Familie

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"Im Falle des gemeinsamen Ablebens"

Die Interpretation dieser Testaments-Formulierung entscheidet in einem Erbstreit

2007 hatte ein kinderloses Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament verfasst, d.h. die Partner setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Im Text fehlte ein expliziter Hinweis, wer nach dem Tod des überlebenden Partners der Schlusserbe oder die Schlusserben sein sollten — im Regelfall sind das die gemeinsamen Kinder.

Allerdings stand da: "Im Falle des gemeinsamen Ablebens" sollten zwei Nichten der Ehefrau das Vermögen erben.

Die Ehefrau starb 2010, der Ehemann sieben Jahre später. 2017 beantragten die Nichten einen Erbschein. Doch Verwandte des Ehemannes protestierten dagegen. Umstritten war, ob die Nichten nur im "Katastrophenfall" erben sollten — also, wenn das Paar gleichzeitig bei einem Unfall ums Leben gekommen wäre. Oder ob sie auch im "Normalfall" die Erbinnen sein sollten, wenn die Partner nacheinander starben.

Mit "gemeinsamem Ableben" sei nur der "Katastrophenfall" gemeint, fand das Nachlassgericht und verweigerte den Nichten den Erbschein. Deren Rechtsbeschwerde hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Erfolg (I-3 Wx 193/20). Die strittige Formulierung könne nicht nur "gleichzeitig" oder "zusammen sterben" meinen, erklärte das OLG. Sie könne auch im Sinne von "wenn wir beide verstorben sind" zu verstehen sein.

Gemeinsames Ableben bedeute nicht zwingend einen gleichzeitigen Tod der Partner. Anders als das Adjektiv "gleichzeitig" enthalte der Begriff "gemeinsam" keine zeitliche Komponente, betonte das OLG. Das Testament könne daher durchaus so auszulegen sein, dass die Erbeinsetzung der Nichten unabhängig vom zeitlichen Abstand des Todes der Eheleute gelten sollte. Berücksichtige man dazu die Begleitumstände im konkreten Fall, treffe diese Interpretation mit Sicherheit zu.

Es gebe nämlich eindeutige Indizien dafür, dass beide Partner die Erbeinsetzung der Nichten wollten. Das Paar habe zu ihnen ein sehr vertrautes, familiäres Verhältnis gehabt, belegt durch viele Fotos. Nachbarn und Bekannte sagten als Zeugen aus, die Eheleute hätten öfter darüber gesprochen, dass es ein Testament zu Gunsten der Nichten gebe. Sie seien praktisch ihre Ersatzkinder — für sie sei "alles geregelt".

Daher könne man davon ausgehen, dass die Nichten Schlusserbinnen werden sollten. Diese Lösung habe auch dem Wunsch des 2017 verstorbenen Ehemannes entsprochen, obwohl er nach dem Tod der Frau das Testament nicht um einen entsprechenden Zusatz ergänzt habe. Den habe er wohl für überflüssig gehalten.

Enterbte Tochter erhält nur den Pflichtteil

Von der Stiefmutter und Erbin kann sie Auskunft über den Nachlass inklusive "Oder-Konto" verlangen

Mit dem Vater und der Stiefmutter hatte sich die junge Frau wohl zerstritten. Jedenfalls setzte der Vater seine zweite Frau im Testament als Alleinerbin des Vermögens ein und schloss die Tochter von der gesetzlichen Erbfolge aus. Das bedeutet: Nach dem Tod des Vaters hatte sie nur Anspruch auf den so genannten Pflichtteil.

Laut Gesetz können Pflichtteilsberechtigte vom Erben genaue Auskunft über den Nachlass verlangen. Als die enterbte Tochter von der Stiefmutter wissen wollte, welcher Betrag ihr zustehe, beauftragte die Erbin einen Notar damit, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Mit diesem Verzeichnis war die Tochter jedoch nicht zufrieden: Der Notar habe ein so genanntes "Oder-Konto" ihres Vaters aufgeführt, aber nicht mitgeteilt, welche Kontobewegungen darauf stattgefunden hätten. Die Auskunft müsse in diesem Punkt präziser erfolgen: Sie habe ein Recht darauf zu erfahren, was mit dem Guthaben geschehen sei.

Hintergrund: Ein Oder-Konto ist ein Gemeinschaftskonto von zwei (oder mehr) Kontoinhabern, die gleichberechtigt über das Guthaben verfügen können. Jeder Kontoinhaber kann daher auch ohne Zustimmung des jeweils anderen Kontoinhabers Überweisungen und Auszahlungen tätigen.

Die Stiefmutter hatte als Mit-Kontoinhaberin also schon vor dem Erbfall uneingeschränkt Zugriff auf das Konto, als Erbin sowieso. Um Auskunft auch über das Guthaben auf dem Oder-Konto zu bekommen, zog die Tochter vor Gericht. Das Oberlandesgericht München gab ihr Recht (33 W 775/21). Das Nachlassverzeichnis sei unvollständig, wenn nur erwähnt werde, dass es so ein Konto gebe.

Es fehlten Informationen darüber, welche Leistungen oder Schenkungen die Mitkontoinhaberin von diesem Konto erhalten bzw. welche Verfügungen sie selbst über das Guthaben getroffen habe. Das sei wichtig, denn auch das Guthaben auf dem Oder-Konto müsse bei der Berechnung des Pflichtteils für die Tochter berücksichtigt werden. Die Erbin müsse darüber genaue Auskunft erteilen, andernfalls werde gegen sie ein Zwangsgeld festgesetzt.

Ehemann beantragt Aufhebung der Zugewinngemeinschaft

Nach der Trennung hatte die Ehefrau der gemeinsamen Tochter das Eigenheim übertragen

Bei der Heirat 1991 vereinbarte das Paar Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet: Wächst während der Ehe das Vermögen, wird dieser "Zugewinn" ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet. 1995 kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Im Laufe der Ehe nahm das Paar gemeinsam ein Darlehen auf, um ein Hausgrundstück zu finanzieren. Im Grundbuch wurde die Ehefrau als Alleineigentümerin eingetragen.

