Geld & Arbeit

Risiko in der Schwangerschaft

Für nicht zugelassene Medikamente muss die Krankenkasse nur in Notfällen zahlen

Eine schwangere Frau hat sich mit dem Zytomegalievirus angesteckt. Es ist für die Frau selbst nicht gefährlich. Wenn sich dagegen ein ungeborenes Kind damit infiziert, kann das unter Umständen sogar eine Fehlgeburt auslösen. Statistisch gesehen, ist das Risiko aber gering: Die meisten Kinder, deren Mütter sich während der Schwangerschaft mit dem Zytomegalievirus infizieren, kommen gesund zur Welt.

Die Schwangere beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Medikament, das angeblich die Gefahr verringert, dass sich das ungeborene Kind ansteckt. Das Arzneimittel ist allerdings noch nicht vollständig erforscht und deshalb nicht zugelassen. Aus diesem Grund lehnte die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme ab.

Zu Recht, entschied das Bundessozialgericht (B 1 KR 7/22 R). Nur in extremen Ausnahmefällen hätten die Versicherten Anspruch auf Medikamente, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ständen. Das sei nur der Fall, wenn sich eine versicherte Person in einer "notstandsähnlichen Situation" befinde. Nur in Notfällen müsse die Krankenkasse nicht zugelassene Arzneimittel finanzieren.

Das gelte auch für ungeborene Kinder. Schwangere Frauen könnten die Kostenübernahme nur verlangen, wenn dem ungeborenen Kind eine gefährliche Infektion drohe und eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder schweren Krankheitsverlauf bestehe. Doch das Risiko einer Fehlgeburt durch das Zytomegalievirus sei gering.

Opel fährt gegen geöffnete Autotür

Übersieht eine Autofahrerin die offene Tür eines geparkten Wagens, ist sie für den Unfall mitverantwortlich

Ein BMW-Fahrer hatte gegen 22 Uhr sein Auto am Straßenrand geparkt und war ausgestiegen. Dann holte er Sachen aus dem Kofferraum, dabei ließ er Standlicht und Innenbeleuchtung brennen und die Fahrertür offenstehen. Nach einigen Minuten kam aus der entgegengesetzten Richtung eine Autofahrerin und fuhr mit ihrem Opel Astra gegen die geöffnete Tür des BMW. Die Reparatur des Schadens am Opel kostete rund 1.900 Euro.

Der Ehemann der Fahrerin, Kfz-Halter des Opel, verklagte den BMW-Besitzer und dessen Haftpflichtversicherung zunächst erfolgreich auf Schadenersatz in voller Höhe. Doch der BMW-Fahrer setzte sich dagegen zur Wehr: Die Autofahrerin treffe zumindest eine Mitschuld am Unfall, meinte er. Immerhin habe sie eine offenstehende, beleuchtete Tür übersehen, die sie von weitem hätte erkennen können.

So sah es auch das Landgericht Saarbrücken und entschied, dass die Versicherung des BMW-Fahrers nur zwei Drittel des Schadens ersetzen muss (13 S 23/22). Autofahrer dürften nur so schnell fahren, dass sie innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten könnten. Entweder sei der Bremsweg des Opel länger gewesen als die Sichtweite: Dann habe die Opel-Fahrerin gegen das Sichtfahrgebot verstoßen und sei zu schnell gefahren.

Oder die Autofahrerin habe auf die an sich rechtzeitig sichtbare Autotür zu spät reagiert: Dann sei sie unaufmerksam gewesen und für die Kollision ebenfalls mitverantwortlich. Der geöffneten Fahrertür hätte sie problemlos ausweichen können. Allerdings überwiege der Unfallbeitrag des sorglosen BMW-Besitzers den der Autofahrerin.

Autofahrer dürften Autotüren nicht länger offenstehen lassen. Wer ein- oder aussteige, müsse dies so vorsichtig tun, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährde. Wenn beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt werde, spreche schon der äußere Anschein dafür, dass der Ein- oder Aussteigende seine Sorgfaltspflicht fahrlässig verletzt habe.

Hypochonder oder Hyperchonder?

Ist der richtige Fachbegriff eindeutig zu erkennen, ist ein Schreibfehler in einer Prüfung unbeachtlich

In Nordrhein-Westfalen hatte eine Diplom-Psychologin eine Zusatzausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin absolviert. Die mündliche Prüfung bestand sie mit der Gesamtnote "gut", doch im schriftlichen Teil fiel die Frau durch. Beim zweiten Wiederholungsversuch drohte die Kandidatin endgültig zu scheitern — wegen eines einzigen Punkts: Mit 48 Punkten hätte sie bestanden, 47 Punkte hatte sie erreicht.

Nachdem ihr die zuständige Behörde des Bundeslandes das Prüfungsergebnis mitgeteilt hatte, legte die Psychologin Widerspruch ein. Bei einer Aufgabe sei nach dem Fachbegriff für übermäßige Angst vor Krankheiten gefragt worden. Die Frage habe sie mit "hyperchondrische Störung" statt "hypochondrische Störung" beantwortet. Da sie sich eindeutig nur ver-schrieben habe, hätte man die Antwort als richtig werten müssen.

Doch die Behörde blieb unerbittlich und wies den Widerspruch der Prüfungskandidatin ab: Die griechischen Wortbestandteile "hyper" (über bzw. übermäßig) und "hypo" (unter) bedeuteten etwas Verschiedenes. Daraufhin zog die Psychologin vor Gericht und focht das Prüfungsergebnis an. Am Ende entschied das Bundesverwaltungsgericht das lange juristische Tauziehen zu Gunsten der Prüfungskandidatin (6 B 36.22).

