Geld & Arbeit

Reise wegen Krankheit storniert

Kunde hatte den Flug mit Bonusmeilen bezahlt: Reiserücktrittskostenversicherung muss deren Wert ersetzen

Bei einer Fluggesellschaft hatte ein Kunde einen Hin- und Rückflug in die USA gebucht und mit Bonusmeilen aus dem Bonusprogramm des Unternehmens bezahlt. Einige Wochen später erkrankte er und musste die Amerikareise stornieren. Für die Stornogebühr sollte seine Reiserücktrittskostenversicherung aufkommen, die jedoch die Zahlung verweigerte: Da der Versicherungsnehmer die Reise mit Bonusmeilen finanziert habe, stehe ihm keine Entschädigung für die Rücktrittskosten zu.

Zunächst verlor der Mann den Rechtsstreit, erst beim Bundesgerichtshof (BGH) setzte er sich durch (IV ZR 112/22). Der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers sei nicht auf Geldleistungen beschränkt, entschied der BGH: Das widerspräche erstens dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen, wie ihn ein durchschnittlich informierter Versicherungsnehmer auffasse. Und zweitens dem Sinn und Zweck der Versicherung.

Im Versicherungsvertrag stehe: Wenn der Versicherungsnehmer die Reise nicht antreten könne, entschädige ihn die Versicherung für die dem Reiseunternehmen vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten. Der Begriff "Rücktrittskosten" umfasse alle Aufwendungen, die Kunden einsetzten, um die Reise zu finanzieren und die sie nach der Stornierung vom Reiseunternehmen nicht erstattet bekämen. Dazu gehörten auch eingesetzte Bonusmeilen.

So würden jedenfalls verständige Verbraucher die Vertragsklausel interpretieren. Von einer Einschränkung auf Geld oder Gutscheine sei hier nicht die Rede.

Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Versicherung. Eine Reiserücktrittskostenversicherung decke das finanzielle Risiko ab, dass Verbraucher eine gebuchte Reise krankheitsbedingt nicht antreten könnten und stornieren müssten. Viele buchten ihre Reisen schon Wochen oder sogar Monate vor Reisebeginn — daher sei es sinnvoll, sich auf diese Weise abzusichern. Dabei spiele es für die Verbraucher aber keine Rolle, ob sie die Reise mit Geld oder mit Bonusmeilen finanzierten.

Motorradfahrer weicht Rehen aus

Die Kfz-Versicherung muss Schäden durch eine objektiv gebotene "Rettungshandlung" ersetzen

Im Herbst 2020 war Motorradfahrer M mit seinem Sohn in Frankreich unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve bemerkte er am rechten Straßenrand hinter Büschen zwei oder drei Rehe. Weil er fürchtete, sie könnten auf die Straße springen, lenkte er blitzschnell das Motorrad nach links. Das Manöver endete im Straßengraben.

Der Schaden am teilkaskoversicherten BMW-Motorrad betrug laut Sachverständigengutachten rund 3.500 Euro. Allerdings weigerte sich der Versicherer, für die Schäden an BMW und Motorradkleidung aufzukommen.

Die Tiere, die der Versicherungsnehmer angeblich gesehen habe, seien noch nicht einmal auf der Straße gestanden, wandte das Unternehmen ein: Das Ausweichmanöver sei völlig unnötig gewesen. Zudem sei die Schilderung des Vorfalls widersprüchlich, M habe nicht einmal genau angeben können, wann er die Rehe gesehen habe ("vielleicht aus 15 Meter Abstand").

Diese Einwände konnte das Oberlandesgericht Saarbrücken nicht nachvollziehen: Es verurteilte den Versicherer dazu, 4.300 Euro Schadenersatz zu leisten (5 U 120/21). Aufgrund von Zeugenaussagen stehe fest, dass an der Unfallstelle stetig Wildwechsel stattfinde. Da M den Zusammenstoß verhindert habe, fänden sich am Motorrad keine Tierspuren. Das widerlege aber seine plausible — vom Sohn und anderen Zeugen bestätigte — Schilderung nicht. M habe einen Ablauf beschrieben, der, objektiv betrachtet, dafür spreche, dass ein Zusammenstoß mit Rehen drohte.

Dass Tiere, deren Verhalten nicht berechenbar sei, möglicherweise auf die Straße laufen würden, damit sei in so einer Situation zu rechnen — auch wenn es nicht sicher feststehe. Anders als der Versicherer meine, sei in solchen Fällen eine sichere Prognose weder möglich, noch notwendig: Wenn eine Kollision zumindest wahrscheinlich sei, stelle das Ausweichmanöver eine gebotene "Rettungshandlung" dar, d.h. den Versuch, größere Schäden am Fahrzeug bzw. Verletzungen zu vermeiden. Die tatsächlichen Schäden seien als "Rettungskosten" zu ersetzen.

Vom Versicherungsnehmer könne man außerdem nicht verlangen, so einen Unfall in allen Details 100-prozentig korrekt zu schildern. Hier gehe es schließlich um ein rasch ablaufendes Ereignis, von dem Betroffene überrascht würden. Kein Wunder, dass sich da keine Einzelheiten eingeprägten. Motorradfahrer, die mangels Knautschzone Verletzungen fürchten müssten, wollten verständlicherweise Kollisionen unter allen Umständen vermeiden — M sei zudem noch für seinen Sohn verantwortlich gewesen.

