Freie Berufe

Tödliche Kastration

Tierarzt haftet für grob fehlerhafte Kastration eines Hengstes

Für 5.000 Euro hatte eine Reiterin in Spanien den Hengst "Apache" gekauft, der der iberischen Rasse angehörte. Zu Hause beauftragte sie einen Tierarzt damit, das Pferd zu kastrieren. Der Tiermediziner führte die Operation am liegenden Tier in Vollnarkose durch. Dabei traten Komplikationen auf. Der Hengst wurde in eine Tierklinik verlegt und nochmals operiert. Doch er war nicht mehr zu retten: Nach Multiorganversagen musste er eingeschläfert werden.

Dafür machte die Tierhalterin den Tierarzt verantwortlich: Der Eingriff sei misslungen und zudem habe er sie vorher über dessen Risiken nicht richtig aufgeklärt. 8.000 Euro forderte die Frau: Ersatz für den Kaufpreis des Pferdes und die Kosten der Tierklinik. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Hamm (3 U 28/16). Auch die Rechnung des Tierarztes über 500 Euro müsse die Reiterin nicht bezahlen, denn er habe den Behandlungsvertrag schlecht erfüllt.

Zum einen habe es der Tiermediziner versäumt, die Pferdebesitzerin über die Kastrationsmethoden — Eingriff im Stehen oder im Liegen — und deren unterschiedliche Risiken zu informieren. Dazu hätte es auch gehört, das bei der iberischen Rasse erhöhte Risiko von Muskelschwäche (Myopathie) nach so einem Eingriff zu erläutern, die das spätere Aufstehen des Pferdes erschwere oder sogar unmöglich machen könne. Ein Eingriff im Liegen sei bei diesen Tieren besonders problematisch.

Zum anderen habe die Operation laut Sachverständigengutachten generell nicht medizinischem Standard entsprochen: Bei einer Kastration im Liegen müsse der Tierarzt die notwendige Ligatur (= Unterbindung von Blutgefäßen mit einer Naht) beidseitig vornehmen und diese durch eine Transfixation absichern. Stattdessen habe er die Ligatur nur an einer Seite ausgeführt und diese nicht fixiert.

Das sei grob fehlerhaft, weil so das Risiko bestehe, dass der Darm beim Aufstehen des Pferdes eingeklemmt werde oder eine Blutung entstehe und die Ligatur abrutsche. Eben diese Konsequenz sei tatsächlich eingetreten, wie die Tierklinik festgestellt habe. Deshalb müsse man davon ausgehen, dass die groben Behandlungsfehler des Tiermediziners zum Tod von "Apache" führten.

Versicherer kürzt Krankentagegeld

BGH erklärt die Anpassungsklausel einer privaten Krankentagegeldversicherung für unwirksam

Ein Handwerksmeister — selbständiger Ofensetzer und Fliesenleger — hatte eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen, um sich gegen Verdienstausfall abzusichern. 100 Euro pro Tag sollte er im Krankheitsfall erhalten. Nach einigen Jahren reduzierte der Versicherer den vereinbarten Tagessatz von 100 Euro auf 62 Euro und verringerte die Prämien, die der Ofensetzer zahlen musste.

Diese Maßnahme begründete das Unternehmen mit der "Anpassungsklausel" im Versicherungsvertrag: Es sei vorgesehen, Tagessatz und Prämien anzupassen — d.h. herabzusetzen —, wenn das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers sinke.

Der Handwerker wehrte sich gegen die Änderung und bekam vom Bundesgerichtshof Recht (IV ZR 44/15). Die Anpassungsklausel sei intransparent, erklärten die Bundesrichter. In den Versicherungsbedingungen müsse der Umfang des Versicherungsschutzes klargestellt werden. Welche Umstände ihn reduzieren könnten, müssten auch durchschnittlich informierte Kunden ohne Spezialkenntnisse im Versicherungsrecht verstehen können. Diese Anforderung erfülle die Klausel nicht.

Grundsätzlich dürfe Krankentagegeld das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers nicht übersteigen. Maßstab für das Nettoeinkommen solle der durchschnittliche Verdienst im Jahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit sein.

Wie sich das Nettoeinkommen bei einem beruflich selbständigen Versicherungsnehmer zusammensetze, lasse die Klausel aber offen. Unklar sei auch, welcher Stichtag für die Berechnung des Nettoeinkommens ausschlaggebend sein solle. Zudem stelle die rein steuerrechtlich ermittelte Höhe des Nettoeinkommens bei Selbständigen nicht unbedingt ein geeignetes Kriterium für die Höhe des Verdienstausfalls dar.

Offen bleibe obendrein, wie lange eine (nach Vertragsschluss eintretende) Minderung des Einkommens dauern müsse, um eine Kürzung des vereinbarten Krankentagegeldes zu rechtfertigen. Auch bei aufmerksamer Lektüre könne der Versicherungsnehmer dem Vertragstext nicht eindeutig entnehmen, unter welchen Bedingungen der Versicherer den Tagessatz senken werde. Versicherer dürften aber die vereinbarten Leistungen nicht einseitig und für die Kunden überraschend herabsetzen.

Explodierende Baukosten

Haftet der Architekt, wenn die Baukosten die finanziellen Mittel der Bauherrin übersteigen?

Während der Planungsphase für ein Einfamilienhaus wuchs das Bauvorhaben. Zuerst wünschte die Bauherrin einen umbauten Raum von knapp 900 Kubikmetern. Er wurde erst auf 1.351 Kubikmeter, schließlich auf 1.472 Kubikmeter erweitert. Die Baukosten schätzte der Architekt für die kleine Variante auf 270.239 Euro in Standardausstattung, auf knapp 300.000 Euro mit gehobener Ausstattung. Im Honorarangebot und im Bauantrag gab er Baukosten von 360.000 Euro an, die sich auf eine Gebäudegröße von 1.351 Kubikmetern bezogen.

Am Ende verwirklichte der Architekt — in stetem Gedankenaustausch mit der Auftraggeberin — den größten Entwurf in sehr gehobenem Standard. Dafür hatte er keine neue Kostenschätzung mehr vorgelegt. Die Baukosten beliefen sich auf 512.081 Euro ohne Nebenkosten. Nun verlangte die Bauherrin vom Architekten Schadenersatz, weil er die Kostenobergrenze von 360.000 Euro überschritten hatte.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wies ihre Klage ab (23 U 166/12). Dabei betonte das OLG ausdrücklich, dass Architekten die Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei der Planung berücksichtigen müssten. Allerdings müsse der Bauherr auch deutlich zum Ausdruck bringen, dass die Baukosten einen bestimmten Betrag nicht überschreiten dürften. Im konkreten Fall sei aber keine bestimmte Kostengrenze vereinbart worden.

Anfangs habe die Auftraggeberin wohl mit dem Architekten über Kosten gesprochen. Er habe für das eigentlich geplante, erheblich kleinere Haus und das später ausdrücklich von ihr gewünschte größere Gebäude jeweils zwei Kostenschätzungen erstellt. Anschließend sei aber auf Wunsch der Bauherrin das Bauvolumen nochmals erhöht und eine kostspieligere Ausstattung gewählt worden. Vorher hätte sie klarstellen müssen, dass 360.000 Euro für sie die Obergrenze seien, ihre finanziellen Mittel nicht weiter reichten.

