Familie

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Ehewohnung vom Ex-Mann gekündigt

Die Ehefrau verlangt nach einem Räumungsprozess von ihm Schadenersatz für die Umzugskosten

Das Ehepaar hatte mit seinen zwei Kindern in einer Wohnung gelebt, die den Eltern des Ehemannes gehörte. Mieter war allein der Ehemann. Im Januar 2016 trennte sich das Paar. Die Frau blieb mit den Söhnen in der Wohnung. Der Ehemann zog aus und kündigte sogleich den Mietvertrag zum 31. Mai 2016. Dann aber vereinbarte er mit der Ehefrau, sie könne in der Wohnung bleiben, bis der jüngere Sohn im Sommer 2017 die Schule abgeschlossen hätte.

Mit den Eltern schloss er einen entsprechend befristeten Mietvertrag. Im Februar 2017 beantragte der Mann die Scheidung. Als seine Frau im Sommer 2017 nicht auszog, kündigte er den Mietvertrag erneut. Erfolglos forderten die Vermieter von der Schwiegertochter, die Wohnung bis zum 22.3.2018 zu räumen. Schließlich erhoben sie Räumungsklage, verlangten zudem Nutzungsentschädigung und Schadenersatz.

In einem Vergleich verpflichtete sich die Frau, der Schwiegermutter 3.700 Euro zu zahlen. Erst ab März 2019, kurz vor dem Scheidungstermin, mietete sie eine neue Wohnung. Für die Umzugskosten forderte die Frau Schadenersatz vom Ex-Mann. Doch das Amtsgericht Münster verneinte einen Anspruch auf Entschädigung (43 F 34/21).

Auch während der Trennungszeit bleibe die ehemals gemeinsame Wohnung die Ehewohnung, so das Amtsgericht: Das gelte bis zur Scheidung. Der Partner, der ausziehe und dem anderen Partner die Wohnung überlasse, dürfe diesem die Nutzung nicht erschweren oder unmöglich machen. Der andere Partner solle sich erst einmal an die geänderten Lebensverhältnisse gewöhnen können, ohne umziehen zu müssen.

Gegen dieses Gebot des "Wohlverhaltens" in der Trennungszeit habe der Ehemann verstoßen, als er den Mietvertrag im Februar 2016 kündigte. Allerdings sei dieser Verstoß folgenlos geblieben. Denn danach hätten sich die Partner darauf geeinigt, den Mietvertrag bis Sommer 2017 fortzusetzen. Die Kündigung habe also nicht zu einem Schaden für die Ex-Frau geführt. Das gelte auch für die zweite Kündigung im Sommer 2017, nur aus einem anderen Grund.

Denn da sei das Scheidungsverfahren bereits eingeleitet gewesen, dann gebe es kein Recht mehr auf "ungestörtes Verweilen in der Ehewohnung". Der Ehefrau habe klar sein müssen, dass sie nach der Scheidung ausziehen und eine neue Wohnung suchen musste. Aufgrund des Räumungsprozesses 2018 konnte die Ehefrau nicht davon ausgehen, dass die Eltern des Mannes das Mietverhältnis mit ihr fortsetzen würden. Umzugskosten wären daher auf jeden Fall auf sie zugekommen, unabhängig vom Zeitpunkt des Umzugs. Für diese Kosten sei nicht ihr Ex-Mann verantwortlich.

Teurer Pendelverkehr zweier Scheidungskinder

Gibt es einen Fahrtkostenzuschuss, wenn die Eltern in verschiedenen Schulbezirken wohnen?

Üben die Eltern gemeinsam das Sorgerecht für ihre Kinder aus, leben aber nach der Scheidung in verschiedenen Bezirken, stellt sich die Frage, in welchem Schulbezirk die Kinder zur Schule gehen sollen. In dem Fall, den das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden musste, hatten sich die geschiedenen Eheleute so geeinigt: Beide Söhne sollten in ihrer "alten" Schule bleiben, die näher am Wohnort des Vaters lag.

Die Kinder verbrachten zwei Wochentage beim Vater, zwei bei der Mutter. Freitag bis Sonntag waren sie abwechselnd beim Vater und bei der Mutter. Die Frau wohnte ungefähr zwölf km von der Schule entfernt, so dass sie gezwungen war, die Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen oder sie mit dem Bus zu schicken. Daher beantragte die Mutter bei der zuständigen Behörde, die Fahrtkosten zu übernehmen oder zumindest einen Zuschuss zu bewilligen.

Das komme hier nicht in Frage, entschied das Oberverwaltungsgericht Münster (16 A 4241/92). Nach der in Nordrhein-Westfalen geltenden Schulfahrtkostenverordnung würden die Fahrtkosten nur übernommen, wenn ein Kind die nächstgelegene Schule besuche und wenn sich diese Schule über zwei km vom Wohnsitz entfernt befinde. Dabei komme es wesentlich darauf an, wo das Kind seine melderechtliche Hauptwohnung habe.

Im konkreten Fall habe der ältere Sohn seinen Hauptwohnsitz beim Vater. Von dort aus sei der Schulweg keine zwei Kilometer lang, also sei der Schüler weder auf den Bus noch auf die Beförderung mit einem Auto angewiesen. Der jüngere Sohn habe seinen Hauptwohnsitz bei der Mutter. Bei ihm entfalle der Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten, weil er nicht die für ihn nächstgelegene Schule besuche.

Abfindung im Scheidungsfall

Wird vor der Heirat so eine Vereinbarung getroffen, fällt für die Abfindung keine Schenkungssteuer an

1998 hatte das Paar geheiratet und vorher beim Notar einen umfassenden Ehevertrag vereinbart. Im Fall einer Trennung oder Scheidung sollte die Ehefrau eine Abfindung von zwei Millionen Mark erhalten — allerdings nur dann, wenn die Ehe mindestens 15 Jahre dauerte. Andernfalls sollte der Betrag anteilig gekürzt werden.

