Familie & Gesundheit

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Lange Trennungszeit vor der Scheidung

Sie kann ein Grund sein, den Versorgungsausgleich zeitlich zu begrenzen

Ein seit 1978 verheiratetes Paar hatte sich 2003 kurz getrennt, drei Jahre später endgültig. Im Juli 2006 schlossen die Eheleute beim Notar eine Scheidungsfolgenvereinbarung ab. Sie verzichteten gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt, vereinbarten Gütertrennung und teilten das Vermögen auf. Der Versorgungsausgleich sollte nach den gesetzlichen Vorschriften erfolgen. Dabei stand fest, dass der Ehemann aufgrund niedrigeren Gehalts während der Ehe weniger Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hatte als die Ehefrau.

Erst 2019 wurde die Scheidung eingereicht, die Ehe 2021 rechtskräftig geschieden. Das Amtsgericht beschränkte den Versorgungsausgleich auf die Ehezeit und das erste Jahr der Trennung (bis Juni 2007).

Mittlerweile fand es die Frau aber nicht mehr gerecht, dass der Ex-Ehemann an ihrer Altersvorsorge teilhaben sollte: Er habe allein im Jahr 2006 100.000 Euro verspielt. Sie verlangte, Versorgungsausgleich komplett auszuschließen. Auch der Mann legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Beschwerde ein und forderte, den Versorgungsausgleich zeitlich unbeschränkt durchzuführen.

Dass das Amtsgericht den Versorgungsausgleich ab Juli 2007 ausgeschlossen habe, sei nicht zu beanstanden, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (13 UF 25/21). Grundsätzlich sollten Ehepartner zwar an allen während der Ehezeit geschaffenen Vermögenswerten inklusive der Altersvorsorge den gleichen Anteil erhalten. Von dieser Regel könne man aber abweichen, wenn sich der uneingeschränkte Versorgungsausgleich grob unbillig zu Lasten des Ausgleichspflichtigen auswirken würde.

Das treffe hier zu, so das OLG, denn das Paar habe vor dem Scheidungsantrag bereits 13 Jahre getrennt gelebt. Seit 2006 seien die Ex-Partner wirtschaftlich vollständig unabhängig voneinander. In solchen Fällen sei der Versorgungsausgleich nur bis zu dem Zeitpunkt durchzuführen, an dem der Scheidungsantrag nach der Trennung erstmals hätte gestellt werden können — also nach Ablauf des Trennungsjahres im Juli 2007.

Durch den Versorgungsausgleich bis Juni 2007 bekomme der Mann immerhin eine zusätzliche Altersversorgung von über 46.000 Euro. Einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wie von der Ehefrau gefordert, lehnte das OLG ab: Das komme nur bei grobem, persönlichem Fehlverhalten in Betracht, das sich direkt auf die gemeinsame Altersvorsorge ausgewirkt habe — nicht als Bestrafung für Spielsucht.

Student verpasst Prüfung

Ein ärztliches Attest muss vom Mediziner eigenhändig unterschrieben sein

An einer Universität in Nordrhein-Westfalen studierte der junge Mann Wirtschaftswissenschaften. Zu einer Wiederholungsprüfung für den Bachelorabschluss trat er im Februar 2020 nicht an. Ob der Student nicht genug gepaukt hatte oder wirklich krank war, tut hier nichts zur Sache: Jedenfalls legte er, um seine Abwesenheit zu entschuldigen, ein ärztliches Attest vor, das der Prüfungsausschuss nicht gelten ließ.

Denn es war nicht vom Arzt persönlich, sondern von einer Medizinischen Fachangestellten in seinem Auftrag unterschrieben worden. Aus diesem Grund bewertete der Prüfungsausschuss die Bachelorprüfung als "nicht bestanden". Dagegen wehrte sich der Student vergeblich: Seine Klage scheiterte beim Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf (15 K 7677/20).