Wenn sich der Auftraggeber für ein größeres Gebäude oder eine bessere Ausstattung entscheide, müsse er auch mit einem Mehr an Kosten rechnen. Die Bauherrin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass sie ein größeres Haus mit besserem Material zum geschätzten Preis erhalten würde. (Das Urteil wurde am 6.4.2016 vom Bundesgerichtshof bestätigt: AZ. VII ZR 81/14)

Ex-Frau ausspionieren lassen

Auftraggeber ist mit der Leistung eines Detektivs unzufrieden und zahlt nicht

Ein Münchner beauftragte eine Detektei damit, seine geschiedene Ehefrau auszuspionieren. Er vermutete, dass sie viel mehr verdiente, als sie im Prozess um nachehelichen Unterhalt angegeben hatte. Deshalb sollte ein Detektiv herausfinden, welche Einkünfte die Ex-Frau in den Jahren 2009 bis 2013 beim Finanzamt deklariert hatte: Er benötige Daten zu ihrer Steuererklärung und Auskunft über eventuell nicht versteuerte Einkünfte, erklärte der Münchner dem Geschäftsführer der Detektei.

Angeblich prahlte nun der Geschäftsführer mit guten Kontakten zur Finanzbehörde. Sein Mitarbeiter könne zwar keine Kopie der Steuererklärung bekommen, aber eine "genaue Auflistung der angegebenen Zahlenwerte". Nur wegen dieses Versprechens habe er den Auftrag erteilt und schriftlich vereinbart, behauptete der Kunde später. Für den Auftrag verlangte die Detektei eine Grundgebühr von 500 Euro sofort und 3.000 Euro für den Fall, dass sie Informationen liefern konnte.

Was sie dem Auftraggeber nach wenigen Tagen mitteilte, war allerdings sehr dürftig: Die Nachforschungen hätten ergeben, dass die Ehefrau aktuell keiner Tätigkeit nachgehe. Genauere Aussagen darüber, ob das womöglich doch der Fall sein könnte und in welchem Umfang, könne man erst nach längerer Observierung treffen. Mit dieser vagen Auskunft könne er nichts anfangen, zürnte der unzufriedene Auftraggeber. Er weigerte sich, die Rechnung der Detektei über 3.000 Euro zu begleichen.

Nach einem Urteil des Amtsgerichts München ist er dazu jedoch verpflichtet (262 C 7033/15). Der Geschäftsführer der Detektei habe bestritten, dass vereinbart wurde, konkrete Steuerdaten oder gar die Steuererklärung auszukundschaften. Dem Vertrag sei das ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Firma habe sich verpflichtet, Ermittlungen durchzuführen, jedoch nicht dazu, ein bestimmtes Ergebnis zu liefern.

Die "Informationen" der Detektei seien zwar äußerst dünn und für das Vorhaben des Auftraggebers unbrauchbar, räumte das Amtsgericht ein. Das ändere aber nichts an der Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung. Dass er mit dem Geschäftsführer mündlich etwas anderes verabredet habe als schriftlich fixiert worden sei, habe der Münchner nicht beweisen können. Daher gehe das Gericht davon aus, dass sich die Detektei nicht bereit erklärt habe, illegal Unterlagen des Finanzamts zu beschaffen.

Verkorkste Dachkonstruktion

Unvollständiges Leistungsverzeichnis für die Dachdecker erstellt: Architekt haftet für die Folgen

Ein Architekt sollte für das Einfamilienhaus der Bauherrin eigentlich nur die Genehmigungsplanung durchführen. Obwohl er nicht ausdrücklich damit beauftragt war, die Ausschreibungsunterlagen zu erstellen, fertigte er auch das Leistungsverzeichnis für die Dachdeckerarbeiten an. Das missriet jedoch.

Da die Bauherrin ein Kaltdach wünschte — eine belüftete Dachkonstruktion, bei der Feuchtigkeit durch Hohlräume über der Dämmschicht abgeführt wird —, hätte das Leistungsverzeichnis festlegen müssen, wie das Dach entlüftet werden sollte. Dazu fehlten Angaben, ebenso ein Hinweis auf notwendige Öffnungen für das Entlüften. Schutzgitter sah das Leistungsverzeichnis ebenfalls nicht vor.

Die Dachdeckerfirma errichtete eine mangelhafte Dachkonstruktion, die zu Feuchtigkeitsschäden führte: Kondenswasser tropfte innen an den Wänden und außen an der Fassade herunter. Deshalb verlangte die Bauherrin vom Architekten (und in einem zweiten Verfahren vom Dachdecker) Schadenersatz für die Sanierung und für Gutachterkosten.

Zu Recht, wie das Oberlandesgericht Brandenburg entschied (11 U 170/11). Obwohl der Architekt die Ausschreibungsunterlagen ohne direkten Auftrag erstellt habe, müsse er für seine Fehler haften. Denn bei einem Bauvorhaben gehe es nicht um eine nebensächliche Gefälligkeit des täglichen Lebens. Immerhin ständen für die Bauherrin erhebliche Werte auf dem Spiel. Daher müsse sie auf eine einwandfreie Leistung des Architekten vertrauen können.

Seine Ausschreibungsunterlagen seien jedoch unvollständig. Der Architekt habe nicht klar festgelegt, ob ein Kaltdach oder ein Warmdach errichtet werden solle (bei letzterem wird der Raum zwischen den Sparren vollständig gedämmt). Der Dachdecker habe dann eine untaugliche Kombination aus beidem hergestellt. Darauf seien laut Sachverständigengutachten die Schäden zurückzuführen. Dass der Dachdecker — der es eigentlich besser wissen müsste — dazu beigetragen habe, entlaste den Architekten nicht: Sein schlechtes Leistungsverzeichnis habe die Fehlerkette in Gang gesetzt.

Maklervertrag ja oder nein?

Immobilienkäufer dürfen im Prinzip davon ausgehen, dass das Maklerbüro für den Verkäufer tätig ist

Wenn ein Makler auch vom Käufer einer Immobilie Provision erwartet, muss er diesen Anspruch deutlich zum Ausdruck bringen, z.B. im Exposé. Ansonsten kommt mit dem Käufer kein Maklervertrag zustande, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Köln (24 U 21/14).

Der konkrete Fall: Ein Maklerbüro hatte in einem Internetportal für Immobilien ein Hausgrundstück inseriert. Eine Kaufinteressentin rief an und besichtigte mit der Maklerin das Einfamilienhaus. Nach dem Abschluss des Kaufvertrags stritten die Damen darüber, ob Provision vereinbart war. Die Maklerin behauptete, die Käuferin habe bei der Besichtigung gewusst, dass sie im Erfolgsfall Maklergebühr zahlen sollte.

Dass sie "stillschweigend" einer Provision zugestimmt hatte, bestritt die Käuferin und bekam vom OLG Köln Recht. Hier liege kein Maklervertrag vor. Ein Kaufinteressent dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass der Makler vom Hauseigentümer mit dem Verkauf beauftragt wurde. In der Regel werde der Makler im Interesse des Verkäufers tätig, wenn er Informationen an potenzielle Käufer weitergebe, und bekomme vom Verkäufer sein Honorar.

