Geld & Arbeit

Unorthodoxe Methoden gegen Schuldner

Einsatz des "Schwarzen Schattens" nach der Wende war sittenwidrig

Das Eintreiben von Schulden bereitete in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach der Wende erhebliche Probleme. Das lag zum einen daran, dass viele Unternehmen wieder pleite gingen, die im Zuge der Wende gegründet worden waren. Zum anderen waren die Gerichtsvollzieher notorisch überlastet.

Aus dieser Tatsache versuchte der "Vermittlungsdienst Schwarzer Schatten" Kapital zu schlagen, der folgendermaßen vorging: Im Auftrag des Gläubigers beschattete eine Person fortwährend den Schuldner, um ihn dazu zu bringen, mit dem Gläubiger Kontakt aufzunehmen. Um im Straßenbild aufzufallen, trug der Verfolger Anzug, Melone, Fliege und Stockschirm.

Das Landgericht Leipzig erklärte die Methoden des "Schwarzen Schattens" als Verstoß gegen die guten Sitten (06 O 4342/94). Es sei nämlich beabsichtigt, die verfolgte Person als säumigen Schuldner bloßzustellen und so psychisch unter Druck zu setzen. Der Versuch, Schuldner sozial zu ächten, greife nachhaltig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Zielpersonen ein. Das sei nicht zu rechtfertigen - auch nicht durch die großen Defizite bei den staatlichen Vollstreckungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern. Solche Unzulänglichkeiten müsse man während einer Übergangszeit hinnehmen: Unorthodoxe Methoden einer "Selbstjustiz" seien unzulässig.

Chronisch Kranke verlangt unbefristete Leistungszusage

Privater Krankenversicherer muss nur bereits entstandene Aufwendungen erstatten

Infolge einer Kinderlähmung, die sie als Kleinkind erlitt, leidet die 1950 geborene Frau heute noch an Lähmungserscheinungen und diversen Folgeproblemen wie Schmerzattacken. Mit ihrer privaten Krankenversicherung hat die Seniorin bereits häufig vor Gericht über den Umfang der Heilbehandlungen gestritten, z.B. darüber, wie oft Wärmebehandlungen oder Lymphdrainage medizinisch erforderlich sind.

Wohl, um sich weitere Prozesse zu ersparen, verlangte die Versicherungsnehmerin schließlich eine dauerhafte Zusage vom Versicherer, dass er zeitlich unbefristet "physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen" erstatten werde, die sie regelmäßig brauche. Für diesen Anspruch sah das Oberlandesgericht Saarbrücken jedoch keine Rechtsgrundlage (5 U 91/22).

Private Versicherer seien zur Leistung nur verpflichtet, wenn der oder die Versicherte Rechnungen vorlege, bezahlte oder unbezahlte. Versicherungen müssten nur bereits entstandene, rechtlich begründete Aufwendungen für Ärzte, Physiotherapeuten etc. erstatten. Für Maßnahmen wie Krankengymnastik, Massage, Fango usw. müsse eine Verordnung des behandelnden Mediziners vorliegen.

Anspruch auf Kostenersatz entstehe nur durch die jeweils aktuelle ärztliche Verordnung. Dass sich im konkreten Fall der Gesundheitszustand der Versicherten voraussichtlich nicht mehr bessern werde, ändere daran nichts. Denn in der privaten Krankenversicherung sei der Versicherungsfall nicht die Krankheit, sondern die deswegen vorgenommene, medizinisch notwendige Heilbehandlung.

Unabhängig von einer konkreten Heilbehandlung gebe es daher keine Leistungszusage. Damit müsste sich das Versicherungsunternehmen entgegen seinen berechtigten Interessen dauerhaft binden. Versicherungen müssten jedoch die Möglichkeit haben, bei jedem Erstattungsantrag neu zu prüfen, ob eine Behandlung und die aus diesem Anlass verordneten Heil- und Hilfsmittel medizinisch notwendig seien.

Schüler beim Eishockeytraining im Verein verletzt

Dafür ist die Schülerunfallversicherung nicht zuständig, auch wenn Sportverein und Schule kooperieren

In der Schule und auf dem Schulweg stehen Schüler unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Natürlich auch beim Sportunterricht. Ob das auch beim abendlichen Training in einem Eishockeyverein gilt, musste das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entscheiden: Ein Internatsschüler hatte sich beim Vereinstraining einen Beinbruch zugezogen.

Das Internat kooperiert mit dem Sportverein und berücksichtigt bei der Organisation von Lernzeiten und schulischen Betreuungsangeboten die Trainingszeiten des Vereins. Der Schüler bezieht vom Verein ein Stipendium von 1.500 Euro monatlich für die Schule. Die Schule wirbt im Internet für sich als "Eishockeyinternat".

Trotzdem verneinte das LSG Baden-Württemberg einen Schulunfall, für dessen Folgen die gesetzliche Unfallversicherung aufkommen müsste (L 10 U 2662/21).