Mit diesem Attest könne er das Nichterscheinen bei der Prüfung nicht entschuldigen, entschied das VG. Wenn ein ärztliches Attest von einer dritten Person im Auftrag des Arztes unterzeichnet werde, sei es unwirksam. Aus ärztlichen Attesten müsse hervorgehen, dass der Arzt selbst die Verantwortung für dessen Inhalt übernehme. Ein Attest sei eine Wissenserklärung, die der Arzt grundsätzlich selbst abgeben müsse. Daher sei es nur mit eigenhändiger Unterschrift des Mediziners wirksam.

Ehefrau bekam Kind von einem "anderen"

Nach einer Zwei-Jahres-Frist kann der Ehemann die Vaterschaft nicht mehr anfechten

Nach der Scheidung der Eltern wohnte die 15-jährige Tochter beim Vater. Als sie später zur Mutter zog, besann sich der Mann, dass das Kind nicht von ihm stammen könne: Damals habe er sich mit seiner Frau zerstritten, Geschlechtsverkehr habe nicht stattgefunden. Während dieser Krise habe er schon vermutet, dass seine Frau fremdgehe. Und so sei wohl auch das Kind entstanden.

Das Amtsgericht stellte auf seinen Antrag hin fest, dass er nicht der Vater des Mädchens ist. Das ergab sich eindeutig aus dem eingeholten Blutgruppengutachten. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm bleibt der Mann jedoch vor dem Gesetz der Vater des Kindes (29 U 45/94). Ein Ehemann habe nur zwei Jahre Zeit, gerichtlich feststellen zu lassen, dass er nicht der Vater eines Kindes seiner Frau sei.

Diese Zwei-Jahres-Frist beginne zu laufen, sobald der Ehemann von Umständen erfahre, die gegen seine Vaterschaft sprächen. Im konkreten Fall habe der Ehemann jedoch selbst betont, er habe von einer außerehelichen Beziehung seiner Frau gewusst. Zudem habe er auch angegeben, dass er in der fraglichen Zeit keinen Sex mit seiner Frau gehabt habe. Daher sei es viel zu spät, um die Vaterschaft anzufechten.

Umstrittene Vorsorgevollmacht

Hat ein Vater mehrere erwachsene Kinder bevollmächtigt, kann nicht eines dem anderen die Vollmacht entziehen

Mit einer Vorsorgevollmacht überträgt der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten die Befugnis, an seiner Stelle Entscheidungen über das Vermögen oder über ärztliche Maßnahmen zu treffen — für den Fall, dass der Vollmachtgeber dazu nicht mehr in der Lage ist. Im konkreten Fall erteilte ein älterer Herr drei leiblichen Kindern und seinem Stiefsohn eine notariell beglaubigte Vorsorgevollmacht: Alle vier sollten im Fall des Falles auch allein im Namen ihres Vaters Entscheidungen treffen können ("Einzelvertretungsvollmacht").

Mehrere Personen zu bevollmächtigen, kann durchaus von Vorteil sein — wenn sie vernünftig kooperieren. So tragen mehrere Vertraute die Verantwortung und können sich die Aufgaben aufteilen. Doch im konkreten Fall funktionierte die Arbeitsteilung nicht: Sohn R stritt ständig mit dem Stiefsohn und widerrief schließlich sogar dessen Vorsorgevollmacht. Der Stiefsohn weigerte sich, die Vollmachtsurkunde herauszugeben.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (10 W 8/21). Wenn es mehrere Bevollmächtigte gebe, könne nicht einer den anderen abberufen und ihm die Vollmacht entziehen. Das würde dem Willen des Vollmachtgebers zuwiderlaufen, mehreren Personen eine "Einzelvertretungsmacht" einzuräumen. Jeder Bevollmächtigte könnte sich so die Position des ausschließlich Bevollmächtigten verschaffen — sogar dauerhaft, wenn der Vollmachtgeber geschäftsunfähig sei.