Nehme ein Kaufinteressent Kontakt zum Makler auf, führe das nur dann zum Abschluss eines Maklervertrags, wenn der Makler bereits im Exposé oder in der Internetanzeige unmissverständlich auf sein Provisionsverlangen hingewiesen habe. Wenn ein Kaufinteressent unter diesen Umständen die Dienste des Maklers in Anspruch nehme, gebe er damit "in schlüssiger Weise zu erkennen", dass er einen Maklervertrag abschließen möchte.

Wenn das Maklerbüro sein Verlangen nach Käuferprovision dagegen nicht eindeutig formuliert habe, erkläre der Kaufinteressent mit einem Anruf noch keineswegs die Bereitschaft, im Erfolgsfall Provision zu zahlen. Im konkreten Fall habe die Maklerin nicht belegen können, dass die Käuferin schon vor der Besichtigung des Kaufobjekts über ihr Provisionsverlangen Bescheid wusste. Deshalb verneinte das OLG einen Maklervertrag und den Anspruch der Maklerin auf Käuferprovision.

Treppensturz im "Home Office"

Unfall einer freiberuflichen Werbetexterin im eigenen Haus ist kein Arbeitsunfall

Eine 1960 geborene Frau arbeitet seit 2009 als selbständige Werbetexterin und Journalistin. Im ersten Stock ihres Wohnhauses hat sie ein Büro eingerichtet, auf der gleichen Etage befinden sich Bad und Schlafzimmer. Im Sommer 2012 stürzte die Frau die Treppe hinunter, als sie vom Schreibtisch aufstand, um im Parterre dem Paketboten die Türe zu öffnen. Dabei verletzte sie sich am Fuß, prellte sich Handgelenk und Lendenwirbelsäule.

Nach ambulanter Behandlung im Krankenhaus war die Freiberuflerin fünf Wochen arbeitsunfähig. Sie war freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert und forderte nun Leistungen von der Berufsgenossenschaft. Doch die winkte ab: Versicherungsschutz bestehe nur in Bezug auf Räume im Haus, in denen unmittelbar "die versicherte Tätigkeit ausgeübt" werde. Im Obergeschoss des Hauses lägen aber auch private Räume, die Treppe werde nicht überwiegend für Arbeitszwecke genutzt.

Auch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg stufte den Unfall der Werbetexterin nicht als Arbeitsunfall ein (L 1 U 1882/14). Natürlich sei es in Fällen wie diesem schwierig, privaten Lebensbereich und Arbeit voneinander abzugrenzen. Bei Unfällen, die sich in Räumen bzw. auf Treppen ereignen, die weder eindeutig der Privatwohnung noch der versicherten Tätigkeit zugeordnet werden könnten, komme es laut Bundessozialgericht darauf an, ob der Unfallort "wesentlich dem Betriebszweck diene" und wofür er zum Unfallzeitpunkt genutzt wurde.

Von diesen Kriterien ausgehend, sei der Weg der Werbetexterin vom Obergeschoss zur Haustüre nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Nur weil der Büroraum im ersten Stock liege, sei die Treppe nicht "ihrem Wesen nach" der beruflichen Tätigkeit zuzuordnen. Schließlich gehe die Frau aus privaten Motiven zig-mal am Tag die Treppe hinauf und hinunter: um Mahlzeiten zuzubereiten, um einzukaufen und die Katzen zu füttern, um ins Bad zu gehen oder ins Schlafzimmer.

Eine ständige, nicht nur gelegentlich betriebliche Nutzung der Treppe vermochte das LSG daher nicht zu erkennen. Auch beim Unfall überwiege klar der private Aspekt, fand das LSG: Die Werbetexterin habe nicht nur Büromaterial, sondern auch eine Lieferung Kaffeekapseln bestellt. Beim Klingeln des Postboten habe die Freiberuflerin nicht wissen können, ob das etwas mit ihrem Beruf zu tun habe. Geliefert wurden jedenfalls Kaffeekapseln.

Ein Esstisch ist keine Büroeinrichtung

Ein Unternehmer kann seine Esstischgruppe nicht als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen

Ein Esszimmertisch mit sechs Stühlen ist selbst dann nicht als Büroeinrichtung steuerlich absetzbar, wenn ein Unternehmer gelegentlich in seinem Esszimmer Besprechungen mit Kunden abhält oder am Tisch für den Betrieb arbeitet, urteilte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (6 K 1996/14).

Der konkrete Fall: Ein Bauleiter ist als Ein-Mann-Unternehmen selbständig tätig. 2008 kaufte er zum stolzen Preis von 9.927 Euro einen Esszimmertisch aus Nussbaum und sechs weiße Lederstühle. Tisch und Stühle platzierte der Unternehmer in seinem Eigenheim, im zum Wohnzimmer hin offenen Esszimmer.

Bei seiner Einkommensteuererklärung für 2008 beantragte er, die Kosten dieser Anschaffung als Betriebsausgaben anzuerkennen und ihm Vorsteuerabzug zu gewähren, d.h. Abzug der beim Kauf gezahlten Umsatzsteuer. Er brauche die Möbel für sein Unternehmen, behauptete der Bauleiter. Nur hier könne er größere Pläne ausbreiten, Akten bearbeiten und vor allem Besprechungen mit Kunden oder Geschäftspartnern abhalten. Er nutze die Esstischgruppe zu mindestens 3/7 beruflich und nur am Wochenende auch zu privaten Zwecken.

Das Finanzamt lehnte den Antrag des Bauleiters ab: Möbel für ein Esszimmer dienten eindeutig der Einrichtung eines privaten Raumes und stellten keine Büroeinrichtung dar. Vergeblich klagte der Steuerzahler dagegen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz gab der Finanzbehörde Recht.

Es gebe Gegenstände (z.B. Kraftfahrzeuge), die ihrer Art nach betrieblich und privat genutzt werden könnten, so das Gericht. Bei einer Esszimmereinrichtung treffe das jedoch grundsätzlich nicht zu.

Auch die Höhe der Kosten lasse darauf schließen, dass der Kläger den privaten Essbereich nach seinem Geschmack habe möblieren wollen und dabei nicht das Kriterium der Zweckmäßigkeit für Büroarbeiten im Vordergrund stand. Doch selbst wenn das zuträfe, könnte man die Kosten nicht als Betriebsausgabe einstufen: Denn der Anteil der betrieblichen Nutzung im Verhältnis zur privaten Nutzung sei dafür zu gering. Auch in der Zeit, in der die Möbel gar nicht gebraucht werden, dienten sie als Einrichtung eines Esszimmers und damit einem privaten Zweck. Kalkuliere man diese Zeit mit ein, betrage der Anteil der unternehmerischen Nutzung nur 2,9 Prozent.

Anschaffungskosten für Gegenstände, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt werden, seien nur dann als Betriebsausgaben steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Anteil der unternehmerischen Nutzung bei mindestens zehn Prozent liege. Darüber hinaus habe der Bauleiter, wie seinen Aufzeichnungen zu entnehmen sei, nur Einzelgespräche mit Kunden geführt. Für vier der sechs Stühle sei also überhaupt keine unternehmerische Nutzung ersichtlich.

Umsatzsteuer für ein Tanzstudio?