Der Versicherungsschutz der Schülerunfallversicherung erstrecke sich auf den Unterricht und die Pausen dazwischen, auf den Schulweg und auf Aktivitäten bei Schulveranstaltungen, die im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule liegen. Wenn ein Schüler jedoch beim Training in einem Sportverein verletzt werde, sei dieser Unfall nicht vom Versicherungsschutz umfasst, so das LSG.

Die Schule sei in keiner Weise für das Training verantwortlich: Die Eishalle liege nicht auf dem Internatsgelände, beim Training sei kein Schulpersonal anwesend. Dass die Schule bei der Planung ihrer eigenen Veranstaltungen terminlich die Trainings- und Wettkampftermine des Vereins berücksichtige, stelle keine Mitwirkung beim oder Einflussnahme auf das Vereinstraining dar. Ein direkter sachlicher Zusammenhang zwischen Schulbesuch und Training sei daraus erst recht nicht abzuleiten.

Arbeitgeber dokumentierte Nachtarbeit ungenau

Trotzdem können die Nachtzuschläge für die Arbeitnehmer steuerfrei sein

Ein Arbeitgeber zahlte den Mitarbeitern für Nachtarbeit Zuschläge. Nachtzuschläge für Arbeitsstunden zwischen 20 Uhr und sechs Uhr früh sind grundsätzlich von der Lohnsteuer befreit — sofern der zusätzliche Betrag 25 Prozent des Grundlohns nicht übersteigt. Allerdings hatte im konkreten Fall der Arbeitgeber den Beginn und das Ende der Nachtarbeit nicht genau dokumentiert, sondern nur die Anzahl der Arbeitsstunden festgehalten.

Die Mitarbeiter des Finanzamts beanstandeten die Dokumentation bei einer Betriebsprüfung als unvollständig und stuften deshalb die Nachtzuschläge nicht als steuerfrei ein. Die Klage des Arbeitgebers gegen den Steuerbescheid hatte beim Finanzgericht Schleswig-Holstein Erfolg (4 K 145/20).

Seien die gesetzlichen Bedingungen für die Steuerfreiheit prinzipiell erfüllt, schade es nicht, wenn Aufzeichnungen nicht 100-prozentig präzise seien, erklärte das Finanzgericht. Zwar habe der Bundesfinanzhof Einzelaufstellungen mit der Angabe von Anfangs- und Schlusszeit der Nachtarbeit gefordert. Arbeitgeber sollten tatsächlich geleistete Arbeitsstunden belegen, anstatt pauschale Zuschläge zu zahlen.

Die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu dokumentieren, sei aber kein Selbstzweck. Die Dokumentationspflicht solle dafür sorgen, dass Unternehmen die steuerlichen Vorschriften korrekt anwendeten. Und das treffe im konkreten Fall zweifellos zu: Der Arbeitgeber zahle Zuschläge für tatsächlich geleistete Nachtarbeit, deren Gesamtbetrag nicht höher sei als 25 Prozent des Grundlohns.

Versicherungsvertrag "untergeschoben"

Unlautere Geschäftsmethoden: Anbieter verlangt Zahlung von Verbrauchern, die keinen Vertrag abgeschlossen haben

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat mit der F-GmbH schon einige Streitigkeiten ausgefochten: Das Unternehmen wirbt telefonisch für Gewinnspiele und Zeitschriftenabonnements. Bei Werbegesprächen mit Verbrauchern wird auch eine Testmitgliedschaft für Auslandskrankenversicherungen und Reiserückholversicherungen angeboten und angekündigt.

Die dreimonatige Testmitgliedschaft wandle sich automatisch in einen Versicherungsvertrag um, wenn der Gesprächspartner dem Angebot nicht aktiv widerspreche, behauptet der Anrufer. Diese dubiose Verkaufsmasche war dem Unternehmen schon 2016 verboten worden. Trotzdem mahnte die F-GmbH weiterhin die "Kunden" nach Ablauf des so genannten Testzeitraums, nun den Versicherungsbeitrag zu zahlen. Andernfalls werde sie einen Anwalt einschalten.

So eingeschüchtert, überwies ein Verbraucher einmal den Jahresbeitrag von 89 Euro. Doch als er im nächsten Jahr wieder abgemahnt wurde, wandte er sich an die Verbraucherzentrale. Sie verklagte das Unternehmen erneut auf Unterlassung.

Das Landgericht Limburg untersagte der F-GmbH, Mahnungen zu verschicken und Verbrauchern mit dem Anwalt zu drohen, wenn kein Versicherungsvertrag abgeschlossen wurde (5 O 12/22). Dieses Vorgehen sei unlauter und wettbewerbswidrig.

Ohne wirksame Zustimmung zu einem Versicherungsvertrag habe die F-GmbH dem Verbraucher das "Schutzpaket" in Rechnung gestellt. Dabei habe der Mann nichts unterschrieben und auch mündlich oder mit seinem Verhalten niemals den Willen bekundet, das Angebot annehmen zu wollen. Nicht einmal mit der einmaligen Überweisung des Versicherungsbeitrags habe der Verbraucher dieses Angebot akzeptiert, da er unter Druck gesetzt worden sei.