Im Januar 2017 zog der Ehemann aus dem Eigenheim aus. 18 Monate nach der Trennung übertrug die Ehefrau der Tochter das Alleineigentum am Hausgrundstück und behielt sich ein Wohnrecht vor. Das Darlehen für das Haus war noch nicht abbezahlt, 60.000 Euro standen noch offen. Der Ehemann war am Übergabevertrag nicht beteiligt — obwohl der Vertrag vorsah, dass das Noch-Ehepaar weiterhin gemeinsam die Kreditraten tragen sollte.

Als der Ehemann von der Übergabe an die Tochter erfuhr, zog er vor Gericht. Zusätzlich zum laufenden Scheidungsverfahren beantragte er, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben. Das Eigenheim sei ca. 280.000 Euro wert und stelle das wesentliche Vermögen der Ehefrau dar. Darüber hätte sie ohne seine Zustimmung nicht verfügen dürfen. Ihm stehe ein Zugewinnausgleich von 125.000 Euro zu.

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab dem Ehemann Recht (4 UF 84/20). Jeder Ehepartner könne die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn zu befürchten sei, dass der andere Partner ihn benachteiligen wolle. Das treffe dann zu, wenn der Partner Vermögen verschwende oder verschenke, um den Anspruch auf Zugewinnausgleich zu verringern oder auszuhebeln. Und so liege der Fall hier.

Die Ehefrau habe den Grundbesitz per notariellem Übergabevertrag auf die gemeinsame Tochter übertragen und sich geweigert, über ihr Vermögen insgesamt Auskunft zu erteilen. Zu der Hausübergabe an die Tochter sei die Ehefrau weder gesetzlich, noch moralisch verpflichtet gewesen. Daher sei durchaus anzunehmen, dass es ihr bei dieser Aktion darum gegangen sei, den Ausgleichsanspruch ihres Ehepartners bei der Scheidung ins Leere laufen zu lassen.

Wer Unterhalt zahlen muss, ist zum Arbeiten verpflichtet

Die Teilnahme an Umschulungsmaßnahmen reicht nicht aus

Ein unterhaltspflichtiger Vater konnte seinem minderjährigen Sohn nicht den Mindestunterhalt zahlen, weil er arbeitslos war. Seine Bemühungen um ein Einkommen beschränkten sich darauf, an Umschulungsmaßnahmen des Arbeitsamts teilzunehmen.

Das reichte dem Oberlandesgericht Hamm nicht aus (3 UF 473/94). Der unterhaltspflichtige Vater müsse alles tun, was in seiner Macht stehe, um den Kindesunterhalt sicherzustellen. Er müsse sich intensiv um einen Arbeitsplatz bemühen. Um Geld zu verdienen, müsse er auch Aushilfstätigkeiten jeglicher Art annehmen. Die Teilnahme an Umschulungsmaßnahmen des Arbeitsamts allein genüge nicht.

Landwirt verklagt Notar

Vor 30 Jahren geschlossener Ehevertrag ist sittenwidrig: Er schloss alle Ansprüche der Frau bei einer Scheidung aus

Vor etwa 30 Jahren hatte ein Landwirt mit seiner Verlobten beim Notar einen Ehevertrag geschlossen. Die schwangere Frau sollte sich um Kinder und Haushalt kümmern, eine klassische Hausfrauenehe war geplant. Falls die Ehe scheitern sollte, wollte der Mann gegen alle Ansprüche gewappnet sein — vor allem, "um den landwirtschaftlichen Betrieb zu schützen". Deshalb verzichteten die künftigen Ehepartner für den Fall einer Scheidung gegenseitig auf alle Ansprüche.

Tatsächlich betraf die Vereinbarung natürlich nur die Frau, die ja nicht berufstätig sein sollte. Versorgungsausgleich und der gesetzlich vorgesehene Unterhalt wurden ausgeschlossen. Als sich die Eheleute 2019 trennten, zweifelte die Ehefrau die Wirksamkeit des notariellen Ehevertrags an. Und das für die Scheidung zuständige Amtsgericht teilte ihre Bedenken: Der Ehefrau alle Rechte und den Versorgungsausgleich vorzuenthalten, sei sittenwidrig, fand das Gericht.

Aus diesem Grund zahlte der Landwirt seiner Frau eine Abfindung von 300.000 Euro. Dafür verlangte er vom Notar Schadenersatz wegen falscher Beratung: Wenn ihn der Notar vor der Hochzeit darauf hingewiesen hätte, dass der Ehevertrag möglicherweise unwirksam sei, hätte er seine Verlobte nicht geheiratet und viel Geld gespart, so die Begründung. Beim Landgericht Frankenthal scheiterte die Zahlungsklage des Landwirts (4 O 47/21).

Von falscher Beratung könne hier keine Rede sein, erklärte das Landgericht, vielmehr sei die geltende Rechtslage damals eine andere gewesen. Als der Ehevertrag 1991 geschlossen wurde, sei es eben noch nicht grundsätzlich als sittenwidrig bewertet worden, alle Ansprüche der Ehefrau vertraglich auszuschließen. Notare und Anwälte müssten sich bei ihren Ratschlägen an den Gesetzen und an der Rechtsprechung dazu orientieren.

Durch einige Urteile des Bundesverfassungsgerichts habe sich die Rechtslage etwa ein Jahrzehnt später grundlegend geändert. Auch wenn diese Entwicklung für den Landwirt negative Folgen gehabt habe, müsse der Notar dafür nicht geradestehen. Schließlich habe er im Jahr 1991 nicht alle künftigen Veränderungen in der Rechtsprechung zum Familienrecht voraussehen können.

Eltern streiten über Coronatests in der Schule

Die Kindesmutter ist dafür, der Vater verweigert die Zustimmung

Die Eltern zweier Kinder sind seit 2020 geschieden und üben das Sorgerecht gemeinsam aus. Die Kinder wohnen bei der Mutter und haben auf eigenen Wunsch zum Vater keinen Kontakt mehr. Die Schule verlangte vorschriftsgemäß, vor der Teilnahme am Präsenzunterricht müssten sich die Kinder einem Coronatest unterziehen — und dafür ist die Einwilligung beider Elternteile erforderlich.