Ob eine Tanzlehrerin von der Umsatzsteuer befreit wird, hängt von der Art ihrer Leistungen ab

Von 2007 bis 2012 hatte eine Tanzlehrerin für ihr eigenes kleines Tanzstudio Umsatzsteuererklärungen abgegeben. 2013 beantragte sie beim Finanzamt, die Umsatzsteuerbescheide für diese Jahre zu ändern und das Tanzstudio — rückwirkend und in Zukunft — als "unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck" dienende private Schule von der Umsatzsteuer zu befreien (§ 4 Nr. 21 a Umsatzsteuergesetz).

Die Unternehmerin legte zugleich eine Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vor. Darin wurde bestätigt, dass der Ballettunterricht der Tanzschule Schüler und Schülerinnen auf den Beruf des Tänzers bzw. der Tänzerin und auf entsprechende Prüfungen vorbereitet.

Auf den Antrag reagierte das Finanzamt mit einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Fazit des Prüfers: Eine Befreiung von der Umsatzsteuer komme nicht in Frage, weil die Tanzlehrerin auch Kurse anbiete, die mit Schul- oder Berufsbildung überhaupt nichts zu tun hätten (z.B. "Mütter — Baby — Fitness", "Zumba", "Fit for 50"). Sie gehörten in den Bereich der Freizeitgestaltung. Anhand der Buchführungsunterlagen die Umsätze in steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze aufzuteilen, sei unmöglich. Daher seien alle Leistungen steuerpflichtig.

Daraufhin zog die Tanzlehrerin vor das Niedersächsische Finanzgericht und erreichte immerhin einen Teilerfolg (5 K 316/14). Der Steuerzahlerin die Steuerbefreiung pauschal zu versagen, sei rechtswidrig, so das Finanzgericht. Der Ballettunterricht sei nicht umsatzsteuerpflichtig. Alle EU-Mitgliedstaaten befreiten gemäß EU-Recht Schul- und Hochschulunterricht, Fortbildung und berufliche Umschulung von der Umsatzsteuer. Eine private Schule erfülle die Voraussetzungen dafür, wenn sie Ausbildung ermögliche, fördere, ergänze oder erleichtere.

Für die Steuerbefreiung komme es nicht auf die Ziele der Personen an, die das Tanzstudio besuchten. Entscheidend seien vielmehr die generelle Eignung des Unterrichts zur beruflichen Aus- und Fortbildung, unabhängig davon, wie viele Teilnehmer davon Gebrauch machten. Wie hoch der Anteil der Schüler sei, die den Ballettunterricht tatsächlich wegen einer Berufsausbildung besuchten und Tänzer geworden seien, spiele daher keine Rolle.

Der Ballettunterricht des Tanzstudios sei nach Einschätzung des Kultusministeriums nicht als Freizeitgestaltung einzustufen. Andere Kurse dagegen dienten ausschließlich der Freizeitgestaltung. Kurse für Senioren oder für Hochzeitstänze z.B. könnten nicht von der Umsatzsteuer befreit werden. Das seien keine Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienten.

Wenn einzelne Kurse die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung erfüllen und andere nicht, stellt sich die Frage, wie die beiden unterschiedlichen Kategorien aufzuteilen sind. Das Finanzgericht entschloss sich, den Anteil der steuerfreien Leistungen zu schätzen. Es zog das Kursangebot des Tanzstudios während einer "typischen" Woche heran und orientierte sich an der Verteilung der Erlöse in dieser Woche. 20 Prozent der Erlöse ordnete das Finanzgericht dem steuerfreien Bereich Ballettunterricht zu. Gemäß dieser Richtschnur müsse das Finanzamt künftig die Umsatzsteuer berechnen, die Steuerbescheide für die zurückliegenden Jahre seien entsprechend zu ändern.

Dienstwagen als Betriebsausgabe?

Ein (auch) selbständig tätiger Unternehmensberater will Autokosten von der Steuer absetzen, die die Arbeitgeberin finanziert

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) kann ein Arbeitnehmer, der den von der Arbeitgeberin gestellten Dienstwagen auch für seine freiberufliche Tätigkeit nutzen darf, Ausgaben für den Wagen nicht als Betriebsausgaben geltend machen, wenn die Arbeitgeberin alle Fahrzeugkosten trägt und der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil durch die Nutzung des Wagens pauschal versteuert (III R 33/14).

Ein Unternehmensberater arbeitete für eine Firma und war nebenbei selbständig tätig. Die Arbeitgeberin stellte ihm einen Dienstwagen zur Verfügung, den der Unternehmensberater ohne Einschränkungen nutzen konnte: für Dienstfahrten als Angestellter, für private Fahrten und im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit. Sämtliche Ausgaben für das Fahrzeug übernahm die Arbeitgeberin.

2008 legte der Unternehmensberater mit dem Dienstwagen insgesamt 60.000 Kilometer zurück. 37.000 Kilometer entfielen auf die nicht-selbständige Tätigkeit, 18.000 Kilometer auf die selbständige Tätigkeit und 5.000 Kilometer auf privat motivierte Fahrten. Den geldwerten Vorteil durch die privaten Fahrten mit dem Auto versteuerte der Mann nach der so genannten Ein-Prozent-Regel. Das bedeutet: Er zahlte für jeden Monat pauschal ein Prozent vom Brutto-Listenpreis des Autos (zum Zeitpunkt der Erstzulassung) als Lohnsteuer.

Der Brutto-Listenpreis des Dienstwagens betrug 41.400 Euro, also wurden für den Wagen 2008 4.968 Euro Lohnsteuer fällig. Bei seiner Einkommensteuererklärung für 2008 wollte der Unternehmensberater von den Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit Betriebsausgaben in Höhe von 3.889 Euro für den Wagen abziehen. Diese Summe ermittelte er, indem er die Steuer für das Auto nach betrieblichen Fahrten (18.000 km = 78,3%) und privaten Fahrten (5.000 km = 21,7%) aufteilte.

Das Finanzamt lehnte es jedoch ab, die Fahrzeugkosten als Betriebsausgaben einzustufen und steuermindernd zu berücksichtigen. Die Klage des Unternehmensberaters gegen den Steuerbescheid scheiterte beim Finanzgericht und der BFH bestätigte das Urteil.

Das wesentliche Argument des BFH gegen den Abzug: Wenn ein Steuerpflichtiger im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit Betriebsausgaben geltend machen wolle, müssten ihm vorher durch die selbständige Tätigkeit Aufwendungen entstanden sein — und zwar ihm selbst und nicht dritten Personen oder Unternehmen.

Im konkreten Fall habe aber die Arbeitgeberin sämtliche Kosten getragen, die für den Dienstwagen anfielen. Der Unternehmensberater müsse nicht einmal die Fahrten selbst finanzieren, die er für seine freiberufliche Tätigkeit durchführe. Bei der Ein-Prozent-Regel spiele es keine Rolle, ob und wofür der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich einsetze.

Die Bewertung des geldwerten Vorteils erfolge also unabhängig von individuellen Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens. Ob er tatsächlich aus privaten Gründen gefahren werde oder nicht, spiele bei der pauschalen Versteuerung keine Rolle.

