fassten auf ihre Bitte hin nur schlagwortartig zusammen, wie sie das Pferd behandelt hatten. Frau S erhielt von ihnen weder detaillierte Behandlungsunterlagen, noch die Röntgenaufnahmen. Verkäufer M hatte nämlich nach dem Abschluss des Kaufvertrags sein Einverständnis mit der Weitergabe der Informationen zurückgezogen. Nun verklagte Frau S die Gemeinschaftspraxis und verlangte Einsicht in die Unterlagen.

Ihre Begründung: Beim Reiten widersetze sich das Pferd massiv, an geordnete Arbeit sei nicht zu denken. Ohne medikamentöse Behandlung könne man das Pferd nicht reiten, schon gar nicht sportlich einsetzen. Es müsse tierärztlich behandelt werden, möglichst in Abstimmung mit den früheren Diagnosen und Therapien. Das ärztliche Schweigegebot sei hier unsinnig und widerspreche dem Tierwohl.

Das Landgericht Münster wies die Klage ab (108 O 16/22). Die Tierärzte seien an die Schweigepflicht gebunden und für die Forderung von Frau S die falsche Adresse, erklärte das Landgericht. Sollten die Tiermediziner das Dressurpferd falsch behandelt haben, würden eventuelle Ersatzansprüche nicht ihr, sondern Herrn M als Auftraggeber der tierärztlichen Behandlung zustehen. Die Behandlung habe auch nicht dem Verkauf gedient, sei vor dem Vertragsschluss längst beendet gewesen.

Dass der Anspruch auf Auskunft von Tierärzten beim Verkauf eines Tieres auf den Käufer übergehe, sei vom Gesetz nicht vorgesehen. Aus dem Kaufvertrag könne Frau S allerdings einen Anspruch auf Auskunft von ihrem Vertragspartner ableiten. Von Verkäufer M könne sie verlangen, dass er — wie vertraglich vereinbart — die Tierärzte von der Schweigepflicht entbinde. Er müsse dafür sorgen, dass die Mediziner der Käuferin Röntgenaufnahmen und Behandlungsunterlagen zur Verfügung stellten.

Radfahrer rammt Bauschuttcontainer

Auf Gehwegen dürfen E-Biker jedoch gar nicht fahren: Wer haftet für die Unfallfolgen?

Ein E-Biker war gegen 21.30 Uhr auf einem Bürgersteig unterwegs. Weil der Untergrund holprig war, hatte er die Fahrradlampe auf "Nahbereich" eingestellt, um den Boden zu beleuchten. Als der Radfahrer an einem Baugrundstück vorbeikam, stieß er gegen einen Container voller Bauschutt, der in den Gehweg hineinragte. Der Mann stürzte und verletzte sich dabei erheblich. Sein E-Bike, Kleidungsstücke und die Armbanduhr wurden bei dem Radunfall beschädigt.

Vom Hauseigentümer und vom Bauunternehmer, der den Container im Auftrag des Bauherrn aufgestellt hatte, verlangte der Verletzte 20.000 Euro Schadenersatz und mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld. Er warf ihnen vor, ihre Verkehrssicherungspflicht gravierend verletzt zu haben: Sie hätten den Container so platziert, dass er ein einziges Verkehrshindernis darstellte. Im Prinzip sah es auch das Oberlandesgericht Brandenburg so (6 U 27/22).

Es gab dem E-Biker Recht, kürzte allerdings seinen Anspruch um zwei Drittel. Richtig sei: Bauunternehmer müssten Baustellen so einrichten, dass keine Gefahr für den Verkehr entstehe. Wenn nötig, müssten sie Warnzeichen und/oder Schutzvorrichtungen anbringen, Verkehrshindernisse beleuchten. Dafür sei auch der Bauherr mitverantwortlich. Er hafte daher gemeinsam mit dem Bauunternehmer für ein Drittel des Schadens.