Schon das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hatte Nordrhein-Westfalen dazu verpflichtet, die schriftliche Prüfung mit 48 Punkten für bestanden zu erklären: Die Schreibweise der Diplom-Psychologin sei als unbeachtlicher Rechtschreibfehler einzustufen. Auch wenn die griechischen Vorsilben "hyper" und "hypo" etwas Unterschiedliches bedeuteten: Da es den Fachbegriff "Hyperchondrie" nicht gebe, habe die Kandidatin bei der Prüfung keineswegs zwei Fachbegriffe verwechselt.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Einwände des Bundeslandes gegen die Entscheidung des OVG zurück. Der Begriff "hyperchondrische Störung" habe keinen eigenständigen Inhalt. Wenn sich ein Prüfungsteilnehmer in einer Prüfung bei einem Fachbegriff verschreibe, sei dies unerheblich, wenn der gesuchte Ausdruck eindeutig erkennbar sei. Verfahrensfehler des OVG habe das Bundesland nicht belegen können.

Alter Nagel im Huf

Dressurpferd lahmte nach dem Beschlagen durch den Hufschmied

Ein Gestüt für Vielseitigkeitssport hatte den Hufschmied bestellt, um vier Pferde frisch zu beschlagen. Nach dieser Prozedur wurde das Dressurpferd D sofort in die Box zurückgeführt. Am späten Nachmittag reinigte ein Mitarbeiter D’s Hufe und sattelte das Tier. Ein Mitglied der Geschäftsleitung unternahm mit dem Pferd einen leichten Ausritt von ungefähr einer halben Stunde.

Am nächsten Morgen wurde das Tier am Stallboden liegend vorgefunden: D konnte das vordere rechte Bein nicht mehr belasten. Ein Mitarbeiter untersuchte das Bein und entdeckte im Hufstrahl einen alten, ungefähr 3,5 Zentimeter langen Nagel, den er entfernte. Anschließend wurde die Verletzung in einer Pferdeklinik behandelt.

Die Inhaberin des Gestüts veranschlagte die Kosten auf 33.700 Euro und verlangte dafür vom Hufschmied Schadenersatz: Bevor er das Dressurpferd beschlagen habe, habe es nie Probleme mit den Hufen gehabt. Für die Verletzung sei der Hufschmied verantwortlich, weil er so schlampig arbeite. Offenbar habe er Nägel auf den Boden fallen und dort liegen lassen. Andernfalls hätte D nicht auf einen Nagel treten können.

Das Landgericht Koblenz wies die Klage der Pferdebesitzerin ab (3 O 80/21). Sie behaupte, D sei beim Beschlagen der Hufe in den alten Nagel getreten, der sich in den Hufstrahl gebohrt habe. Ein Verschulden des Hufschmieds sei jedoch nicht bewiesen, so das Landgericht, vielmehr gebe es daran begründete Zweifel. Denn zwischen dem Beschlagen und dem Ausritt am Nachmittag habe ein Gestütsmitarbeiter die Hufe des Tieres ausgekratzt. Ihm hätte der Nagel auffallen müssen.

Daher stehe nicht mit Sicherheit fest, dass sich das Dressurpferd schon vor dem Ausritt verletzt habe. Dass der "unordentliche Arbeitsplatz" bzw. die schlampige Arbeitsweise des Hufschmieds die Verletzung verursacht habe, sei möglich. Dass sich D den Nagel anderswo auf dem Gestüt oder auf dem Gelände eingetreten habe, sei aber ebenso wahrscheinlich. Da die Verantwortung des Hufschmieds nicht zweifelsfrei erwiesen sei, müsse er für die Behandlungskosten nicht haften.

Hauskäufer verlangt Maklerprovision zurück

Die Makler hatten den Selbstmord einer früheren Eigentümerin nicht offenbart

Im Februar 2021 kaufte Herr B in der Nähe von München für rund 1,5 Millionen Euro eine Doppelhaushälfte. Bei der Besichtigung hatte der Makler erwähnt, die Voreigentümerin sei gestorben und die Erbin verkaufe nun das Haus. Einige Tage nach dem Abschluss des Kaufvertrags erfuhr der Käufer von Nachbarn, dass sich die Voreigentümerin vor eineinhalb Jahren das Leben genommen hatte: Sie hatte mit einem Jagdgewehr erst ihren Hund und dann sich selbst erschossen.

Deshalb weigerte sich Herr B, die restliche Provision (rund 15.000 Euro) zu zahlen, und verlangte die bereits überwiesene Summe zurück. Begründung: Angesichts der grausamen Vorgeschichte wolle er die Immobilie nicht mehr bewohnen. Das Maklerbüro habe ihm den Vorfall verschwiegen, um die gewünschte Millionensumme realisieren zu können. Damit hätten die Makler ihre Aufklärungspflicht verletzt und ihre Provision verwirkt. Außerdem sei der Kaufpreis der Immobilie zu mindern.

Das Landgericht München I entschied den Streit zu Gunsten der Makler: Den Vermittlern stehe der Maklerlohn in voller Höhe zu (20 O 8471/21). Zum Zeitpunkt des Kaufs habe der Suizid bereits 18 Monate zurückgelegen. Hätte es sich um einen aufsehenerregenden Mord mit großem Echo in den Medien gehandelt, wäre eine Offenbarungspflicht des Maklerbüros möglicherweise zu bejahen.

In Fällen wie diesem, bei einem länger zurückliegenden Selbstmord, bestehe dagegen keine Aufklärungspflicht. Das gelte jedenfalls dann, wenn ein Makler keine Anhaltspunkte dafür habe, dass diese Tatsache für den Kaufinteressenten besonders wichtig sei. Im konkreten Fall sei das aber nicht ersichtlich. Weder bei der Besichtigung, noch bei den weiteren Vertragsverhandlungen habe der Käufer nach der Voreigentümerin gefragt.