Nicht erst die Zahlungsaufforderung der F-GmbH unterstelle fälschlicherweise, es sei ein Vertrag geschlossen worden. Schon bei den Werbetelefonaten und in den schriftlichen Unterlagen zur Testmitgliedschaft werde erklärt, Verbraucher müssten "nichts tun", wenn sie das "Schutzpaket" nutzen wollten. Sie müssten nur dem Vertrag widersprechen, falls sie den Vertrag nicht wünschten.

Auch diese irreführende Aussage tue so, als bestünde ein Vertragsverhältnis. Denn nur dann müssten Verbraucher aktiv widersprechen. Niemand sei verpflichtet, eine so genannte Testmitgliedschaft zu kündigen oder anderweitig aktiv zu beenden.

Missionar lebt von Spenden

Das Finanzamt geht leer aus

Ein Evangelist und Missionar setzte sich für seine Glaubensgemeinschaft ein, indem er christliche Schriften verteilte, Bibelfernkurse durchführte und bei Jugendlagern mitarbeitete. Die Glaubensgemeinschaft ist kein eingetragener Verein. Ausdrücklich verweigert sie alle organisatorischen Strukturen, bezahlt auch die Mitarbeiter nicht. Der Missionar lebte daher nur von Spenden - für die das Finanzamt Einkommensteuer verlangte.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz sah dafür aber keine gesetzliche Grundlage (3 K 2772/93). Die Spenden stellten keine Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb dar, denn die Zahlungen seien unabhängig von der konkreten Tätigkeit des Missionars erfolgt. Es lägen auch keine "sonstigen Einkünfte" vor, weil die Missionsarbeit nicht den Zweck verfolge, durch den Austausch von Leistungen das Vermögen des Missionars zu vermehren. Damit blieben die Spenden vom Zugriff des Finanzamts verschont.

Nach dem Unfall zu Fuß über die Autobahn

Wird der Unfallfahrer dabei von einem anderen Wagen erfasst, trifft ihn hälftiges Mitverschulden

Autofahrer X befand sich auf der Beschleunigungsspur und wollte auf die Autobahn auffahren. Als der Vordermann wegen eines Pannenfahrzeugs plötzlich abbremste, konnte X nicht mehr rechtzeitig ausweichen und kollidierte mit dem vorderen Wagen. Sein eigenes Auto wurde über die Fahrstreifen geschleudert, in der Folge stießen weitere Fahrzeuge zusammen. Dahinter stauten sich Autos mit eingeschalteter Beleuchtung und Warnblinklichtern.

Offensichtlich unter Schock stieg Herr X aus dem Wagen und eilte zu Fuß über die Fahrbahn, um sich auf dem Standstreifen in Sicherheit zu bringen: dunkel gekleidet und ohne Warnweste. Und so folgte der nächste Unfall: Beim Überqueren der Autobahn wurde X von Autofahrer Y erfasst und verletzt, der mit ca. 50 km/h an den Unfallfahrzeugen vorbeifuhr.

Da Herr X beruflich unterwegs gewesen war, übernahm die gesetzliche Unfallversicherung seine Behandlungskosten und forderte den Betrag anschließend von der Kfz-Versicherung des Autofahrers Y. Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied, dass die Kfz-Versicherung nur die Hälfte des Betrags ersetzen muss (12 U 218/22). Denn X treffe am Folgeunfall ein Mitverschulden von 50 Prozent, das sich die gesetzliche Unfallversicherung zurechnen lassen müsse.

Fußgänger dürften die Autobahn nicht betreten. Müsse sich ein Unfallfahrer in Sicherheit bringen und deshalb das Auto verlassen, dürfe dies nur mit größter Vorsicht und mit Warnweste geschehen. Herr X habe sich äußerst leichtsinnig verhalten — auch wenn man natürlich berücksichtigen müsse, dass er sich in einer absoluten Ausnahmesituation befunden habe.

Fahrer Y dagegen habe sich viel zu schnell der Unfallstelle genähert, obwohl sie wegen der vielen Autos mit Warnblinklichtern nicht zu übersehen war. Bei so einer Verkehrslage sei eine Geschwindigkeit von 50 km/h überhöht und grob verkehrswidrig. Allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit dürfe man zwischen verunglückten Autos durchfahren. Nach einer Karambolage mehrerer Fahrzeuge müsse man stets mit Fußgängern rechnen, die sich unvorsichtig auf der Fahrbahn bewegten.

Blutabnahme für die Eigenbluttherapie

Kurzartikel

Laut Transfusionsgesetz ist die Blutabnahme ausschließlich Ärzten vorbehalten. Homöopathen und Heilpraktiker dürfen ihren Patienten auch für die Eigenbluttherapie kein Blut abnehmen. Eigenbluttherapie bedeutet, Patienten das eigene Blut angereichert mit Sauerstoff-Ozon oder homöopathischen Arzneimitteln wieder zu injizieren. Der Arztvorbehalt soll gewährleisten, dass Blut und Blutbestandteile nur auf sichere Art und Weise gewonnen werden.