Der Fall könnte sich eventuell anders darstellen, wenn der Unternehmensberater ein Fahrtenbuch geführt und so genau dokumentiert hätte, welche Fahrten privaten Zwecken dienten und welche der freiberuflichen Tätigkeit. Bei dieser Methode werde der geldwerte Vorteil separat je nach Verwendungszweck ermittelt, die Steuer richte sich nach der konkreten Nutzung des Fahrzeugs. Doch diese Frage habe der BFH hier nicht entscheiden müssen.

Studienkosten sind keine Betriebsausgaben

Unternehmensberater will Ausbildungskosten seiner Kinder von der Steuer absetzen

Nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster stellen die Studienkosten der eigenen Kinder selbst dann keine Betriebsausgaben dar, wenn sich die Kinder verpflichten, nach Abschluss des Studiums für eine gewisse Zeit im elterlichen Unternehmen zu arbeiten (4 K 2091/13 E).

Ein selbständiger Unternehmensberater hatte mit seinen beiden Kindern schriftlich vereinbart, sein Unternehmen werde für ihre Studienkosten aufkommen. Als Gegenleistung sollten sie nach dem Studium drei Jahre lang das Ein-Mann-Unternehmen unterstützen oder die Studienkosten zurückzahlen. Die Kinder studierten Betriebswirtschaftslehre bzw. "Business and Management" und waren nebenbei im Büro des Vaters geringfügig beschäftigt. Bei den Einkommensteuererklärungen 2006 bis 2009 machte der Unternehmensberater die Ausbildungskosten als Betriebsausgaben geltend.

Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Studiengebühren steuerlich zu berücksichtigen: Ausbildungsunterhalt für die Kinder gehöre zu den — nicht abziehbaren — privaten Lebenshaltungskosten. Vergeblich pochte der Steuerzahler darauf, die Übernahme der Studienkosten sei betrieblich veranlasst gewesen. Mit den vertraglichen Vereinbarungen habe er seine Kinder schon früh ans Unternehmen binden und die spätere Unternehmensnachfolge sichern wollen. Denn auf dem Arbeitsmarkt qualifiziertes Personal zu finden, sei sehr schwierig.

Die Klage des Unternehmensberaters gegen den Steuerbescheid wurde vom Finanzgericht Münster abgewiesen (4 K 2091/13 E). Ausgaben, die ein Steuerzahler für die Ausbildung oder berufliche Fortbildung seiner Kinder tätige, gehörten prinzipiell zu den Kosten der privaten Lebensführung. Diese Kosten könne er nicht als Betriebsausgaben steuermindernd geltend machen (allenfalls unter bestimmten Bedingungen als außergewöhnliche Belastung).

Eltern seien gesetzlich verpflichtet, ihren Kindern eine angemessene Berufsausbildung zu ermöglichen. Das sei ein privates Motiv für die Kostenübernahme, das die betrieblichen Erwägungen des Unternehmensberaters völlig in den Hintergrund dränge. Den Anspruch auf Rückzahlung der Ausbildungskosten - den er mit den Kindern vertraglich vereinbart habe, falls sie die Arbeit in der Unternehmensberatung abbrechen sollten -, hätte der Unternehmensberater zivilrechtlich gar nicht durchsetzen könne, weil er als Vater dazu verpflichtet sei, das Studium zu finanzieren.

Einkommensteuererklärung per Computer

Für Selbständige ist die elektronische Übermittlung zwingend vorgeschrieben

Wer selbständig tätig ist, muss seine Einkommensteuererklärung in elektronischer Form einreichen. Das ist zwingend vorgeschrieben und für die Steuerzahler zumutbar, urteilte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1 K 2204/13).

Im konkreten Rechtsstreit hatte ein Ehepaar die elektronische Übermittlung verweigert. Beide Ehepartner erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Ehemann war darüber hinaus als Fotograf, Autor und Tauchlehrer selbständig tätig, erzielte damit allerdings nur geringfügiges Einkommen. 2011 machte ihn das Finanzamt darauf aufmerksam, dass Selbständige ab sofort gesetzlich verpflichtet seien, ihre Einkommensteuererklärung in elektronischer Form abzugeben.

Der Steuerzahler bat zunächst um "Dispens", weil die Gewinne aus seiner selbständigen Arbeit nur bei etwa 500 Euro im Jahr lägen. Da sich die Finanzbehörde dadurch nicht erweichen ließ, schickte der Fotograf prinzipielle Argumente hinterdrein: Er lehne es grundsätzlich ab, persönliche Daten über das Internet zu versenden, weil er mit Datenmissbrauch üble Erfahrungen gemacht habe.

Internetbetrüger hätten versucht, von ihm und seiner Frau wegen einer angeblichen Notsituation von Verwandten und Freunden im Ausland Geld zu erpressen. Wie diese Personen an ihre Daten gelangt seien, sei nicht nachvollziehbar. Selbst beim Internet-Banking könne niemand absolute Sicherheit garantieren. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung widerspreche außerdem dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Das Finanzamt wies jedoch den Antrag des Paares ab, künftig die Einkommensteuererklärungen in Papierform abgeben zu dürfen: Eine unbillige Härte liege nicht vor. Die elektronische Übermittlung übersteige weder die intellektuellen Fähigkeiten der Steuerzahler, noch ihre technischen Mittel. Das Ehepaar habe Computer und nutze seit Jahren das Steuerprogramm WISO, um seine Einkommensteuererklärungen zu erstellen. Es enthalte eine Schnittstelle für die elektronische Übermittlung mittels der Steuer-Software ELSTER. Die Steuerzahler müssten nur die entsprechende Funktion dieses Programms nutzen.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Fotograf Klage, die jedoch beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz scheiterte: Laut Gesetz sei die elektronische Abgabe zwingend, wenn der Gewinn mehr als 410 Euro betrage. Das sei für den Steuerzahler zumutbar und keineswegs so unsicher, wie er behaupte: Die Übermittlung mittels ELSTER erfolge im zertifizierten Verschlüsselungsverfahren SSL. Das SSL-Protokoll gewährleiste, dass die Daten während der Übertragung nicht gelesen oder manipuliert werden könnten. Sie würden verschlüsselt übertragen und seien auch für die Finanzverwaltung nicht direkt lesbar. Somit sei sichergestellt, dass während des Übertragungsvorgangs fremde Dritte keinen Zugriff auf die Daten hätten.

Trotz aller technischen Sicherungsmöglichkeiten bleibe ein Restrisiko. Hacker-Angriffe auf die gespeicherten oder übermittelten Daten seien nicht zu 100 Prozent auszuschließen. Aber dieses Restrisiko müsse der Steuerzahler im Hinblick auf das vorrangige staatliche Interesse hinnehmen, die Verwaltung zu vereinfachen und Kosten zu sparen. Eine absolute Geheimhaltung von Daten könne ohnehin nicht garantiert werden. Denn auch "analog" in Papierform gespeicherte Daten könnten gestohlen werden, zum Beispiel bei einem Einbruch in die Wohnung. Auch bei der Umsatzsteuer seien elektronische Steuererklärungen vorgeschrieben und in Bezug darauf habe der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass dies trotz "NSA-Affäre" verfassungsmäßig sei.

