Geld & Arbeit

Dach ungenügend gedämmt

Hat der Dachdecker die Architekten auf Planungsfehler hingewiesen, muss er für den Werkmangel nicht (mit)haften

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beauftragte ein Architekturbüro, die Sanierung ihres Flachdachs zu planen. Die Arbeiten an der Dachkonstruktion erledigte der Handwerksbetrieb von Dachdecker D. Doch auch nach der Sanierung entsprach die Wärmedämmung des Dachs nicht den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV). Deshalb verlangte die WEG vom Architekturbüro Schadenersatz.

Das Landgericht Flensburg ging von Planungsfehlern der Architekten aus und verurteilte sie dazu, der WEG für die Mängelbeseitigung 93.000 Euro zu zahlen. Die Haftpflichtversicherung der Architekten kam für den Betrag auf und forderte anschließend vom Dachdecker die Hälfte der Schadenssumme: Der Handwerker habe schließlich das mangelhafte Werk ausgeführt. Das Landgericht Flensburg wies die Klage ab (2 O 278/20).

Grundsätzlich müssten Architekten und ausführende Unternehmen für einen Werkmangel zu gleichen Teilen haften, räumte das Landgericht ein. Im konkreten Fall gelte das aber nicht. Denn der Handwerker habe die Architekten nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die ausgeschriebene Dämmung die Anforderungen der EnEV nicht erfülle. Wie das Protokoll einer Baustellenbesprechung mit dem Architekturbüro belege, habe der Dachdecker aus diesem Grund eine Vakuumdämmung empfohlen. Dies sei abgelehnt worden.

Zudem habe der Handwerksbetrieb auch ein Nachtragsangebot vorgelegt, das den Einbau einer stärkeren, besseren Dämmung vorsah. Doch die WEG sei nicht bereit gewesen, die Mehrkosten zu tragen. Um deren Mitverschulden gehe es in diesem Verfahren aber nicht, sondern nur um die Haftungsaufteilung zwischen Architekten und Handwerksbetrieb. Der Dachdecker habe letztlich so gearbeitet, wie von den Architekten vorgegeben.

Das Architekturbüro hätte die Bauherrin über die fachgerechte Ausführung der Dämmmaßnahmen beraten und über die Nachteile der gewählten Lösung aufklären müssen. Da der Handwerker vor dieser gewarnt habe ("nicht fachgerecht"), reiche dies jedenfalls aus, um die Haftung für den Werkmangel vollständig auf das Architekturbüro zu "verlagern".

Krankentransport verzögert?

Die Reisekrankenversicherung schuldet einen Transport erst, wenn die versicherte Person objektiv transportfähig ist

Frau S verreiste gerne und hatte deshalb eine so genannte Personenassistanceversicherung abgeschlossen. Das ist eine Auslandsreisekrankenversicherung, die u.a. Leistungen umfasst wie "medizinische Notrufhotline", "weltweit professionelles Notfallmanagement" und im Notfall auch die Organisation eines medizinisch sinnvollen Krankentransports während einer Reise.

Bei einer Gruppenreise erkrankte Frau S: Wegen Bauchschmerzen und anhaltender Übelkeit brachte sie der Reiseleiter in die nächstgelegene Klinik. Dort erfolgten einige Untersuchungen, allerdings ohne klare Diagnose. Dr. Z, der Reiseleiter, rief ihre Reisekrankenversicherung an und teilte mit, die Gruppe reise nun in die Stadt H weiter. Frau S wolle mit einem privat organisierten Bus ins dortige Krankenhaus fahren.

Vorher müsse die Versicherung Kontakt zu den behandelnden Ärzten der Klinik aufnehmen, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, antwortete die zuständige Mitarbeiterin. Erst nach einigen Verhandlungen wurde Versicherungsnehmerin S ins Krankenhaus H verlegt. Dort wurde ein Blinddarmdurchbruch festgestellt und operiert. Später verlangte Frau S von der Versicherung Schmerzensgeld für gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schadenersatz für Folgekosten.

Für ihren Vorwurf, die Versicherung habe den Krankentransport zu spät veranlasst und damit den Versicherungsvertrag verletzt, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen keine Anhaltspunkte (3 U 16/21). Unbestritten habe es sich um einen medizinischen Notfall gehandelt, stellte das OLG fest. Schon vor der Kontaktaufnahme mit der Versicherung war Frau S mit massiven Krämpfen in der Klinik. Einen Krankentransport im Ausland könne die Versicherung aber erst organisieren, wenn die versicherte Person objektiv transportfähig sei.

Andernfalls wäre ein Transport nicht zu rechtfertigen. Hilfe bei dessen Organisation könne die Versicherung nur auf Basis einer Abstimmung mit den ausländischen Ärzten leisten. Das Unternehmen sei nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, mit ihnen diese Frage zu klären. Aus der Ferne könne niemand beurteilen, ob ein Transport medizinisch sinnvoll und vertretbar sei. Mit den Ärzten habe die Versicherung sofort Kontakt aufgenommen, die Prüfung der Lage also keineswegs verzögert.