Aus diesem Grund den Kaufpreis zu mindern — der angesichts der sehr guten Lage des Grundstücks angemessen sei —, komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Selbstmord spiele beim Kaufpreis keine Rolle. Schließlich stelle er keinen Mangel dar, der dem Haus anhafte … Bei gebotener objektiver Betrachtung beeinflusse dieser Umstand die Kaufentscheidung eines vernünftigen Interessenten nicht.

Sparguthaben schon ausgezahlt

Bankkundin bekommt kein Geld, obwohl sie ein nicht entwertetes Sparbuch vorlegt

1992 hatte die Bankkundin ein Sparkonto eröffnet. Der letzte Eintrag stammt vom 21.3.1997: eine Zinsgutschrift und eine Bareinzahlung. Im Januar 2020 kündigte die Kundin den Sparvertrag, legte der Bank das nicht entwertete Sparbuch vor und verlangte das Guthaben von 70.100 DM. Das sei schon vor über 20 Jahren ausgezahlt worden, erklärte dagegen die Bank.

Auf telefonische Anweisung des (bevollmächtigten) Ehemannes habe sie, die Bank, am 16.4.1998 das Sparbuch aufgelöst und das Guthaben mit Zinsen auf dem Girokonto der Kundin als Bareinzahlung verbucht. Anschließend sei der Betrag auf Weisung der Kundin jeweils zur Hälfte für sie und für ihren Ehemann als Festgeld angelegt worden.

Nach dieser Auskunft zog die Kundin vor Gericht, um die Auszahlung des Guthabens durchzusetzen. Doch Landgericht und Oberlandesgericht Karlsruhe waren nach der Vernehmung der damaligen Bankmitarbeiter davon überzeugt, dass die Klägerin das Sparguthaben bereits erhalten hatte (17 U 151/21).

Wenn ein nicht entwertetes Sparbuch existiere, müsse allerdings die Bank beweisen, dass der Sparbetrag ausgezahlt wurde. Sie dürfe die Forderung nicht schon deshalb ablehnen, weil im Sparbuch lange Zeit nichts eingetragen wurde und ihre Aufbewahrungspflicht fürs Sparbuch abgelaufen sei. Und: Allein mit internen Unterlagen könne das Kreditinstitut nicht belegen, dass es über das im Sparbuch dokumentierte Guthaben nicht mehr verfüge.

Wenn aber weitere Umstände dafür sprechen, könne dies als Beweis ausreichen. Im konkreten Fall entspreche die Bareinzahlung auf dem Girokonto, durchgeführt von der Bank am 16.4.1998, dem Guthaben (plus Zinsen) auf dem Sparkonto exakt bis auf den letzten Pfennig. Die Vermutung der Bankkundin, diese Bareinzahlung stamme aus Bareinnahmen ihres seinerzeit betriebenen Obsthandels, sei unglaubwürdig — zumal alle Zeugen die Richtigkeit der bankinternen Buchungsunterlagen bestätigt hätten.

Die ehemaligen Bankmitarbeiter sagten ausnahmslos und übereinstimmend aus, dass der Ehemann der Bankkundin telefonisch die Auflösung des Sparbuchs, die Einzahlung des Guthabens auf das Girokonto und die Anlage als Festgeld beauftragt hatte. Damit stand für das Gericht fest, dass die Bankkundin keine Ansprüche mehr geltend machen konnte.

Widerruf beim Gebrauchtwagenhandel

Einen Kaufvertrag kann der Kunde nur widerrufen, wenn es um ein Fernabsatzgeschäft geht

Herr B suchte nach einem Gebrauchtwagen und fand im Internet die Anzeige eines Autohauses: Audi A3 Sportback e-tron, Erstzulassung März 2017, Kaufpreis 25.325 Euro. Er rief den Händler an und bekam per E-Mail ein Formular zugeschickt, das mit den Audi-Daten ausgefüllt war: "Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeugs mit Garantie". Herr B unterschrieb und schickte das Formular per Fax zurück. Daraufhin erhielt er vom Autohaus per E-Mail eine Auftragsbestätigung für den Kaufvertrag, der Deal war perfekt.

Schon bald häuften sich Beschwerden des Käufers über Mängel, die der Händler jedoch bestritt. Schließlich widerrief Herr B den Kaufvertrag. Da sich das Autohaus weigerte, das Geschäft rückgängig zu machen, erhob der Käufer Klage. Er forderte die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens. Vor Gericht ging es im Wesentlichen um die Frage, ob B den Kaufvertrag nach den Vorschriften zum Fernabsatzgeschäft widerrufen konnte.

Hintergrund: Im Versandhandel und im Onlinehandel (= Fernabsatzgeschäfte) steht Verbrauchern das Recht auf Widerruf zu. Sie können einen Kaufvertrag innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware widerrufen. Die Frist für den Widerruf ist aber nur dann auf zwei Wochen begrenzt, wenn der Verkäufer den Kunden korrekt über sein Widerrufsrecht informiert hat. Unterlässt der Händler diese Belehrung, besteht das Widerrufsrecht weiter.

Im konkreten Fall entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, B habe den Kaufvertrag wirksam widerrufen (3 U 81/22). Vergeblich pochte der Händler darauf, ein Autohaus sei kein Onlinehandel. Also stehe dem Käufer kein Widerrufsrecht zu. Dem widersprach das OLG: Hier handle es sich um ein Fernabsatzgeschäft, weil der Kaufvertrag allein mit "Fernkommunikationsmitteln" geschlossen wurde: B habe das Auto per Fax verbindlich bestellt, der Händler den Vertrag per E-Mail bestätigt.