Der gesetzliche Versorgungsausgleich wurde ausgeschlossen und stattdessen zu Gunsten der Frau eine Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen. Darüber hinaus wurde der nacheheliche Unterhalt begrenzt und Gütertrennung vereinbart.

16 Jahre lang hielt der Bund fürs Leben, wahrscheinlich Zufall. Als die Ex-Ehefrau die Abfindung bekam, wollte das Finanzamt mitkassieren. Für so eine freigebige Geldzuwendung sei Schenkungssteuer zu zahlen, fand die Behörde. Doch die Frau klagte gegen den Steuerbescheid und hatte beim Bundesfinanzhof Erfolg (II R 40/19).

Hier handle es sich nicht um eine steuerpflichtige Pauschalabfindung, stellten die obersten Finanzrichter fest. Vielmehr hätten die künftigen Eheleute Rechte und Pflichten für den Fall einer Scheidung umfassend und individuell — abweichend von familienrechtlichen Regelungen — regeln wollen.

Die Abfindung stelle auch kein Geldgeschenk dar. Erstens habe es eine Gegenleistung gegeben: Die Zahlungsklausel sei Bestandteil des umfangreichen Vertrags über die Rechtsfolgen der Heirat. Zweitens sei beim Ehemann kein subjektiver Wille zu erkennen, etwas zu verschenken. Schließlich habe der Ehevertrag in erster Linie sein beträchtliches Vermögen vor "unwägbaren finanziellen Verpflichtungen" bei einer Scheidung schützen sollen.

Besserer Job nach der Scheidung

Bei der Berechnung des Unterhalts für die Ex-Ehefrau zählt das neue, höhere Einkommen

Kümmert sich nach einer Scheidung die Mutter allein um die Erziehung eines Kleinkindes, hat sie Anspruch auf Unterhalt vom geschiedenen Ehemann. Zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts wird in der Regel das Einkommen des Erwerbstätigen herangezogen, und zwar das Einkommen während der Ehe.

Das Amtsgericht Merzig hat davon eine Ausnahme gemacht (20 F 432/92). Der Mann sei schon länger auf der Suche nach einer lukrativen Stelle gewesen, habe sie aber erst nach der Scheidung gefunden. In so einem Fall müsse das höhere Einkommen aus dem neuen Job bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts berücksichtigt werden, erklärten die Richter. Denn es habe dem gemeinsamen Lebensplan der Eheleute entsprochen, dass der Mann den Arbeitsplatz gewechselt habe.

Trennung: Ehefrau plünderte Gemeinschaftskonto

Hebt ein Partner über die Hälfte des Guthabens ab, besteht Anspruch auf Ausgleich

Nach über 35 Jahren Ehe trennte sich das Ehepaar F im Juli 2014. Bei der X-Bank hatten die Partner zwei gemeinsame Konten ("Oder-Konten"), über die Guthaben konnten beide frei verfügen. Am 2.10.2014 hob der Ehemann von einem Konto 33.000 Euro ab. Weitere 10.000 Euro von diesem Konto sicherte sich die Ehefrau einige Tage später. Vom zweiten Konto hob sie rund 116.000 Euro ab. Die Beträge, insgesamt 126.500 Euro, zahlte Frau F auf ein neues Konto ein, das auf ihren Namen lautete.

Auf den Gemeinschaftskonten blieben weniger als 600 Euro zurück. Vergeblich forderte Herr F seine Frau auf, die Hälfte des Betrags zurückzugeben. Ein Strafverfahren gegen sie wegen Untreue wurde vorläufig eingestellt, jedoch mit der Auflage, dass sie 37.500 Euro zurückzahlen müsse. Da Frau F jedoch nur 6.000 Euro herausrückte, zog der — inzwischen geschiedene — Mann erneut vor Gericht und verlangte finanziellen Ausgleich.

46.750 Euro stehen ihm zu, entschied das Oberlandesgericht Brandenburg (9 UF 5/21). Die geschiedene Frau behaupte nun — ohne jeden Beleg —, dass sie sich erst Anfang 2015 von ihrem Mann getrennt habe. Es könne aber sogar offenbleiben, ob die Kontoabhebungen nach der Trennung oder vorher stattfanden. Denn "ehedienlich" seien sie so oder so nicht gewesen. Beide Partner hätten ohne Absprache Konten abgeräumt, um das Geld für eigene Zwecke zu verwenden.

Guthaben auf Gemeinschaftskonten gehörten Eheleuten zu gleichen Anteilen, außer sie regelten dies mit der Bank anders. Hebe ein Partner mehr als die Hälfte des Guthabens ab, habe der andere Partner Anspruch auf finanziellen Ausgleich. Solange eine Ehe intakt sei, könne man allerdings — jedenfalls in der Regel — von einem Verzicht auf gegenseitige Ansprüche ausgehen, weil der Betrag für gemeinsame Zwecke ausgegeben werde.

Gebe jedoch ein Partner das Guthaben rücksichtslos für eigene Interessen aus und enttäusche das Vertrauen des anderen, müsse er auch während der Ehe Ausgleich leisten. Nach einer Trennung könne man in so einem Fall grundsätzlich nicht von einem stillschweigenden Verzicht auf Ausgleich ausgehen. Nachdem die Frau die Konten geplündert habe, seien sie fast leer gewesen — sie habe die Oder-Konten quasi aufgelöst. Diesen Verfügungen habe der Mann nie zugestimmt, er habe Anspruch auf die Hälfte des Guthabens.