Genau das habe der Vater im konkreten Fall offenkundig nicht gewollt. Eventuell habe er mit der Vollmacht für mehrere Kinder auch den möglichen Missbrauch der Vollmacht durch einen einzigen Bevollmächtigten verhindern wollen.

Drei Jahre, nachdem Sohn R die Vollmacht des Stiefbruders widerrief, habe R einen Widerruf vorgelegt, den angeblich der Vater selbst formuliert habe. Das Schreiben sei zwar vom Vater unterzeichnet, trotzdem sei die Widerrufserklärung unwirksam. Denn zu diesem Zeitpunkt habe der Vater bereits an fortgeschrittener Demenz gelitten. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, selbständig zu entscheiden und rechtlich wirksame Erklärungen abzugeben.

Nasenbeinbruch beim Ehestreit

Vorübergehende Versöhnung schließt Schmerzensgeldanspruch der Ehefrau nicht aus

Es war nicht der erste Streit des seit ca. 25 Jahren verheirateten Paares. Doch im Februar 2017 schlug der Ehemann so zu, dass seine Frau einen Nasenbeinbruch erlitt, der operiert werden musste. Daraufhin wies das Amtsgericht Nürnberg der Ehefrau — per einstweiliger Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz — für ein halbes Jahr die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zu. Im Mai, drei Monate nach der Attacke, zog der Mann im Einvernehmen mit der geprügelten Frau wieder ein.

Sie wollte ihm "eine neue Chance geben" und glaubte seiner Zusicherung, sie könnten jetzt ohne Stress ruhig zusammenleben. Der Polizei teilte die Frau mit, sie habe kein Interesse mehr an Strafverfolgung. Deshalb wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Bis Sommer 2020 klappte das Zusammenleben mehr oder weniger. Dann trennte sich das Paar endgültig. Nun forderte die Frau unter anderem 3.000 Euro Schmerzensgeld für die gebrochene Nase.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (11 UF 801/21). Man könne zwar davon ausgehen, dass im Mai 2017 ein echter Versöhnungsversuch erfolgt sei — getragen von dem Wunsch beider Seiten, die Ehe zu retten. Und vorübergehend sei der Versuch ja auch erfolgreich gewesen. Doch ein Versöhnungsversuch schließe Schmerzensgeldansprüche aufgrund von häuslicher Gewalt keineswegs aus.

Ob die Versöhnung auf Dauer gelingen würde oder nur für ein paar Wochen, sei im Mai 2017 nicht vorhersehbar gewesen. Daraus könne der Ehemann nicht ableiten, dass die Frau für immer darauf verzichtet hätte, ihre Ansprüche geltend zu machen. Dass sie ihm die Hand zur Versöhnung bot, konnte allenfalls ein Ausgangspunkt sein für ein eventuell gelingendes Zusammenleben: Nur das würde die Annahme eines Verzichts auf Ansprüche rechtfertigen. Das OLG sprach der Frau 1.900 Euro Schmerzensgeld zu.

Operative Magenverkleinerung

Muss die Krankenkasse den Eingriff nur dann finanzieren, wenn alle anderen Therapien erfolglos waren?

Ein stark übergewichtiger, gesetzlich versicherter Mann ließ sich in einer Klinik den Magen operativ verkleinern. Klinikaufenthalt und Schlauchmagen-OP kosteten 7.204 Euro. Seine Krankenkasse, die AOK Bayern, hatte nach Rücksprache mit dem "Medizinischen Dienst der Krankenversicherung" (MDK) die Kostenübernahme verweigert.

Begründung: So einen Eingriff müsse sie nur finanzieren, wenn er die "ultima ratio" darstelle, d.h. wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ohne Erfolg durchgeführt worden seien. Eine konservative Therapie gegen Fettleibigkeit sei im konkreten Fall aber nicht dokumentiert, also gar nicht erst versucht worden. Dass die Operation medizinisch notwendig gewesen sei, stehe daher nicht fest.