Das Autohaus habe also sehr wohl ein Fernabsatzsystem eingerichtet, jedenfalls für daran interessierte Kunden entsprechende Kommunikationskanäle eröffnet. B habe problemlos einen Vertrag mit dem Autohaus schließen können, ohne persönlich dort zu erscheinen. Und das stelle keinen Ausnahmefall dar. Denn das Autohaus gehöre zu einer großen Gruppe von Autohändlern, die ihre Gebrauchtfahrzeuge eben auch "online" mit Garantie anbiete.

Heutzutage seien viele Verbraucher bereit, nur aufgrund einer Beschreibung im Internet — ohne Besichtigung und Probefahrt — einen Kaufvertrag abzuschließen. Da der Händler deshalb auch diesen Vertriebskanal regelmäßig nutze, liege ein Fernabsatzvertrag vor. Den habe B auch einige Monate nach dem Kauf noch widerrufen dürfen, da er vom Händler nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

Weiß ein Selbstmörder, was er tut?

Lebensversicherung zahlt nur ausnahmsweise bei Suizid

Die Lebensversicherung zahlt im Prinzip nicht, wenn sich der Versicherte selbst das Leben genommen hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Selbstmord auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit zurückzuführen, der Verstorbene also nicht mehr Herr seines Willens war.

Auf diese Ausnahme berief sich ein Ehemann, der nach dem Suizid seiner Frau die vereinbarte Versicherungssumme von 128.000 DM forderte. Seine Frau habe die Trennung von ihm nicht verarbeiten können und ohne Rücksicht auf ihre mütterliche Pflicht gegenüber den Kindern gehandelt. Dieser Realitätsverlust zeige eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe verweigerte die Versicherung die Zahlung aber zu Recht (12 U 24/93).

Der Selbstmord der Frau möge zwar unerklärlich erscheinen, weil er sich als weit übersteigerte Reaktion auf Eheprobleme, insbesondere die Untreue des Mannes, darstelle. Das allein lasse aber noch nicht den Schluss zu, dass die Frau nicht mehr gewusst habe, was sie tat. Der Sachverständige habe ihr zwar neurotische Depression attestiert, dabei handle es sich jedoch nicht um eine krankhafte psychische Störung. Daher sei die Lebensversicherung nicht zur Leistung verpflichtet.

Hinterbliebenengeld für Angehörige

Angehörige von Unfallopfern können bei "besonderem Näheverhältnis" Entschädigung erhalten

2018 war ein 81-Jähriger bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte seiner Tochter vorgerichtlich 3.000 Euro Hinterbliebenengeld.

Hintergrund: Wird der Tod einer Person schuldhaft verursacht (z.B. durch einen Verkehrsunfall oder einen Arztfehler), können Angehörige Anspruch auf Hinterbliebenengeld vom Schuldigen haben — vorausgesetzt, sie standen der getöteten Person besonders nahe (§ 844 Bürgerliches Gesetzbuch).

Im konkreten Fall war das Vater-Tochter-Verhältnis sehr eng. Er hatte der Tochter alle Vollmachten erteilt, sie kümmerte sich intensiv um alle Belange des Vaters. Nach dem Unfall litt die Tochter sehr unter dem Verlust und hatte lange mit Schlafstörungen zu kämpfen. Vom Kfz-Versicherer verlangte sie mehr Hinterbliebenengeld. Das Landgericht Flensburg sprach ihr weitere 3.500 Euro zu, das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig sogar 7.000 Euro.

Die Versicherung legte gegen das Urteil Revision ein und bekam vom Bundesgerichtshof im Prinzip Recht (VI ZR 73/21). Das OLG müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und die Höhe der Entschädigung überprüfen, so die Bundesrichter. Der in einem früheren Gesetzentwurf zum Hinterbliebenengeld genannte Betrag von 10.000 Euro sei nur eine Orientierungshilfe. Im Einzelfall hänge die Höhe des Betrags ab von Intensität und Dauer des seelischen Leids eines Angehörigen und vom Grad des Verschuldens auf der Seite des Schädigers.

Das Hinterbliebenengeld sei jedenfalls niedriger anzusetzen als Schmerzensgeld. Wenn ein Angehöriger den Tod einer nahestehenden Person direkt an der Unfallstelle miterlebe und durch den Schock selbst erkranke, spreche man von einem "Schockschaden". Dafür könnten Angehörige Schmerzensgeld beanspruchen.

Und das müsse in der Regel höher sein als Hinterbliebenengeld, denn das Schmerzensgeld gleiche einen eigenen Gesundheitsschaden des Hinterbliebenen aus. Das Hinterbliebenengeld solle die betroffenen Angehörigen für das Leid entschädigen, das mit dem Verlust einer geliebten Person verbunden sei. Der seelische Schmerz falle aber nicht so schwer ins Gewicht wie ein eigener Gesundheitsschaden.

Linksabbieger-Ampel zeigte "grün"

Anschließend fiel die Ampelanlage aus: Zusammenstoß auf der Kreuzung

An einer großen Kreuzung ist für Linksabbieger eine eigene Spur mit "Linksabbieger-Ampel" eingerichtet: Zeigt sie einen grünen Pfeil nach links, dürfen die Linksabbieger fahren. Autofahrerin A hatte sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und fuhr los, als die Ampel den grünen Pfeil anzeigte. Doch auf der Kreuzung kam ihr ein städtischer Omnibus entgegen. Der Bus erfasste ihren gerade abbiegenden Wagen hinten rechts und beschädigte ihn erheblich.