Doch in erster Linie habe sich der Radfahrer den Unfall selbst zuzuschreiben. Radfahrer müssten grundsätzlich auf der Straße fahren, E-Biker erst recht. Sie dürften den Gehweg nicht benützen — schon deshalb, weil Fußgänger deutlich langsamer seien als Radfahrer. Außerdem würden auf Gehwegen häufig von Anwohnern Gegenstände abgestellt, z.B. Fahrräder. Schnelle E-Bike-Fahrer könnten auf Gehwegen also ständig auf Hindernisse treffen, damit müssten sie rechnen.

Darüber hinaus habe der Radfahrer offenkundig gegen das "Sichtfahrgebot" verstoßen: Er dürfe nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten könne. Da der E-Biker sein Fahrradlicht auf den Nahbereich eingestellt habe, sei die übersehbare Strecke offenbar ziemlich kurz gewesen. Den Container habe er entweder ganz übersehen oder er habe ihn bemerkt und nicht rechtzeitig bremsen können. Beides spreche dafür, dass der Radfahrer unkonzentriert und/oder viel zu schnell gefahren sei.

Über löchriges Malervlies im Treppenhaus gestürzt

Wer "sehenden Auges" ein gut erkennbares Risiko eingeht, erhält kein Schmerzensgeld

Auf der Treppe eines Mietshauses lag wegen Bauarbeiten schon seit mehreren Wochen ein Malervlies — ziemlich strapaziert und löchrig. Im Haus hat auch ein Fahrdienst Räume gemietet. Der bauleitende Architekt hatte der Firma mitgeteilt, ihre Fahrer sollten die Treppe möglichst nicht benutzen und das Gebäude über den Hintereingang betreten. Diese Anweisung gab die Firma an die Mitarbeiter weiter.

Doch Fahrer K ignorierte sie und lief immer über die Treppe. Eines Tages blieb er beim Hinuntergehen in einem Loch im Malervlies hängen, stolperte und stürzte die Treppe hinab. Der verletzte Fahrer forderte vom Hauseigentümer und vom bauleitenden Architekten 30.000 Euro Schmerzensgeld. Darauf habe K keinen Anspruch, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (3 U 3080/22).

Ausnahmsweise müsse hier der Verletzte den Schaden alleine tragen, so das OLG. Denn K sei "sehenden Auges ein für jedermann erkennbares Risiko eingegangen". Den Zustand des Malervlieses habe niemand übersehen können. Und K sei mehrmals täglich hier aus- und eingegangen. Dem offenkundigen Risiko, hier zu stolpern, hätte der Fahrer leicht ausweichen können, wenn er den anderen Gebäudeeingang genommen hätte.

Im Vergleich mit seinem Beitrag zum Treppensturz seien die minimalen Beiträge des Bauleiters und des Hauseigentümers zu vernachlässigen. Sie hätten natürlich das Malervlies erneuern sollen — das schon. Aber da es sich hier um eine offenkundige Gefahr handelte, vor der sich K durch Vorsicht ohne Weiteres selbst hätte schützen können, dürften er und andere Benutzer der "Baustelle Treppenhaus" hier keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen erwarten.

Reihenhausbau schlecht geplant und überwacht

Architekturbüro haftet für unzulänglichen Wärme- und Schallschutz

Ein Ehepaar ließ ein Reihenmittelhaus bauen und beauftragte ein Architekturbüro mit der Planung und Bauüberwachung. Im Architektenvertrag stand zwar nicht, dass es ein Energiesparhaus gemäß "KfW-60-Standard" werden sollte. Doch bei Besprechungen mit den Bauherren betonte eine Architektin mehrmals, sie planten gemäß "KfW-60-Standard". Sie bestätigte dies auch im Kreditantrag der Bauherren, adressiert an die staatliche "Kreditanstalt für Wiederaufbau" (KfW).

Das fertige Reihenhaus erfüllte jedoch die Anforderungen eines Energiesparhauses nicht: weder die Vorgaben für den Schallschutz, noch die für den Wärmeschutz. Deshalb forderten die Auftraggeber vom Architekturbüro einen Vorschuss für den Anbau von Verschattungsanlagen und für den Austausch der Fenster. Sie wollten Fenster mit Drei-Scheiben-Isolierverglasung einbauen.