Glatteis vor dem Finanzamt

Bedienstete erhält nach einem Sturz kein Schmerzensgeld

Eine Verwaltungsangestellte stellte ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz des Finanzamts ab und wollte zu ihrem Arbeitsplatz gehen. Da Glatteis herrschte und nicht gestreut war, rutschte sie aus und stürzte. Ihre Klage gegen das Land auf Schmerzensgeld wurde vom Landgericht Lübeck abgewiesen, das Oberlandesgericht Schleswig gab ihr teilweise statt.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ging die Angestellte jedoch endgültig leer aus (III ZR 164/94). Der Unfall habe sich bereits im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit ereignet. In diesem Fall hafte die gesetzliche Unfallversicherung für den Schaden der Angestellten. In der Unfallversicherung sei jedoch kein Schmerzensgeld vorgesehen. Anders läge der Fall, wenn sich die Betroffene nicht als Betriebsangehörige, sondern als normaler Verkehrsteilnehmer auf dem auch für Besucher zugänglichen Behördenparkplatz verletzt hätte. Dann müsste das Land als Dienstherr der Verletzten haften.

Pferdekauf: Sind "Kissing Spines" ein Mangel?

Der Röntgenbefund allein berechtigt Käufer nicht zum Rücktritt, wenn das Pferd nicht erkrankt ist

Für 17.000 Euro hatte ein Reitanfänger von einer Pferdezüchterin das drei Jahre alte Quarter-Horse "Quincy Range" gekauft. In den folgenden Monaten ging das Pferd mehrmals durch — nicht nur dem Anfänger, sondern auch seiner reiterfahrenen Ehefrau und einem Profireiter. Etwa ein halbes Jahr nach dem Kauf zeigten Röntgenaufnahmen des Pferdes verengte Dornfortsätze der Wirbelsäule, das so genannte "Kissing Spines-Syndrom".

"Quincy Range" tauge nicht als Reitpferd, erklärte deshalb der Käufer und trat vom Kaufvertrag zurück: Dass das Pferd buckle und durchgehe, sei wohl eine Reaktion auf Schmerzen durch die Grunderkrankung "Kissing Spines". Aufgrund der Veränderungen an der Wirbelsäule zeige das Tier "klinische Erscheinungen" in Form "fehlender Reitbarkeit". Dies stelle einen Sachmangel des Pferdes dar.

Die Verkäuferin weigerte sich, den Kaufpreis zurückzuzahlen und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen, den sie beim Landgericht (LG) verlor. Doch ihre Berufung hatte beim Bundesgerichtshof Erfolg (VIII ZR 2/19). Eine besondere Beschaffenheit des Tieres sei im Kaufvertrag nicht vereinbart, so die Bundesrichter. Also komme es darauf an, ob sich "Quincy Range" zur "gewöhnlichen Verwendung" als Reitpferd eigne.

Dies sei vom LG verneint worden, weil es die Anforderungen an ein Reitpferd falsch eingeschätzt habe. Es gehe wie der Käufer von einer Erkrankung des Pferdes aus, weil es das unkontrollierte Durchgehen als "klinische Erscheinung" einstufe. Wenn das Reiten eines Pferdes Probleme bereite, stelle das jedoch kein "klinisches Symptom" dar. Wiederholtes Durchgehen erschwere zwar das Reiten und sei für Reiter auch nicht ungefährlich.

Dabei handle es sich aber nicht um eine krankhafte Verhaltensstörung. Durchgehen gehöre vielmehr zum natürlichen Verhalten des Pferdes als Fluchttier. Ein Pferd sei eben ein Lebewesen und mit individuellen Anlagen ausgestattet. Bei jedem Pferdekauf gehe der Käufer daher das Risiko ein, dass diese Anlagen möglicherweise das Reitvergnügen beeinträchtigten.

Die Röntgenaufnahmen zeigten einen "Kissing Spines-Befund". Der Befund belege für sich genommen aber noch keine Erkrankung. Er sei nur dann als Sachmangel eines Pferdes anzusehen, wenn darüber hinaus feststehe, dass das Tier deswegen bald erkranken werde. Klinische Symptome dafür seien Lahmheit, andere Störungen des Bewegungsapparats und Schmerzen. Nichts davon sei bei "Quincy Range" festgestellt worden.

Abspecken mit Genuss

Wer einen Schauspieler für sich werben lässt, muss sich dessen Aussage zurechnen lassen

"Endlich! Ich habe richtig abgespeckt! Und das mit Genuss, ohne dass ich mich quälen muss!" Diese Aussage legte eine Firma einem bekannten Schauspieler in den Mund und warb damit für das Schlankheitsmittel "Figurafit". Ein Gewerbeverband der Pharmaindustrie verlangte von der Firma, diese nachweislich falsche Behauptung nicht weiter mit ihrer Werbung zu verbreiten. Die Firma verteidigte sich damit, das sei eine Äußerung des Schauspielers, die man nicht ihr vorhalten könne.