Sechsjährige verkratzt beim Radfahren ein Auto

Erst mit acht Jahren dürfen Kinder baulich nicht von der Straße abgetrennte Radwege benützen

Ein Düsseldorfer Familienvater war mit seinen drei Kindern auf Rädern in der Stadt unterwegs: mit zwei Söhnen, elf und 15 Jahre alt, und der sechsjährigen Tochter. Die Familie fuhr einen nur auf der Straße markierten Radweg entlang, der von der Fahrbahn nicht baulich abgetrennt war. Plötzlich stand da dick und breit ein falsch geparktes Auto und versperrte den Radweg. Der Vater wich auf die Straße aus, das Mädchen folgte ihm.

Dabei kam das Kind einem Opel Corsa, der in die gleiche Richtung fuhr, mit dem Fahrradlenker zu nahe. Den Lackkratzer in der Werkstatt ausbügeln zu lassen, kostete die Autobesitzerin 790 Euro. Ihrer Ansicht nach musste die Haftpflichtversicherung des Vaters für die Reparatur aufkommen. Dieser Ansicht war auch das Amtsgericht Düsseldorf: Es verurteilte den Versicherer zu Schadenersatz (37 C 557/20).

Der Vater des Kindes müsse für den Schaden haften, weil er seine Aufsichtspflicht verletzt und dadurch indirekt den Schaden verursacht habe. Kinder, die noch keine acht Jahre alt seien, gehörten mit ihren Fahrrädern auf die Gehwege. Laut Straßenverkehrsordnung dürften sie Radwege nur benutzen, wenn diese "baulich" von der Fahrbahn abgetrennt seien — wie das häufig bei kombinierten Geh- und Radwegen der Fall sei.

Sinn dieser Vorschrift sei es natürlich, kleinere Kinder vor Risiken zu schützen: Meistens beherrschten sie ihr Rad noch nicht richtig und bewegten sich unsicher. Die Söhne seien alt genug und rad-erfahren. Aber dem Mädchen hätte es der Vater nicht erlauben dürfen, auf dem Radweg zu fahren. Stattdessen hätte er mit der Sechsjährigen den Gehweg nutzen müssen — das sei Erwachsenen erlaubt, wenn sie Kinder unter acht Jahren beaufsichtigen müssten.

Stiefmutter überlebt ihren Erben

Wurde im Erbvertrag kein Ersatzerbe eingesetzt, kann die Witwe die weitere Erbfolge frei bestimmen

Die Witwe hatte nicht nur ihren Mann überlebt, sondern auch dessen Sohn, der laut Erbvertrag von 1965 das Vermögen hätte erben sollen. Im Erbvertrag hatten sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Erbe des länger lebenden Partners sollte der Sohn des Ehemannes sein. Nacherben bzw. Ersatzerben wurden nicht benannt: "Sonst wollen wir nicht bestimmen", hieß es im Erbvertrag.

2012 verfasste die Witwe ein Testament, in dem sie diesen Umstand erläuterte: Der 1996 verstorbene Stiefsohn habe zwei Kinder hinterlassen, einen Jungen und ein Mädchen. Für diesen Fall, dass der Erbe vor ihnen sterben sollte, hätten sie und ihr Mann "keine bindende Ersatzerbeneinsetzung gewollt". Denn zu diesem Zeitpunkt habe sich "die Entwicklung der beiden Enkel noch nicht absehen" lassen. 2015 verfasste die Witwe ein weiteres, notarielles Testament, in dem sie die geschiedene Frau des Enkels als ihre Alleinerbin einsetzte.

Als die Witwe 2018 starb, beanspruchten Enkel und Enkelin je eine Hälfte des Vermögens, gestützt auf den Erbvertrag von 1965: Sie seien die Erben ihres Vaters, der das Vermögen des Großvaters hätte erben sollen.

Doch das Nachlassgericht war der Ansicht, die Erbfolge richte sich nach dem Testament der Witwe von 2015. Es erteilte der Ex-Frau des Enkels einen Alleinerbschein: Der Erbvertrag von 1965 enthalte keine Regelung, die die Erblasserin an dieser Erbeinsetzung hindern würde.

So sah es auch das Oberlandesgericht München (31 Wx 110/19, 31 Wx 272/20). Offenbar habe das Ehepaar 1965 bewusst davon abgesehen, die Ersatzerbfolge zu regeln. Das lege auch der Satz "Sonst wollen wir nicht bestimmen" nahe. Damals seien die Enkel ein und zwei Jahre alt gewesen.

Vor diesem Hintergrund sei es plausibel und nachvollziehbar, wenn die Witwe schreibe, sie hätten 1965 keinen Ersatzerben verbindlich festlegen wollen, weil nicht vorhersehbar war, wie sich die Enkel entwickeln würden. So sei es offenbar zwischen den Ehepartnern abgesprochen und mit dem Notar besprochen worden, der seinerzeit den Erbvertrag aufgesetzt habe. Daher habe die Witwe die weitere Erbfolge frei bestimmen können.

Testament oder Testamentsentwurf?

Ein gültiges Testament setzt ernsthaften Testierwillen des Erblassers voraus

Herr M, ledig und kinderlos, starb Anfang 2020. 2009 hatte er ein notarielles Testament verfasst, in dem er eine Bekannte als Alleinerbin eingesetzt hatte. Nach seinem Tod fanden die beiden Schwestern in der Wohnung allerdings nicht nur dieses Testament, sondern eine Mappe mit einigen DIN A 4-Blättern. Auf der Rückseite von Werbezetteln hatte M mit Bleistift Notizen zu möglichen Änderungen des Testaments festgehalten.