Hotel wirbt mit Profi-Fotos

Wer im Internet mit Fotografien wirbt, muss den Namen des Fotografen nennen

Ein Foto-Profi hat sich auf Hotelfotos für Hotelprospekte und Reklame im Internet spezialisiert. Für ein Honorar von knapp 1.000 Euro fertigte er 2013 Aufnahmen von einem Hotel in Friedrichshafen an. Der Hotelchef, der ihn beauftragt hatte, stellte 13 seiner Bilder auf die Internetseiten des Hotels — ohne den Namen des Fotografen zu nennen.

Erbost pochte der Fotograf auf sein Urheberrecht und verlangte 958 Euro Schadenersatz. Daraufhin ergänzte der Hotelchef seine Webseite um den geforderten Hinweis auf den Fotografen. Schadenersatz zahlte er jedoch nicht. Mit seiner Klage erreichte der Fotograf immerhin einen Teilerfolg: 655 Euro Schadenersatz sprach ihm das Amtsgericht München zu (142 C 11428/15).

Allein der Fotograf bestimme darüber, ob Kunden Fotos auch ohne seinen Namen verwenden dürften oder nur "mit". Wenn er mit dem Hotel einen Vertrag schließe und dem Geschäftsführer "unbeschränkte Nutzungsrechte" an den Bildern einräume, bedeute das nur, dass der Hotelchef die Bilder zu Werbezwecken veröffentlichen könne. Damit verzichte der Fotograf aber nicht auf den Namenshinweis.

Wer Fotografien anderer Personen ins Internet einstelle oder auf andere Weise öffentlich zugänglich mache, müsse grundsätzlich den Fotografen nennen. Dies zu unterlassen, verletze die Rechte des Fotografen. Dafür schulde ihm der Hotelchef eine Entschädigung, deren Höhe sich nach dem vereinbarten Honorar für die Bilder richte. Da der Hotelier nur 13 von 19 Bildern auf seine Webseite gestellt habe, stehe dem Fotografen nur der Teilbetrag zu, der auf die 13 Bilder entfalle.

Bei der Balkonsanierung gespart

Architekt haftet auch dann für Fehlplanung, wenn der Bauherr damit einverstanden war

Der Eigentümer einiger Mehrfamilienhäuser aus den 1950er-Jahren ließ die Gebäude sanieren. Einen Architekten beauftragte er damit, die Baumaßnahmen zu planen und zu überwachen. Später traten an den Balkonen grobe Risse und andere Schäden auf, die ein Bausachverständiger auf fehlende Betonfugen zurückführte. Deshalb hielt der Auftraggeber dem Architekten vor, die Sanierung fehlerhaft geplant und unzulänglich kontrolliert zu haben.

Diesen Vorwurf wies der Architekt zurück: Als Bauleiter müsse er die Arbeiten nur stichprobenartig überwachen. Ansonsten dürfe er darauf vertrauen, dass die Baufirma die Balkone auf Hohlstellen abklopfe. Wenn Betonfugen fehlten, liege das an falscher Planung beim Bau der Häuser. Der Bauherr habe bewusst darauf verzichtet, diesen Fehler jetzt zu korrigieren — denn es hätte viel Geld gekostet, nachträglich Fugen einzubringen.

Wenn der Bauherr mit der geplanten Art und Weise der Sanierung einverstanden sei, schließe das die Haftung des Architekten für Mängel nicht aus, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (23 U 32/13, Urteil vom 19.11.2013). Das Gutachten des Sachverständigen belege, dass sowohl handwerkliche, als auch planerische Fehler vorlagen, so das OLG. Die Sanierung habe nur oberflächlich Schäden behoben und neue Mängel geschaffen.

Um sich zu entlasten, könne der Architekt nicht auf die Vorgaben des Bauherrn verweisen, die er "auftragsgemäß ausgeführt" habe. Denn er müsse so planen, dass die Häuser dauerhaft ohne Mängel bleiben. Dazu sei er auch dann verpflichtet, wenn der Auftraggeber meine, eine bestimmte Bauleistung (hier: die Betonfugen) könne man sich "sparen". In so einem Fall müsse der Architekt dem Bauherrn klar machen, welches Risiko er mit dem Verzicht auf diese Leistung eingehe.

Nur wenn der Bauherr das Risiko kenne und trotzdem auf einer bestimmten Ausführungsart bestehe, wäre der Architekt für die Folgen nicht verantwortlich. Grundsätzlich gelte: Wenn der Architekt fehlerhaft plane, hafte er auch dann für die Folgen, wenn er die Planung mit dem Bauherrn abgesprochen habe. (Das Urteil des OLG wurde am 12.3.2015 vom Bundesgerichtshof bestätigt, AZ. VII ZR 334/13)

Tagesmutter statt Puffmutter

Verwaltungsgericht erlaubt Kindertagespflege in einem ehemaligen Bordell

Eine Bordellbesitzerin wollte sich in Zukunft statt um Freier lieber um Kinder kümmern und als Tagesmutter arbeiten. Dafür braucht man vom Jugendamt eine "Kindertagespflegeerlaubnis". Die Frau beantragte sie nach etlichen Vorbereitungskursen. Ob man die Erlaubnis bekommt, hängt von mehreren Dingen ab: von der Persönlichkeit und Kompetenz, aber auch davon, ob man über geeignete Räume verfügt.

Der Ex-Prostituierten gehörte das ehemalige Bordell-Gebäude, in dem sie früher gearbeitet hatte. Dort hatte sie Räume zur Kindertagesstätte umgebaut. An ihrer persönlichen Eignung für die Kinderbetreuung hatte das Jugendamt keinen Zweifel. Als aber die dubiose Vergangenheit des Gebäudes ans Licht kam, lehnte die Behörde den Antrag ab.

Begründung: Das Etablissement sei im "Freiermilieu" regional bekannt. Auch wenn das Bordell längst geschlossen sei, werde im Internet immer noch für das "Eros-Center" geworben. Also bestehe die Gefahr, dass Männer klingelten, die davon noch nichts wüssten. Und dass sie womöglich aufdringlich würden und die Tagesmutter oder die Kinder belästigten. Auf keinen Fall dürften Kinder mit diesem "Gewerbe" konfrontiert werden.

Das Verwaltungsgericht Minden teilte diese Bedenken nicht (6 K 2411/15). Die Ausstattung (z.B. ein Raum zum Toben, altersgerechtes Spielzeug, Wickelmöglichkeiten und Schlafraum) genüge uneingeschränkt den Anforderungen an eine Kindertagesstätte. Dass der Bordellbetrieb geschlossen sei, spreche sich bei den Freiern trotz einiger — noch nicht gelöschter — Interneteinträge herum.

Die Annahme des Jugendamts, auf dem Gelände könnten dennoch Prostituierte oder Freier auftauchen, sei lebensfremd. Prostituierte auf Arbeitssuche und interessierte Freier kämen bei einem Bordell nicht spontan und "auf gut Glück" vorbei, sondern vereinbarten vorher telefonisch Termine. Die früheren Kontaktnummern existierten aber nicht mehr. Sollte jemand die aktuelle Nummer wählen, könne die Tagesmutter erklären, dass hier kein Bordell mehr existiere.