Die Klinik verklagte die Krankenkasse auf Zahlung und bekam vom Landessozialgericht (LSG) Recht. Doch das Bundessozialgericht befand, die bisherigen Feststellungen reichten nicht aus, um die Frage zu entscheiden, ob der Eingriff medizinisch notwendig war und der Klinik deshalb Vergütung zustehe (B 1 KR 19/21 R). Die Bundesrichter verwiesen den Rechtsstreit ans LSG zurück — mit folgendem Hinweis für die Entscheidung:

Bei Fettleibigkeit dürfe in der Tat eine operative Magenverkleinerung nur als "letztes Mittel" angewandt werden, wenn anders kein Fortschritt zu erzielen sei. Anders als die Krankenkasse meine, setze das jedoch nicht zwingend voraus, dass alle anderen Therapien vorher praktisch angewandt wurden und gescheitert seien. Es sei ausreichend, wenn feststehe, dass die voraussichtlichen Ergebnisse der Operation den zu erwartenden Resultaten anderer Behandlungsmöglichkeiten eindeutig überlegen seien.

Heimgeld nur teilweise gezahlt

Pandemiebedingte Besuchseinschränkungen im Pflegeheim rechtfertigen keine Kürzung

Frau S lebte seit 2017 in einem Seniorenheim mit vollstationärer Pflege, war in den Pflegegrad 3 eingestuft. Wegen der Corona-Pandemie holte ihr Sohn die Pflegebedürftige am 19.3.2020 nach Hause. Das Zimmer im Pflegeheim räumte sie nicht, zahlte aber von April bis Juli nur ein Drittel des vereinbarten Heimgelds.

Vom Heimbetreiber zur Zahlung des vollen Betrags aufgefordert, kündigte die Seniorin den Pflegevertrag "aus wichtigem Grund" zum 31.8.2020. Der Betreiber des Pflegeheims zog vor Gericht und verlangte bis zu diesem Tag "Heimgeld" in voller Höhe — abzüglich des vereinbarten Pauschalabzugs von 25 Prozent für Zeiten der Abwesenheit.

Zu Recht, entschied der Bundesgerichtshof (II ZR 240/21). Die Heimbewohnerin dürfe das monatliche Entgelt für das Pflegeheim nicht über diesen Pauschalbetrag hinaus kürzen. Die wesentlichen Leistungen — Unterbringung und Pflege — habe das Pflegeheim trotz der Pandemie in vollem Umfang erbracht. Durch die pandemiebedingten Einschränkungen von Besuchen Angehöriger habe sich die Geschäftsgrundlage des Pflegevertrags nicht geändert.

Die staatlich angeordneten Kontaktbeschränkungen dienten in erster Linie dem Schutz der besonders gefährdeten Heimbewohner und auch dem der Mitarbeiter. Den Vertragszweck stellten die Corona-Regeln also nicht in Frage. Für die Seniorin sei es zumutbar, am Pflegevertrag bis zum Ende der Kündigungsfrist festzuhalten, zumal die Einschränkungen sozialer Kontakte im Lockdown die gesamte Bevölkerung betrafen. Sie rechtfertigten keine Kürzung des Heimentgelts um zwei Drittel.

Spritze gegen "Tennisarm"

Spritze löste Infektion aus: Patientin erhält wegen unzureichender Aufklärung Schmerzensgeld

Die 45-Jährige hatte im August 2017 ihren Sohn zum Arzt begleitet. In der Gemeinschaftspraxis berichtete sie dem behandelnden Mediziner K, sie habe seit einigen Wochen Beschwerden im rechten Ellenbogen. K diagnostizierte einen so genannten Tennisarm und empfahl der Frau eine Spritze: Damit werde sie für den geplanten Urlaub schnell wieder fit! Eintrag in der Patientenkartei: "Schmerzen im rechten Ellenbogen. Beratung. Injektion …".