Die Schwestern schickten die Blätter dem Nachlassgericht und teilten mit, ihr Bruder habe vor seinem Tod mehrmals erwähnt, er wolle sein Vermögen einer Hilfsorganisation X hinterlassen. Auf einem Blatt mit dem Datum 7.10.2016 stand:

"Testamentsveränderung (…) Hiermit möchte ich mein bisheriges 1. Testament, erstellt am 20.7.2009 Urkunde Rolle Nr. 00 2009 von A in B. verändern auf für ungültig erklären Mein ganzes Vermögen bestehend aus" (… es folgen Angaben zu Konten und Immobilien) "möchte ich der Hilfsorganisation X vererben".

Gestützt auf dieses Blatt Papier beantragte die Hilfsorganisation beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein — jedoch ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die ablehnende Entscheidung (10 W 18/21).

Ein Testament sei nur gültig, wenn ein Erblasser ernsthaft eine verbindliche Anordnung für den Fall seines Todes treffen wollte. Im konkreten Fall seien aus mehreren Gründen Zweifel daran angebracht, dass die Notizen vom Oktober 2016 mehr darstellen sollten als einen Entwurf.

Zum einen sei es ungewöhnlich, ein Testament auf der Rückseite eines Werbezettels zu notieren. Zweifel würden verstärkt durch den Umstand, dass Herr M den Text mit Bleistift geschrieben habe — wodurch er früher oder später unleserlich werde. Zum anderen enthalte der Text viele Auslassungen. Offenbar habe ihn der Erblasser also noch ergänzen oder ändern wollen — der Text enthalte keine endgültigen Formulierungen.

All diese Umstände führten zu der Schlussfolgerung: Hier handle es sich um den Entwurf einer 2016 beabsichtigten Testamentsänderung, zu der der Erblasser aber nicht ernstlich entschlossen gewesen sei und die nicht wirklich durchgeführt wurde. Ähnliche Notizen habe Herr M 2017 angefertigt. Auf weiteren Zetteln von 2018 finde sich wiederum die Formulierung: "Ich lasse altes Testament so". Gültig sei daher nach wie vor das notarielle Testament von 2009.

Gefängnisbesuch bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Eine schematische Regelung nach dem Familienstand kann gegen das Elternrecht verstoßen

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg sind Besuche bei Strafgefangenen grundsätzlich zuzulassen, soweit dies möglich ist, ohne die Ordnung in der Anstalt zu beeinträchtigen.

Anlass dieser Entscheidung war folgender Sachverhalt: Die Hausordnung eines Gefängnisses sah für verheiratete Gefangene eine monatliche Besuchszeit von vier Mal 45 Minuten vor. Alle anderen Gefangenen durften nur drei Mal 45 Minuten besucht werden. Der Antrag eines unverheirateten Gefangenen auf Bewilligung einer zusätzlichen Besuchseinheit im Monat wurde von der Anstaltsleitung abgelehnt.

Dieser Beschluss verstößt gegen das Grundgesetz, entschied das Oberlandesgericht Bamberg (Ws 632/94). Bei besonderen Fällen dürfe die Anstaltsleitung nicht schematisch vorgehen und sich nur am Familienstand als Kriterium orientieren. Im konkreten Fall lebe der Gefangene in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und habe mit seiner Partnerin ein Kind. Auch für Strafgefangene gelte das grundgesetzlich garantierte Elternrecht.

Der Staat müsse die nachteiligen Wirkungen der Gefängnisstrafe auf die Familie möglichst begrenzen. Konkret bedeute das, dass die Anstaltsleitung die Beziehungen des Gefangenen zu seinem Kind fördern müsse. Es sei nicht ersichtlich, warum ein weiterer Besuch im Monat die Ordnung der Anstalt nennenswert beeinträchtigen könnte. Nur dann wäre die Ablehnung gerechtfertigt.

Mutter schenkte der Tochter Grundstücke

Nach dem Tod der Mutter klagt ein Sohn und Mit-Erbe gegen die Schenkungen

Zwei Söhne und eine Tochter hatten die Eheleute. Laut dem gemeinschaftlichen Testament von 1969 sollten die Kinder zu gleichen Teilen erben. Ein Grundstück in K wurde Sohn A versprochen. Der Ehemann starb zuerst. Viele Jahre später schenkte die Mutter der Tochter ein Grundstück in P und ihren Miteigentumsanteil am Grundstück in K. Dort sollte die Tochter lebenslang kostenlos wohnen dürfen, weil sie sich um die alte Mutter kümmerte.

Dass die Schwester die Mutter in den letzten Lebensjahren versorgt und gepflegt hatte, bestritt Bruder A nach dem Tod der Mutter rundweg. Er zog vor Gericht und forderte das halbe Anwesen in K, das die Mutter der Schwester übertragen hatte.

Viel Geld und zudem Grundbesitz habe die Schwester zu Lebzeiten der Mutter bekommen: Diese Zuwendungen überstiegen bei weitem den ihr zustehenden Anteil am Erbe, so der Standpunkt des Bruders. Die Mutter habe damit rechtswidrig sein Erbe geschmälert. Das Wohnrecht der Schwester müsse im Grundbuch gelöscht, das Grundstück in P auf die Dreier-Erbengemeinschaft übertragen werden.

Das Landgericht Koblenz wies die Klage des Mit-Erben ab (1 O 222/18). Missbräuchlich und rechtswidrig wären die Schenkungen nur, wenn sie wirklich dem Ziel gedient hätten, das Erbe des Sohnes zu beeinträchtigen. Das treffe jedoch nicht zu — auch wenn das Erbe dadurch kleiner geworden sei. Aber die Erblasserin habe mit den Geschenken ihr eigenes Interesse verfolgt. Ihr sei es darum gegangen, die Pflege im Alter sicherzustellen und der Tochter dafür zu danken, dass sie ihr besonders geholfen habe.