Risikoausschluss in der privaten Unfallversicherung

Wird ein Sturz von einem Ohnmachtsanfall ausgelöst, besteht kein Versicherungsschutz

Der 60-jährige Zahnarzt H wurde mit entzündeten Schnittverletzungen am Knie ins Krankenhaus eingeliefert und operiert. Im Arztbericht hieß es, der Patient sei zu Hause ohnmächtig geworden und bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt. Er sei nicht das erste Mal nach einer Ohnmacht gestürzt, habe Herr H angegeben. Fast 48 Stunden sei er diesmal am Boden gelegen und habe keine Hilfe holen können.

Nach drei Wochen in einer Reha-Klinik wurde der Patient entlassen. Ein Jahr später meldete er den Unfall seiner privaten Unfallversicherung und legte ein Attest seines Hausarztes vor. Demnach hatte sich der Unfall anders zugetragen: Herr H sei gestolpert und in ein Wasserglas gefallen, habe sich dabei am Knie verletzt. Da das Bein nicht mehr belastbar sei, könne er nicht mehr lange gehen oder stehen, seinen Beruf also nicht mehr ausüben.

Die Unfallversicherung teilte nach Prüfung der ärztlichen Unterlagen mit, Herr H habe nach den Versicherungsbedingungen keinen Anspruch auf Leistungen: Denn er sei infolge einer "Bewusstseinsstörung" gestürzt, solche Unfälle seien vom Versicherungsschutz ausgenommen. Die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers blieb beim Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken erfolglos (5 U 107/21).

Dass H nun behaupte, er sei erst über einen Teppich gestolpert und habe dabei ein Wasserglas fallen lassen, auf das er anschließend stürzte … sei wenig glaubwürdig, fand das OLG. Nach Ansicht des Gerichts sei bewiesen, dass dem Sturz ein Ohnmachtsanfall vorausgegangen sei. Dafür sprächen die Art der Verletzungen und die Arztberichte mit den dokumentierten ersten Angaben des Patienten.

H habe beim Rettungsdienst, bei den Ärzten im Klinikum Saarbrücken und bei den Ärzten in der Reha-Klinik angegeben, aufgrund einer Ohnmacht bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt zu sein. Warum diese vollkommen gleichlautenden Arztberichte, die seinen Sturz schlüssig erklärten, unrichtig gewesen sein könnten, habe H vor Gericht nicht überzeugend darlegen können.

"Bewusstseinsstörung" bedeute, dass der Versicherte auf eine gefährliche Situation schon nicht mehr angemessen reagieren könne, was das Unfallrisiko erhöhe. Der Risikoausschluss betreffe also Unfälle, denen eine geminderte Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten vorausgehe. Unter Umständen könnten sogar kurzfristige Kreislaufprobleme wie Schwindel den Versicherungsschutz ausschließen — für eine Ohnmacht, die einen Sturz nach sich ziehe, gelte dies allemal.

"Bitte keine Werbung einwerfen"

Diese Aufforderung gilt nicht nur für Briefkästen, sondern auch für den Hauseingang!

Viele Menschen versuchen, die lästige Flut von Reklameblättchen einzudämmen, indem sie an ihren Briefkasten den Hinweis anbringen: "Bitte keine Werbung einwerfen". In einem Münchner Mietshaus trugen alle Briefkästen einen Aufkleber mit dieser Bitte. Ein Hausbewohner ärgerte sich umso mehr, als er zwei Werbeflyer einer Umzugsfirma vorfand, die in einem Spalt der Briefkastenanlage eingeklemmt waren.

Der Mann verklagte die Firma auf Unterlassung: Offenkundig wollten die Bewohner dieses Gebäudes keine Werbung bekommen, also erst recht keine wild abgelegten oder befestigten Reklameblättchen. Das erhöhe den "Lästigkeitsfaktor" nochmals und sei rücksichtslos, erklärte der Mieter.

Gegen diesen Vorwurf ging die Firma in die Offensive: Sie habe ihre Verteiler angewiesen, den Werbeflyer nur in Briefkästen ohne den Hinweis "Werbung unerwünscht" einzuwerfen. Die Briefkästen der Wohnanlage seien jedoch für Passanten zugänglich. Also könnten auch unbekannte Dritte das Werbematerial dort abgelegt haben. Sie, die Umzugsfirma, habe damit jedenfalls nichts zu tun.

Wenig glaubwürdig fand das Amtsgericht München diese Behauptung: Es bejahte den Unterlassungsanspruch des Hausbewohners und drohte der Firma "im Falle der Zuwiderhandlung" Ordnungsgeld an (142 C 12408/21). Die Formulierung "Bitte keine Werbung einwerfen" stelle unmissverständlich klar, dass der Einwurf von Werbeflyern in Hausbriefkästen unerwünscht sei. Und diese Aufforderung gelte auch für das Ablegen von Werbematerial auf der Briefkastenanlage oder im Bereich des Hauseingangs.

Die Umzugsfirma habe im fraglichen Zeitraum diese Flyer in München verteilen lassen. Also könne man getrost davon ausgehen, dass die Handzettel im Zuge dieser Werbeaktion von Werbeverteilern der Firma eingeworfen worden seien und nicht von "unbekannten Dritten", die überhaupt keinen Grund hätten, die Flyer ins Hausinnere zu legen. Die Firma müsse ihre Verteiler eindringlich über die Notwendigkeit informieren, sich an die Regeln zu halten. Sie müsse zudem die Werbeaktionen kontrollieren und Beanstandungen nachgehen, notfalls den Verteilern Sanktionen androhen.

