Kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei telefonischer Auftragsvergabe am Tag nach dem Angebot
Ein Hauseigentümer ließ von einem Dachdeckerbetrieb die Dachrinnen erneuern. Bei dieser Arbeit fiel einem der Handwerker auf, dass der Wandanschluss des Daches undicht war. Darauf wies er den Auftraggeber hin. Vor Ort erläuterte der Dachdeckermeister dem Hauseigentümer, was zu tun wäre und schätzte die Kosten auf ca. 1.200 Euro. Am nächsten Tag meldete sich der Auftraggeber per Telefon und erteilte den zusätzlichen Auftrag.
Nachdem der Handwerksbetrieb alles einwandfrei erledigt hatte, widerrief der Hauseigentümer beide Aufträge schriftlich und verlangte den Werklohn zurück. Diese Möglichkeit, Geld zu sparen, hatte er in einem Flyer entdeckt, den er nun dem Handwerker überreichte. Titel des Flyers: "Der Handwerker-Widerruf — Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern". Der überaus seriöse Dachdecker ließ sich darauf allerdings nicht ein.
Von der Justiz wurde der Streit unterschiedlich beurteilt: Während das Amtsgericht den Widerruf der Handwerkerverträge für missbräuchlich hielt, gab das Landgericht Hannover dem Hauseigentümer in Bezug auf den Zusatzauftrag Recht.
Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil wieder auf. Begründung: Wenn das Angebot des Handwerkers und die Vertragsannahme durch den Verbraucher zeitlich und räumlich auseinanderfallen, besteht kein Widerrufsrecht (VII ZR 151/22).
Das Landgericht habe unzulässig den Einwand des Dachdeckers ignoriert, dass die Parteien den Zusatzauftrag nicht schon am Haus geschlossen haben, so der BGH. Beim Ortstermin habe der Handwerker dem Hauseigentümer erklärt, welche Arbeiten erforderlich seien, um den defekten Wandanschluss zu reparieren. Dieser habe das Angebot des Handwerkers aber erst am Folgetag telefonisch angenommen. Erst damit sei der Vertrag zustande gekommen.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers setze nicht nur voraus, dass ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei. Darüber hinaus müssten auch beide Vertragsparteien beim Vertragsschluss persönlich anwesend sein, Angebot und Annahme müssten gleichzeitig erfolgen. Schließlich solle das Widerrufsrecht Verbraucher davor schützen, außerhalb von Geschäftsräumen — also in einer möglicherweise überraschenden Situation — vorschnell eine geschäftliche Entscheidung zu treffen.
Wenn ein Verbraucher jedoch — wie hier — "eine Nacht drüber schlafen" könne, habe er die Möglichkeit, sich die Entscheidung gründlich zu überlegen. Unter diesen Umständen benötige er kein Widerrufsrecht. Der Hauseigentümer habe weder unter Zeitdruck gestanden, noch habe die Gefahr bestanden, von einem überraschenden Angebot "überrumpelt" zu werden. Wer das Angebot eines Handwerkers vom Vortag telefonisch annehme, bekomme kein Geld zurück, wenn er nach getaner Arbeit den Vertrag widerrufe.