Das Kammergericht in Berlin untersagte dennoch die unseriöse Werbung (25 U 3069/94). Wer sich fremder Äußerungen bediene, mache sie sich zu eigen und habe daher wettbewerbsrechtlich für sie einzustehen. Die Aussage selbst sei unrichtig: Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass auch nur vorübergehende Unterernährung das Wohlempfinden beeinträchtige. Hungergefühl führe zu besonderer Reizbarkeit, zu Depressionen, Schwindel und Verdauungsstörungen. Die Richter beriefen sich dabei ausdrücklich auf eigene Erfahrungen.

Mängelhaftung für "Bastelfahrzeug"?

Trotz dieses Zusatzes im Vertrag muss der Kfz-Händler einen Wagen zurücknehmen, der nicht fährt

Durch die Internetanzeige eines Kfz-Händlers erfuhr ein Interessent von dem günstigen Gebrauchtwagen. Nach einer Probefahrt wurde man sich schnell einig. Im Kaufvertrag ergänzte der Verkäufer handschriftlich, das Auto sei ein "Bastelfahrzeug" und in "altersgemäßem Zustand". Der Käufer habe "das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren" und "den vorgefundenen Zustand akzeptiert".

Der Käufer rechnete also durchaus mit der einen oder anderen Macke. Doch dann stotterte ständig der Motor … Drei Mal brachte der Käufer das Auto in die Werkstatt des Kfz-Händlers, der das Defizit aber nicht beseitigen konnte. Danach hatte der Käufer genug: Er erklärte den Rücktritt vom Kauf. Da sich der Verkäufer weigerte, den Kaufpreis zurückzuzahlen, landete der Streit vor Gericht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschied ihn zu Gunsten des Käufers (2 U 41/22). Ein gerichtlicher Kfz-Sachverständiger hatte Zündaussetzer und "Stottern" beim Beschleunigen bestätigt: Diese Mängel des Wagens seien auf Schäden an den Zündkerzen zurückzuführen, die ihrerseits auf Montagefehlern und nicht auf Verschleiß beruhten. Trotz der Ergänzungen im Vertrag müsse der Verkäufer für diese Mängel haften, entschied das OLG.

Auch daraus, dass der Gebrauchtwagen im Vertrag als "Bastelfahrzeug" bezeichnet werde, folge kein Ausschluss der Gewährleistungsrechte des Käufers. Wenn der Kfz-Händler ein Auto als funktionstüchtig verkaufe, dürfe der Käufer aufgrund des übereinstimmend zugrunde gelegten Vertragszweck davon ausgehen, dass er ein fahrbereites Auto bekomme. Allein die Bezeichnung "Bastelfahrzeug" ändere daran nichts.

Neutrale Versicherungsvermittler?

Wer von Finanzinstituten oder Versicherungen Provision erhält, ist kein "unabhängiger Berater"

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) beanstandete die Online-Werbung einer Versicherungsmaklerfirma, die Versicherungen und Finanzanlagen vermittelt. Auf ihrer Webseite hatte sich die Firma für "unabhängige Beratung" gelobt. Die Reklame sei unzulässig, fanden die Verbraucherschützer, denn die Firma kassiere von Versicherungen und von Finanzinstituten Provision für erfolgreiche Vertragsabschlüsse.

Das Landgericht Bremen gab dem vzbv Recht (9 O 1081/22). Wer bei Beratungsgesprächen ein eigenes Interesse daran habe, mit Verbrauchern Versicherungsverträge abzuschließen oder ihnen Geldanlagen zu vermitteln, sei kein unabhängiger, neutraler Berater. Das gelte auch dann, wenn die Firma in Einzelfällen — zusätzlich zur Provision vom Finanzinstitut — auch vom Anleger Honorar für die Beratung bekomme. Die Internetreklame sei daher irreführend.

Wer Provisionen kassieren wolle, berate nie komplett unabhängig und "uneigennützig", erklärte der Verband nach seinem Erfolg vor Gericht. Für Verbraucher müsse aber transparent sein, mit wem sie es wirklich zu tun haben: mit einer objektiven, unabhängigen Beratung gegen Honorar oder mit einer provisionsabhängigen Vermittlung. Die Politik müsse hier unbedingt für mehr Klarheit sorgen, welche Vermittler sich in ihren Werbeaussagen als unabhängig bezeichnen dürften. Bisher sei diese Branche für Verbraucher schwer durchschaubar.

"Heißer Flirt — bei uns findest du dein passendes Gegenstück"

Eine Dating-Plattform setzte für "Flirt-Chats" Mitarbeiter mit Scheinprofilen ein

Die Dating-Plattform geizte nicht mit vollmundigen Versprechen wie: "Heißer Flirt — bei uns findest du dein passendes Gegenstück". "Du kannst bei Amourny auf einen Blick erkennen, wer gerade online ist und dich sofort via Flirt, chatten auf die Suche nach interessanten Bekanntschaften begeben. … bietet Menschen mit gleichen Interessen die Möglichkeit, sich näher kennen zu lernen."