Doch der Vater, entschiedener Impfgegner, erhob unter Verweis auf eine Internetseite Einwände: Ein Kinderarzt belege dort Gesundheitsgefahren durch die Teststäbchen bei Selbsttests ungeübter Kinder. Daraufhin beantragte die Mutter bei Gericht, allein über die Teilnahme der Kinder an Coronatests entscheiden zu dürfen. Zu Recht, wie das Amtsgericht Mainz entschied (34 F 126/21).

Die Mutter habe glaubwürdig geschildert, dass sie vergeblich versucht habe, sich mit dem Vater über die Tests zu einigen. Bestehe kein Konsens der Eltern in einer Angelegenheit, deren Regelung für Kinder von erheblicher Bedeutung ist, könne das Gericht die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Zweifellos sei es von erheblicher Bedeutung, dass sich die Kinder an Coronatests beteiligten, solange die Teilnahme am Präsenzunterricht davon abhänge. Präsenzunterricht sei für die schulische und persönliche Entwicklung der Kinder wichtig.

Das gelte umso mehr, als die Kinder aufgrund der Corona-Pandemie schon längere Zeit nur zu Hause am Computer unterrichtet wurden. Wenn nun aufgrund gesunkener Infektionszahlen Präsenzunterricht wieder möglich sei, könne man es den Kindern nicht zumuten, weiterhin im Heimunterricht zu bleiben, während die Mitschüler wieder die Schule besuchten (wenn auch einstweilen nur im Wechselunterricht). Das wirke sich negativ auf schulische Leistungen und auf soziale Kompetenzen aus.

Die vom Kindesvater behauptete Gefahr durch anerkannte Corona-Selbsttests sei nicht ersichtlich. Gemäß einem Leitfaden der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin könne man die Tests sogar bei Kleinkindern ohne Bedenken anwenden. Das Personal in den Schulen sei zudem eigens dafür geschult worden.

Rentner schob Mutter nach Tschechien ab

Berufsbetreuerin holte die weggesperrte Demenzkranke aus dem Pflegeheim

Zusammen mit seiner Frau holte ein Münchner seine 92-jährige Mutter im Krankenhaus ab. Die Ärzte empfahlen dem 67 Jahre alten Rentner, häusliche Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst zu organisieren. Das Ehepaar brachte die Demenzkranke aber nicht nach Hause, sondern nach Tschechien in ein Pflegeheim. Der Rentner erzählte der Mutter, sie müsse nur vorübergehend im Heim bleiben, weil er nun in Urlaub fahre. Danach hole er sie wieder ab.

Tatsächlich machten die Eheleute keinen Urlaub. Sie bezogen vielmehr die Wohnung der Mutter und dachten überhaupt nicht daran, die alte Frau zurückzuholen. Im Pflegeheim wurde sie — ohne medizinische Notwendigkeit und ohne richterliche Genehmigung — auf einer geschlossenen Station untergebracht und miserabel betreut. Deutsch sprach im Heim niemand.

Zum Glück für die Seniorin erkundigte sich die gerichtliche Verfahrenspflegerin beim Sohn nach ihrem Aufenthalt. Die Mutter befinde sich in einem "supertollen geschlossenen Heim in Tschechien", so die Auskunft. Nach Deutschland komme sie nicht mehr zurück.

Das hätte die alte Frau niemals gewollt, da war sich die Verfahrenspflegerin sicher. Auf ihren Bericht hin setzte das Amtsgericht eine Berufsbetreuerin ein. Die beiden Frauen fuhren kurzerhand zu dem Pflegeheim nach Tschechien und fanden die Seniorin in einem "verwahrlosten, erbärmlichen Zustand" vor (Hämatome am Rücken, schmutzige Wäsche, fettige Haare). Sie habe sofort geweint und geklagt, sie warte schon so lange auf ihren Sohn.

Die Berufsbetreuerin nahm sie mit und brachte sie in München in einem offenen Pflegeheim unter. Dort sei sie glücklich und wieder ein ganz anderer Mensch geworden, erklärte die Betreuerin vor dem Amtsgericht München im Prozess gegen den Sohn. Der Rentner und seine Frau erhielten wegen Freiheitsberaubung eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren (820 Ls 275 Js 118454/20).

Neben ihrem Geständnis spreche für die Angeklagten die Tatsache, dass sie offenkundig mit der Pflege der Demenzkranken überfordert gewesen seien. Auch habe das Ehepaar wohl nicht gewollt, dass die Mutter eingesperrt werde, räumte das Amtsgericht ein.

Aber es habe die Unterbringung auf einer geschlossenen Station zumindest billigend in Kauf genommen. Immerhin sieben Monate habe die Tortur gedauert. Während dieser langen Zeit habe die alte Frau täglich darauf gewartet, vom Sohn besucht und abgeholt zu werden, weil er sie mit diesem falschen Versprechen abgeschoben habe. Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung sei daher angemessen.

Vorsorgevollmacht für einen Sohn

Der zweite Sohn fordert, die Vollmacht der demenzkranken Mutter aufzuheben

Ein wohlhabender Metzgermeister hatte Sohn A den Betrieb übergeben und ihn im Testament als Erben eingesetzt. Sohn B, mit dem er sich zerstritten hatte, erhielt zwei Mehrfamilienhäuser, sollte nach dem Tod der Eltern aber nur den Pflichtteil bekommen. Das Metzger-Ehepaar erteilte Sohn A zudem eine Vorsorgevollmacht in Sachen Vermögensvorsorge. Er sollte sich um die Mutter kümmern, deren Alzheimer-Krankheit sich schon abzeichnete.

Nach dem Tod des Vaters 2018 ging die Mutter mit dem enterbten Sohn B zur Sparkasse und hob für ihn über eine Million Euro ab. B überredete sie auch dazu, die Vollmacht für den Bruder zu widerrufen, dem er nicht traute. Daraufhin wurde vom Amtsgericht ein Kontrollbetreuer für die Seniorin bestellt. Die Betreuung wurde allerdings bald wieder aufgehoben: Denn A verpflichtete sich gegenüber dem Betreuer, von seiner Vollmacht nur nach Rücksprache mit B Gebrauch zu machen.