Wenn sich doch einmal ein Freier auf der Suche nach sexuellen Dienstleistungen dorthin verirren sollte, sei es sehr unwahrscheinlich, dass er angesichts von Tagespflege-Kindern aufdringlich werden würde. Der Einwand des Jugendamts, ein Hinweisschild "Kindertagesstätte" könnte zudem Pädophile anziehen, sei erst recht absurd: Dann wären alle ausgeschilderten Kindergärten und Kindertagesstätten in Gefahr.

Dem Karrierewechsel der ehemaligen Bordellbesitzerin steht somit nichts mehr im Weg.

Bauherr will vom Bauvorhaben nichts wissen

Verweigert der Auftraggeber jede Mitwirkung, kann der Architekt den Bauleitungsvertrag kündigen

Der Hauseigentümer ließ einige Wohnungen in seinem Altbau sanieren und beauftragte einen Architekten mit der Bauleitung. Nachdem die Handwerkerfirmen (Elektriker, Bodenleger etc.) mit den Arbeiten begonnen hatten, versuchte der Architekt mehrmals, den Auftraggeber anzurufen und mit ihm über einzelne Maßnahmen zu sprechen, z.B. welches Parkett verlegt werden sollte. Der Bauherr rief jedoch nicht zurück und ließ ausrichten, Beratungsgespräche seien überflüssig.

Nun versuchte der Architekt schriftlich, Kontakt aufzunehmen. Die Antwort: "Wie Ihnen mehrfach mitgeteilt wurde, habe ich bis auf weiteres keine Zeit, mich mit Ihren Sachen zu befassen". Dabei wurde es auf der Baustelle allmählich brenzlig: Handwerker, die vom Auftraggeber kein Geld erhielten, stellten ihre Tätigkeit ein. Dennoch beschied der Bauherr den Architekten, er solle gefälligst sein Büro nicht mehr mit Anrufen belästigen. Es sei nicht ersichtlich, "dass irgendwelche Mitwirkungshandlungen von mir … erforderlich sind".

Als auch eine Abschlagszahlung für den Architekten ausblieb, kündigte dieser den Vertrag und klagte sein Honorar ein. Der Bauherr konterte mit einer Gegenklage auf 38.000 Euro Schadenersatz wegen Baumängeln und zu langer Bauzeit. Dem Architekten stehe zwar wegen einer nicht nachprüfbaren, unvollständigen Rechnung kein Honorar zu, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (23 U 203/12). Aber Schadenersatz schulde er dem Auftraggeber nicht.

Dass die Handwerker die Arbeiten nicht vollendeten, liege am mangelnden Werklohn und nicht an fehlender Bauaufsicht. Als der Architekt kündigte, sei die Renovierung nicht abgeschlossen gewesen. Die vom Auftraggeber gerügten Mängel seien schon deshalb nicht dem Architekten anzulasten. Der Architekt habe zu Recht gekündigt, weil sich der Bauherr hartnäckig weigerte, am Bauprojekt mitzuwirken. Unter diesen Umständen sei es für den Architekten unzumutbar, am Vertrag festzuhalten.

Bei Bauprojekten sei ständiger Informationsaustausch nötig, um die Vorgehensweise auf der Baustelle zu klären. Gerade die Sanierung von Altbauwohnungen werfe regelmäßig viele Fragen auf, die der Abstimmung bedürften. Wenn es der Auftraggeber ablehne, auf der Baustelle zu erscheinen und umgekehrt dem Architekten in Büro und Privathaus Hausverbot erteile, beende er damit selbst die Zusammenarbeit. (Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27.11.2013 am 5.2.2015 bestätigt, AZ.: VII ZR 332/13)

Tierarzt übersieht Knochenriss

Ist der Tod eines Pferdes auf einen schweren Behandlungsfehler zurückzuführen, muss der Tierarzt dafür haften

Eine Pferdehalterin holte den Tierarzt, weil sie bei einem ihrer Pferde eine Verletzung am rechten hinteren Bein entdeckt hatte. Der Mediziner verschloss die Wunde und riet dazu, das Tier zwei Tage zu schonen. Schwelle das Bein nicht an, könne sie es danach wieder reiten.

Bei einem Ausritt drei Tage später stellte die Reiterin jedoch fest, dass das Pferd hinkte. Sofort brachte sie es zurück auf den Reiterhof und alarmierte wieder den Tierarzt. Diesmal diagnostizierte er eine Fraktur. Da eine Operation misslang, musste das Tier eingeschläfert werden.

Laut Sachverständigengutachten hatte es sich von vornherein nicht nur um eine äußerliche Wunde am Unterschenkel gehandelt: Vielmehr entwickelte sich der Knochenbruch aus einem Knochenriss, den das Pferd durch den Tritt eines Artgenossen erlitten hatte. Deshalb verklagte die Tierhalterin den Mediziner auf Schadenersatz: Der Tod des Pferdes sei auf einen schweren Behandlungsfehler zurückzuführen.

So sah es auch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg: Der Tierarzt hätte erkennen müssen, dass möglicherweise eine Knochenriss vorlag (14 U 100/14). Das hätte er durch weitere Untersuchungen abklären und zudem der Pferdebesitzerin empfehlen müssen, das Tier ruhig zu halten. Bei einem Knochenriss sei es wichtig, dass sich das Pferd wenig bewege und in der Box nicht hinlege. Denn beim Aufstehen könne aus dem Riss eine Fraktur werden und genau so sei es dann auch passiert.

Dass ohne diesen Behandlungsfehler kein Knochenbruch eingetreten wäre, konnte der Sachverständige zwar nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen. Dennoch entschied das OLG, dass der Mediziner für den Tod des Pferdes haften muss: Er habe durch seine falsche Einschätzung, dass die Reiterin mit dem Pferd bald wieder ausreiten könne, das Risiko des tödlichen Endes wesentlich erhöht. Richtig ruhiggestellt, wäre die Fissur wahrscheinlich ausgeheilt.

Apothekerin legt sich mit dem Finanzamt an

Bei der Außenprüfung verweigerte sie den Datenzugriff auf ihre Warenverkäufe

Die Buchführung der Apotheke war technisch durchaus "up to date". Die Apothekerin verwendete ein — speziell für Apotheken entwickeltes — EDV-gestütztes Erfassungssystem für Einnahmen, mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung. PC-Registrierkassen speicherten die Tageseinnahmen und addierten am Abend die Endsummen. Diese wurden per Hand in ein Kassenbuch eingetragen.

Bei einer Außenprüfung des Finanzamts verweigerte die Apothekerin den Kontrolleuren den Zugriff auf die im Computer registrierten Warenverkäufe. Begründung: Sie sei nicht verpflichtet, Verkäufe einzeln aufzuzeichnen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied den Streit zu Gunsten der Finanzbehörde (X R 42/13). Buchführung müsse stets zuverlässig Einblick in den Ablauf aller Geschäfte geben, damit das Finanzamt sie überprüfen könne. Wie alle Einzelhändler müsse sich die Apothekerin an die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung halten und — soweit zumutbar — alle Umsätze einzeln erfassen, urteilte der BFH.

Das gelte auch für Bargeschäfte. Die Apothekerin müsse ihre Kassendaten aufbewahren und der Behörde "auf einem elektronisch verwertbaren Datenträger" übergeben. In Einzelfällen könne es für einen Steuerpflichtigen eventuell zu viel Aufwand sein, Buchungen in Einzelpositionen inklusive aller Bargeschäfte aufzugliedern.