Diesen Sachverhalt hätten mehrere Zeugen bestätigt. Schon vor den Schenkungen habe die Tochter die Mutter im Alltag unterstützt, Einkäufe erledigt, den Haushalt besorgt und sich — mit notarieller Vollmacht der Mutter — um deren Finanzen gekümmert. Daher sei die Mutter davon ausgegangen, dass ihr die Tochter später im Fall der Pflegebedürftigkeit zur Seite stehen würde. So sei es dann auch geschehen.

Da der Pflegebedarf zuletzt groß gewesen sei, müsse Mit-Erbe A Folgendes bedenken: Ein ambulanter Pflegedienst und erst recht die Pflege in einem Heim hätten enorme Kosten verursacht. Hätte die Schwester die Mutter nicht gepflegt, hätten diese Kosten sein Erbe ebenfalls erheblich reduziert.

Betriebliche Witwenrente

Die Bedingungen für den Rentenbezug müssen klar geregelt sein

Nachdem er aus seinem Arbeitsverhältnis vorzeitig ausgeschieden war, hatte der Ex-Angestellte P geheiratet. Betriebliche Altersrente bezog er ab einem späteren Zeitpunkt. Im Unternehmen gilt eine Betriebsvereinbarung: Steht einem Arbeitnehmer Betriebsrente zu, erhält nach dessen Tod der Ehepartner Witwenrente bzw. Witwerrente. Darauf besteht allerdings kein Anspruch, wenn die Ehe erst nach Beginn der Altersrentenzahlung an den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin geschlossen wurde.

Als Frau P nach dem Tod ihres Mannes Witwenrente beantragte, legte sich das Unternehmen quer: Witwenrente sei auch dann ausgeschlossen, wenn die Heirat — wie in ihrem Fall — nach dem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb stattfand. Mit dieser Begründung könne der Arbeitgeber der Frau die Witwenrente nicht verweigern, entschied das Bundesarbeitsgericht (3 AZR 212/21).

Betriebliche Regelungen, die eine Hinterbliebenenversorgung beschränken oder ausschließen, müssten klar formuliert sein. Tatbestände, die sie ausschließen, müssten ausdrücklich benannt werden. In den Versorgungsbestimmungen des Unternehmens sei für den Fall, dass eine Ehe nach dem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde, kein Ausschluss der Witwenrente vorgesehen. Daher stehe sie Frau P zu.

Scheidung nach 36 Jahren Hausfrauenehe

Einer krankheitsbedingt erwerbsunfähigen Ehefrau steht unbegrenzt Unterhalt zu

1983 hatte das Paar geheiratet. Die 1960 geborene Ehefrau hat kein eigenes Einkommen und während der Ehe nie gearbeitet. Der Ehemann war Alleinverdiener. Sie führte den Haushalt und kümmerte sich um drei — mittlerweile volljährige — Kinder. 2016 trennte sich das Ehepaar, 2019 wurde die Ehe geschieden. Seither streiten die Beteiligten um Ehegattenunterhalt.

Der Mann fand ihn zu hoch und beantragte Kürzung. Dagegen wehrte sich die Frau: Arbeiten könne sie krankheitsbedingt nicht. Außerdem beklagte sie sich über unregelmäßige Unterhaltszahlungen. Das Amtsgericht Frankenthal entschied den Streit zu Gunsten der geschiedenen Frau (71 F 214/19). Berücksichtige man das Ergebnis zweier Sachverständigengutachten zu ihrem Gesundheitszustand, stehe ihr Elementarunterhalt und Krankenvorsorgeunterhalt zu.

Laut Gutachten sei die Frau aufgrund orthopädischer Leiden nicht in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten. Unter diesen Umständen bestehe für eine 60 Jahre alte Frau ohne jede Berufserfahrung auf dem Arbeitsmarkt keine reelle Erwerbschance. Daher komme es nicht in Frage, den nachehelichen Unterhalt herabzusetzen oder zeitlich zu beschränken — zumal die Frau während der Ehe die Kinder betreut habe.

16-Jähriger will sich gegen Corona impfen lassen

Die Mutter ist dagegen — die Entscheidungsbefugnis wird dem Vater übertragen

Die Eltern des 16-jährigen A sind geschieden und üben das Sorgerecht gemeinsam aus. Der Junge lebt bei der Mutter und besucht den Vater regelmäßig. Der Vater vereinbarte im Juni 2021 einen Impftermin bei der Hausärztin, denn A wollte sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Weil die Mutter protestierte, wurde der Termin abgesagt: Sie hält die Impfung mit dem Präparat von Biontech/Pfizer für eine "Gentherapie".

Daraufhin beantragte der Vater beim Amtsgericht, ihm die Entscheidungsbefugnis für die Impfung im Eilverfahren zu übertragen. Die Hausärztin bestätigte, dass sie medizinisch geboten sei: A sei übergewichtig (Adipositas), was das Risiko für einen schweren Verlauf einer eventuellen COVID-Erkrankung deutlich erhöhe. Zudem könne A die Tragweite dieser Entscheidung sehr gut einschätzen und wünsche die Impfung ausdrücklich.

Nachdem das Amtsgericht seinem Antrag zugestimmt hatte, ließ der Vater den Sohn impfen. Vor der Zweitimpfung legte die Mutter Rechtsbeschwerde ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Frankfurt zurückgewiesen wurde (6 UF 120/21). Da sich die Eltern nicht einigen könnten, habe das Amtsgericht zu Recht die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil übertragen, dessen Standpunkt dem Wohl des Kindes besser entspreche.

Der Jugendliche habe im Sommer die Streitfrage schnell klären wollen — angesichts steigender Infektionszahlen und einer geplanten Urlaubsreise mit dem Vater. A habe befürchtet, "ungeimpft" müsse er nach der Spanienreise in Quarantäne und seine sozialen Kontakte würden in der absehbaren "vierten Corona-Welle" wieder eingeschränkt. Dass A aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung imstande sei, sich eine eigene Meinung über Nutzen und Risiken der Impfung zu bilden, stehe nach seiner Aussage vor Gericht und auch nach Ansicht der Hausärztin fest.

