2007 hatte ein kinderloses Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament verfasst, d.h. die Partner setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Im Text fehlte ein expliziter Hinweis, wer nach dem Tod des überlebenden Partners der Schlusserbe oder die Schlusserben sein sollten — im Regelfall sind das die gemeinsamen Kinder.
Allerdings stand da: "Im Falle des gemeinsamen Ablebens" sollten zwei Nichten der Ehefrau das Vermögen erben.
Die Ehefrau starb 2010, der Ehemann sieben Jahre später. 2017 beantragten die Nichten einen Erbschein. Doch Verwandte des Ehemannes protestierten dagegen. Umstritten war, ob die Nichten nur im "Katastrophenfall" erben sollten — also, wenn das Paar gleichzeitig bei einem Unfall ums Leben gekommen wäre. Oder ob sie auch im "Normalfall" die Erbinnen sein sollten, wenn die Partner nacheinander starben.
Mit "gemeinsamem Ableben" sei nur der "Katastrophenfall" gemeint, fand das Nachlassgericht und verweigerte den Nichten den Erbschein. Deren Rechtsbeschwerde hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Erfolg (I-3 Wx 193/20). Die strittige Formulierung könne nicht nur "gleichzeitig" oder "zusammen sterben" meinen, erklärte das OLG. Sie könne auch im Sinne von "wenn wir beide verstorben sind" zu verstehen sein.
Gemeinsames Ableben bedeute nicht zwingend einen gleichzeitigen Tod der Partner. Anders als das Adjektiv "gleichzeitig" enthalte der Begriff "gemeinsam" keine zeitliche Komponente, betonte das OLG. Das Testament könne daher durchaus so auszulegen sein, dass die Erbeinsetzung der Nichten unabhängig vom zeitlichen Abstand des Todes der Eheleute gelten sollte. Berücksichtige man dazu die Begleitumstände im konkreten Fall, treffe diese Interpretation mit Sicherheit zu.
Es gebe nämlich eindeutige Indizien dafür, dass beide Partner die Erbeinsetzung der Nichten wollten. Das Paar habe zu ihnen ein sehr vertrautes, familiäres Verhältnis gehabt, belegt durch viele Fotos. Nachbarn und Bekannte sagten als Zeugen aus, die Eheleute hätten öfter darüber gesprochen, dass es ein Testament zu Gunsten der Nichten gebe. Sie seien praktisch ihre Ersatzkinder — für sie sei "alles geregelt".
Daher könne man davon ausgehen, dass die Nichten Schlusserbinnen werden sollten. Diese Lösung habe auch dem Wunsch des 2017 verstorbenen Ehemannes entsprochen, obwohl er nach dem Tod der Frau das Testament nicht um einen entsprechenden Zusatz ergänzt habe. Den habe er wohl für überflüssig gehalten.