Dass der "heiße Flirt" — zu bezahlen mit "Flirtchips" — zum Teil mit Mitarbeitern der Plattform stattfand, wurde den Kunden in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" (AGB) des Plattformbetreibers sogar mitgeteilt:

"100% Flirtchance … Allerdings gibt es immer mal einen Mangel an Frauen bzw. Männern, … so dass keine geeigneten Flirtpartner anwesend sind … setzen wir immer mal wieder Controller ein, welche unter anonymen Scheinaccounts Dialoge führen ... unter mehreren Identitäten am Chat teilnehmen … ohne sich zu erkennen zu geben …".

Der Verbraucherzentrale Bundesverband beanstandete die AGB der Dating-Plattform und kritisierte die Werbung als unlauter: Wenn Mitarbeiter unter fiktiven Nutzer-Profilen aufträten, widerspreche dies dem Zweck der Kunden: Sie wollten mit "echten Menschen" flirten, Freundschaften schließen oder sogar eine Partnerschaft erreichen. Dafür zahlten sie Gebühren. "Controller" mit einer Schein-Identität könne aber niemand kennenlernen …

Das Landgericht Flensburg gab den Verbraucherschützern Recht (8 O 29/22). Die einschlägigen AGB-Klauseln seien unwirksam. Angeblich bahne die Dating-Plattform Gespräche und Flirts an, aus denen sich eine persönliche Bekanntschaft entwickeln könne: mit Menschen mit gleichen Interessen. Diesem Vertragszweck widerspreche es aber, beim Chatten Mitarbeiter mit "Fake-Profilen" einzusetzen. Aus einer professionellen Kommunikation entwickle sich kein persönlicher Kontakt.

Controller würden fürs Flirten bezahlt und die Scheinprofile dienten dazu, ihre wahre Identität zu verschleiern. Die Nutzer der Plattform wüssten nie, ob sie es mit einer anderen Nutzerin/einem anderen Nutzer oder mit Controllern zu tun haben. Die Hinweise darauf in den AGB reichten nicht aus, um die mit großspurigen Versprechen geweckten Erwartungen der Kunden auf persönliche Bekanntschaften zu korrigieren. Die Reklame für "Amourny" sei daher irreführend. (Der Betreiber hat die Plattform mittlerweile abgeschaltet.)

Informationspflichten bei Haushaltsgeräten

Reklame für Haushaltsgeräte muss ihre Energieeffizienzklasse und zusätzlich deren Spektrum angeben

Ein deutscher Möbel-Discounter hatte auf seiner Webseite für eine Küchenzeile geworben. Der Internetreklame war zwar die Energieeffizienzklasse des Einbau-Backofens und der Dunstabzugshaube zu entnehmen, doch es fehlte das bei diesen Produkten verfügbare Spektrum der Energieeffizienzklassen. Es ist in der Regel farbig unterlegt auf dem Etikett der betreffenden Geräte abgebildet, z.B. A bis E.

Ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hatte die Werbung des Möbel-Discounters als unlauter beanstandet und auf Unterlassung geklagt: Werde nur die Klasse des betreffenden Produkts genannt (der entsprechende Buchstabe), nicht aber das Spektrum, wüssten nicht alle Verbraucher, für welche Qualität dieser Buchstabe im Spektrum der Effizienzklassen stehe. Das mit dem Streit befasste deutsche Gericht legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vor (C-761/22).

Lieferanten und Händler müssten in der Werbung für Haushaltsgeräte nicht nur die Energieeffizienzklasse der Produkte angeben, bestätigte der EuGH. Sie müssten darüber hinaus auf das Spektrum der Effizienzklassen hinweisen, das auf dem Etikett der Produktgruppen angezeigt werde. Das gelte auch dann, wenn die EU-Kommission — wie bei Backöfen und Dunstabzugshauben — noch keine Details festgelegt habe, wie ein solcher Hinweis in der Reklame aussehen müsse.

Jedenfalls sollte er möglichst so gestaltet sein wie auf den Energieetiketten der Produkte. Energieeffizienzklasse und Spektrum müssten klar und gut sichtbar angegeben werden. Zum Beispiel so: "Die Energieeffizienzklasse dieses Modells/Produkts ist (einschlägiger Buchstabe) innerhalb eines Spektrums von (erster Buchstabe) bis (letzter Buchstabe)". Andere Formulierungen seien aber auch möglich, erklärte der EuGH.

Photovoltaikanlage mit massiven Mängeln

Solarfirma muss auch die Kosten der von ihr verlangten, fehlgeschlagenen Abnahme tragen

Die Auftraggeberin hatte eine auf Solaranlagen spezialisierte Handwerksfirma damit beauftragt, eine Auf-Dach-Photovoltaikanlage mit einer fixen Strom-Nennleistung zu planen und zu errichten. Als die Firma den Bau fertiggestellt hatte, verlangte sie von der Auftraggeberin, ihr "Werk abzunehmen" (was bedeutet: die Anlage als im Wesentlichen vertragsgerecht zu billigen). Vorsichtshalber zog die Auftraggeberin bei diesem Termin einen Sachverständigen hinzu.