Die Architekten wiesen die Forderung als völlig überzogen zurück und behaupteten, der Standard eines Energiesparhauses sei nie vereinbart worden. Dem widersprach das Kammergericht Berlin (7 U 1101/20). Auch wenn sich im Vertrag kein Hinweis auf "KfW-60-Standard" finde, folge aus den Umständen des Vertragsschlusses, dass er vereinbart worden sei: Dieser Standard werde beim KfW-Kreditantrag vorausgesetzt.

Strebe ein Bauherr eine staatlich geförderte Finanzierung an, die nur für einen bestimmten Energie-Standard gewährt werde, und der Architekt wisse darüber Bescheid, müsse er auch dafür sorgen, dass dieser Standard erreicht werde. Das habe die bauüberwachende Architektin hier nicht getan. Trotz der Hinweise des Fensterbauers, zweifach verglaste Fenster seien unzureichend, habe sie die vertragswidrigen Fenster einbauen lassen und nicht auf die für den "KfW-60-Standard" notwendige Qualität geachtet.

Das Architekturbüro treffe also erhebliches Verschulden. Schon deshalb sei die Forderung der Bauherren nach Verschattungsanlagen und dem Austausch aller Fenster nicht unverhältnismäßig. Der durch Versäumnisse der Architekten entstandene Baumangel führe zu höheren Heizkosten im Winter und heißen Innenräumen im Sommer. Er mindere also Wohnwert und Wert des Gebäudes erheblich. Das Ehepaar habe ein berechtigtes Interesse an einer vertragsgemäßen Nachbesserung des Gebäudes.

"Haushaltsnahe Dienstleistungen"

Auch Mieter können Aufwendungen dafür von der Steuer absetzen

Der Eigentümer hatte seine Wohnung an ein Ehepaar vermietet. Mit der Nebenkostenabrechnung stellte er den Mietern mehrere Posten in Rechnung: Treppenhausreinigung, Schneeräumdienst, Gartenpflege und die Kontrolle von Rauchwarnmeldern. Für diese Ausgaben beantragten die Eheleute bei ihrer Einkommensteuererklärung den Steuerbonus für "haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen" (§ 35a Einkommensteuergesetz).

Doch das Finanzamt spielte da nicht mit: Es verweigerte den Steuerzahlern die Ermäßigung mit dem Argument, sie hätten die Dienstleister nicht selbst beauftragt und mit ihnen keine Verträge abgeschlossen. So argumentierte auch das Finanzgericht. Doch beim Bundesfinanzhof (BFH) hatte die Klage des Ehepaares gegen den Steuerbescheid Erfolg (VI R 24/20).

Mieter könnten Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen steuermindernd geltend machen, obwohl nicht sie, sondern der Vermieter die Verträge mit den betreffenden Dienstleistern schließe, urteilte der BFH. Wesentlich sei nur, dass die Leistungen den Mietern zugutekämen. Natürlich brauche es dafür die vom Gesetz geforderten Belege.

Als Nachweis genüge aber die Nebenkostenabrechnung des Vermieters (oder eine Bescheinigung, die dem Muster der Finanzverwaltung entspreche), wenn man ihr die wesentlichen Informationen entnehmen könne: Art, Inhalt und Zeitpunkt der Leistung, den ausführenden Dienstleister, das vom Mieter geschuldete Entgelt und einen Hinweis auf die Überweisung des Mieters an den Vermieter.

Wenn sich den Finanzbeamten — oder dem Finanzgericht im Klageverfahren — Zweifel an diesen Unterlagen aufdrängten, könnten sie von den Steuerzahlern auch die Rechnungen der Dienstleister verlangen (Original oder Kopie). Die müssten sich die Mieter dann vom Vermieter geben lassen. Das gelte auch für einschlägige Aufwendungen von Wohnungseigentümern, wenn die Eigentümergemeinschaft die Aufträge an die Dienstleister vergeben habe.

Kfz-Werkstatt im allgemeinen Wohngebiet?

Auch ein kleiner, nur samstags geöffneter Nebenerwerbsbetrieb ist im Wohngebiet unzulässig

Ein Hauseigentümer wollte seine Garage in eine Kfz-Werkstatt mit Hebebühne umwandeln. Für so eine Nutzungsänderung ist eine Baugenehmigung erforderlich, die dem Kfz-Mechaniker jedoch von der Bauaufsichtsbehörde verweigert wurde. Ein Kfz-Betrieb mit Hol- und Bringservice sei in einem allgemeinen Wohngebiet generell unzulässig, lautete die Auskunft, auch wenn er nur an einem Tag der Woche offen sei.