Die ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts habe im Sommer die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren empfohlen. Schon vorher sei klar gewesen, dass Jugendliche mit Vorerkrankungen wegen ihres erhöhten Risikos für einen schweren Krankheitsverlauf geimpft werden sollten — bei ihnen überwiege der Nutzen der Impfung allemal das Risiko. Zu diesen Vorerkrankungen zähle gemäß dem Bulletin der STIKO vom 10. Juni 2021 auch Adipositas, von der A unstreitig betroffen sei.

Notarieller Vertrag: Haus gegen Pflege

Nach heftigen Konflikten verlangt der ehemalige Eigentümer von der Schwester das Haus zurück

Nach einem Herzinfarkt übertrug im Herbst 2013 Hauseigentümer X (geboren 1944) mit notariellem Vertrag seiner jüngeren Schwester das Hausgrundstück. Als Gegenleistung verpflichtete sie sich, ihn lebenslang zu betreuen. Zugleich sicherte die Schwester dem Bruder Wohnrecht an einigen Räumen zu. Sie zog mit ihrer Familie (Mann, Tochter und Schwiegersohn) ein und wurde als Hauseigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Schon wenige Monate später waren die Parteien heillos zerstritten.

Im März 2014 stellte die Schwester ihre Pflegeleistungen ein. Herr X erklärte den Rücktritt vom Übertragungsvertrag und zog vor Gericht: Auf einmal verlange die Schwester Miete von ihm, von der Familie werde er bedrängt und mit dem Tode bedroht.

Dagegen behauptete die Schwester vor Gericht, der Bruder mache ihr mit Provokationen das Leben "zur Hölle". Dazu der Bruder: "Das sind Verbrecher, die haben mir das Haus weggenommen, ohne was dafür zu bezahlen". Hätte er eine Pistole, würde er sie erschießen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Klage auf Rückübertragung des Hauses ab (22 U 97/17). Wenn die Schwester entgegen dem Vertrag den Bruder nicht mehr betreue, hätte er die Pflegeleistungen erst einmal einfordern müssen. Dass das Zusammenleben prinzipiell unzumutbar geworden sei, habe Herr X nicht überzeugend dargelegt. Schließlich habe es Aggressionen von beiden Seiten gegeben. Ein extremer Konfliktfall liege nicht vor.

Mit dieser Begründung hätte das OLG den Anspruch des ehemaligen Hauseigentümers auf Rückübertragung nicht verneinen dürfen, entschied der Bundesgerichtshof (V ZR 30/20). So ein Anspruch komme nicht nur im Extremfall in Betracht. Ein Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung könne aufgelöst werden, wenn das Festhalten am Vertrag für einen der Beteiligten unzumutbar und eine Anpassung des Vertragsinhalts unmöglich sei.

Bei so einem Vertrag unter Geschwistern sei die dauerhafte, von gegenseitigem Vertrauen getragene Beziehung die Geschäftsgrundlage des Vertrags. Sei das Verhältnis heillos zerrüttet, entfalle die Geschäftsgrundlage. Und das treffe hier zu. Dabei komme es nicht darauf an, wer am Zerwürfnis "schuld" sei — das seien in der Regel beide Vertragsparteien.

Da X den Kontakt zur Schwester unerträglich finde, könne man es ihm nicht zumuten, selbst am Vertrag festzuhalten und dies von der Schwester einzufordern.

Er habe vielmehr Anspruch darauf, dass der Vertrag aufgelöst werde — vorausgesetzt, es sei unmöglich, den Vertragsinhalt den jetzigen Umständen anzupassen. Denkbar wäre z.B., dass X ausziehe und die Schwester ihm das Wohnrecht durch eine Rentenzahlung abkaufe. Dann müssten sie nicht mehr unter einem Dach leben. Reichten dafür die Mittel der Schwester nicht aus, könne X verlangen, das Eigentum am Haus zurückzubekommen. Mit diesen Vorgaben verwiesen die Bundesrichter den Streit ans OLG zurück.

Geld verliehen oder verschenkt?

Kurzartikel

Überweist eine 86-Jährige ihrem Sohn 15.000 Euro — immerhin zehn Prozent ihres Vermögens! —, so spricht dies dafür, dass dies ein Darlehen sein sollte: Mutter und Sohn haben stillschweigend einen Darlehensvertrag abgeschlossen. Auch wenn der Sohn davon ausging, das Geld geschenkt zu bekommen, ist er daher zur Rückzahlung verpflichtet.

Bruder eines Landwirts soll den Hof erben

Wer lange auf einem Hof mithilft, kann ihn deshalb noch lange nicht selbständig führen

Nebenerwerbslandwirt A betrieb eine Bullenmast mit ca. 60 Rindern auf seinem nur zehn Hektar großen Hof. 6,5 Hektar Ackerland hatte er dazu gepachtet. Da A schon seit 1996 an Krebs erkrankt war, half sein Bruder B regelmäßig auf dem Hof mit. Von Beruf ist B Tischler, eine landwirtschaftliche Ausbildung hat er nicht. Im Jahr 2000 schlossen die Brüder einen Betriebsüberlassungsvertrag.

In seinem Testament setzte der Landwirt den Bruder als Erben und Hoferben ein. Nach dem Tod von A im März 2019 beantragte B einen Erbschein mit Hoffolgezeugnis: Er bewirtschafte den Hof seit fast 20 Jahren, erklärte B, daher sei er auch wirtschaftsfähig im Sinne der Höfeordnung. Wenn er beruflich unterwegs sei, betreue ein Nachbar das Vieh und erledige Bodenarbeiten. Manchmal beauftrage er einen Lohnunternehmer.