Datenschutzbeauftragter soll als EDV-Fachkraft arbeiten

Hat der Betriebsrat bei der Versetzung eines Datenschutzbeauftragten ein Mitbestimmungsrecht?

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass dem Betriebsrat bei der Einstellung und Versetzung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Mitbestimmungsrecht zustehen kann (1 ABR 51/93).

Im konkreten Fall beabsichtigte der Arbeitgeber, den betrieblichen Datenschutzbeauftragen zusätzlich als EDV-Fachkraft (statt wie bisher als Bearbeiter im Bereich Wirtschaftswesen) einzusetzen. Nach Ansicht der Bundesrichter kann dies den Arbeitnehmer in Interessenkonflikte verwickeln und so die vom Datenschutzgesetz verlangte Zuverlässigkeit des Datenschutzbeauftragten in Frage stellen.

Der Datenschutzbeauftragte habe die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Rechte der Arbeitnehmer nicht durch Datenverarbeitung beeinträchtigt werden. Mit dieser Kontrollfunktion wäre es unvereinbar, wenn er als EDV-Fachkraft in erster Linie seine eigene Tätigkeit kontrollieren müsste. Da sich mit der Versetzung des Datenschutzbeauftragten das Gesamtbild seiner Tätigkeit ändern würde, begründe dies das Recht des Betriebsrats, dabei mitzubestimmen.

Verbraucherinformation mit kleinem Fehler

Wer darauf gestützt einen Versicherungsvertrag kündigt, missbraucht sein Widerspruchsrecht

Mehrere Versicherungsnehmer kündigten 2016 und 2017 Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die sie 2002 abgeschlossen hatten. Sie widerriefen den Vertragsschluss und begründeten das damit, dass sie seinerzeit über ihr Widerspruchsrecht falsch informiert worden seien. Die "Widerspruchsbelehrung" (jetzt: Widerrufsbelehrung) ist Bestandteil des Versicherungsvertrags. Da sich die betroffenen Versicherungsunternehmen weigerten, die Versicherungssummen auszuzahlen, klagten die Versicherungsnehmer.

Vor Gericht ging es um folgenden Punkt: Laut Gesetz können Versicherungsnehmer, wenn sie die Versicherungsunterlagen erhalten haben, dem Vertrag innerhalb von 14 Tagen "in Textform" widersprechen. In der "Widerspruchsbelehrung" der strittigen Versicherungsverträge stand dagegen, die Versicherungsnehmer müssten die Schriftform einhalten.

"Textform" bedeutet: Der Widerspruch kann auch per E-Mail oder Fax erfolgen. Wird Schriftform gefordert, muss diese Erklärung mit einem unterschriebenen Brief abgegeben werden.

Das Kammergericht Berlin wies die Klage der Versicherungsnehmer auf Auszahlung der Versicherungssummen ab, der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil (IV ZR 353/21). Im konkreten Fall widerspreche es dem Grundsatz von Treu und Glauben, die Verträge mit dieser Begründung zu widerrufen. Die Widerspruchsbelehrung enthalte nur einen kleinen, fast belanglosen Fehler. Dass "Schriftform" verlangt wurde, habe es niemanden unmöglich gemacht, sich vom Vertrag zu lösen.

Im Ergebnis sei es folgenlos, dass der Versicherer seine Informationspflicht geringfügig verletzt habe. Die Information, beim Widerspruch des Vertrags sei Schriftform einzuhalten, obwohl ein Widerspruch in Textform genügt hätte, könne niemand ernsthaft davon abgehalten haben, sein Widerspruchsrecht wahrzunehmen.

Im konkreten Fall wiege daher das Interesse des Versicherers am Fortbestand des Vertrags schwerer als das Interesse der Versicherungsnehmer, sich davon zu lösen. Es sei widersprüchlich, wenn Versicherungsnehmer — die im Wesentlichen über ihre Rechte ordnungsgemäß informiert wurden — nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit pochten und daraus finanzielle Ansprüche ableiteten.

Unterhaltsschulden beim Sohn

Wie wird der Unterhalt des Vaters für ein jüngeres Kind bei der Zwangsvollstreckung berücksichtigt?

Ein Vater zahlte den Unterhalt für seinen Sohn nur sehr zögerlich und blieb immer wieder etwas schuldig. Die Mutter erwirkte im Namen des Sohnes den gerichtlichen Beschluss, das Geld per Zwangsvollstreckung einzutreiben. Nur 960 Euro monatlich sollten dem Vater für seinen Lebensunterhalt verbleiben. Gegen den Beschluss wehrte sich der Mann und verwies darauf, dass er auch für sein jüngeres Kind E Unterhalt zahlen müsse.

Laut Gesetz wäre das ein Betrag von 322 Euro monatlich gewesen. Tatsächlich zahlte der Vater aber wegen seines geringen Gehalts für E nur 248 Euro. Das Landgericht Mainz erhöhte den pfändungsfreien Betrag — d.h. den Betrag, den der Vater behalten darf — um 248 Euro. Vergeblich beantragte der Vater, den pfändungsfreien Betrag um 322 Euro zu erhöhen, also um den gesetzlich geschuldeten Unterhalt.