Darauf wollte sich B jedoch nicht verlassen: Die Vollmacht müsse aufgehoben und ein neutraler Betreuer für die Vermögensvorsorge eingesetzt werden, forderte er. Sein Anliegen wurde von allen Instanzen abgewiesen, zuletzt vom Bundesgerichtshof (XII ZB 518/20). Eine Betreuung sei nicht nötig, da sich der bevollmächtigte Sohn an die Vorgaben des Testaments halte und im wohlverstandenen Interesse der Mutter handle. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für das Gegenteil.

Letztlich kritisiere B, dass Bruder A die Anweisungen des Vaters befolgte, statt B mehr abzugeben. Die Eltern hätten aber, als die Mutter noch gesund war, die Verteilung des Vermögens gemeinsam geplant — ebenso die Vollmacht. Deshalb könne man davon ausgehen, dass es ihrem Willen entspreche, wenn A sie versorge.

Da sich B weder für den elterlichen Betrieb interessiert, noch um die Eltern gekümmert habe, sollte er auf den Pflichtteil beschränkt bleiben. A dagegen sollte die Pflege der Mutter in ihrer vertrauten Umgebung bestmöglich sichern und genau das setze er um.

Hohe Hürden fürs Enterben

Auch ein tätlicher Angriff auf Eltern rechtfertigt nicht zwingend den Entzug des Pflichtteils

Nach vielen Konflikten und einer körperlichen Attacke des Sohnes gegen die Mutter hatten die Eltern bereits 1997 beim Notar einen Erbvertrag vereinbart. Darin enterbten sie ihren Sohn und ordneten zudem an, dass ihm auch der Pflichtteil entzogen werden solle. Denn er habe seine Mutter so geschlagen, dass sie eine Schädelprellung erlitt. Als die verwitwete Mutter starb, sollte eine soziale Einrichtung erben.

Doch der Sohn verlangte von der Erbin, sie müsse ihm den Pflichtteil auszahlen. Dass ihm die Eltern alles weggenommen hätten, sei nicht gerechtfertigt gewesen. Seine Klage hatte beim Landgericht Frankenthal Erfolg (8 O 308/20). Den Sohn nicht als Erben einzusetzen, sei eine freie Entscheidung der Eltern, betonte das Landgericht. Aber nur sehr schwere Vergehen gegen die Erblasser könnten den Verlust des Pflichtteils begründen. Das dafür ausschlaggebende Fehlverhalten müsse im Testament — bzw. hier im Erbvertrag — eindeutig festgehalten sein.

Daraus müsse klar hervorgehen, welche Hintergründe zum Konflikt führten und welche Folgen der Konflikt bewirkte. Dazu stehe jedoch im Erbvertrag nichts. Das Gericht habe auch in der Verhandlung die Hintergründe nicht wirklich aufklären können. Bewiesen sei also ein schweres Vergehen des Sohnes gegen die Mutter nicht. Vielmehr sei es auch möglich, dass die Körperverletzung bei einem Streit spontan und im Affekt erfolgte. Das rechtfertige nicht unbedingt einen Pflichtteilsentzug.

Nach allem, was der so bestrafte Sohn über die familiären Konflikte berichtet habe, liege der Gedanke nahe, dass der tätliche Angriff im Jahr 1996 nicht der Hauptgrund für den ungünstigen Erbvertrag war. Man müsse eher annehmen, dass die Eltern den Lebenswandel ihres Sohnes nicht billigten.

Das sei aber kein ausreichender Grund, ihm den verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteil wegzunehmen — immerhin die Hälfte des Erbes, da er das einzige Kind der Erblasser gewesen sei. Die als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung müsse dem Sohn daher den Pflichtteil auszahlen.

"Wechselmodell" nicht gegen den Willen der Kinder!

Vater kann Änderung eines gut funktionierenden Umgangs nicht durchsetzen

Nach ihrer Trennung hatten sich die Eltern darauf geeinigt, dass die zwei — 2008 und 2011 geborenen — Kinder bei der Mutter wohnen sollten. Sie besuchten den Vater in den geraden Wochen von Sonntag 17 Uhr bis Dienstag früh, in den ungeraden Wochen von Samstag 10 Uhr bis Dienstag früh.

Doch diese Umgangsregelung genügte dem Vater nicht. Er beantragte bei Gericht das Wechselmodell, was bedeutet: Die Kinder sollten abwechselnd eine Woche bei der Mutter, eine Woche beim Vater verbringen.

Die Mutter und die vom Gericht angehörten Kinder sprachen sich jedoch dafür aus, die bisherige Praxis beizubehalten. Ausdrücklich wünschten die Kinder, es möge nun "endlich Ruhe einkehren". Diesem Wunsch entsprach das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt und lehnte den Antrag des Vaters auf das Wechselmodell ab (3 UF 144/20).

Die jetzige Regelung werde von den Kindern gut angenommen, die unter den Konflikten der Eltern sehr litten. Der Vater solle ihren Willen respektieren, den Umgang wie bisher fortzusetzen, betonte das OLG. Die Kinder machten einen reifen und verständigen Eindruck. Sie wüssten sehr genau, was sie wollten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre Aussagen nur aufgrund des Einflusses der Mutter getroffen hätten.

Wenn man ihnen eine Ausweitung des Umgangs aufdränge, würde dies womöglich als Belastung empfunden und das Verhältnis zum Vater getrübt. Das entspräche sicher nicht dem Wohl der Kinder und nur darum gehe es hier.

Nicht entscheidend sei dagegen die Gerechtigkeitsvorstellung des Vaters, der behaupte, nur beim Wechselmodell betreuten beide Elternteile die Kinder "auf Augenhöhe". Wieso die Wochenend-Umgangsregelung "eine angemessene Rolle des Vaters im Leben der Kinder" verhindern könnte, sei nicht ersichtlich.

Streit um Werklohn für einen Badumbau

Haftet dafür auch die Ehefrau, wenn ihr Mann den Bauauftrag allein unterschrieben hat?