Versicherungsnehmer könnten nicht erwarten, dass das Versicherungsunternehmen ohne verlässliche Informationen zur Transportfähigkeit über einen Krankentransport entscheide. Bei einem privat organisierten Transport wäre das Risiko erst recht unkalkulierbar gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass es gerade wegen der Fahrt nach H zum Blinddarmdurchbruch gekommen sein könnte. Sollten vorher die Klinikärzte eine Blinddarmentzündung übersehen haben, wäre das ohnehin nicht von der Versicherung zu vertreten.

Erbschaft des Bruders angenommen

Die Annahme kann der Erbe nicht wegen eines Irrtums über die Erbschaftssteuer anfechten

In seinem Testament hatte ein (lediger, kinderloser) Mann die Mutter und seinen Bruder jeweils zur Hälfte als Erben eingesetzt. Die Erben beantragten und erhielten nach seinem Tod einen entsprechenden Erbschein. Kurz darauf wollte jedoch der Bruder die Annahme der Erbschaft rückgängig machen.

Als er den Erbschein beantragte, habe er über die Höhe der Erbschaftssteuer nicht Bescheid gewusst, teilte er dem Nachlassgericht mit: Er sei von wesentlich höheren Steuerfreibeträgen ausgegangen. Inzwischen habe er herausgefunden, dass es viel günstiger gewesen wäre, die Erbschaft auszuschlagen. Dann wäre sein Erbteil zunächst der Mutter und nach deren Tod ihm zugefallen — mit einem viel höheren Freibetrag.

Es bleibe bei dem ausgestellten Erbschein, entschied das Nachlassgericht. Erfolglos legte der Erbe dagegen Beschwerde ein: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (10 W 125/21). Möglicherweise wäre es für ihn tatsächlich steuerlich günstiger gewesen, die Erbschaft erst einmal auszuschlagen, um später Alleinerbe der Mutter zu werden, räumte das OLG ein.

Mit der Begründung, die Erbschaftssteuer unterschätzt zu haben, könne er jedoch seine Willenserklärung - die Annahme der Erbschaft - nicht zurücknehmen. Grundsätzlich könne eine Willenserklärung nur angefochten werden, wenn sich der Erklärende über deren Inhalt geirrt habe und diese zu wesentlich anderen Rechtsfolgen führe. Ein Irrtum über die Höhe der Erbschaftssteuer, die sich aus einer Erbschaft ergebe, gehöre jedoch nicht zu den zulässigen Gründen einer Anfechtung.

Sind die finanziellen Folgen einer Erbschaft zweifelhaft, sollten sich potenzielle Erben also besser beraten lassen, bevor sie sie annehmen.

Ehemann will sein Einkommen nicht offenlegen

Von der Auskunftspflicht im Scheidungsverfahren kann man sich nicht mit hoher Zahlung freikaufen

In einem Scheidungsverfahren ging es unter anderem um die Höhe des nachehelichen Unterhalts für die Ehefrau. Sie verlangte vom Ehemann Auskunft über sein Einkommen, doch das wollte er auf keinen Fall offenlegen. Um die Frau milde zu stimmen, überwies ihr der vermögende Gatte eine Million Euro.

Gleichzeitig teilte er mit, die Summe sei mit "etwaigen Ansprüchen auf Trennungs- und gegebenenfalls nachehelichen Unterhalt zu verrechnen" und als Vorauszahlung auf den Zugewinnausgleich anzusehen. Mit diesem Betrag sei ihr Unterhaltsbedarf ja wohl für längere Zeit gedeckt.

Mit der Verrechnung sei sie einverstanden, erklärte die Frau, dennoch bestehe sie auf der Auskunft. Ein Unterhaltsanspruch sei trotz dieser Zahlung nicht ausgeschlossen. Ohne Auskunft könne sie ihre Ansprüche nicht einschätzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab der Ehefrau Recht (5 UF 197/21).

Schließlich habe der Gatte sie dazu aufgefordert, die hohe Einmalzahlung mit Unterhalt und Zugewinnausgleich zu verrechnen. Dazu müsse die Ehefrau aber erst einmal ihren Unterhaltsanspruch kennen. Wenn es darum gehe, den Unterhaltsbedarf der Partnerin zu ermitteln, sei die Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Von dessen Einkommen hänge es auch ab, ob und wie lange der Unterhalt zeitlich befristet werde.

Im Scheidungsverfahren entfalle die Auskunftspflicht des/der Unterhaltspflichtigen nur, wenn von vornherein zweifelsfrei feststehe, dass kein Unterhaltsanspruch des Partners/der Partnerin bestehe.

Verkehrt herum durch die Einbahnstraße

Kann sich die Autofahrerin trotzdem auf den Grundsatz "rechts-vor-links" berufen?

Autofahrerin A bog langsam nach links in eine Einbahnstraße ein. Da kam ihr der Wagen von Autofahrerin B entgegen, der die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr. Die beiden Autos stießen zusammen. Autobesitzer A verlangte von Autofahrerin B, d.h. von deren Kfz-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz für die Reparatur seines beschädigten Autos.

Die Gegenpartei müsse nur die Hälfte der Kosten ersetzen, entschied das Landgericht Wuppertal. Mehr stehe Autobesitzer A nicht zu, denn seine Ehefrau habe zu dem Unfall in gleichem Maß beigetragen wie Frau B (9 S 48/22). Frau A habe nämlich gegen das Gebot "rechts-vor-links" verstoßen. Laut Unfallgutachten hätte sie den Zusammenstoß vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut hätte.