Gegen den ablehnenden Bescheid klagte der Mann: So ein kleiner Betrieb störe doch nicht und sei in die dörfliche Struktur der Gemeinde ohne weiteres einzuordnen. Doch das Verwaltungsgericht Mainz blieb hart: Auch eine im Nebenerwerb geführte kleine Kfz-Werkstatt sei bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig — unabhängig davon, ob der konkrete Betrieb störe oder nicht (3 K 121/22).

Wohngebiete müssten dem Wohnen vorbehalten bleiben, dieser Gebietscharakter sei gesetzlich geschützt: Daher komme es bei der Prüfung des gewerblichen Vorhabens nicht darauf an, ob ein Betrieb tatsächlich eine Lärmbelästigung darstelle und den Gebietscharakter beeinträchtige. Dennoch sei festzuhalten, dass seine Nebenerwerbswerkstatt dem Ruhebedürfnis der Anwohner tatsächlich zuwiderlaufen würde: Schließlich beabsichtige der Mechaniker, vor allem in den Abendstunden und an Samstagen in seiner Garage zu arbeiten.

Vertragsklauseln von DAZN unwirksam

Der Streaming-Anbieter darf intransparente AGB-Klauseln nicht mehr verwenden

Der Verbraucherzentrale Bundesverband beanstandete mehrere Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Streaming-Anbieters DAZN, darunter Klauseln zur Preisanpassung und zur Vertragsänderung. Beim Landgericht München I hatten die Verbraucherschützer mit ihrer Unterlassungsklage Erfolg (12 O 6740/22).

In einer Vertragsklausel behielt es sich das Unternehmen vor, die Preise an "sich verändernde Marktbedingungen" anzupassen. Das Landgericht fand die Formulierung unklar: Für Verbraucher sei nicht ersichtlich, welcher Markt hier gemeint sei. Zudem berücksichtige DAZN die Kundeninteressen nicht: Für den Fall verringerter Kosten sei keine Preissenkung vorgesehen.

Preisanpassungsklauseln seien unwirksam, wenn sie einseitig dem Anbieter das Recht einräumten, die Preise zu erhöhen — umgekehrt aber keine Pflicht des Anbieters enthielten, im Falle geringerer Kosten die Preise nach unten "anzupassen". Einseitig zu Ungunsten der Kunden falle auch die Klausel zu Vertragsänderungen aus, so das Landgericht.

Gemäß den Nutzungsbedingungen bestehe das Angebot von DAZN in einem Online-Videodienst: DAZN übertrage Sportereignisse und berichte darüber. "Gestaltung und Verfügbarkeit dieses Vertragsinhalts" könnten sich mit der Zeit ändern, stehe in den AGB. Die Formulierung sei unbestimmt: Sie würde es dem Streaming-Anbieter im Extremfall ermöglichen, den Vertrag soweit zu verändern, dass überhaupt keine Sportveranstaltungen mehr übertragen werden.

DAZN hat gegen das Urteil des Landgerichts München I Berufung eingelegt. Trotzdem hat das Unternehmen mittlerweile vorsorglich schon mal einige AGB-Klauseln geändert.

Pflegezusatzversicherung gekündigt

Der Versicherungsnehmer bereute dies, doch die Kündigung ist wirksam

Versicherungsmakler R beriet den Senior und seine Familie schon seit langem in Versicherungsfragen. R hatte ihm auch die Pflegezusatzversicherung empfohlen, um ab Pflegegrad 4 mehr Pflegetagegeld als üblich zu bekommen. Diesen Vertrag hatte der 77-Jährige abgeschlossen. Doch im Herbst 2019 machte der Versicherungsnehmer von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch, das ihm gemäß den Versicherungsbedingungen nach einer Beitragserhöhung zustand.