Der Bundesgerichtshof lehnte dies ab (VII ZB 35/20). Hier gehe es um die Frage, wie der pfändungsfreie Betrag zu bestimmen sei, wenn der Vater auch weiteren Unterhaltsberechtigten Unterhalt schulde. Konkret: Das jüngere Kind dürfe durch die Zwangsvollstreckung — die der ältere Sohn betreibe, um den Vater zur Zahlung des Unterhalts zu zwingen — nicht benachteiligt werden.

Dieses Ziel erfordere es jedoch nicht, den pfändungsfreien Betrag um die Summe zu erhöhen, die nötig wäre, um die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem jüngeren Kind ganz zu erfüllen — wenn der Vater diese tatsächlich nur teilweise erfülle. Im Gegenteil: Würde man dem Vater (= Unterhaltsschuldner) zugestehen, den gesetzlich geschuldeten Betrag von 322 Euro zu behalten, wäre gerade nicht sichergestellt, dass das jüngere Kind diesen Betrag wirklich bekomme.

Zahle ein Unterhaltspflichtiger nur unregelmäßig, sei es vielmehr praxisgerecht, beim pfändungsfreien Betrag nur den Durchschnitt des wirklich geleisteten Unterhalts zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, dass der Vater künftig an das Kind E mehr zahlen wolle bzw. könne, sei damit ja nicht ausgeschlossen. Auf Antrag könne das Gericht dafür den pfändungsfreien Betrag befristet erhöhen.

Solarstromanlage ohne Notstromfunktion

Muss der Verkäufer darüber aufklären, dass ihr Funktionieren vom öffentlichen Stromnetz abhängt?

Das Ehepaar X ließ auf dem Dach seines Wohnhauses von einem Solarunternehmen eine Photovoltaikanlage installieren. Die Hauseigentümer wollten vom öffentlichen Stromnetz unabhängig werden. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Wenn das öffentliche Netz keinen Strom liefert, funktioniert auch die Solarstromanlage nicht. Sie schaltet sich nämlich bei Stromausfall automatisch ab.

Zwar gibt es auch Anlagen, bei denen das nicht passiert, weil sie über eine so genannte Inselfunktion oder Notstromfunktion verfügen. Doch die sind erheblich teurer als das vom Ehepaar X bestellte System.

Die erbosten Käufer warfen dem Unternehmer vor, er hätte sie über diesen Umstand aufklären müssen. Dann hätten sie nämlich für 5.000 Euro Aufpreis ein notstromfähiges System montieren lassen. Stattdessen müssten sie nun die gelieferte Anlage umrüsten und das koste dreimal so viel. Für die Mehrkosten müsse der Verkäufer und Installateur einstehen. Den Betrag zogen die Hauseigentümer kurzerhand von der Rechnung des Solarunternehmens ab.

Zu Unrecht, entschied das Landgericht Frankenthal: Die Käufer müssten die Solarstromanlage und ihre Montage komplett bezahlen (6 O 79/22). Die meisten Kunden sparten sich eine Notstromfunktion — das sei eine teure Sonderausstattung. Verkäufer müssten Kunden nicht ungefragt darüber informieren, wenn eine Sonderausstattung fehle. Damit würde man deren Beratungspflicht übertrieben hoch ansetzen.

Möglicherweise führten ja die aktuelle Energiekrise und eventuelle Engpässe bei der Stromversorgung künftig zu einer anderen Sichtweise, weil diese Extra-Funktion an Bedeutung gewinne. Als das Ehepaar X die Photovoltaikanlage kaufte, sei das aber noch kein Thema gewesen.

Anders läge der Fall daher nur, wenn die Eheleute bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich klargestellt hätten, dass es ihnen auf die Notstromfunktion ankomme. Das hätten die Kunden aber nicht belegen können.

Rollstuhlfahrerin ließ Hochbeete anlegen

Die Kosten des behindertengerechten Gartenumbaus kann sie nicht von der Steuer absetzen

Frau X ist wegen eines Post-Polio-Syndroms — chronische Müdigkeit und Muskelschwäche als Spätfolge der Kinderlähmung — seit einiger Zeit auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie hatte sich immer schon gerne um den Garten des Einfamilienhauses gekümmert, was vom Rollstuhl aus nicht mehr möglich war.

Aus diesem Grund ließen Herr und Frau X den Garten umgestalten: Der Weg zum Haus wurde für den Rollstuhl gepflastert, die Pflanzenbeete in Hochbeete umgewandelt. Die Ausgaben für den Gartenumbau machte das Ehepaar bei der Einkommensteuererklärung als krankheitsbedingte, außergewöhnliche Belastung geltend. Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Kosten steuermindernd zu berücksichtigen.

Die Klage der Steuerzahler gegen den Bescheid des Finanzamts scheiterte beim Bundesfinanzhof (VI R 25/20). Krankheitskosten und/oder Ausgaben für "existenznotwendigen Wohnbedarf" würden als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, wenn sie unvermeidlich seien, d.h. wenn der Steuerzahler sie zwangsläufig auf sich nehmen müsse. Das treffe im konkreten Fall nicht zu.

Zwar hätten die Steuerzahler den Garten umgestaltet, weil sich der Gesundheitszustand der Ehefrau verschlechtert habe, räumte der Bundesfinanzhof ein. Die Ausgaben seien trotzdem keine direkte Folge der Krankheit, die die Hauseigentümer nicht vermeiden konnten. In erster Linie hätten die Steuerzahler das Geld ausgegeben, damit die Ehefrau ein "frei gewähltes Freizeitverhalten" fortsetzen konnte.