Eine Handwerksfirma sollte im Haus des Ehepaares T das Schlafzimmer renovieren und das Bad komplett erneuern. Der Auftragswert betrug laut Angebot der Firma rund 34.000 Euro. Schriftlich bestätigte Herr T den Auftrag mit einem Schreiben, das nur er unterschrieb. Im Briefkopf standen allerdings die Namen beider Ehepartner. In der Folge wurde endlos gestritten: über Werkmängel, über Bausicherheiten, über verspätete Abschlagszahlungen etc.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt bejahte den Anspruch der Handwerksfirma auf 34.820 Euro Werklohn (8 U 109/14). Am Ende ging es vor Gericht vor allem um die Frage, ob die Firma auch auf das Vermögen der Ehefrau zugreifen darf, wenn beim Ehemann nicht der gesamte Betrag zu holen ist. Auch diese Frage bejahte das OLG und der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung (VII ZR 178/18).

Wie sich aus der Korrespondenz der Parteien ergebe, sei auch Frau T Vertragspartnerin der Handwerksfirma geworden. Herr T habe sie in mehreren Schreiben als Mit-Auftraggeberin genannt. Dieser Einschätzung stehe nicht entgegen, dass Herr T den Auftrag allein unterzeichnet habe. Auch in diesem Schreiben habe er ständig das Wort "wir" gebraucht und deutlich gemacht, dass er mit seiner Frau Art und Umfang der Arbeiten genau abgestimmt habe. Also habe er den Vertrag auch in ihrem Namen geschlossen.

Geschäfte eines Ehepartners verpflichteten den anderen Partner in der Regel nur, wenn es dabei um die "angemessene Deckung des Lebensbedarfs gehe". Welche Geschäfte so einzustufen seien, hänge von den finanziellen Verhältnissen der Familie ab. Im konkreten Fall übersteige der Renovierungsauftrag den Rahmen des "Lebensbedarfs" jedenfalls nicht. Außerdem gelte: Wenn ein Vertragsschluss — wie hier — erkennbar auf einer engen Absprache beider Ehepartner beruhe, gebe es ohnehin keinen Grund, daran zu zweifeln, dass es sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs handelte.

Bruder des Erben verlangt seinen Pflichtteil

Dass der Erbe die verstorbene Mutter gepflegt hat, ist mit der Einsetzung als Alleinerbe ausgeglichen

Witwe S war 2017 gestorben und hatte ein Barvermögen von mehr als 330.000 Euro hinterlassen. In früheren Testamenten hatte sie bestimmt, der Nachlass sei unter ihren drei Kindern gleichmäßig aufzuteilen, wie es der gesetzlichen Erbfolge entspreche.

In einem Testament von 2015 setzte die Frau dagegen ihren Sohn A als Alleinerben ein und begründete dies mit seinen Pflegeleistungen für sie. Seit 2007 werde sie von A betreut, der auch das Mehrfamilienhaus verwalte, schrieb die Mutter. Deshalb sollten die beiden anderen Kinder nur den Pflichtteil erhalten (darauf habe sie Sohn B bereits 10.000 Euro ausgezahlt).

Nach dem Tod der Mutter verlangte B von seinem Bruder den Pflichtteil (= die Hälfte des Betrags, der ihm gemäß gesetzlicher Erbfolge zugestanden hätte — also ein Sechstel des Vermögens statt einem Drittel). Der Erbe A rückte jedoch nur 14.541 Euro heraus. Begründung: Irgendwie müssten ja seine aufopfernden Pflegeleistungen für die Erblasserin ausgeglichen werden.

Mit dieser Zahlung ließ sich B nicht abspeisen, er forderte von seinem Bruder den vollen Pflichtteil. Das Landgericht sprach B weitere 31.666 Euro zu. Ohne Erfolg wehrte sich der Erbe gegen diese Entscheidung — sie wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt (IV ZR 269/20).

Erblasser hätten beim Verfassen des Testaments die Möglichkeit, Pflegeleistungen zu honorieren. Sie könnten dem Pflegenden als Ausgleich bestimmte Gegenstände vermachen oder ihm/ihr einen erhöhten Erbteil zuwenden, erklärten die Bundesrichter. So sei es auch im konkreten Fall geschehen.

Die Erblasserin habe A als Alleinerben eingesetzt, die anderen Kinder vom Erbe ausgeschlossen und ihnen nur den Pflichtteil zuerkannt. Die Erbeinsetzung habe sie ausdrücklich mit den Leistungen des Sohnes A für sie begründet. Mit der Erbschaft seien diese Leistungen dann aber auch abschließend abgegolten — ein darüber noch hinausgehender Anspruch auf Ausgleich sei ausgeschlossen. Den Geschwistern stehe ihr Pflichtteil in voller Höhe zu.

Umgangsrecht von Großeltern abgelehnt

Wegen erheblichen Konflikten mit der Mutter sieht die Justiz das Wohl der Kinder in Gefahr

Grundsätzlich haben Großeltern das Recht auf Kontakt mit ihren Enkeln — vorausgesetzt, er dient dem Wohl der Kinder. In einem aktuellen Rechtsstreit war das Amtsgericht zum gegenteiligen Ergebnis gelangt. Deshalb lehnte es den Antrag von Großeltern väterlicherseits ab, einen regelmäßigen Umgang mit den Enkeln am Wochenende und in den Ferien zu bewilligen.

Die Eltern der Kinder leben getrennt, die Kinder wohnen bei der Mutter. Der Vater sieht die Kinder regelmäßig und befürwortete auch häufigere Besuche bei seinen Eltern. Die Mutter verweigerte sie jedoch konsequent: Ihr Verhältnis zu den Schwiegereltern war äußerst gespannt, um es vorsichtig auszudrücken. Gegen die negative Entscheidung des Amtsgerichts legten die Großeltern Beschwerde ein, die vom Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig zurückgewiesen wurde (2 UF 47/21).

Das OLG verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Wenn Eltern und Großeltern ernsthaft zerstritten seien, stürze regelmäßiger Umgang mit den Großeltern die Kinder in einen Loyalitätskonflikt. Wesentlich sei auch, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern ignorieren könnten.