Das Vorfahrtsrecht der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmerin werde nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahre. Das gelte schon deshalb, weil Fahrradfahrer diese Einbahnstraße in beiden Richtungen nutzen dürften. Ein Radfahrer, der die Einbahnstraße zulässigerweise in der Gegenrichtung befahre, habe also ebenfalls Vorfahrt.

Wer nach links in die Einbahnstraße einbiege, müsse daher mit von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Radfahrern rechnen und dürfe nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug komme. So eine Annahme sei allenfalls bei völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straßen gerechtfertigt.

Kostenklausel im Behandlungsvertrag

Patientin sollte Honorarforderungen nicht an ihre private Krankenversicherung abtreten

Eine Patientin wurde zwei Mal an der Wirbelsäule operiert. Ihre Behandlungsverträge enthielten folgende Klausel: "Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung bzw. Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet."

Der Chirurg stellte der Patientin einmal 13.742 Euro, einmal 13.200 Euro in Rechnung. Die Frau bezahlte beide Rechnungen und reichte sie bei ihrer privaten Krankenversicherung ein. Die Versicherung beanstandete zahlreiche Kostenpositionen, erstattete der Versicherungsnehmerin jedoch die bezahlten Beträge im von der Versicherungspolice gedeckten Umfang. Anschließend forderte sie vom Mediziner Teilbeträge zurück.

4.719,92 Euro müsse er zurückzahlen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 143/21). Prinzipiell sei es so: Könne der Versicherungsnehmer gegen einen behandelnden Arzt Ersatzansprüche geltend machen, gingen die Ansprüche auf die Krankenversicherung über, soweit sie die Kosten erstattet habe. Ärzte dürften Patienten nicht generell verbieten, der Krankenversicherung solche Ansprüche abzutreten: Die einschlägige Vertragsklausel benachteilige Patienten unangemessen und sei unwirksam.

Zwar sei die Patientin im Behandlungsvertrag auf das mögliche Risiko hingewiesen worden, dass sie eventuell die Kosten selbst tragen müsse. Es werde auch empfohlen, vor der Behandlung die Kostenfragen mit der Versicherung abzuklären. Dennoch müssten Patienten mit so einem umfassenden Verbot nicht rechnen. Es sei überraschend, weil es sich nicht nur auf die ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen beziehe, sondern auf alle "Forderungen aus der Behandlungsrechnung".

Bei Operationen könnten aber Komplikationen auftreten und kurzfristig weitere Leistungen notwendig machen. Die Tragweite des Verbots sei für durchschnittlich informierte Patienten nicht zu durchschauen. Im Unterschied zum Arzt und zur Krankenversicherung verfügten sie nicht über die notwendige Sachkunde, um zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet worden sei oder nicht.

Würde man die Vertragsklausel akzeptieren, müssten Patienten eventuell unberechtigte Forderungen zumindest vorläufig selbst begleichen oder sich dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arzt aussetzen. Das sei unzumutbar — erst recht in Bezug auf Leistungen, die im Behandlungsvertrag nicht erfasst seien und deren Art und Umfang Patienten nicht annähernd absehen könnten.

Gesundheitsbedingt einmal pro Woche im Homeoffice

Kosten des häuslichen Arbeitszimmers sind dann begrenzt steuerlich abziehbar

Ein Ehepaar machte bei der Einkommensteuererklärung Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Begründung: Die Ehefrau müsse aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen mindestens an einem Arbeitstag pro Woche im Homeoffice arbeiten. Ansonsten würde sich ihr Gesundheitszustand verschlechtern.

Das Finanzamt lehnte es jedoch ab, die Kosten des Arbeitszimmers vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Voraussetzung dafür sei, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Berufstätigkeit darstelle und dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. In dem Unternehmen, für das die Ehefrau tätig sei, gebe es jedoch für sie einen Arbeitsplatz. Sie nutze ihn nur nicht jeden Tag, aus subjektiven Gründen.

Mit diesem Argument war das Finanzgericht Berlin-Brandenburg nicht einverstanden (5 K 5138/21). Entscheidend sei doch, ob man es der Steuerzahlerin zumuten könne, den Arbeitsplatz im Betrieb an jedem Arbeitstag zu nutzen. Laut ärztlichem Attest solle die Frau, um langfristig ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten, an einzelnen Tagen ihrem Beruf zu Hause nachgehen.

Deshalb könne man der Steuerzahlerin den Abzug der Werbungskosten nicht verweigern. Sie könne die Ausgaben für das häusliche Arbeitszimmer steuerlich geltend machen, allerdings begrenzt auf 1.250 Euro pro Jahr. Denn das häusliche Arbeitszimmer bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Arbeitnehmerin.

Unbrauchbares Kfz-Schadensgutachten

Muss die Versicherung des Unfallverursachers das Gutachten trotzdem bezahlen?