Immerhin bekam das Ehepaar für den Arbeitslohn, der in den Umbaukosten enthalten war, den Steuerbonus für haushaltsnahe Dienstleistungen.

Gleiches Gehalt für gleiche Arbeit!

Die schlechtere Bezahlung einer Frau ist nicht mit "größerem Verhandlungsgeschick" des Kollegen zu rechtfertigen

Seit dem 1. März 2017 arbeitet Frau X als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb für ein Unternehmen. Zu Beginn betrug ihr — einzelvertraglich vereinbartes — Grundgehalt 3.500 Euro brutto. Denselben Job erledigten zwei männliche Kollegen, einer von ihnen war nur zwei Monate vor Frau X eingestellt worden.

Auch ihm hatte der Arbeitgeber zuerst ein Grundgehalt von 3.500 Euro brutto angeboten, zahlte ihm aber nach Verhandlungen ein höheres Gehalt. Der Kollege habe eine ausgeschiedene, besser bezahlte Vertriebsmitarbeiterin ersetzt, so begründete der Arbeitgeber nachträglich die ungleiche Bezahlung.

Nach etwa zwei Jahren beschloss die Mitarbeiterin, sich dagegen zu wehren. Frau X zog vor Gericht und verlangte die Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem Gehalt des fast zeitgleich eingestellten Mannes: Schließlich erledige sie die gleiche Arbeit wie der männliche Kollege. Da sie aufgrund ihres Geschlechts schlechter bezahlt werde, schulde ihr der Arbeitgeber zusätzlich eine Entschädigung für Diskriminierung.

Frau X klagte sich durch alle Instanzen, erst vom Bundesarbeitsgericht bekam sie Recht (8 AZR 450/21). Der Arbeitgeber müsse der Mitarbeiterin die Gehaltsdifferenz ab 1.3.2017 zahlen und obendrein 2.000 Euro Entschädigung, entschieden die Bundesrichter. Wenn eine Frau für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt bekomme als ihr Kollege, begründe das den Verdacht, dass sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt werde.

Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, diesen Verdacht zu entkräften. Mit dem Argument, der männliche Kollege verdiene nur deshalb mehr, weil er bei den Einstellungsgesprächen ein höheres Entgelt ausgehandelt habe, könne das Unternehmen den Vorwurf der Diskriminierung jedenfalls nicht widerlegen. Gehaltsverhandlungen dürften die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen nicht aushebeln. Auch dass der Kollege einer besser bezahlten Mitarbeiterin nachfolgte, rechtfertige es nicht, ihm mehr zu zahlen als Frau X.

Kein Wohngeld für Langzeitstudentin

Kurzartikel

Studierende können bei überlanger Studiendauer ihren Anspruch auf Wohngeld verlieren. Das gilt vor allem, wenn die Umstände belegen, dass ein Student/eine Studentin das Studium nicht mehr ernsthaft betreibt. Davon kann man nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin bei einer Studierenden im 20. Hochschulsemester ausgehen, die nur ca. die Hälfte aller nötigen Klausuren bestanden hat: Wohngeld zu beanspruchen, sei in so einem Fall Rechtsmissbrauch.

Strompreiserhöhung angekündigt

"Vorher — nachher": Energieversorger muss Preisbestandteile einander gegenüberstellen

Ein Energieversorgungsunternehmen hatte im Frühjahr 2018 Sonderverträge für Strom und Gas angeboten und die Kunden per E-Mail darüber informiert, dass es ab Mai 2018 die Strompreise erhöhen werde. Die Nachricht enthielt weder eine Gegenüberstellung des vor und nach der Erhöhung gültigen Preises, noch wurden einzelne Kostenfaktoren aufgeschlüsselt. Aus diesem Grund mahnte ein Verbraucherschutzverein das Unternehmen ab.

Als der Energieversorger darauf nicht reagierte, zogen die Verbraucherschützer vor Gericht und verlangten mehr Transparenz bei der Kundeninformation. Während das Landgericht Köln eine detaillierte Gegenüberstellung der Preisbestandteile für überflüssig hielt, gab das Oberlandesgericht (OLG) Köln dem Verein Recht: Eine so knapp gehaltene Information über eine Preisanpassung sei intransparent, Verbrauchern fehle so jede Grundlage für einen Marktvergleich.

Erfolglos legte das Energieversorgungsunternehmen Revision ein: Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des OLG (VIII ZR 199/20). Das Unternehmen habe den Kunden per E-Mail Verbrauchsabrechnungen geschickt und dabei — sozusagen im Anhang — kurz eine Preiserhöhung angekündigt. Diese Information sei in der Tat unzulänglich.

Energieversorger müssten Kunden über beabsichtigte Preisänderungen umfassend unterrichten und zwar unabhängig davon, ob die Verbraucher in der Grundversorgung seien oder nicht. Energielieferanten müssten die einzelnen (nach ihren Geschäftsbedingungen im Strompreis enthaltenen) Preisbestandteile vor und nach der Anpassung aufschlüsseln und einander gegenüberstellen.

Wenn Kunden, so wie hier, nur über Umfang und Anlass der Änderung informiert würden, könnten sie nicht erkennen, auf welchen Kostenfaktoren die Preiserhöhung im Einzelnen beruhe. Unter diesen Umständen könnten die Verbraucher die Angebote verschiedener Versorger nicht richtig vergleichen und auch nicht prüfen, ob es sinnvoll sei, von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.