Beides treffe im konkreten Fall zu, weshalb das Amtsgericht zu Recht angenommen habe, dass häufige Treffen mit den Großeltern das Wohl der Kinder gefährden könnten. Zu oft hätten die Großeltern feindselig und abwertend über die Mutter der Kinder, ihre Biographie und ihre Herkunft "aus dem Osten" geurteilt.

Ohne besonderen Anlass hätten sie stets bezweifelt, dass die Mutter als "Enkelin einer Putzfrau" dazu in der Lage sei, Kinder zu erziehen. Sie als Akademiker bildeten sich ein, Kinder viel besser fördern zu können als die Mutter. Angesichts dieser Haltung der Großeltern sei das Risiko eines Loyalitätskonflikts für die Kinder so groß, dass dies den Umgang mit den Großeltern ausschließe.

Umgangsrecht nur mit Corona-Impfung?

Impfen oder Testen ist keine Bedingung für den Kontakt zwischen Mutter und Kind

Die Eltern sind seit 2012 geschieden. Die 14 und 16 Jahre alten Kinder lebten beim Vater, der als Arzt in einem Krankenhaus arbeitet. Nur einmal im Monat trafen sie für einige Stunden ihre Mutter, in Begleitung einer Jugendamtsmitarbeiterin. Ab Februar 2020 lehnte der Vater die vom Jugendamt vorgeschlagenen Umgangstermine unter Hinweis auf das Pandemie-Risiko ab: Seine Ex-Frau müsse erst zusagen, sich vorher auf Covid-19 testen zu lassen.

Diese Forderung sei nur ein Vorwand, warf ihm die Frau vor: Der Vater wolle prinzipiell verhindern, dass sie die Kinder sehe. Sie zog vors Familiengericht, das im Dezember 2020 entschied, von einem negativen Corona-Test dürfe man den Umgang nicht abhängig machen. Die Pandemie rechtfertige es nicht, den Kontakt der Mutter zu ihren Kindern einzuschränken.

Gegen diese Entscheidung legte der Vater Beschwerde ein und schlug nun vor, die Mutter sollte sich gegen das Virus impfen lassen. Damit scheiterte der Mann beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (10 UF 72/21). Auch wenn sie nicht in einem Haushalt lebten: Der Kontakt zwischen Kindern und Eltern gehöre zum absolut notwendigen Mindestmaß an zwischenmenschlichem Kontakt, betonte das OLG.

Während der Pandemie das Umgangsrecht eines Elternteils auszusetzen, sei nur zulässig, wenn einer der Beteiligten infiziert sei und unter häuslicher Quarantäne stehe. Die Mutter sei auch nicht verpflichtet, sich grundsätzlich vor jedem Treffen — sozusagen "auf Vorrat" — testen zu lassen. Das gelte jedenfalls, solange sie selbst keine typischen Symptome zeige oder Kontakt zu an Covid-19 erkrankten Personen habe.

Eine Impfpflicht bestehe nicht. Außerdem sei derzeit völlig unklar, wann sich die Kindesmutter überhaupt impfen lassen könne: Sie sei relativ jung und gehöre keiner Risikogruppe an. Mit dieser Forderung verlange also der Vater seiner Ex-Frau "etwas Unmögliches" ab. Das würde faktisch ihr Umgangsrecht über Monate aufheben.

Um jedes Infektionsrisiko für die Kinder auszuschließen, erklärte sich die Frau vor Gericht dann doch zu einem Test vor jedem Besuch bereit. Danach wurde der Umgang gemäß den vom Familiengericht festgelegten Regeln wieder aufgenommen.

Witwe und Bruder streiten ums Erbe

Liegt ein Scheidungsverfahren lange "auf Eis", kann die Witwe trotz des Scheidungsantrags erben

Das kinderlose Ehepaar B hatte 1995 geheiratet, ab 2001 lebten die Partner getrennt. Frau B zog aus dem gemeinsam erworbenen Haus aus, Herr B kaufte ihr den hälftigen Miteigentumsanteil ab. 2008 beantragte er die Scheidung. Gleichzeitig verhandelten die Partner außergerichtlich über nachehelichen Unterhalt und Zugewinnausgleich. 2009 entschieden sie einvernehmlich, das Scheidungsverfahren nicht weiter zu betreiben, weil dies für beide Partner zu finanziellen Nachteilen geführt hätte.

Bis zu seinem Tod 2019 zahlte Herr B seiner Frau die Krankenversicherung und 940 Euro Unterhalt im Monat. Das Paar lebte weiterhin getrennt, doch das Scheidungsverfahren wurde nicht wieder aufgenommen. Als Herr B starb, ohne ein Testament zu hinterlassen, beantragte sein Bruder unter Hinweis auf die geplante Scheidung einen Erbschein als Alleinerbe. Gegen diesen Antrag legte die Witwe Widerspruch ein.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Hamm (10 W 33/20). Da kein Testament existiere, erbten der Bruder und die Witwe gemäß gesetzlicher Erbfolge zu gleichen Teilen. Zwar habe der Erblasser 2008 die Scheidung eingereicht. Das schließe normalerweise das Erbrecht der Ehefrau aus. Hier sei das aber ausnahmsweise nicht der Fall, denn: Wenn ein Scheidungsverfahren über einen sehr langen Zeitraum "auf Eis liege", werde dies von der Rechtsprechung einhellig als Rücknahme des Scheidungsantrags behandelt.

Im konkreten Fall habe Herr B offenkundig den Willen aufgegeben, sich scheiden zu lassen. Er habe das Verfahren fast zehn Jahre lang nicht weiterverfolgt. Zudem habe sich B mit seiner Frau außergerichtlich über Unterhalt und andere finanzielle Fragen geeinigt. Beide Partner hätten im Konsens entschieden, dass eine Scheidung für sie wirtschaftlich ungünstig wäre. Dass das Ehepaar diesen Entschluss aus finanziellen Gründen gefasst und die eheliche Gemeinschaft nicht fortgesetzt habe, ändere nichts daran, dass damit die Scheidung "vom Tisch gewesen" sei. Anspruch auf einen Alleinerbschein habe der Bruder des Erblassers daher nicht.