Des Rätsels Lösung: Kaum hatte die Autofahrerin die Ampel bei Grünlicht passiert, fiel plötzlich die Ampelanlage aus — und der Omnibus startete ebenfalls. Die kommunale Verkehrsgesellschaft, Kfz-Halterin des Omnibusses, wollte für die Reparaturkosten von Frau A nicht aufkommen (rund 7.000 Euro). Daraufhin zog die Unfallgeschädigte vor Gericht und bekam vom Landgericht Lübeck zunächst uneingeschränkt Recht.

Der Omnibusfahrer trage allein die Schuld an dem Zusammenstoß, so das Landgericht. Bei unklarer Verkehrslage müsse man besonders vorsichtig fahren. Zwar habe er nach dem Ausfall der Ampel Vorfahrt gehabt. Aber er habe den Ausfall bemerkt und darauf falsch reagiert. Für Frau A sei der Unfall dagegen unabwendbar gewesen, weil sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und den Ausfall der Anlage nicht mehr registrieren konnte.

Gegen das Urteil legte die Stadt Berufung ein. Sie erreichte beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig jedoch nur einen Teilerfolg (7 U 201/21). Das OLG setzte eine Haftungsquote vom 80% zu 20% zu Gunsten der Autofahrerin fest und korrigierte das Landgericht in diesem Punkt. Unabwendbar sei die Kollision für Frau A nicht gewesen, so das OLG.

Ein "unabwendbarer Unfall" sei zu verneinen, wenn ein ganz besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch hätte abwenden können. So ein "Idealfahrer" hätte hier bemerkt, dass die Fußgängerampel ausfiel, hätte daraus auf eine Fehlfunktion der gesamten Anlage geschlossen und den Gegenverkehr abgewartet, anstatt mit dem Abbiegen zu beginnen.

Ein Verkehrsverstoß sei Frau A aber nicht vorzuwerfen. Sobald der grüne Pfeil das Linksabbiegen erlaube, dürften die Linksabbieger darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt sei und entgegenkommende Fahrzeuge das Haltegebot beachteten. Dieser Grundsatz werde nicht dadurch aufgehoben, dass die Ampelanlage ausfalle. Frau A könne daher von der Kfz-Versicherung der Kommune Ersatz für 80 Prozent der Reparaturkosten verlangen.

Alkoholbedingter Autounfall?

War die Fahrerin "relativ fahruntüchtig", muss der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler beweisen

Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer Diskothek kam Autofahrerin S um vier Uhr früh in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Das Auto erlitt Totalschaden. Die Polizei entnahm um ca. 7.30 Uhr eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,85 Promille ergab. Aus diesem Grund lehnte es die Vollkaskoversicherung von Frau S ab, den Schaden zu regulieren.

Ohne Erfolg klagte die Versicherungsnehmerin auf Zahlung. Sie habe den alkoholbedingten Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, urteilte das Oberlandesgericht Saarbrücken: Anspruch auf Schadenersatz habe sie daher nicht (5 U 22/22). Zum Unfallzeitpunkt habe Frau S mindestens eine BAK von 0,85 Promille, maximal eine BAK von 0,99 Promille gehabt. Bis zur Grenze von 1,1 Promille gehe man von relativer Fahruntüchtigkeit des Verkehrsteilnehmers aus.

Ein Unfall mit einer BAK von über 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) werde von vornherein als alkoholbedingt und damit als grob fahrlässig angesehen. Für so verursachte Unfallschäden müsse der Kfz-Versicherer prinzipiell nicht einstehen.

In Fällen relativer Fahruntüchtigkeit dagegen müsse der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen des Versicherungsnehmers nachweisen, die auf einen alkoholbedingten Unfall schließen lassen. Im konkreten Fall sei der Unfall ohne erheblichen Alkoholkonsum kaum plausibel zu erklären.

Angeblich sei Frau S nur 70 km/h gefahren — und habe trotzdem einen Auffahrunfall nur knapp vermeiden können, als der vor ihr fahrende Wagen bremste. Dadurch sei sie auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern geraten. Die Autofahrerin habe also zu wenig Abstand eingehalten oder sei unaufmerksam gewesen. Wenn ein Autofahrer in einer einfachen Verkehrssituation ohne ersichtlichen Grund am Baum lande, spreche dies für einen alkoholbedingten Unfall (Bremsen des Vordermanns zu spät erkannt, Fehleinschätzung der Straßenverhältnisse).

Nüchtern wäre Frau S vorsichtiger gefahren und hätte so einen Unfall ganz einfach vermeiden können. Dem Polizeibericht sei obendrein zu entnehmen, sie habe glasige Augen und eine leicht verwaschene Aussprache gehabt. Frau S selbst habe angegeben, sie habe sich "fast nüchtern" und in der Lage gefühlt, sicher zu fahren. Das zeuge von Unterschätzung der Folgen von Cocktails und von Überschätzung der eigenen (Fahr-)Fähigkeiten, ebenfalls eine typische Folge des Alkoholkonsums.

Verkehrsunfall vor dem Baumarkt

Auf öffentlichen Parkplätzen gilt der Grundsatz "rechts vor links" nicht!

Auf dem großen Parkplatz eines Baumarkts waren zwei Autos an einer Kreuzung zusammengestoßen. Die Sicht war durch parkende Fahrzeuge, vor allem durch einen Laster eingeschränkt, die Vorfahrt nicht durch Schilder oder Markierungen geregelt. Autofahrer A war von rechts, der Wagen von Autofahrer B von links gekommen. Die Kfz-Versicherung von B übernahm die Hälfte der Reparaturkosten von A.

Ohne Erfolg klagte Autofahrer A auf Schadenersatz in voller Höhe. Das Amtsgericht Lübeck legte eine Haftungsquote von 70:30 zu seinen Gunsten fest. Und bei dieser Haftungsverteilung blieb es, auch der Bundesgerichtshof hielt sie für richtig (VI ZR 344/21).