Kriegsdienstverweigerer will keine verwundeten Soldaten pflegen

Mit dieser Begründung kann er den Wehrdienst, nicht aber den Zivildienst verweigern

Anerkannte Kriegsdienstverweigerer müssen keinen Zivildienst leisten, wenn ihnen ihr Gewissen auch dies verbietet und weitere Voraussetzungen vorliegen. Sie müssen dann mindestens ein Jahr länger, als der Zivildienst dauert, im Pflegebereich arbeiten.

Ein junger Mann begründete seine Totalverweigerung damit, dass er in einen Gewissenskonflikt geraten würde, wenn er als Zivildiensthelfer im Kriegsfall verwundete Soldaten versorgen müsste.

Dieses Argument ließ das Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht gelten (8 C 9/93 und 8 C 21/93). Das Gesetz schütze den Totalverweigerer nur dann, wenn sein Gewissen ihm verbiete, sowohl im Frieden als auch im Krieg Zivildienst zu leisten. Hier lehne der Betroffene aber nur die Heranziehung im Krieg ab. Die Begründung sei auch deswegen nicht als "Gewissensentscheidung" anzuerkennen, weil im Verteidigungsfall die Befreiung vom Zivildienst weitgehend aufgehoben sei. Im Krieg könnten Totalverweigerer dem Zivildienst nämlich nur entgehen, wenn sie ohnehin im Pflegebereich arbeiteten.

Betrüger am Telefon

Gibt ein Bankkunde TANs telefonisch durch, haftet er selbst für die abgebuchten Beträge

Am Telefon hatte sich vermeintlich ein Mitarbeiter der Bank gemeldet. Dem Bankkunden teilte er mit, die Bank müsse seinen TAN-Generator aktualisieren. Zu diesem Zweck sollte ihm der Kontoinhaber freundlicherweise einige TAN durchgeben. Der Bankkunde kam der Aufforderung nach … Beim Lesen der nächsten Kontoauszüge wurde dem Mann dann klar, dass er auf einen Betrüger hereingefallen war.

Die Bank ersetzte die unautorisiert abgebuchten Beträge nicht. Dazu sei sie nicht verpflichtet, erklärte die Bank, weil sich der Kunde grob fahrlässig verhalten habe. So sah es auch das Landgericht Saarbrücken: Es wies die Klage des Bankkunden auf Erstattung ab, weil er seine Sorgfaltspflichten leichtfertig und massiv verletzt habe (1 O 181/20). Daher müsse er für die illegalen Zahlungsvorgänge selbst haften.

Eine TAN am Telefon weiterzugeben, sei immer grob fahrlässig, weil dies nicht dem üblichen Übermittlungsweg der TAN entspreche. Wenn jemand in eine gut gefälschte Eingabemaske am Computer eine TAN eingebe, sei das eher zu entschuldigen. Damit sei das Verhalten des Kunden im konkreten Fall aber nicht vergleichbar.

Für sich genommen sei es zwar nicht total ungewöhnlich, wenn ein Mitarbeiter der Bank einen Kunden anrufe. Sehr ungewöhnlich sei es aber, wenn der Mitarbeiter verlange, telefonisch eine TAN durchzugeben. Wenn ein Kunde schon länger Online-Banking nutze, wisse er, dass mit TANs Zahlungsvorgänge freigegeben würden. Dem Kunden hätte also klar sein müssen, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang handelte, sondern um Betrug.

Gegen Ammoniak und Henna allergisch

Kundin wies die Friseurin darauf hin, die trotzdem Haarfärbemittel mit Spuren dieser Stoffe einsetzte

Die Kundin war im Friseursalon erschienen, um sich die Haare färben zu lassen. Ausdrücklich wies sie die Friseurin darauf hin, dass sie allergisch sei gegen die Stoffe Ammoniak und Henna. Das sind Substanzen, die in geringer Menge in zahlreichen Haarfärbemitteln enthalten sind. Ohne dies weiter zu kommentieren, färbte die Friseurin der Kundin die Haare mit so einem Haarfärbemittel.

Prompt erlitt die Kundin eine allergische Reaktion: Gesicht und Augen schwollen an, an der Kopfhaut entwickelten sich Ekzeme. Von der Friseurin forderte sie deshalb Schmerzensgeld. Zu Recht, wie das Amtsgericht Brandenburg entschied: Denn der Friseurin sei fahrlässige Körperverletzung vorzuwerfen (34 C 20/20).

Wenn eine Kundin vor der Haarbehandlung explizit darauf hinweise, sie sei gegen bestimmte chemische Stoffe allergisch, dürfe eine Friseurin das nicht ignorieren. Die Friseurin könne natürliche Färbemittel ohne diese Substanzen verwenden. Habe sie keine derartigen Färbemittel, müsse sie die Kundin zumindest darüber aufklären, dass beim Einsatz ihrer Haarfärbemittel das Risiko einer Allergie nicht auszuschließen sei.

Am besten hätte die Friseurin das Färben der Haare rundweg abgelehnt. Wenn sie das nicht wolle, müsse sie sich zumindest von der Kundin schriftlich bestätigen lassen, dass die Kundin damit einverstanden sei, das Risiko einzugehen.