Das alte Auto von Herrn X wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt, den eindeutig der Unfallgegner verschuldet hatte. Trotzdem kam es zum Streit über die Höhe des zu regulierenden Schadens. Denn der Privatgutachter des Unfallgeschädigten schätzte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 7.000 Euro viel zu hoch ein. Zudem hatte X den Kfz-Sachverständigen nicht über Vorschäden am Auto informiert, die er in Eigenregie repariert hatte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war der Ansicht, dass sie für das missratene Gutachten gar nichts zahlen musste. Doch das Landgericht Essen sprach Autobesitzer X Schadenersatz für die Gutachtenkosten zu (696 Euro) sowie 4.471 Euro für den Fahrzeugschaden. Dabei ging das Gericht von einem Wiederbeschaffungswert von nur 2.200 Euro aus.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (I-7 U 33/21). Die Fehleinschätzungen des Privatgutachters seien nicht dem Unfallgeschädigten anzulasten, so das OLG. Träfe das zu, wäre sein Anspruch auf Ersatz der Gutachtenkosten ausgeschlossen. Dass Herr X seinem Sachverständigen die Vorschäden an der Front und am vorderen rechten Kotflügel verschwieg, habe aber dessen Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes überhaupt nicht beeinflusst.

Der gerichtliche Kfz-Experte habe erläutert, dass ein durchschnittliches Fahrzeug mit diesem Alter und dieser Laufleistung bereits an einem Punkt angekommen sei, an dem kein großer Wertverlust mehr eintreten könne. Daher spielten kleinere Vorschäden bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts kaum noch eine Rolle. Z.B. habe der gerichtliche Kfz-Experte selbst, als er den Wiederbeschaffungswert auf 2.200 Euro taxierte, für einen Streifschaden einen Abschlag bei den Lackierkosten vorgenommen, der sich auf 21,25 Euro belief.

Viele Urlaubstage nicht genommen

Der Anspruch auf bezahlten Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren

Von 1996 bis Juli 2017 arbeitete eine Steuerfachangestellte für ihre Arbeitgeberin, eine Steuerkanzlei. Pro Jahr standen ihr 24 Arbeitstage Erholungsurlaub zu. Doch die 24 Tage konnte sie wegen des "hohen Arbeitsaufwands in der Kanzlei" fast nie voll nutzen: Von 2012 bis 2017 bekam die Angestellte nur 95 Tage Urlaub. Als das Arbeitsverhältnis endete, zahlte ihr die Kanzlei eine Abgeltung für 14 nicht genommene Urlaubstage im Jahr 2017: 3.201 Euro brutto.

Damit begnügte sich die Frau jedoch nicht: Sie verlangte von der Arbeitgeberin Geld für rund 100 nicht genommene Urlaubstage in den letzten sechs Jahren. Als die Kanzlei erklärte, ihre Urlaubsansprüche seien verjährt, erhob die Ex-Angestellte Klage. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Arbeitgeberin dazu, weitere 90 nicht genommene Urlaubstage finanziell auszugleichen. Gegen das Urteil ging die Steuerkanzlei erfolglos in Revision.

Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte sich auf die Seite der Arbeitnehmerin und setzte damit Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs um (9 AZR 266/20). Zwar verjähre der Anspruch von Arbeitnehmern auf bezahlten Jahresurlaub im Prinzip nach drei Jahren, so das BAG. Doch die Drei-Jahres-Frist beginne nicht zwangsläufig mit dem Ende des Jahres, in dem Arbeitnehmer eigentlich Urlaub hätten nehmen müssen.

Vielmehr laufe die Frist erst ab dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und dessen Verfallfristen informiert habe. Zu diesen Hinweisen seien Arbeitgeber gemäß EU-Recht verpflichtet. Erst wenn Arbeitnehmer trotz korrekter Information über ihre Rechte freiwillig auf den Jahresurlaub verzichteten, beginne die Verjährungsfrist.

Im konkreten Fall habe es die Steuerkanzlei versäumt, die Arbeitnehmerin zu informieren und so dafür zu sorgen, dass diese ihren Urlaubsanspruch rechtzeitig wahrnehmen konnte. Daher treffe der Einwand der Arbeitgeberin nicht zu, dass der Anspruch der Angestellten auf Urlaubsabgeltung schon während des laufenden Arbeitsverhältnisses verjährt gewesen sei.

Dysfunktionale Rollladenkästen, mangelhafte Fliesen

Nur Handwerkerfehler oder auch mangelhafte Bauüberwachung durch die Architekten?

Mit der Planung ihres Einfamilienhauses beauftragten die Bauherren ein Architekturbüro, das auch die Bauüberwachung übernahm. Als der Neubau fertiggestellt war, stellten sich u.a. Mängel an den Rollladenkästen und an den Fliesen in der Küche heraus. Bei den Fliesen zeigten sich Hohlräume, der Fugenmörtel platzte teilweise ab.

Die Auftraggeber verklagten nicht nur die beteiligten Handwerksfirmen, sondern auch das Architekturbüro auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die nötige Sanierung. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Brandenburg: Handwerksfirmen und Architekturbüro hafteten gemeinsam für die Kosten der Mängelbeseitigung (12 U 100/21).

Bauüberwachende Architekten müssten sicherstellen, dass Rollladenkästen gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik ausgeführt werden. Die Mängel in der Küche habe der gerichtliche Sachverständige darauf zurückgeführt, dass die Fliesen zu früh verlegt worden seien. Offenkundig habe sich der Fliesenleger vor dem Beginn der Arbeiten nicht vergewissert, ob der Untergrund dafür schon geeignet, vor allem trocken genug war.

Auch für diesen Fehler sei das Architekturbüro mitverantwortlich: Es habe gegen die Pflicht zur Bauüberwachung verstoßen und nicht kontrolliert, ob der Handwerksbetrieb diese, beim Verlegen von Fliesen zwingend erforderliche Vorprüfung des Untergrunds vorgenommen habe.