Um Geld zu sparen, kündigte er die Zusatzversicherung, obwohl er bereits pflegebedürftig war (Pflegegrad 2). Der Versicherer bestätigte den Eingang des Kündigungsschreibens und informierte den Versicherungsmakler R darüber. Nach einem Beratungsgespräch mit dem Senior schickte R einen Tag später eine E-Mail an den Versicherer, in der er mitteilte, der Versicherte nehme die Kündigung zurück. Darauf ließ sich der Versicherer jedoch nicht ein.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Brandenburg (11 U 155/21). Eine Kündigungserklärung sei nach ihrem Zugang beim Empfänger prinzipiell wirksam — unabhängig davon, ob der Versicherer die Kündigung bestätige oder nicht. Wenn der Versicherungsnehmer die Kündigung "zurücknehme", stelle dies nur das Angebot dar, durch den Abschluss eines neuen Vertrags das Versicherungsverhältnis fortzusetzen. Dieses Angebot könne die Versicherung annehmen oder ablehnen.

Dem Unternehmen sei es auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht verwehrt, an der Kündigung festzuhalten — obwohl sie für den pflegebedürftigen Senior nachteilig sei. Zum einen sei die Versicherung nicht dazu verpflichtet, Kündigungen "auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen".

Zum anderen sei der Versicherungsvertrag für den Versicherungsnehmer angesichts der steigenden Kosten ja tatsächlich nicht nur vorteilhaft. Ob und wann der Senior den versicherten Pflegegrad 4 erreicht hätte, sei nicht vorhersehbar. Vor dem Hintergrund der angekündigten Erhöhung der Versicherungsbeiträge habe es der Versicherer für nachvollziehbar gehalten, dass der Versicherte die Pflegezusatzversicherung beenden wollte.

Verbessertes "Homeoffice"

Ehepaar zog in eine Wohnung mit zwei Arbeitszimmern: Umzugskosten sind steuerlich absetzbar

Als sich im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie ausbreitete, bewohnte das Ehepaar mit seiner fünfjährigen Tochter eine 65 qm große Wohnung ohne Arbeitszimmer. Aufgrund der Pandemie verlagerte sich der Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit mehr und mehr ins "Homeoffice". Deshalb suchten die beiden Angestellten nach einer größeren Wohnung. Im Juli 2020 zogen sie in eine 110 qm große Wohnung mit zwei Arbeitszimmern von je 10,57 qm.

Bei ihrer Einkommensteuererklärung für 2020 machten die Eheleute die Umzugskosten als Werbungskosten geltend. Doch das Finanzamt lehnte dies ab: Die Steuerzahler hätten aus rein privaten Gründen eine größere Wohnung mit höherem Wohnwert bevorzugt.

Deren Klage gegen den Steuerbescheid hatte beim Finanzgericht Hamburg Erfolg (5 K 190/22). Die Umzugskosten seien steuermindernd zu berücksichtigen, entschied das Finanzgericht, denn der Umzug sei durchaus beruflich begründet gewesen.

Seit Beginn der Pandemie habe das Ehepaar zuhause gearbeitet und deshalb eine Wohnung mit zwei zusätzlichen Zimmern ausgewählt. Um ungestört arbeiten zu können, benötige jeder der Partner ein eigenes Arbeitszimmer. Es gebe auch keinen Grund anzunehmen, das Ehepaar habe in erster Linie den Wohnkomfort erhöhen wollen.

Die neue Wohnung sei zwar größer. Andererseits hätten die Partner mit dem Umzug auf eine Terrasse mit Zugang zu einem Gemeinschaftsgarten und damit auf Wohnkomfort verzichtet. Nun könne das Kind nur noch auf einem Balkon spielen. Auch der zeitliche Ablauf der Wohnungssuche spreche dafür, dass der Umzug beruflich veranlasst gewesen sei.

Kosten einer Fettabsaugung sind steuerlich absetzbar

Das gilt aber nur, wenn eine krankhafte physische Störung behandelt wurde

Frau X leidet seit langem an einer krankhaften Störung der Fettverteilung ("Lipödem"), bei der sich das Fett vor allem an Beinen, Hüfte und Gesäß der Betroffenen übermäßig vermehrt. Da konservative Behandlungsmethoden erfolglos blieben, ließ sich die Patientin schließlich auf Anraten ihres Arztes Fett absaugen ("Liposuktion"). Ihre Krankenkasse lehnte es ab, die Kosten des Eingriffs zu übernehmen: Dafür liege keine Empfehlung des "Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen" vor.