2.000 Euro Schmerzensgeld müsse die Friseurin der Frau zahlen, so das Amtsgericht. Dieser Betrag sei angemessen, aber auch ausreichend. Denn die Kundin habe kein Haar verloren und keine Perücke tragen müssen. Auch seien keine Spätfolgen zu befürchten.

Mangelhaftes Wärmedämmsystem

Auftraggeber verlangt vom Werkunternehmer Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung: Fristsetzung notwendig?

Ein Bauherr hatte ein Bauunternehmen damit beauftragt, am Eigenheim ein Wärmedämmverbundsystem anzubringen. Das Ergebnis war so verpfuscht, dass der Auftraggeber vom Auftragnehmer einen Kostenvorschuss verlangte, um die massiven Mängel von einer anderen Firma beseitigen zu lassen. Angesichts der vielen Mängel traute er das dem Bauunternehmer nicht mehr zu.

Doch der Auftragnehmer zahlte nicht: Zunächst müsse ihm der Auftraggeber Gelegenheit geben, selbst nachzubessern. Er werde die Mängel beheben, indem er die Wärmedämmung "aufdopple". Das bedeutet: Der Bauunternehmer wollte das mangelhafte Dämmsystem nicht entfernen, sondern stattdessen über diese Dämmschicht eine zweite legen. Das ist allerdings problematisch, wenn die erste nicht standsicher und tragfähig ist.

Mit diesem Vorschlag war der Auftraggeber nicht einverstanden und zog vor Gericht, um einen Kostenvorschuss durchzusetzen. Anspruch darauf haben unzufriedene Bauherren aber in der Regel nur, wenn sie den Auftragnehmer vorher zur Beseitigung der Werkmängel aufgefordert und dafür eine Frist gesetzt haben. Vor Gericht ging es daher im Wesentlichen um die Frage, ob der Auftraggeber darauf verzichten durfte.

Das Kammergericht in Berlin beantwortete die Frage mit "Ja" (21 U 1099/20). Ausnahmsweise könnten Bauherren auch ohne Fristsetzung Kostenvorschuss verlangen — unter zwei Bedingungen: Entweder habe ein Werkunternehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert. Oder der Werkunternehmer sei derart unzuverlässig, dass es für den Auftraggeber unzumutbar sei, dem Auftragnehmer die Mängelbeseitigung zu überlassen.

Letzteres treffe im konkreten Fall zu, denn es sei nicht damit zu rechnen, dass der Bauunternehmer das Wärmedämmsystem "ordnungsgemäß" nachbessern werde. Er habe ein von der Bauaufsicht nicht zugelassenes System verwendet und das so "windig" verbaut, dass man jederzeit darauf gefasst sein müsse, dass sich einzelne Bauteile lösten.

Aus diesem Grund verstoße auch die vom Bauunternehmer vorgeschlagene Art der Nachbesserung gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Bei so erheblichen Mängeln müsse man das Wärmedämmverbundsystem vollständig zurückbauen und dann ein neues anbringen, anstatt das "vermurkste" System nur aufzudoppeln. (Der Bundesgerichtshof hat das Urteil am 16.11.2022 bestätigt, AZ.: VII ZR 69/22)

Wärmepumpe nach fünf Monaten defekt

Kurzartikel

Plant und montiert ein Handwerker eine Wärmepumpe, schuldet er dem Hauseigentümer ein dauerhaft funktionstaugliches Werk. Funktioniert die Wärmepumpe schon nach einigen Monaten nicht mehr, liegt ein Werkmangel vor — außer, der Defekt entstand durch Bedienungsfehler oder andere äußere Einwirkungen. Der Auftraggeber kann daher vom Handwerker einen Kostenvorschuss für das Beseitigen des Mangels verlangen.

Fitnessstudio ist nicht steuerlich absetzbar

Mitglieder zahlen ihre Beiträge auch für nicht ärztlich verordnete Leistungen des Studios

Wegen ihrer Rückenprobleme hatte der Hausarzt einer Patientin 2018 Wassergymnastik verordnet. Einschlägige Kurse bot das Fitnessstudio an, in dem die Frau Mitglied war. Bei ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 wollte sie die Mitgliedsbeiträge für das Studio als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Beiträge vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Dagegen wehrte sich die Steuerzahlerin, scheiterte aber mit ihrer Klage beim Finanzgericht Niedersachsen (9 K 17/21). Als "außergewöhnliche Belastung" würden nur Heilbehandlungskosten anerkannt, die der/die Steuerpflichtige "zwangsläufig" tragen müsse, so das Finanzgericht.

Mit den Mitgliedsbeiträgen fürs Fitnessstudio bezahlten die Mitglieder jedoch auch Leistungen des Studios, die mit den ärztlich verordneten Kursen überhaupt nicht zusammenhängen: z.B. die Sauna oder die Nutzung des Schwimmbades für nicht ärztlich verordnete Aqua-Fitnesskurse. Solche Leistungen würden nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Personen in Anspruch genommen.

Unerheblich sei, ob die Steuerzahlerin die Sauna tatsächlich nutze oder nicht: Jedenfalls seien ihre Aufwendungen für das Fitnessstudio nicht (oder zumindest nicht vollständig) als zwangsläufige Heilbehandlungskosten einzustufen. Daher stellten sie auch keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar.