Sturm reißt Efeu von der Fassade

Muss die Gebäudeversicherung einspringen, wenn dadurch eine Giebelwand beschädigt wird?

Seit rund 30 Jahren rankte sich Efeu flächendeckend an der Giebelwand eines Einfamilienhauses empor. Bei einem Unwetter mit Starkregen und Sturm im Sommer 2021 wurde der Efeu von der Fassade abgerissen und dadurch die Mauer beschädigt. Der Hauseigentümer ließ die Pflanzen mitsamt den Wurzeln entfernen, die Wand abschleifen und die Fassade sanieren. Rund 22.000 Euro gab er für die Arbeiten aus.

Die Wohngebäudeversicherung des Hauseigentümers weigerte sich, den Schaden zu regulieren und verwies auf ihre Versicherungsbedingungen: Versichert seien nur Schäden, die durch unmittelbare Einwirkung eines Sturmes auf versicherte Sachen verursacht würden oder wenn ein Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen werfe.

Ohne Erfolg verklagte der Versicherungsnehmer das Unternehmen auf Zahlung. Das Landgericht Bochum gab der Versicherung Recht und das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidung (20 U 173/22). Der Sturm habe weder Gegenstände auf die Fassade geschleudert, noch habe er direkt auf die Gebäudewand eingewirkt. Die Wand sei vielmehr dadurch beschädigt worden, dass der Sturm den Efeubewuchs von der Fassade gerissen habe.

Das stelle aber keine direkte Einwirkung des Sturms auf die versicherte Gebäudewand dar. Und der Efeu selbst sei keine versicherte Sache: Pflanzen zählten nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht zu den versicherten Bestandteilen des Gebäudes.

Eigentumswohnung verkauft

Unter welchen Bedingungen ist der "Veräußerungsgewinn" steuerfrei?

Die Mutter dreier Söhne hatte für die Kinder an deren Studienort eine Wohnung gekauft. Die zwei älteren Söhne wohnten hier während des Studiums, der jüngste nur gelegentlich. Sechs Jahre nach dem Erwerb verkaufte die Frau die Eigentumswohnung mit Gewinn weiter. Den musste sie nach Ansicht des Finanzamts versteuern. Die Steuerzahlerin war dagegen der Meinung, der Gewinn sei steuerfrei: Schließlich habe es sich um eine selbst genutzte Immobilie gehandelt.

Der Bundesfinanzhof entschied den Streit zu Gunsten der Finanzbehörde (IX R 28/21). Grundsätzlich gelte: Wenn eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb gewinnbringend verkauft werde, sei der Gewinn steuerpflichtig.

Die Steuerpflicht entfalle nur, wenn der Eigentümer die Immobilie — mindestens in den zwei Jahren vor dem Verkauf — selbst bewohnt habe. Sei die Immobilie von den eigenen Kindern unentgeltlich genutzt worden, sei der Gewinn ebenfalls steuerfrei.

Doch das gelte nicht uneingeschränkt, sondern nur in Bezug auf Kinder, für die zum Zeitpunkt des Verkaufs der Immobilie noch Kindergeld gezahlt werde. Kindergeldberechtigt seien minderjährige Kinder oder volljährige Kinder bis zum 25. Geburtstag, wenn sie studierten oder eine Berufsausbildung absolvierten.

Die beiden älteren Söhne der Steuerzahlerin, die während des Studiums hauptsächlich die Eigentumswohnung bewohnten, seien aber zum Zeitpunkt des Verkaufs der Wohnung bereits 27 Jahre alt gewesen. Es reiche nicht aus, wenn nur eines von drei Kindern, die die betreffende Immobilie bewohnten, kindergeldberechtigt sei — zumal dieser Sprössling die Immobilie kaum genutzt habe. Die Wohnungsverkäuferin müsse daher den Veräußerungsgewinn versteuern.

Wohnungseigentümer trennten sich

Der Mann trägt zum Unterhalt bei, indem er der Frau die Wohnung überlässt: steuerlich abziehbare Sonderausgabe

Ein Paar mit zwei Kindern hatte in einer 200 qm großen Eigentumswohnung gewohnt, die beiden Partnern gemeinsam gehörte. 2015 trennten sie sich: Der Mann zog aus, die Frau blieb mit den Kindern in der Familienwohnung. Gemäß einer notariellen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung sollte der Mann seiner Frau bis zur Scheidung 600 Euro Trennungsunterhalt pro Monat zahlen.

Ihr finanzieller Vorteil durch das Überlassen der Wohnung — mit 400 Euro kalkuliert — wurde mit dem Trennungsunterhalt verrechnet, so dass der Mann noch 200 Euro Unterhalt zu zahlen hatte.

Mit ihrem Einverständnis machte er die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung geltend. 2018 beantragte der Mann beim Finanzamt, erhöhte Unterhaltsleistungen (12.066 Euro) zu berücksichtigen, weil der tatsächliche Mietwert seines Wohnungsanteils mit 818 Euro monatlich anzusetzen sei. Finanzamt und Finanzgericht lehnten den Antrag ab: Der Steuerzahler habe die Wohnung seiner Frau gegen Entgelt überlassen, das sei eine Art von Mietverhältnis und kein Unterhalt.