Als Frau X die Behandlungskosten bei ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnlichen Aufwand geltend machte, winkte auch das Finanzamt ab: Die Liposuktion sei erstens eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode. Zweitens fehle ein Gutachten des Medizinischen Dienstes zur medizinischen Notwendigkeit des Eingriffs. So eine Bescheinigung hätte vor Beginn der Behandlung ausgestellt werden müssen.

Die Klage der Patientin gegen den Steuerbescheid hatte beim Bundesfinanzhof Erfolg (VI R 39/20). Das oberste deutsche Finanzgericht bescheinigte dem Finanzamt, medizinisch nicht auf der Höhe der Zeit zu sein: Unter Medizinern bestehe schon seit 2016 Einigkeit, dass das Fettabsaugen bei einem Lipödem wirksam und zweckmäßig sei. Darüber gebe es keine nennenswerten Debatten mehr.

Dass der "Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen" das Fettabsaugen noch nicht in das Leistungsverzeichnis der von den Krankenkassen zu finanzierenden Behandlungsmethoden aufgenommen habe, spiele bei der Einkommensteuer keine Rolle. Denn die bei Frau X durchgeführte Liposuktion habe nachweislich nicht kosmetischen Zwecken gedient, sondern sei medizinisch notwendig gewesen.

Daher seien die Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung der Steuerzahlerin steuermindernd zu berücksichtigen. Dafür müsse Frau X weder ein amtsärztliches Gutachten, noch eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegen.

Betriebliche Videokontrolle

Im Kündigungsschutzprozess sind Überwachungsvideos als Beweis zulässig — trotz Datenschutzbedenken

Am Tor zum Werksgelände einer Gießerei war unübersehbar eine Videokamera installiert, die aufzeichnete, wer wann das Gelände betrat und verließ. Einem Arbeitnehmer wurde nach Auswertung der Videoaufnahmen vorgeworfen, er habe das Werksgelände noch vor Schichtbeginn wieder verlassen. Die Mehrarbeitsschicht habe er sich trotzdem vergüten lassen. Wegen Arbeitszeitbetrugs kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Zunächst hatte der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg: Solches Bildmaterial sei nicht "gerichtsverwertbar", fand das Landesarbeitsgericht (LAG). Doch das Bundesarbeitsgericht hat dem LAG in diesem Punkt entschieden widersprochen und den Fall zurückverwiesen (2 AZR 296/22). Dass der Arbeitnehmer das Werksgelände vor Schichtbeginn verlassen habe, stehe fest, so die Bundesrichter.

Davon hätte das LAG bei seiner Entscheidung ausgehen und eventuell auch die betreffende Aufnahme in Augenschein nehmen müssen. So gebe es das EU-Recht vor. Ob die Videokontrolle zu 100 Prozent dem Bundesdatenschutzgesetz entspreche, spiele daher keine Rolle. Auch dann wäre die Aufnahme gerichtsverwertbar: Erstens, weil die Videoüberwachung hier offen und transparent durchgeführt werde. Zweitens, weil es hier um vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers gehe.

Anspruch auf nicht zugelassenes Medikament?

Auch und gerade bei todkranken Versicherten geht die Sicherheit der Arzneimittel vor

Ein 19-jähriger Patient leidet an Duchenne-Muskeldystrophie, einer seltenen, genetisch bedingten Erkrankung, an der die Betroffenen meist schon im frühen Erwachsenenalter sterben. Der Patient ist seit 2015 gehunfähig. Bei seiner Krankenkasse hatte er die Kostenübernahme für das Medikament "Translarna" beantragt. Doch dieses Arzneimittel ist nur für gehfähige Patienten zugelassen.

Mit dieser Begründung lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab: Zwei Anträge des Herstellers, die Zulassung für das Medikament auf "nicht mehr gehfähige Dystrophie-Patienten" zu erweitern, seien aufgrund negativer Bewertungen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur 2019 abgewiesen worden. Daher habe der Versicherte keinen Anspruch auf Kostenübernahme für dieses Arzneimittel.