Lockdown auf Gran Canaria

Pauschalurlauber können wegen Corona-Einschränkungen den Reisepreis mindern

Ein verbraucherfreundliches Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Thema Corona und Reisemangel: Für März 2020 hatten Eheleute eine zweiwöchige Pauschalreise auf die Kanarischen Inseln gebucht. Zwei Tage nach ihrer Ankunft ordneten die spanischen Behörden wegen der Corona-Pandemie eine Ausgangssperre an. Strände, Pools und andere Angebote der Ferienanlagen auf Gran Canaria wurden gesperrt.

Die Urlauber mussten einige Tage auf ihren Zimmern bleiben, wurden anschließend nach Deutschland zurückgeflogen. Vom Reiseunternehmen verlangten sie eine Minderung des Reisepreises um 70 Prozent. Der Reiseveranstalter wies die Forderung zurück: Der Urlaub sei an staatlichen Corona-Auflagen gescheitert, für so ein "allgemeines Lebensrisiko" müsse er nicht einstehen.

Das Landgericht München I reichte den Rechtsstreit an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter: Er sollte die EU-Pauschalreiserichtlinie auslegen und entscheiden, ob pandemiebedingte Schließungen einen Reisemangel darstellen. Wenn eine Pauschalreise durch staatliche Corona-Maßnahmen beeinträchtigt werde, könnten die Reisenden den Reisepreis mindern, erklärte der EuGH (C-396/21).

Das gelte, obwohl Reiseveranstalter für eine derartige "Störung" nicht verantwortlich seien. Reiseveranstalter müssten nämlich unabhängig von eigenem Verschulden für vertragswidrige, mangelhafte Reiseleistungen haften. Von der Haftung seien Reiseunternehmen nur befreit, wenn ein Reisemangel den Urlaubern selbst zuzurechnen sei.

Dass wegen der Pandemie auch am Wohnort der Urlauber und in vielen anderen Ländern Ausgangssperren und weitere Einschränkungen angeordnet wurden, spiele bei der Haftung keine Rolle. Eine Pandemie stelle trotzdem kein allgemeines Lebensrisiko dar, sondern einen außergewöhnlichen Umstand wie z.B. eine Naturkatastrophe oder unerwartete Kriegshandlungen am Urlaubsort.

Das Landgericht München I muss nun das "Leistungsspektrum" der Gran-Canaria-Reise prüfen und danach entscheiden, welche Preisminderung den beeinträchtigten bzw. ausgefallenen Reiseleistungen entspricht.

Riskantes Überholmanöver vor einer Kurve

Autofahrer bremst wegen des Gegenverkehrs ab und bringt einige Rennradfahrer zu Fall

Eine Gruppe von fünf Rennradfahrern war im August 2019 in Nonnweiler-Primstal (Saarland) unterwegs: dicht hintereinander mit ca. 30 km/h. Kurz vor einer Kurve versuchte der Fahrer eines VW Golf mit Anhänger, die Gruppe zu überholen. Dass ihm ein anderer Wagen mit Pferdeanhänger entgegenkam, konnte der Golffahrer nicht sehen. Als sich der Golf neben dem vordersten Radfahrer befand, bemerkte der Fahrer den Gegenverkehr, brach den Überholvorgang ab, bremste und zog nach rechts.

Beim Ausweichen gerieten drei der Rennradfahrer aneinander und stürzten. Herr A erlitt dabei eine Schultereckgelenkssprengung, Schürfwunden und Prellungen. Er musste operiert werden und eine Abduktionsschiene tragen, war drei Wochen arbeitsunfähig und konnte monatelang nicht Autofahren.

A verklagte den Golffahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld: Der Autofahrer habe mit seinem riskanten Überholmanöver an einer unübersichtlichen Stelle den Unfall schuldhaft verursacht.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken gab dem Radfahrer Recht (4 U 136/21). Überholen dürfe nur, wer übersehen könne, dass kein Gegenverkehr komme und dass auch sonst niemand gefährdet werde. Da der Golffahrer vor der Kurve den Überholweg nicht vollständig überblicken konnte, hätte er die Gruppe der Radfahrer nicht überholen dürfen. Auch wenn er A nicht angefahren habe: Mit seiner Fahrweise habe der Golffahrer den Sturz der Radfahrer und die Verletzung von A ausgelöst. Daher müsse die Kfz-Versicherung einspringen.

Das Verbot, an unübersichtlicher Stelle zu überholen, solle nicht nur den Gegenverkehr, sondern auch die überholten Verkehrsteilnehmer schützen. Zudem müssten Autofahrer beim Überholen von Radfahrern mindestens 1,5 Meter Seitenabstand einhalten, weil deren Fahrlinie oft leicht schwanke. Der Golffahrer habe mit höchstens einem Meter Abstand überholt, wenn es überhaupt ein Meter gewesen sei — da seien die Zeugenaussagen unterschiedlich.

Da die Radfahrer außerdem im Pulk fuhren — für den Golffahrer erkennbar mit zu wenig Sicherheitsabstand —, sei die Sturzgefahr besonders groß gewesen. Das begründe allerdings auch ein Mitverschulden des Verletzten: Ein Drittel des Schadens müsse A deshalb selbst tragen. Bei organisierten Straßenrennen sei das anders zu beurteilen. Doch wenn sich Rennradfahrer im "normalen" Straßenverkehr bewegten, dürften sie nicht so dicht hintereinander fahren, sondern müssten zum eigenen Schutz Abstand halten.