Den von links kommenden Autofahrer B sei kein alleiniges Verschulden vorzuwerfen, so die Bundesrichter. Denn die Vorfahrtsregel "rechts vor links" (§ 8 Straßenverkehrsordnung) gelte auf öffentlichen Parkplätzen nicht. Diese allgemeine Regel lasse sich auf die Situation dort nicht übertragen, auf Parkplätzen herrsche eine besondere Verkehrslage.

Hier stehe nicht im Vordergrund, den fließenden Verkehr zügig abzuwickeln. Vielmehr gelte auf Parkplätzen grundsätzlich das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Denn alle Autofahrer suchten hier einen Parkplatz, rangierten, parkten ein oder aus. Auf öffentlichen Parkplätzen gelte der Grundsatz "rechts vor links" nur dann, wenn die Fahrbahnen eindeutig Straßencharakter hätten oder erkennbar der Zu- und Abfahrt dienten.

Pflegende Mutter überschuldet

An pflegende Personen weitergeleitetes Pflegegeld ist nicht als Arbeitseinkommen pfändbar

Die Mutter eines autistischen Sohnes pflegt ihn alleine und erhält dafür sein Pflegegeld. Die verschuldete Frau musste sich einem Privatinsolvenzverfahren unterziehen. Bei der Berechnung ihres pfändbaren Einkommens wollte der Insolvenzverwalter auch das Pflegegeld berücksichtigen, das der Sohn an sie weiterleitete: Auch das Pflegegeld sei als Arbeitseinkommen anzusehen, fand der Insolvenzverwalter.

Dagegen wehrte sich die Schuldnerin und bekam vom Amtsgericht Recht. Auch der Bundesgerichtshof urteilte, das Pflegegeld sei bei der/bei dem Pflegenden unpfändbar (IX ZB 12/22). Dafür spreche in erster Linie der Sinn dieser Leistung, so die Bundesrichter. Der autistische Sohn, der das Geld an seine Mutter weiterleite, bekomme durch ihre Pflege die Möglichkeit, sein Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen.

Das Pflegegeld sei sozusagen die Belohnung dafür, dass die Pflegeperson Opfer bringe und ein Anreiz, um die Pflegebereitschaft zu erhöhen. Diesen Sinn würde die Geldleistung verlieren, wenn sie wie Arbeitseinkommen pfändbar wäre. Würde es einem Gläubiger der Mutter zugesprochen, widerspräche das dem Interesse des Pflegebedürftigen, die Mutter für ihre Opferbereitschaft zu belohnen.

Wegen "Corona" selbständige Tätigkeit aufgegeben

Das Jobcenter muss Folgen der Pandemie berücksichtigen, wenn es Sperrzeiten verhängt

Von 2000 bis 2020 führte Herr X erfolgreich eine Eventagentur. Seine selbständige Tätigkeit musste er 2020 wegen der Corona-Pandemie aufgeben: Bekanntlich legten die Kontaktbeschränkungen, die zum Infektionsschutz angeordnet wurden, den gesamten Veranstaltungsbereich lahm. X suchte sich vorübergehend einen Job als Berufskraftfahrer. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte er am 31.1.2022 zum 28.2.2022, weil er danach seine Agentur wieder in Gang bringen wollte.

Gleichzeitig meldete sich Herr X arbeitslos. Das Jobcenter verhängte gegen ihn eine Sperrzeit von zwölf Wochen, weil er seinen Arbeitsplatz gekündigt und damit die Arbeitslosigkeit "mutwillig" herbeigeführt habe. Während der Sperrzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gegen den Behördenbescheid klagte der Mann. Da klar war, dass die angestrebte Entscheidung erst nach vielen Wochen fallen würde, beantragte er zugleich einstweiligen Rechtsschutz — um nicht völlig ohne Einkommen dazustehen.

Beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erreichte Herr X zumindest einen Teilerfolg (L 9 AL 106/22 B ER). Hier sei von einem Härtefall auszugehen, erklärte das Gericht, deshalb sei die Sperrzeit auf sechs Wochen zu verkürzen. Herr X habe zwar sein Arbeitsverhältnis selbst beendet — dies aber aufgrund der berechtigten Annahme, die selbständige Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Das könne man wohl kaum als grob fahrlässig einstufen.

Auch wenn Anfang 2022 die weitere Entwicklung der Pandemie noch unsicher gewesen sei, wäre es unverhältnismäßig hart, Herrn X für die Kündigung mit zwölf Wochen Sperrzeit zu bestrafen. Immerhin sei der Mann vor der coronabedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbständig tätig gewesen. Und es bestehe durchaus begründete Hoffnung, dass er mit der Eventagentur erfolgreich einen Neuanfang schaffen könne. Das Jobcenter müsse bei der Verhängung von Sanktionen auch Folgen der Pandemie berücksichtigen.

Arbeitnehmerin "feierte krank"

Statt Spätdienst zu schieben an einer "Ibiza Party" teilgenommen: fristlose Kündigung

Eine Pflegeassistentin war am ersten Wochenende im Juli 2022 für Samstag und Sonntag zum Spätdienst in der Klinik eingeteilt. Kurz vorher meldete sie der Arbeitgeberin, sie sei krank und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihres Hausarztes vor. Am Samstagabend fand jedoch eine "White Night Ibiza Party" statt, an der die Arbeitnehmerin teilnahm.

Auf der Party wurde eifrig fotografiert. Einige Bilder von der Pflegeassistentin standen nach dem Wochenende auf der Homepage des Partyveranstalters. Sie selbst hatte auf ihrem WhatsApp-Status ebenfalls ein Foto eingestellt. Als die Arbeitgeberin davon erfuhr, kündigte sie der Arbeitnehmerin fristlos. Deren Kündigungsschutzklage scheiterte beim Arbeitsgericht Siegburg (5 Ca 1200/22).