Eine seiner Schwestern, gelernte Malerin, widersprach dem Antrag: B habe den Betrieb nie selbständig geleitet, dazu fehlten ihm die Kenntnisse. Nur sie selbst sei wirtschaftsfähig, weil sie mit ihrem Ehemann im Nebenerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 24 Hektar Ackerland und 80 Mastbullen führe.

Nach einer Prüfung bescheinigte die Landwirtschaftskammer B mangelhaftes Wissen über Düngen und Pflanzenschutz. Gleiches gelte in Bezug auf landwirtschaftliche Förderprogramme und betriebswirtschaftliche Kenntnisse.

Daraufhin lehnte das Landwirtschaftsgericht B als Hoferben ab: Er sei wohl daran beteiligt gewesen, dass der kleine Hof im grünen Bereich gewirtschaftet habe. Trotzdem gelte: Wer alle wesentlichen Arbeiten in der Rindermast und im Ackerbau an Nachbarn oder Lohnunternehmen delegieren müsse, könne einen Hof nicht selbständig führen. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte diese Entscheidung (10 W 60/20).

Wirtschaftsfähigkeit setze zwar nicht unbedingt voraus, dass der Hofanwärter den Hof selbst bewirtschafte. Er müsse aber prinzipiell dazu in der Lage sein. Der Betriebsüberlassungsvertrag von 2000 belege dies nicht. Denn B habe die praktischen Arbeiten danach nicht in dem Maß selbst ausgeführt, dass er die erforderlichen Kenntnisse hätte erwerben können. Schließlich sei die Wirtschaftsfähigkeit des Erben auch nicht mit den bisher relativ guten Ergebnissen des landwirtschaftlichen Betriebs zu begründen.

Denn bis 2018 habe Landwirt A trotz seiner Krankheit viele praktische und organisatorische Aufgaben erledigen können. Zudem sei B von Nachbarn und von einem Lohnunternehmer unterstützt worden. Man könne daher nicht feststellen, dass das positive Betriebsergebnis auf ausreichenden Fähigkeiten des B beruhe. Das Landwirtschaftsgericht müsse nun den Antrag der Schwester prüfen.

Unterschrift im Testament "geweißt"

Witwer und Sohn der Erblasserin streiten darüber, ob sie damit das Testament widerrufen hat

In einem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Eheleute F 2007 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Beide Partner hatten das Schriftstück unterschrieben. Damit war die gesetzliche Erbfolge aufgehoben: Der zufolge hätte der Ehemann nur die Hälfte des Vermögens der Ehefrau geerbt, die zwei Kinder der Ehefrau die andere Hälfte. Als die Ehefrau 2017 starb und das Testament geöffnet wurde, war ihre Unterschrift darauf mit Tipp-Ex geweißt.

Herr F gab es beim Amtsgericht Stralsund ab und beantragte einen Alleinerbschein. Die Tochter der Erblasserin war damit einverstanden, der Sohn jedoch nicht: Das Testament sei unwirksam, meinte er, die Mutter habe es entweder nie unterschrieben oder später widerrufen wollen. Der Witwer konnte jedoch eine Kopie des Testaments vorlegen, auf der die Unterschrift der Verstorbenen gut zu erkennen war: Deshalb bekam er den Alleinerbschein.

Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock wies die Rechtsbeschwerde des Sohnes zurück (3 W 13/18). Wenn ein Originaltestament nicht mehr auffindbar sei, könne man mit einer Kopie nachweisen, dass das Original wirksam verfasst wurde. Das müsse im konkreten Fall erst recht gelten: Denn das Originaltestament liege vor und die Kopie zeige die Unterschrift beider Ehepartner unbeschädigt, so das OLG.

Damit stehe fest, dass das Originaltestament von beiden Ehepartnern unterschrieben und die Unterschrift der Ehefrau erst nachträglich geweißt wurde. Das Testament sei also 2007 wirksam verfasst worden. Fraglich sei damit nur, ob die nachträgliche Veränderung einen Widerruf des Testaments darstelle. Das sei zu verneinen: Denn als Widerruf gelte eine Veränderung nur, wenn ein Erblasser sie persönlich vornehme.

Dass die Verstorbene ihre Unterschrift selbst geweißt habe, sei aber nicht bewiesen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Dritter diese Änderung vorgenommen habe. Dafür sprächen folgende Argumente: Nicht nur der Witwer, sondern auch die Tochter habe glaubwürdig versichert, die Verstorbene hätte das Testament keinesfalls ändern wollen. Die Erblasserin habe zudem an schwerem Rheuma gelitten und hätte eine Flasche mit Tipp-Ex wohl nicht mehr öffnen können. Und vor allem: Sie habe das Testament nicht verschlossen, sondern frei zugänglich aufbewahrt.

Vater verdient nur 1.400 Euro

Sind die Großeltern zahlungskräftig, müssen sie beim Kindesunterhalt einspringen

Die Eltern des 2010 geborenen Mädchens M sind geschieden. Die Mutter, bei der das Kind lebt, arbeitet in Teilzeit und verdient rund 1.000 Euro. Das Nettoeinkommen des Vaters betrug 2017 1.400 Euro. Für das Kind zahlte er im Monat nur 100 Euro Unterhalt. Das Bundesland Sachsen sprang ein und überwies der Mutter von Sommer 2016 bis Ende 2017 Unterhaltsvorschuss. Anschließend versuchte das Bundesland, zumindest einen Teilbetrag vom Vater zurückzuholen.