Enterbter Sohn verlangt ein notarielles Nachlassverzeichnis

Der Notar darf sich dabei nicht nur auf die Angaben der Stiefmutter und Erbin verlassen

Der Vater hatte seinen im Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und seine zweite Frau als Alleinerbin eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters stand dem Sohn deshalb nur der Pflichtteil zu. Um diesen Anspruch geltend machen zu können, forderte er von der Stiefmutter Auskunft über den Nachlass.

Hintergrund: Pflichtteilsberechtigte können vom Erben verlangen, dass ein Notar ein Nachlassverzeichnis erstellt, also eine genaue Liste aller Vermögensbestandteile. So geschah es auch im konkreten Fall.

Das Nachlassverzeichnis des von der Stiefmutter beauftragten Notars fand der Sohn jedoch unzureichend: Der Notar habe keine eigenen Ermittlungen angestellt, sondern sich fast nur auf die Angaben der Erbin verlassen. Deshalb wisse er, der Pflichtteilsberechtigte, jetzt trotz des Nachlassverzeichnisses immer noch nicht sicher, was ihm eigentlich zustehe.

Das Oberlandesgericht Celle gab dem Sohn Recht und verpflichtete die Erbin, ein neues Nachlassverzeichnis vorzulegen (6 U 34/20). Private Auskünfte der Erben seien oft wenig zuverlässig. Das Recht auf ein notarielles Nachlassverzeichnis solle dafür sorgen, dass Pflichtteilsberechtigte vollständige und richtige Auskünfte über ihren Pflichtteil bekämen. Das setze aber voraus, dass der Notar selbständig und genau ermittle, was zum Nachlass gehöre.

Diese Aufgabe habe der Notar im konkreten Fall nicht erfüllt, sondern auf die Angaben der Erbin vertraut. So habe er den Inhalt eines Bankschließfachs des Erblassers nicht selbst geprüft und die Unterlagen des Vaters nicht durchgesehen, um eventuell Anhaltspunkte für weitere Vermögensgegenstände zu finden. Weder beim Finanzamt, noch bei den in Betracht kommenden Banken habe sich der Notar nach Guthaben, Wertpapierdepots und eventuellen Steuererstattungen erkundigt. Auch einige Schenkungen des Verstorbenen kurz vor seinem Tod habe der Notar nicht aufgeklärt.

Wenn nun ein neues Verzeichnis zusammengestellt werde, müssten die Erbin und ihr Notar den Sohn hinzuziehen.

Vorsorgevollmacht für den Sohn

Nach dem Tod der Mutter fordern die Miterben eine schriftliche Abrechnung

Als ihr Mann pflegebedürftig wurde, beschloss die Mutter dreier Kinder, für den Fall vorzusorgen, dass sie selbst einmal Betreuung benötigte. 2007 erteilte sie Sohn A, der im Elternhaus in einer eigenen Wohnung lebte, eine Bankvollmacht und darüber hinaus eine Vorsorgevollmacht, die nur für den "Zustand der Entscheidungsunfähigkeit" gelten sollte. Der Vater war bereits verstorben, als die Mutter Ende 2014 tatsächlich pflegebedürftig wurde.

Bis April 2017 verfügte A selbständig über alle Geldangelegenheiten der Seniorin, dann beauftragte das Betreuungsgericht zusätzlich eine Kontrollbetreuerin. Als die Mutter Ende 2018 starb, verlangten die Miterben — A’s Schwester und ein Neffe — von A nicht nur Auskunft über alle getätigten Bankvorgänge, sondern eine schriftliche Abrechnung. Die Schwester war davon überzeugt, dass der Bruder "stets unzuverlässig und eigennützig" handelte.

Zur "Rechnungslegung" sei A nur für den Zeitraum verpflichtet, in dem er im Auftrag der Mutter eigenverantwortlich deren finanzielle Angelegenheiten regelte, erklärte das Oberlandesgericht Braunschweig (9 U 24/20). So ein Auftrag gehe über eine bloße Bankvollmacht hinaus. Noch zu Lebzeiten des Vaters habe A aufgrund einer Bankvollmacht mit seinem Computer für die Eltern Online-Banking ausgeführt.

Damals habe die Mutter unstreitig ihre finanziellen Angelegenheiten und die ihres Mannes im Griff gehabt. Wie A mit der Bankvollmacht umging, habe sie kontrollieren können. Für diesen Zeitraum sei daher eine nachträgliche Kontrolle per Rechnungslegung überflüssig. Anders sei die Lage ab Ende 2014 zu beurteilen, ab diesem Zeitpunkt sei ein Kontrollbedürfnis zu bejahen.

Die Vorsorgevollmacht habe explizit für den Fall gegolten, dass die Mutter nicht mehr in der Lage sei, ihre rechtlichen und Vermögensangelegenheiten selbst zu regeln. In diesem Zustand könne der Vollmachtgeber nicht mehr überblicken, was für ihn zu tun sei und was vom Bevollmächtigten getan werde. Daher könnten die Miterben eine schriftliche Abrechnung (mit Belegen) über alle Einnahmen und Ausgaben zwischen Dezember 2014 und März 2017 verlangen.

Arbeitsloser ohne Genehmigung verreist

Der Mann wollte bei der Geburt seines Kindes dabei sein: Jobcenter kürzte deshalb Arbeitslosengeld II

Ein Empfänger von Arbeitslosengeld II kam Mitte Mai 2018 ins Jobcenter (Kreis Reutlingen) und teilte seinem Sachbearbeiter mit, er werde am 26.5. nach Schleswig-Holstein zu seiner Freundin fahren. Sie sei hochschwanger, der Geburtstermin per Kaiserschnitt für den 28.5. vorgesehen.

Der Sachbearbeiter antwortete, zehn Tage vorher könne er eine "Ortsabwesenheit" nicht genehmigen. Der Hilfeempfänger müsse vor der Reise noch einmal vorbeikommen. Und er solle daran denken, dass er nur 21 Tage "Urlaub" habe. Wenn er länger wegbleibe, bekomme er für die weiteren Tage kein Geld.

Doch der Mann fuhr zu seiner Freundin, ohne sich erneut im Jobcenter blicken zu lassen. Er blieb bis Ende Juni bei ihr, unterstützte sie im Haushalt, ging mit ihr zum Jugendamt und anerkannte die Vaterschaft. Weil sich der Arbeitslosengeld-II-Empfänger die Reise nicht im Voraus hatte genehmigen lassen, sollte er dem Jobcenter 958 Euro zurückzahlen.