Der Bundesfinanzhof sah das anders und gab dem Steuerzahler Recht (X R 33/20). Laut Scheidungsfolgenvereinbarung werde Trennungsunterhalt gezahlt und mit dem Wohnvorteil verrechnet — von Mietzahlung sei da nicht die Rede. Der Mann leiste den Unterhalt eben, indem er der Frau die Wohnung, die ihm zur Hälfte gehöre, überlasse, ohne Miete zu verlangen.

Wenn ein Partner dem anderen nach der Trennung die gemeinsame Eigentumswohnung ohne Entgelt überlasse, sei dies als Sonderausgabe zu bewerten. Die Sonderausgabe sei mit Zustimmung des Partners bis zur Höhe von 13.805 Euro pro Jahr vom zu versteuernden Einkommen abziehbar.

Auch wenn in der Unterhaltsvereinbarung der Wohnvorteil nur mit 400 Euro kalkuliert worden sei, sei steuerrechtlich die ortsübliche Miete anzusetzen. Ob die wirklich bei 818 Euro für 100 qm liege, müsse das Finanzgericht noch prüfen.

Betriebsbedingte Kündigungen nach der Firmenpleite

Was für eine Rolle spielt das Lebensalter bei der Sozialauswahl?

Seit 1972 arbeitete eine 65-jährige Angestellte für ein Unternehmen, das Anfang 2020 Insolvenz anmelden musste. Der Insolvenzverwalter traf mit dem Betriebsrat eine soziale Auswahl unter den 396 Arbeitnehmern: Wer kommt am ehesten für eine betriebsbedingte Kündigung in Frage? 61 Namen standen auf der Liste, darunter der Name der 65-Jährigen. Der Insolvenzverwalter kündigte ihr zum 30. Juni 2020.

Begründung: Sie sei in ihrer Vergleichsgruppe sozial am wenigsten schutzwürdig. Denn die Arbeitnehmerin habe aufgrund ihres Alters als einzige die Möglichkeit, schon bald nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses (ab 1. Dezember 2020) eine Altersrente zu beziehen — nämlich die Altersrente für besonders langjährig Versicherte, die mindestens 63 Jahre alt sind und 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben (Sozialgesetzbuch VI, § 236b).

Nach weiteren Verhandlungen mit dem Betriebsrat kündigte der Insolvenzverwalter der Frau vorsorglich erneut zum 30. September 2020. Die Arbeitnehmerin erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte die erste für unwirksam, die zweite Kündigung jedoch für wirksam (6 AZR 31/22). Sinn der sozialen Auswahl sei es, den Arbeitnehmern zu kündigen, die sozial am wenigsten schutzbedürftig seien. Zu berücksichtigen seien dabei das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers.

Das Lebensalter sei ein zwiespältiges Auswahlkriterium: Einerseits steige die Schutzbedürftigkeit mit dem Alter, weil ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen hätten. Andererseits sinke sie kurz vor der Rente, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine abschlagsfreie Rente wegen Alters beziehen könne. Diesen Umstand habe der Insolvenzverwalter zum Nachteil der Arbeitnehmerin berücksichtigen dürfen.

Dennoch sei die erste Kündigung unwirksam, weil der Insolvenzverwalter die 65-Jährige nur wegen ihrer "Rentennähe" ausgewählt und die anderen Auswahlkriterien "Betriebszugehörigkeit" und "Unterhaltspflichten" ignoriert habe. Das sei grob fehlerhaft gewesen. Die zweite Kündigung dagegen habe das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2020 wirksam aufgelöst.

Automatische Zustimmung zu neuen "Bank-AGB"?

Bankkunden, die ihr Girokonto nutzen, billigen damit nicht zugleich Vertragsänderungen

Im Mai und im Juli 2022 schrieb die Sparda-Bank Hannover ihren Kunden und bat sie darum, neuen Vertragsbedingungen ausdrücklich zuzustimmen. Die Kunden, die darauf nicht reagierten, erhielten im September erneut Post von der Bank. In diesen Schreiben teilte die Sparda-Bank mit, sie werde nun die weitere Nutzung des Kontos als Zustimmung werten: z.B. wenn der Verbraucher Geld überweise, am Automaten Geld abhebe oder dem Rechnungsabschluss nicht widerspreche.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband beantragte bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen diese "aggressive geschäftliche Handlung der Bank". Kunden müssten Vertragsänderungen aktiv zustimmen. Von automatischer Zustimmung auszugehen, sei unzulässig: So ein Vorgehen benachteilige die Verbraucher in unangemessener Weise.

Das sei als Wettbewerbsverstoß anzusehen, fand das Landgericht Hannover, und untersagte der Sparda-Bank diese Praxis (13 O 173/22). Allein dadurch, dass sie ihr Girokonto nutzten, billigten Bankkunden nicht automatisch irgendwelche Vertragsänderungen. Vielmehr müssten sie neuen Vertragskonditionen prinzipiell ausdrücklich zustimmen. Das habe der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil zu unzulässigen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) klargestellt (BGH-Urteil vom 27.4.2021, onlineurteile-Artikel Nr. 56828).