Der Mann pochte jedoch auf eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1603, Abs. 2): Da seine Eltern finanzkräftig seien, hafte er für den Kindesunterhalt nur begrenzt. Er dürfe von seinem Verdienst 1.300 Euro behalten, den so genannten "angemessenen Selbstbehalt" (die Grenze dafür lag 2017 bei 1.300 Euro, inzwischen wurde sie auf 1.400 Euro erhöht). Der Großvater von M habe ein Einkommen von rund 3.500 Euro, die Großmutter ein Einkommen von ca. 2.200 Euro.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Zahlungsklage des Bundeslandes gegen den Vater ab (XII ZB 123/21). Grundsätzlich müssten Verwandte in gerader Linie einander Unterhalt gewähren, so der BGH. Eltern minderjähriger Kinder treffe sogar eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb bei ihnen die Grenze für den Selbstbehalt niedriger angesetzt werde. Das sei der "notwendige Selbstbehalt", 2017 habe er 1.080 Euro betragen (2021: 1.160 Euro). Im Prinzip hätte der Vater also für seine Tochter mehr Unterhalt zahlen müssen.

Doch die gesteigerte Unterhaltspflicht entfalle, wenn — wie im konkreten Fall — zahlungskräftige Verwandte in gerader Linie vorhanden seien, erklärte der BGH. Die müssten dann beim Kindesunterhalt einspringen. Von 1.080 Euro im Monat leben zu müssen, sei schon hart. Wenn Großeltern den Unterhalt problemlos finanzieren könnten, wäre es nicht gerechtfertigt, dem Vater für den Kindesunterhalt jeden Euro abzuknöpfen, der diesen Betrag übersteige.

Daher müsse der Vater über die bereits gezahlten 100 Euro hinaus keinen Kindesunterhalt leisten, solange er nicht mehr als 1.400 Euro verdiene — was dem "angemessenen Selbstbehalt" entspreche.

Vorzeitiger Erbausgleich für nichteheliche Kinder

Unterhaltsansprüche gelten unabhängig von einem vorzeitigen Erbausgleich

Zwischen dem 21. und 27. Lebensjahr können nichteheliche Kinder laut Gesetz vom Vater einen vorzeitigen Erbausgleich in Geld fordern. Nach dem Tod des Vaters gehen sie dagegen leer aus. Die Höhe des Erbausgleichs bestimmt sich in der Regel nach den Unterhaltszahlungen, die der Vater an das Kind geleistet hat.

Der Erbausgleich soll dem Kind zu einem "Startkapital" für seinen Lebens- und Berufsweg verhelfen. Gleichzeitig hat so der Vater die Möglichkeit, nicht gegen seinen Willen lebenslang durch Erbersatzansprüche an das nichteheliche Kind gebunden zu sein.

Das Amtsgericht Tübingen musste darüber entscheiden, ob so ein Erbausgleich zu berücksichtigen ist, wenn es darum geht, den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Vater zu berechnen (7 C 732/94). Denn dieser Anspruch hängt vom Vermögen des Kindes ab. Der Richter verneinte die Frage.

Wenn ein nichteheliches Kind anderweitig Vermögen erwerbe, müsse es dieses Vermögen erst aufbrauchen, bevor der Vater mit Unterhalt einspringen müsse. Anders jedoch, wenn der Vater Erbausgleich gezahlt habe. Denn dessen Zweck bestehe nicht darin, die Unterhaltspflicht des Vaters zu verkürzen, die bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gelte. Diese beiden Ansprüche des nichtehelichen Kindes seien voneinander unabhängig. Väter könnten sie daher nicht mit einer Zahlung erfüllen, das sei vom Gesetz nicht gewollt.

Einschulungsfeier ohne Vater

Der Trennungskonflikt der Eltern soll die für das Kind wichtige Feier nicht verderben

Die verheirateten, unheilbar zerstrittenen Eltern zweier Kinder leben getrennt. Der heftige Trennungskonflikt beschäftigte mehrmals das Familiengericht. Der Vater warf der Mutter vor, den fünfjährigen Jungen und das sechsjährige Mädchen sexuell zu missbrauchen. Wegen des Dauerstreits ist der Mutter das alleinige Sorgerecht übertragen worden.

Der Vater darf die Kinder zwei Stunden pro Woche sehen, allerdings nur mit einer Begleiterin vom Kinderschutzbund. Gegen diese Regelungen hat der Mann Rechtsbeschwerde eingelegt. Anlass des aktuellen Streits: Er wollte an der Einschulungsfeier der Tochter teilnehmen. Kommentar seiner Frau: Sie werde die Polizei rufen, wenn er komme.

So laufe das immer, erklärte der Vater: Seine Ex erschwere ihm so oft wie möglich den Umgang, obwohl auch die Kinder den Kontakt wünschten. Wenn er der Feier fernbleibe, müsse doch die Tochter denken, er liebe sie nicht mehr. Per Eilantrag wollte der Mann sein Recht auf Teilnahme an der Einschulungsfeier durchsetzen, doch das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken lehnte den Antrag ab (2 UFH 2/21).

Im Prinzip sollten Umgangsberechtigte an besonderen Familien-Ereignissen beteiligt werden, räumte das OLG ein. Im konkreten Fall sei das jedoch mit dem Kindeswohl unvereinbar: Auf diese Weise würde der tiefgreifende Konflikt der Eltern in die Veranstaltung hineingetragen. Zwischen den Eltern sei keine vernünftige Kommunikation mehr möglich. Bei einem Zusammentreffen in der Schule sei der Austausch von Feindseligkeiten nicht auszuschließen.

So eine Einschulungsfeier sei für Kinder mit Stolz und Vorfreude, mit Aufregung und hohen Erwartungen verbunden. Eine Eskalation des Elternkonflikts während so einer wichtigen Veranstaltung könnte für das Mädchen zu einem Trauma werden. Das müsse man unbedingt verhindern. Dass die Abwesenheit des Vaters bei der Feier keinen "Liebesentzug" bedeute, könne er der Tochter beim nächsten Kontakt mit professioneller Unterstützung kindgerecht beibringen.