Das sollte sich trotz der Gutachterkosten von rund 2.700 Euro auszahlen. Denn der Experte stellte zahlreiche, wesentliche Mängel fest: So waren unter anderem Leitungen mit unzureichendem Querschnitt fehlerhaft verlegt, die Unterkonstruktion der Anlage mangelhaft befestigt worden. Diese Mängel beeinträchtigten die Sicherheit der Anlage und auch ihre Leistung blieb weit hinter dem vereinbarten Wert zurück.

Zwar bestritt die Solarfirma prinzipiell, dass Mängel vorlagen. Doch die Auftraggeberin verweigerte unter Verweis auf das Gutachten die Abnahme und verklagte stattdessen die Handwerksfirma: Sie müsse die Mängel beheben, die mangelbedingte Minderleistung der Photovoltaikanlage finanziell ausgleichen und zudem die Kosten des erfolglosen Abnahmetermins tragen.

Das Landgericht Bielefeld gab der Auftraggeberin Recht (5 O 149/22). Die Handwerksfirma habe das Gutachten des Sachverständigen in keinem Punkt widerlegen können. Sie sei daher verpflichtet, die Mängel zu beheben und den Ertragsausfall zu ersetzen. Da die Auftragnehmerin außerdem zu Unrecht die Abnahme ihres Werks gefordert habe, habe die Auftraggeberin zusätzlich Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten.

So ein Anspruch setze voraus, dass erstens der Werkunternehmer seine vertraglichen Pflichten verletzt habe und dass es sich zweitens nicht nur unwesentliche Mängel handle. Beide Bedingungen seien hier erfüllt. Die Solarfirma habe schuldhaft ihren Vertrag außerordentlich schlecht erfüllt und eine Anlage mit gravierenden Mängeln erstellt.

Zu Unrecht beschwere sich die Auftragnehmerin über die hohen Kosten für den erfolglosen Abnahmetermin: Doch die Auftraggeberin habe völlig zu Recht einen Experten hinzugezogen. Schließlich gehe es hier um eine technisch komplexe Anlage, die man ohne technischen Sachverstand nicht beurteilen könne.

Computer ist ein notwendiges Arbeitsmittel

Arbeitgeber muss den Betriebsrat mit heute üblicher Bürotechnik ausstatten

Ein Betriebsrat hat Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber den aktuellen Stand der Bürotechnik für die Betriebsratsarbeit zur Verfügung stellt. Dazu gehört auch ein PC mit entsprechender Software, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (10 TaBV 103/94). Das Büro eines Betriebsrats müsse dem in Unternehmen und Verwaltung derzeit gültigen, technischen Stand entsprechen, so das LAG: Anders könne er seine zahlreichen Aufgaben nicht sachgerecht erfüllen.

Dafür sei ein PC erforderlich. Das gelte erst recht, wenn es - wie im konkreten Fall - um einen Betrieb mit 460 Arbeitnehmern gehe. Hier müsse der Betriebsrat im Bereich der Personalplanung und bei der betrieblichen Lohngestaltung enorm viele Daten verarbeiten, z.B. 4.500-5.000 Überstunden auswerten. Da Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet seien, dem Betriebsrat die notwendigen Sachmittel für seine Tätigkeit zu verschaffen, müsse das Unternehmen auch einen Computer für den Betriebsrat beschaffen.

Traubenernte von Dieselöl ruiniert

Die Kfz-Versicherung der defekten Erntemaschine muss der Winzerin den Schaden nicht ersetzen

Im Herbst 2018 hatte eine Winzerin einen landwirtschaftlichen Lohnunternehmer beauftragt, mit seinem Traubenvollernter in ihrem Weinberg bei der Weinlese zu helfen. Sie selbst und ein Mitarbeiter des Unternehmers hatten mit der Maschine bereits 2,5 Tonnen Trauben geerntet, als sie Dieselgeruch bemerkte: Die Dieselleitung des Fahrzeugs hatte ein Leck.

Nach der Traubenpressung stellte sich bei einer Analyse heraus, dass die Früchte mit Dieselöl kontaminiert waren: Die gesamte Ernte war verloren. Vom landwirtschaftlichen Lohnunternehmer forderte die Winzerin 17.000 Euro Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht Koblenz entschied, dass er den Verlust nicht schuldhaft verursacht habe. Trotzdem müssten er bzw. seine Kfz-Versicherung dafür haften, nämlich nach dem Straßenverkehrsgesetz. Denn der Schaden sei beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden: Ein Traubenvollernter sei eine fahrbare Arbeitsmaschine, die nicht nur die Trauben von den Rebstöcken löse, sondern sich bei der Ernte ständig fortbewege.