Das sei aber nicht der Fall, wenn ein Händler, so wie die Apothekerin, über ein EDV-Kassensystem verfüge. Das zeichne ohnehin sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert auf und speichere sie dauerhaft. Händler mit so einem Kassensystem könnten sich also nicht darauf berufen, dass die Aufzeichnung der Verkäufe einen unzumutbaren Aufwand darstelle. Zu Recht habe das Finanzamt die mit der EDV-Kasse erstellten Daten zur Prüfung angefordert.

"Sexarbeit" als Kunst?

Prostituierte möchte ihren Künstlernamen in den Personalausweis eintragen lassen

Eine Berliner Prostituierte beantragte beim Bezirksamt, ihren Künstlernamen in den Personalausweis einzutragen. Sie benutze diesen Namen auf ihrer Homepage und trete unter diesem Namen öffentlich auf, wenn sie für die Piratenpartei aktiv sei oder sich als Vorstandsmitglied des "Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen" für die Rechte von Sexarbeiterinnen einsetze.

Das Bezirksamt lehnte den Antrag ab: Ein Künstlername werde nicht im privaten Interesse der Betroffenen, sondern nur zum Zweck der Identitätskontrolle in Ausweispapiere eingetragen. Die Antragstellerin übe keine künstlerische Tätigkeit aus, sondern eine Dienstleistung. Sie sei unter ihrem "Künstlernamen" auch nicht allgemein bekannt.

Die Dame ließ nicht locker und klagte gegen den negativen Bescheid: Als Kämpferin für die sozialen Rechte von Sexarbeitern sei sie sehr wohl bekannt, behauptete sie. Interviews gebe sie nicht unter ihrem bürgerlichen Namen, sondern unter ihrem Pseudonym, um ihre Privatsphäre zu schützen. Es müsse möglich sein, mit dem Künstlernamen auch Verträge zu unterschreiben.

Doch das Verwaltungsgericht (VG) Berlin schlug sich auf die Seite der Behörde (VG 23 K 180.14). Das Pseudonym in den Ausweis einzutragen, würde die Privatsphäre der Sexarbeiterin nicht schützen, im Gegenteil. Da der Personalausweis Namen und Künstlernamen enthalte, bekämen Dritte gerade dadurch Aufschluss über ihre bürgerliche Existenz und ihre Identität als Prostituierte.

Ihren frei gewählten Berufsnamen könne die "Sexarbeiterin" im Berufsleben oder bei öffentlichen Auftritten ohne Weiteres verwenden. Im Personalausweis sei aber so eine Angabe gesetzlich nicht vorgesehen. Außer eben für Künstler.

"Sexarbeit" sei nun einmal keine Kunst: Künstler verarbeiteten Eindrücke oder Erfahrungen schöpferisch und drückten diese individuell aus: musikalisch, auf der Leinwand etc. Eine Sexarbeiterin sei nicht kreativ, sondern befriedige sexuelle Bedürfnisse der Kunden. Damit wischte das VG das Argument der Liebesdame vom Tisch, dass sie ähnlich wie eine Schauspielerin in immer neue Rollen schlüpfe, um dem Kunden ein Spektakel zu bieten.

Außerdem fehle es ihrem Berufsnamen an Medienpräsenz und Bekanntheit, stellte das VG fest — was eine weitere Voraussetzung dafür wäre, ihn als Künstlernamen anzusehen. Ihre Werbung im Internet beschränke sich auf die eigene Webseite. Allenfalls ihre berufspolitischen Aktivitäten hätten eine gewisse öffentliche Wirkung — doch das sei ja gerade nicht ihr eigentlicher Beruf bzw. nicht ihre "Kunst".

Dressurpferd stirbt nach Narkose

Ein Tierarzt muss die Besitzer eines kranken Tieres über alle geeigneten Behandlungsmöglichkeiten aufklären

Ein Ehepaar hatte der Tochter für 300.000 Euro ein Dressurpferd gekauft. Sie nahm mit dem Tier regelmäßig an Turnieren teil. Bei einem Grand Prix in den Niederlanden bemerkte die Reiterin, dass dem Pferd Schwung und Elastizität fehlten. Seine Bewegungen wirkten unkoordiniert. Sofort wandte sich die Reiterin an eine Tierklinik. Eine Röntgenuntersuchung ergab, dass das Pferd an spinaler Ataxie litt.

Ataxie bedeutet Bewegungsstörung. Die Pferde können die Bewegungen ihrer Beine nicht koordinieren. Im konkreten Fall wurde dieses Problem durch die Verengung eines Wirbelkanals an der Halswirbelsäule ausgelöst (spinal). Der Chefarzt der Klinik empfahl eine chiropraktische Behandlung und erläuterte diese kurz.

Nach einem Telefongespräch mit den Eltern willigte die Reiterin ein. Für die Behandlung war eine Narkose notwendig, die dem Pferd zum Verhängnis wurde: Es konnte anschließend nicht mehr aufstehen und starb einen Tag später. Daraufhin forderten die Pferdebesitzer vom Chefarzt ca. 400.000 Euro Schadenersatz, weil Behandlung und Risikoaufklärung unzureichend gewesen seien.

Fehler bei Diagnose und Behandlung konnten die Sachverständigen nicht feststellen, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (26 U 95/14). Aber der Klinikarzt habe Tierbesitzer und Reiterin schlecht beraten und schulde ihnen deshalb Schadenersatz. Vor allem dann, wenn eine Behandlung riskant sei und für die Eigentümer finanziell viel auf dem Spiel stehe, sei ein Tierarzt verpflichtet, diese umfassend über alle Alternativen aufzuklären.

Diese Pflicht habe der Veterinärmediziner verletzt. Denn die Behandlung sei keineswegs so "alternativlos" gewesen, wie er behaupte. Andere Möglichkeiten gebe es durchaus: eine Operation oder medikamentöse Behandlung oder Chiropraktik, bei der das Tier stehend behandelt werde und nur sediert werden müsse.

Schon bei einem gesunden Pferd sei eine Narkose nicht ganz ungefährlich, weil das Aufstehen danach schwer falle. Aber für ein Pferd mit Ataxie sei eine Vollnarkose äußerst riskant, weil es beim Aufstehen besonders große Koordinierungsprobleme habe. Daher hätte der Tierarzt die Eigentümer über Therapien ohne Vollnarkose aufklären müssen.

Vergeblich berief sich der Tierarzt darauf, er habe das Dressurpferd nicht medikamentös behandeln können, weil er es doch für die Europameisterschaft der Jungen Reiter fit machen sollte. Selbst wenn das Pferd dann länger ausgefallen wäre, so das OLG, hätte der Mediziner diese Alternative nicht ausschließen dürfen. Zumindest hätte er die Pferdebesitzer und die Reiterin über die Spritzentherapie informieren müssen.

Bei so einem wertvollen Pferd müssten die Besitzer die Möglichkeit bekommen, gut informiert die Risiken selbst abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen. In Kenntnis des hohen Risikos bei einer Chiropraktik mit Narkose hätte es das Ehepaar sicher vorgezogen, erst einmal risikoärmere Maßnahmen auszuprobieren und das nächste Turnier abzusagen. Dann würde das Pferd noch leben.