Das Bundessozialgericht gab der Krankenkasse Recht (B 1 KR 35/21 R). Wenn sich Versicherte wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in einer Notlage befänden, werde in der Regel großzügig entschieden. Häufig bekämen sie sogar Medikamente, deren Wirksamkeit medizinisch noch nicht 100-prozentig belegt sei — sofern wenigstens eine geringe Aussicht auf Heilung oder positiven Einfluss auf die Krankheit bestehe.

Davon könne man aber nicht ausgehen, wenn die Arzneimittelbehörde die Unterlagen eines Pharmaunternehmens im Zulassungsverfahren geprüft und negativ bewertet habe. Dabei spiele es keine Rolle, ob die negative Beurteilung auf einer aussagekräftigen medizinischen Studienlage beruhe oder ob der medizinische Nutzen des Medikaments wegen methodischer Probleme bei der Auswahl der Herstellerdaten nicht bestätigt worden sei.

Auch und gerade bei so schweren Erkrankungen müsse die Arzneimittelbehörde die Patienten vor unkalkulierbaren Risiken schützen. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise gewährleiste das Zulassungsverfahren eine wissenschaftlich einwandfreie und unabhängige Prüfung, inklusive Ausnahmeregeln für Härtefälle. Auf Arzneimittel ohne Zulassung hätten gesetzlich Krankenversicherte daher grundsätzlich keinen Anspruch.

Personalagentur vermittelte Arbeitsvertrag

Arbeitnehmer muss die Provision bei vorzeitigem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht erstatten

Firma A hatte eine Personalagentur damit beauftragt, Mitarbeiter für sie zu suchen. Im Frühjahr 2021 kam so ein Arbeitsvertrag mit Arbeitnehmer B zustande. Die Arbeitgeberin zahlte dem Personaldienstleister die vereinbarte Vermittlungsprovision. Laut Arbeitsvertrag war Herr B verpflichtet, die Provision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.Juni 2022 hinaus bestehen sollte.

Mitarbeiter B passte der neue Job offenbar von Anfang an nicht: Er trat ihn im Mai an und schon zum 30. Juni 2021 kündigte er das Arbeitsverhältnis. Firma A behielt daraufhin schon mal vorsorglich einen Teil seines Gehalts und begründete diesen Schritt damit, dass B ihr ja nun die Provision zurückzahlen müsse. Das ließ sich der Arbeitnehmer jedoch nicht bieten.

B zog vor Gericht und forderte den einbehaltenen Betrag: Die einschlägige Klausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam. So sah es auch das Bundesarbeitsgericht (1 AZR 265/22). Die "Rückzahlungsklausel" schränke das Recht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ein, ohne dass dem ein berechtigtes Interesse der Firma gegenüberstehe.

Grundsätzlich gehöre es zum unternehmerischen Risiko, dass sich Ausgaben für die Rekrutierung von Personal "nicht lohnten". Mitarbeiter B habe sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet. Er sei daher nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber die an den Personaldienstleister gezahlte Vermittlungsprovision zu ersetzen. Die "Rückzahlungsklausel" benachteilige den Arbeitnehmer in unangemessener Weise und sei unwirksam.

Bestellbutton im Online-Handel

Die Aufschrift auf dem Bestellbutton muss die Zahlungspflicht deutlich machen

Erneut zog der Verbraucherzentrale Bundesverband wegen der Gestaltung des Bestellbuttons gegen eine Onlineplattform vor Gericht. Die "Digistore24 GmbH" verkauft im Internet Bücher, Informationsmaterial und Seminare. Um ein Produkt zu bestellen, mussten die Internetnutzer — nach Eingabe der Adressdaten — in der Rubrik "Bezahloptionen" eine Zahlungsmöglichkeit auswählen.