Dagegen zog der frischgebackene Vater vor das Sozialgericht Reutlingen und bekam Recht. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung (L 12 AS 1677/19): Nur die Leistungen für die letzten zwei Juniwochen müsse der Mann zurückzahlen. Er habe sein verfassungsrechtlich garantiertes Elternrecht wahrgenommen. Der besondere Schutz der Familie im Grundgesetz umfasse auch das Recht des Vaters, die Geburt des Kindes zu begleiten und der Mutter beizustehen.

Deshalb hätte das Jobcenter seinen Antrag auf Ortsabwesenheit genehmigen müssen. Jedenfalls für die drei Wochen vom 26.5. bis zum 15.6. stehe dem Hilfeempfänger das Arbeitslosengeld II zu — obwohl er die Reiseerlaubnis nicht ein weiteres Mal beantragt habe.

Dass die Sozialbehörde hier auf einem zweiten Antrag bestand, sei nämlich nicht zu rechtfertigen. Der Mann habe schon bei seinem Besuch Mitte Mai alle erforderlichen Angaben gemacht: Er habe das Ziel und den Grund der Reise benannt sowie das feststehende und unaufschiebbare Datum der Geburt. Das Jobcenter hätte die Reise sofort genehmigen können bzw. müssen.

Testament muss am Schluss unterschrieben werden

Eine Verfügung nach der Unterschrift kann aber ausnahmsweise wirksam sein

Eine Erblasserin schrieb in ihrem Testament, dass die Angehörigen und Enkel sowie ihr Mann nichts erben sollten. Unter der Unterschrift fügte sie noch hinzu: "Wer zuletzt mich pflegt und sorgt, bekommt das Haus, Schmuck und alles." Beim Streit zwischen Familie und dem Pfleger um den Nachlass stellte sich daher die Frage, ob die letzte Verfügung noch von der Unterschrift gedeckt war.

Das Oberlandesgericht Frankfurt erklärte das gesamte Testament für wirksam (20 W 394/94). Grundsätzlich müsse zwar die Unterschrift hinter allen testamentarischen Verfügungen stehen. Hier ergebe das Testament aber ohne den Zusatz nach der Unterschrift keinen Sinn. Aus dem davor stehenden Text gehe nicht hervor, wer letztendlich erben solle. Deshalb sei die Ergänzung hier ausnahmsweise gültig.

Auch sei inhaltlich an der Verfügung "Wer zuletzt mich pflegt und sorgt, bekommt das Haus, Schmuck und alles" nichts auszusetzen, da die Erblasserin tatsächlich pflegebedürftig gewesen sei und sich ihren Pfleger selbst ausgesucht habe.

Frau blieb nach der Trennung in der Ehewohnung

Nach einem Jahr muss sie den Mietvertrag übernehmen oder der Kündigung zustimmen

Im Herbst 2018 hatte das Ehepaar beschlossen, sich zu trennen. Mit dem gemeinsamen Sohn zog der Ehemann Anfang 2019 aus der Ehewohnung aus und beantragte beim Amtsgericht Frankfurt die Scheidung. Die Ehefrau blieb in der vor Jahren gemeinsam angemieteten 5-Zimmer-Wohnung, die der Ehemann weiterhin finanzierte (1.850 Euro Kaltmiete plus 350 Euro Nebenkosten).

Nach neun Monaten bat er sie erfolglos darum, den Mietvertrag allein zu übernehmen. Anschließend wurde in einem Güterichterverfahren versucht, die Mietfrage einvernehmlich zu lösen. Das gelang jedoch nicht. Daraufhin kündigte der Ehemann im November 2019 das Mietverhältnis und forderte von seiner Frau, der Kündigung zuzustimmen. Zu Recht, wie das Amtsgericht Frankfurt entschied (477 F 23297/20 RI).

Nach der endgültigen Trennung könne in der Regel ein Ehepartner vom anderen verlangen, dass dieser bei der Kündigung der ehemaligen Ehewohnung mitwirke — auch wenn die Ehe noch nicht rechtskräftig geschieden sei. Von einer endgültigen Trennung sei im konkreten Fall auszugehen: Die Beteiligten ständen sich in drei Gerichtsverfahren gegenüber und hätten auch in diesem Prozess massive Konflikte ausgetragen.

Die Ehefrau behaupte, der Ehemann habe ihr versprochen, Trennungsunterhalt in Form der Miete zu zahlen: 2.200 Euro Unterhalt im Monat sei ja wohl das Mindeste … Belege gebe es dafür aber nicht. Der Ehemann bestreite die Vereinbarung und auch die Höhe des Anspruchs, so das Amtsgericht. Die von der Frau angestellten Berechnungen zum Unterhalt beruhten auf Zahlen aus einem Internetauftritt des Ehemannes und widersprächen seinen Auskünften zum Einkommen. Aber das sei im eigentlichen Scheidungsverfahren zu klären.

Hier gehe es nur um das berechtigte Interesse des Mannes, nicht länger finanziellen Belastungen durch das Mietverhältnis ausgesetzt zu sein. Dagegen könne die Ehefrau nun nicht mehr den Grundsatz der ehelichen Solidarität ins Feld führen. Natürlich habe sie nach der Trennung Zeit gebraucht, um sich neu zu orientieren, um ihre Lebensverhältnisse neu zu ordnen und mit dem Ehemann Regelungen zu finden.

Seit dem Auszug des Mannes sei aber bereits mehr als ein Jahr vergangen. Dieser Zeitraum genüge trotz der komplexen finanziellen Verflechtungen der Eheleute. Die Ehefrau habe also ausreichend Zeit gehabt, sich um eine neue Wohnung zu bemühen. Dazu sei sie verpflichtet, da es abgelehnt habe, in den Mietvertrag der Ehewohnung als Alleinmieterin einzusteigen. Warum nicht in der Lage sei, eine andere Wohnung anzumieten — so ihre Behauptung —, sei nicht nachvollziehbar.