Mit dieser Argumentation war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden (VI ZR 16/23). Die Verunreinigung der Traubenernte hänge nicht mit der Eigenschaft der Maschine als Kraftfahrzeug zusammen, d.h. mit ihrer Funktion als Fortbewegungs- und Transportmittel. Die Fortbewegung des Traubenvollernters sei im Weinberg kein Selbstzweck. Sie diene bei diesem Einsatz — fern öffentlicher Verkehrsflächen — lediglich der Traubenernte.

Im Vordergrund stehe die Funktion des Traubenvollernters als Arbeitsmaschine. Dafür würden hier Motorkraft und Dieselkraftstoff benötigt. Anders wäre der Fall möglicherweise zu beurteilen, wenn der Schaden erst nach dem Ernteeinsatz der Arbeitsmaschine stattgefunden hätte — beim Transport der Trauben zum Umladen an der Straße.

Doch Winzerin und Zeuge hätten ausgesagt, dass sie das Leck an der Kraftstoffleitung an Ort und Stelle bemerkten. Damit stehe fest, dass die Trauben während des Erntevorgangs im Weinberg und nicht erst beim nachfolgenden Transport mit dem Öl in Kontakt gekommen seien. Für den Schaden müsse daher nicht die Kfz-Versicherung einstehen. Großes Pech für die Winzerin, die auf ihrem Schaden sitzen blieb.

Irreführende Hotelreklame mit Sternen

Nur wer vom Deutschen Hotelverband bewertet wurde, darf mit dessen Klassifizierung werben

Im Internet wurde 2022 für ein Hotel geworben: Drei fünfzackige Sterne prangten auf der Webseite. Klickte der interessierte Verbraucher die Sterne an, folgte der Hinweis, es handle sich um eine Klassifizierung der DEHOGA, d.h. des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Tatsächlich war das Hotel jedoch nie vom Branchenverband bewertet worden.

Er forderte deshalb von der Hotelinhaberin, die auch die Internetseite gestaltet, diese Täuschung der Verbraucher künftig zu unterlassen. Zu Recht, entschied das Landgericht Traunstein (1 HK O 2790/22). Internetnutzern werde auf der Webseite vorgespiegelt, den Sternen liege eine offizielle Bewertung durch den Branchenverband DEHOGA zugrunde — was offenkundig nicht zutreffe. Die Reklame sei daher irreführend und verstoße gegen den fairen Wettbewerb.

Wie bei allen Gütesiegeln und Qualitätszeichen gehe der Verbraucher auch bei der Sternebewertung von Hotels davon aus, dass deren Qualität vorher objektiv geprüft worden sei. Eine Klassifizierung sei nur aussagekräftig, wenn die Güte von Produkten — hier eben von Hotels — anhand objektiver Merkmale und Mindestanforderungen von einer neutralen, unabhängigen Stelle kontrolliert wurde, der es dabei nicht um gewerblichen Gewinn gehe.

Streit um Pestizid-Zulassung

Die EU-Kommission hat die Erlaubnis für CHP-methyl wegen gesundheitlicher Risiken nicht verlängert

Im Januar 2020 hat die EU-Kommission beschlossen, die Erlaubnis für die Chemikalie CHP-methyl nicht mehr zu erneuern, die zur Gruppe der Organophosphate gehört. Dieser Wirkstoff war bis dahin in einigen Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden) enthalten, um Schädlinge zu bekämpfen und vor allem, um gelagertes Getreide zu behandeln. Dem Beschluss der EU-Kommission lag eine Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugrunde.

Die EFSA hatte auf Basis wissenschaftlicher Studien erklärt, Risiken für die menschliche Gesundheit durch die Chemikalie CHP-methyl seien nicht auszuschließen: Möglicherweise schädige er schon in geringer Dosis das Nervensystem. Zwei europäische Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, das portugiesische Unternehmen Ascenza Agro und das spanische Unternehmen Afrasa, haben gegen das Verbot geklagt.

Beim Gericht der Europäischen Union hatten die Pestizid-Hersteller keinen Erfolg (T-77/20). Die von der EFSA zur Risikobewertung angewandten Methoden seien wissenschaftlich anerkannt und nicht zu beanstanden, so das Gericht. Auf die Schlussfolgerungen der Behörde dürfe sich die EU-Kommission daher berufen.

Wenn nicht eindeutig feststehe, wie sich die Chemikalie CHP-methyl auf das Nervensystem auswirke, sei die Genehmigung für den Wirkstoff zu verweigern. Die bloße Unsicherheit in Bezug auf ein gesundheitliches Risiko reiche aus, um so einen Beschluss zu rechtfertigen.

Damit habe die EU-Kommission korrekt das Vorsorgeprinzip umgesetzt. Das zentrale Prinzip der Umwelt- und Gesundheitspolitik bestehe darin, potenzielle Belastungen und Schäden für die Umwelt bzw. die menschliche Gesundheit schon im Voraus zu vermeiden oder jedenfalls weitgehend zu verringern.