Tipp der Verbraucherschützer: Bankkunden mit vergleichbaren Problemen können sich an ihr Beschwerdepostfach wenden: verbraucherzentrale.de

Wegen Fuchs am Straßenrand abrupt gebremst

Die vorausfahrende Autofahrerin trifft deshalb Mitverschulden am Auffahrunfall

Im April 2021 waren zwei Autofahrerinnen hintereinander auf einer oberbayerischen Landstraße unterwegs. Plötzlich tauchte am Straßenrand ein Fuchs auf. Die Fahrerin des vorderen Wagens befürchtete, er könnte auf die Straße springen. Deshalb bremste sie ihren Skoda so abrupt ab, dass der nachfolgende Wagen auffuhr.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Auffahrenden ersetzte nur zwei Drittel der Skoda-Reparaturkosten. Damit wollte sich die Skoda-Besitzerin nicht begnügen. Sie klagte auf Schadenersatz in voller Höhe: Schließlich gehe ein Auffahrunfall regelmäßig auf das Konto des Auffahrenden.

Doch das Amtsgericht Pfaffenhofen wies die Klägerin auf Paragraf 4 der Straßenverkehrsordnung hin: Wer vorausfahre, dürfe nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen (1 C 130/22).

"Zwingend" bedeute: Starkes Bremsen sei nur erlaubt, um Verkehrsteilnehmer vor drohenden Sach- und Personenschäden zu schützen. Wenn ein Fuchs am Straßenrand aufkreuze, drohe aber kein Schaden. Dann habe der Schutz des nachfolgenden Verkehrs Vorrang vor dem Schutz eines Kleintieres. Auf ein Tier, das für sie und das Auto keine Gefahr darstelle, dürfe die Autofahrerin nur Rücksicht nehmen, wenn das möglich sei, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.

In so einer Situation eine Vollbremsung einzuleiten, sei rechtswidrig — die Skoda-Besitzerin treffe daher erhebliches Mitverschulden am Auffahrunfall. Daher könne die Unfallgeschädigte nicht mehr Schadenersatz verlangen, als ohnehin schon gezahlt worden sei. Das gelte jedenfalls dann, wenn — wie hier — die nachfolgende Autofahrerin nachweislich ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe.

Luxusschuh-Kopien bei Amazon im Angebot

Onlinehändler kann u.U. dafür haften, wenn andere Unternehmen das Markenrecht verletzen

Das Markenzeichen der exquisiten Damenschuhe aus dem Hause Louboutin sind rote Sohlen — sie sind in der EU als Marke geschützt. Der Designer von Luxusschuhen hat nun den Onlinehändler Amazon wegen Verletzung seiner Markenrechte verklagt: Auf der Amazon-Webseite wird nämlich regelmäßig für Schuhe mit roter Sohle geworben, die nicht von Louboutin stammen und ohne seine Genehmigung verkauft werden.

Amazon wies den Vorwurf weit von sich: Betreiber von Online-Marktplätzen seien für die Werbeanzeigen anderer Unternehmen nicht verantwortlich.

Unter Umständen hafte der Onlinehändler sehr wohl für Markenrechtsverletzungen Dritter, entschied jedoch der Europäische Gerichtshof (C-148/21 und C-184/21). Das hänge von der Gestaltung der Webseite ab.

Wenn diese so aussehe, dass sich Internetnutzern der Eindruck aufdränge, die edlen Pumps würden in Amazons Namen und auf Rechnung des Onlinehändlers verkauft, könne man davon ausgehen, dass der Onlinehändler das eingetragene — d.h. geschützte — Markenzeichen von Louboutin selbst benutze.

Das wäre unter folgenden Voraussetzungen der Fall: wenn die Anzeigen auf der Amazon-Webseite einheitlich gestaltet seien; wenn der Onlinehändler in und neben den Anzeigen von Drittunternehmen auch sein eigenes Händlerlogo präsentiere; wenn Amazon zudem die Schuhe lagere und verschicke.

Ob das auch in den beiden konkreten Fällen zutreffe, also tatsächlich eine Verletzung des Markenrechts von Louboutin vorliege, müssten die nationalen Gerichte in Belgien und Luxemburg entscheiden.

Ausbildungsdarlehen des Arbeitgebers

Ob ein Pilot 60.000 Euro zurückzahlen musste, hing vom Zugang einer E-Mail ab

Ein künftiger Pilot erhielt von einer großen deutschen Fluggesellschaft ein Darlehen von 60.000 Euro: Das war der geforderte Eigenanteil an der Pilotenausbildung, den der Mann nicht selbst hätte finanzieren können. Vertraglich wurde vereinbart, dass die Airline auf die Rückzahlung des Darlehens verzichten würde — für den Fall, dass sie dem Mann nicht innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der Ausbildung die Übernahme in ein "Cockpit-Arbeitsverhältnis" anbieten könne.

Die Ausbildung schloss der "Flugführer" am 26.10.2013 ab, demnach endete die Frist für das Arbeitsangebot am 26.10.2018. Ein entsprechendes Schreiben des Flugunternehmens erreichte den Piloten erst am 27.10. Doch die Airline pochte darauf, sie habe am vorletzten Tag der Frist eine E-Mail mit einem Arbeitsangebot abgeschickt. Der Pilot wurde eingestellt und musste in Raten von 500 Euro pro Monat das Ausbildungsdarlehen abstottern.