Die grünen Schaltflächen trugen z.B. die Aufschrift "Mit Kreditkarte bezahlen" oder "Bezahlen mit SOFORT-Überweisung". Wer auf eine dieser Schaltflächen klickte, bestätigte damit aber nicht nur die Auswahl des Zahlungsmittels, sondern bestellte gleichzeitig kostenpflichtig das Produkt. Die Schaltflächen seien unzulässig beschriftet, beanstandeten die Verbraucherschützer.

So sah es auch das Landgericht Hildesheim (6 O 156/22). Laut Gesetz dürfe ein Bestellbutton nur mit den Worten "zahlungspflichtig bestellen" oder mit einer ähnlich eindeutigen Formulierung beschriftet sein, betonte das Landgericht. Ein Bestellbutton müsse unmissverständlich darauf hinweisen, dass ein Klick auf die Schaltfläche den Bestellvorgang auslöse.

Formulierungen wie "Mit Kreditkarte bezahlen" seien aber nicht eindeutig. Sie könnten von Verbrauchern auch so verstanden werden, dass sie mit dem Klick nur das Zahlungsmittel auswählten und die Ware noch nicht verbindlich bestellten.

Darüber hinaus verbot das Landgericht der "Digistore24 GmbH", ein Video-Abonnement anzubieten und die wesentlichen Informationen dazu weit entfernt vom Bestellbutton zu platzieren — anstatt vorschriftsmäßig direkt vor der Bestellung. (Das Unternehmen hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Portemonnaie mit EC-Karte und PIN geklaut

War die Geheimzahl gut verschlüsselt notiert, ist dem Bankkunden keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen

In einer italienischen Autobahnraststätte klauten Trickdiebe einem Münchner das Portemonnaie mit EC-Karte. 20 Minuten später hoben sie in einem nahegelegenen Ort zwei Mal 500 Euro von seinem Girokonto ab. Kurz darauf bemerkte der Mann den Verlust und ließ die Karte sperren.

Seine Bank weigerte sich, den Betrag zu ersetzen und buchte zudem elf Euro Gebühren für zwei Auslandsabhebungen ab. Sie warf dem Kunden grobe Fahrlässigkeit vor: Er habe den Dieben den Missbrauch der EC-Karte leicht gemacht, weil er sie zusammen mit der Geheimzahl im Portemonnaie aufbewahrt habe.

Diesen Vorwurf ließ der Mann nicht auf sich sitzen: Er habe die PIN (4438) nur in verschlüsselter Form notiert. Zuerst habe er sie in Primzahlen zerlegt und die gewonnenen Zahlen 2, 7 und 317 hintereinander auf einen Zettel mit einigen Telefonnummern geschrieben. Die Täter hätten die Abhebung gewiss ohne die Geheimzahl bewerkstelligt. Der Kontoinhaber verklagte die Bank auf Erstattung von 1.011 Euro.

Das Amtsgericht München gab ihm Recht (142 C 19233/19). Nur ein Betrag von 150 Euro sei abzuziehen, da die Bank bei Abhebungen mit gestohlenen EC-Karten einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Schadenersatz in dieser Höhe habe. Den restlichen Betrag müsse das Kreditinstitut dem Konto des Kunden gutschreiben, da ihm keine Pflichtverletzung anzukreiden sei. Dass die Täter beim Geldabheben seine Geheimzahl verwendet hätten, sei nicht bewiesen, so das Amtsgericht.

Wenn eine PIN so komplex verschlüsselt sei, dass Diebe sie nach menschlichem Ermessen nicht entschlüsseln könnten, dürfe man sie auch zusammen mit der Zahlungskarte im Portemonnaie aufbewahren. Im konkreten Fall sei die Verschlüsselungsmethode des Bankkunden sogar sehr sicher: Auch dem gerichtlichen Sachverständigen sei es lange nicht gelungen, die Zahlenfolge 27317 zu dechiffrieren und die PIN daraus zu erschließen, obwohl er sogar die Rechenweise des Kunden kannte.

Zudem habe der Mann diese Zahlenfolge auf einem Zettel mit anderen Nummern notiert ohne jeden Hinweis darauf, dass es sich um eine PIN handelte. Wie es den Tätern innerhalb von 20 Minuten hätte gelingen können, die PIN herauszufinden, sei für das Gericht nicht nachvollziehbar. (Die Bank hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)