Das Fehlverhalten der Pflegeassistentin rechtfertige eine fristlose Kündigung, so das Arbeitsgericht. Sie habe eine Erkrankung vorgetäuscht und damit das Vertrauen der Arbeitgeberin in ihre Redlichkeit zerstört. Dass die Arbeitnehmerin krank gewesen sein könnte, sei eindeutig widerlegt — habe sie doch offenkundig in bester Laune und bei bester Gesundheit auf der "White Night Ibiza Party" gefeiert.

Zunächst habe die Frau gegenüber der Klinikleitung von schlimmen Grippesymptomen gesprochen. Vor Gericht habe sie dann vorgetragen, sie sei zwei Tage lang psychisch erkrankt gewesen. Dass die "psychische Erkrankung" ohne therapeutische Maßnahmen nach dem Feier-Wochenende plötzlich ausgeheilt war, sei aber total unglaubwürdig. Die Arbeitnehmerin neige anscheinend dazu, die Unwahrheit zu sagen.

"Küchentage" eines Möbelhändlers

Reklame für eine Rabattaktion ist irreführend, wenn die Dauer der Aktion unklar bleibt

Im August 2021 startete ein Münchner Möbelhaus so genannte "Küchentage", eine groß angekündigte Rabattaktion. In der Werbeanzeige wurde blickfangmäßig herausgestellt, die Aktion laufe bis zum 21.8. Im Kleingedruckten dagegen stand, die Rabattaktion ende am 31.8. Ein Verein, der sich den Kampf gegen unlauteren Wettbewerb auf die Fahnen geschrieben hat, beanstandete deshalb die Werbung als irreführend und forderte Unterlassung.

Das Landgericht München I gab den Wettbewerbshütern Recht (17 HKO 17393/21). Für Leser der Anzeige bleibe unklar, wie lange die beworbene Rabattaktion laufe. Im Blickfang werde eine kürzere Frist genannt, um gegenüber interessierten Verbrauchern Entscheidungsdruck aufzubauen: Wer Küchen oder Küchenmöbel brauche, müsse schnell das Möbelhaus aufsuchen, um vom Rabatt profitieren zu können. Der Hinweis im Kleingedruckten nenne im Widerspruch dazu ein späteres Aktionsende.

Die Werbung informiere die Verbraucher nicht seriös über die Teilnahmebedingungen der Rabattaktion. Unklar sei auch, für welche Produkte welcher Rabatt gelte, Zwei Mal werde die Zahl 20% groß herausgestrichen. Der Leser könne dann rätseln, ob die Anzeige zwei Mal 20%, also insgesamt 40% Rabatt verspreche oder nur jeweils 20% auf verschiedene Produkte. So uneindeutige Aussagen seien geeignet, Verbraucher zu verwirren. Mögliche Missverständnisse müssten klar korrigiert werden und nicht durch im Kleingedruckten gut versteckte, winzige Hinweise im unteren Teil der Anzeige.

Wenn Chemotherapie nicht mehr hilft

Private Krankenversicherung muss dann u.U. eine alternative Therapie finanzieren

Bei einem Krebspatienten war die Krankheit so weit fortgeschritten, dass die Chemotherapie nichts mehr brachte: Es bildeten sich immer weitere Metastasen, die nicht operiert werden konnten. Deshalb entschied sich der Mann für eine alternative Behandlungsmethode: eine dentritische Zelltherapie.

Bei dieser Behandlung wird eine Immunreaktion gegen die entarteten Tumorzellen angestrebt. Um diese Reaktion zu erzielen, werden dem Krebspatienten dentritische Zellen entnommen, im Labor auf seinen Tumor ausgerichtet und ihm dann wieder eingesetzt, um gegen die Krebszellen anzukämpfen.

Im konkreten Fall übernahm die private Krankenversicherung nur die Hälfte der hohen Behandlungskosten. Nach dem Tod des Krebspatienten verklagte die Witwe das Versicherungsunternehmen auf Zahlung des vollständigen Betrags.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab ihr Recht (7 U 140/20). Die dentritische Zelltherapie sei eine alternative Behandlungsmethode, die auf einem wissenschaftlich fundierten Ansatz beruhe, so das OLG.

Daher verspreche diese Therapie einen gewissen Erfolg, auch wenn sie noch nicht lange erprobt und allgemein anerkannt sei. Heilung sei bei Krebs im fortgeschrittenen Stadium zwar ausgeschlossen. Aber mit der Zelltherapie habe wenigstens die Aussicht bestanden, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und den Patienten zu stabilisieren. Daher müsse die Krankenversicherung die Behandlungskosten vollständig übernehmen.

Vom Recht, nicht erreichbar zu sein

In der Freizeit müssen Arbeitnehmer keine Dienst-SMS lesen

Notfallsanitäter müssen mit Änderungen des Dienstplans rechnen, das ist sogar im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst so festgehalten. Umstritten im konkreten Fall: Wie kurzfristig dürfen diese Änderungen sein? Und: Muss ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit auf eine einschlägige Nachricht (SMS) des Arbeitgebers reagieren?

Ein Notfallsanitäter war zwei Mal telefonisch und per SMS nicht erreichbar. Am nächsten Tag meldete er sich zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt zum Dienst. Deshalb mahnte ihn der kommunale Arbeitgeber wegen "unentschuldigten Fehlens" ab und strich Stunden von seinem Arbeitszeitkonto. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer: Er habe seine Arbeitspflichten nicht verletzt, denn in der Freizeit müsse er sich nicht darüber informieren, wann er arbeiten müsse.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gab ihm Recht (1 Sa 39 öD/22). Anders als der Arbeitgeber meine, gehöre es nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Sanitäters, sich ständig über dienstliche Änderungen zu informieren und damit seine Freizeit zu unterbrechen. Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen, sei eine Arbeitsleistung.