Nach fast zwei Jahren forderte er die Raten zurück und den Erlass des restlichen Darlehens: Der Arbeitgeber habe die vereinbarte Frist für das Arbeitsangebot nicht gewahrt: Am 25.10. und am 26.10.2018 sei ihm keine E-Mail dieses Inhalts zugegangen. Das Landesarbeitsgericht Köln gab dem Arbeitnehmer Recht (4 Sa 315/21).

Die Fluggesellschaft behaupte, das Schreiben als Anhang einer E-Mail am 25.10.2018 an die Mailadresse des Piloten gesendet zu haben. Dass eine E-Mail verschickt worden sei, belege jedoch nicht, dass sie dem Empfänger auch zugegangen sei. Das sei vielmehr ungewiss. Wie auch bei Briefpost sei es technisch möglich, dass eine Nachricht nicht ankomme: Dieses Risiko müsse nicht der Adressat der E-Mail tragen.

Der Versender einer E-Mail (hier: der Arbeitgeber) entscheide, auf welche Art er dem Empfänger seine Willenserklärung (hier: das Angebot auf einen Arbeitsvertrag) übermittle. Daher trage der E-Mail-Versender auch das Risiko, dass die Nachricht möglicherweise nicht ankomme. Zudem könne der Absender dieses Risiko ohne Weiteres vermeiden. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht habe, hätte der Arbeitgeber nur eine Lesebestätigung anfordern müssen.

Ein Autoreifen bei Verkehrsunfall beschädigt

Muss die Kfz-Versicherung trotzdem für den Austausch beider Vorderreifen zahlen?

Bei einem Verkehrsunfall wurde der Skoda Oktavia einer Autofahrerin an der Front demoliert. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernahm im Wesentlichen die Reparaturkosten von rund 6.000 Euro. Gestritten wurde unter anderem über die Reifen: Auch der linke Vorderreifen war bei dem Zusammenstoß beschädigt worden.

Die Werkstatt teilte der Autofahrerin mit, das passende Modell sei gerade nicht lieferbar. Also müssten beide Vorderreifen ausgetauscht werden. Die Skoda-Besitzerin war damit einverstanden, nicht so die Kfz-Versicherung des Unfallgegners: Den intakten rechten Reifen auszuwechseln, sei unwirtschaftlich und unnötig, fand die Versicherung: Die Material- und Arbeitskosten dafür (161 Euro) müsse sie nicht übernehmen.

Doch das Amtsgericht Burgwedel bejahte den Anspruch der Unfallgeschädigten (7 C 239/21). Dass der rechte Vorderreifen beim Unfall heil geblieben sei, ändere daran nichts. Denn dieses Reifenmodell könne man derzeit nicht bekommen, der Ersatzreifen wäre also ein anderes Modell. Unterschiedliche Reifen an einer Fahrzeugachse wirkten sich jedoch negativ auf die Fahreigenschaften des Wagens aus.

Schadenersatz solle so weit möglich den Zustand des Fahrzeugs vor dem Unfall wiederherstellen. Da der beschädigte Skoda mit zwei gleichartigen Vorderreifen — und damit optimalen Fahreigenschaften — ausgestattet war, müsse die Reparatur diesen Standard wiederherstellen. Die Unfallgeschädigte müsse sich nicht mit einer Reparatur zufriedengeben, die nur einen minderwertigeren Zustand des Autos erreiche.

"Verwahrentgelt" für Spareinlagen ist unzulässig

Die Commerzbank durfte von ihren Kunden keine Strafzinsen kassieren

Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte gegen Klauseln im Preis- und Leistungsverzeichnis der Commerzbank geklagt, nach denen Bankkunden auf ihre Spareinlagen ein Verwahrentgelt von 0,5% jährlich zahlen mussten. Neukunden mussten die Strafzinsen berappen, wenn sie mehr als 50.000 Euro anlegten, für Bestandskunden waren höhere Freibeträge vorgesehen. Diese Klauseln benachteiligten Kunden unangemessen und dürften künftig nicht mehr verwendet werden, fanden die Verbraucherschützer.

Seit Sommer 2022 erhebt die Commerzbank das Verwahrentgelt nicht mehr. Und nun hat sie es "amtlich", dass diese Praxis unzulässig war: Das Landgericht Frankfurt erklärte die einschlägigen Klauseln im Preisverzeichnis für unwirksam. Begründung: Wenn eine Bank Verwahrentgelt kassiere, wälze sie damit ihre Betriebskosten auf die Kunden ab — ohne eine echte Gegenleistung für die Kunden (2-25 O 228/21).

Mit einer Spareinlage vertrauten Kunden der Bank ihr Geld an, um durch die Zinsen eine Rendite zu erzielen. Da die Bank mit dem Geld arbeiten wolle, müsse sie es logischerweise auch verwahren. Dafür eine negative Zinsen — d.h. eine Gebühr — zu verlangen, widerspreche dem gesetzlichen Leitbild von einer Spareinlage.

Zudem seien die Klauseln intransparent. Über das Verwahrentgelt werde in versteckten und leicht zu übersehenden Fußnoten im Preisverzeichnis informiert, weit entfernt von den Erläuterungen zum Spareinlagenmodell. Die Commerzbank habe zwar bereits aufgehört, Sparzinsen zu kassieren. Nun müsse sie den betroffenen Verbrauchern aber auch noch mitteilen, dass die Verwahrentgelt-Klauseln nicht mehr gültig seien.