Dass der Zeitaufwand dafür gering sei, ändere daran nichts. Arbeit verwandle sich nicht in Freizeit, wenn sie nur in geringem Umfang anfalle. Arbeitnehmer hätten das Recht, in ihrer Freizeit unerreichbar zu sein. Das sei notwendig, um ihre Gesundheit zu schützen und in den Ruhezeiten ausreichende Erholung zu gewährleisten.

Freizeit bedeute: Arbeitnehmer müssten in diesem Zeitraum dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen und könnten selbstbestimmt entscheiden, wie sie diese verbringen. Es sei wesentlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, "dass ein Mensch selbst entscheide, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht".

Der Arbeitgeber habe erst mit Beginn des Dienstes um 7.30 Uhr darauf vertrauen können, dass der Notfallsanitäter die (am Vortag geschickte) SMS zur Kenntnis nahm. Ab Dienstbeginn sei der Arbeitnehmer verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre es, die in der Freizeit auf dem Handy eingegangenen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. (Der Arbeitgeber wird gegen das Urteil Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegen.)

Bankgebühr für eine Rechenaktion?

Rechnet die Bank für einen Kunden die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung aus, darf das nichts kosten

Wenn Kreditnehmer ihren Kredit vorzeitig ablösen — d.h. dem Kreditinstitut das geliehene Geld vor dem Ende der Vertragslaufzeit zurückzahlen —, erhalten sie vom Kreditinstitut eine so genannte Vorfälligkeitsentschädigung. Um festzustellen, ob es sich lohnt, können Kreditnehmer von der Bank ausrechnen lassen, wie hoch die Entschädigung ausfallen würde.

Im konkreten Rechtsstreit ging es darum, ob eine Bank dafür Gebühren kassieren darf. Nach dem Preisverzeichnis einer Bank waren private Kreditnehmer verpflichtet, eine Pauschale von 100 Euro für das Ausrechnen des Entschädigungsbetrags zu zahlen. Diese Pauschale kassierte die Bank für die Rechenaktion immer, auch dann, wenn die Kunden den Kredit nicht vorzeitig ablösten.

Die einschlägige Gebührenklausel im Preisverzeichnis benachteilige die Bankkunden unangemessen, kritisierten Verbraucherschützer: Sie sei deshalb unwirksam. So entschied auch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (17 U 132/21). Die Bank dürfe diese Klausel nicht länger anwenden.

Eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen, sei komplex und beinhalte Rechenoperationen, die Verbraucher schwer nachvollziehen könnten, betonte das OLG. Dagegen könne die Bank mithilfe eines Computerprogramms die Höhe der Entschädigung ohne großen Aufwand ausrechnen. Zudem sei die Rechenaktion keine Sonderleistung der Bank für die Kunden, für die sie Vergütung verlangen könnte.

Kreditinstitute müssten Kreditnehmer bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung informieren. Für eine Dienstleistung, zu der die Bank vertraglich verpflichtet sei, von den Kunden Extra-Entgelt zu kassieren, sei unzulässig. Dass diese Dienstleistung mit ein wenig Verwaltungsaufwand verbunden sei, müssten Banken daher hinnehmen.

Unentgeltliche Kunden-Akquise oder Architektenvertrag?

Bei längeren, intensiven Planungsleistungen ist von einem Vertrag auszugehen

Ein Bauherr meldete sich bei einem Architekturbüro. Er besprach mit einigen Mitarbeitern sein Bauvorhaben und nannte einen Kostenrahmen. Dann legten die Architekten los: Sie beauftragten eine Baugrunduntersuchung, einen Statiker, führten Aufmaßtermine durch, erarbeiteten ein Brandschutzkonzept und erbrachten weitere Planungsleistungen. Als das Architekturbüro jedoch nach ca. einem Jahr Arbeit dem Bauherrn eine Rechnung übergab, beendete er abrupt die Zusammenarbeit.

Die Rechnung müsse er nicht begleichen, so der Bauherr, denn bei den Arbeiten habe es sich um "honorarfreie Akquise-Tätigkeit" gehandelt (d.h.: um Maßnahmen, die das Architektenbüro durchgeführt habe, um ihn als Kunden zu gewinnen).

Die Zahlungsklage der Architekten hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Celle Erfolg (14 U 116/21). Ihnen stehe das verlangte Honorar zu, entschied das OLG: Hier sei davon auszugehen, dass ein Architektenvertrag geschlossen worden sei.

Im Einzelfall sei es oft schwierig, unentgeltliche Kunden-Akquise und zu vergütende Tätigkeit voneinander abzugrenzen. Die Übergänge seien fließend: Allein daraus, dass ein Architekt tätig werde, könne man nicht auf einen Vertrag schließen. Oft versuchten mehrere Bewerber, einen Auftrag zu bekommen — dann könne die Akquise-Tätigkeit schon mal umfangreicher ausfallen.

Im konkreten Fall habe aber das Architekturbüros so intensiv gearbeitet, dass von Akquise keine Rede mehr sein könne. Schon die Dauer der Tätigkeit schließe die Annahme aus, die Architekten hätten die Planung des Bauvorhabens unentgeltlich ausführen wollen. Der Bauherr habe Leistungen in einem Umfang in Anspruch genommen, der nicht "honorarfrei" zu erwarten sei. Darüber hinaus habe der Bauherr mehrmals nach den Kosten gefragt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er selbst auch nicht von einer "honorarfreien Akquise" ausgegangen sei.