Vor der Injektion unterschrieb die Patientin ein Aufklärungsblatt — ob auch ein Aufklärungsgespräch stattfand, war hinterher umstritten. Mit der Spritze gerieten Bakterien ins Gelenk und verursachten eine Gelenk- und Schleimbeutelentzündung. Die Frau musste ihren Urlaub abbrechen und sich einer Operation sowie langwieriger Rehabilitation unterziehen. Die Beweglichkeit des Gelenks ist dauerhaft eingeschränkt.

Von der Gemeinschaftspraxis verlangte die Frau Schmerzensgeld: 25.000 Euro sprach ihr das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zu (26 U 21/21). Bedenklich fand das OLG, dass der Eintrag in der Patientenkartei nachträglich geändert wurde. Da würden nun ein Aufklärungsgespräch und "starke Schmerzen" erwähnt. Damit solle wohl die medizinische Notwendigkeit der Spritze behauptet sein — die der Sachverständige in seinem Gutachten aber überzeugend verneint habe.

Mit keiner Methode gebe es bei der Behandlung eines Tennisarms einen sicheren Heilungserfolg, so das Fazit des Experten. K hätte die Patientin auf jeden Fall über konservative Behandlungsalternativen (Medikamente, Ruhigstellen, Krankengymnastik, Stoßwellentherapie etc.) aufklären müssen. Denn dabei seien die Erfolgsaussichten nicht geringer als beim Spritzen — und es bestehe kein Infektionsrisiko.

Da die Frau wegen ihrer Beschwerden nicht einmal einen Arzttermin vereinbart, sondern anlässlich des Arztbesuchs ihres Sohnes "mal nachgefragt" habe, könnten die Schmerzen nicht so schlimm gewesen sein, nahm das OLG an. Unter diesen Umständen wäre es erst recht angesagt gewesen, sie über risikoärmere Alternativen zu informieren, anstatt sofort zur Spritze zu greifen. Nur auf Basis von Informationen könnten Patienten selbstbestimmt entscheiden, auf welches Risiko sie sich einlassen wollten.

Im konkreten Fall hätte die Frau nach einem Aufklärungsgespräch die Entscheidung für eine bestimmte Behandlung sicher verschoben und im Urlaub erst mal den Arm geschont. Dass über Behandlungsalternativen aufgeklärt wurde, hätten die Patientin und ihr Sohn als Zeuge glaubwürdig bestritten. Mit der elektronischen Behandlungsdokumentation könnten die Mediziner diese Aussage nicht widerlegen. Der komme hier keine Beweiskraft zu, da sie nachträglich geändert wurde — ohne die Änderung kenntlich zu machen.

Familienheim in der Trennungszeit abwechselnd bewohnt

Danach stritt das (Noch-)Ehepaar um Nutzungsvergütung für die Immobilie

Im September 2019 trennte sich das Ehepaar. Bis dahin hatte es mit den zwei fast erwachsenen Söhnen in einem Einfamilienhaus gelebt, das beiden Partnern zu gleichen Teilen gehörte. Zuerst zog die Ehefrau für ein paar Monate aus. Dann wies ihr das Amtsgericht das Familienheim zur alleinigen Nutzung zu. Sie zog wieder ein und wohnte von März 2020 bis November 2021 dort, bis das Haus zwangsversteigert wurde.

Da lief bereits das Scheidungsverfahren. Der Ehemann hatte bis Februar 2020 die Tilgungsraten für das Immobiliendarlehen bezahlt, dann hatte er die Zahlungen eingestellt. Die Bank kündigte daraufhin das Darlehen und betrieb die Zwangsvollstreckung. Bei der Versteigerung erhielt der Ehemann den Zuschlag, seither wohnt er wieder in der Immobilie. Die beiden Söhne blieben die ganze Zeit über im Haus.

Nun verlangten beide Ex-Partner vom anderen Nutzungsvergütung für die Zeit, in der diese/dieser die Immobilie in der Trennungszeit allein bewohnt hatte. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sprach dem Ehemann rund 16.000 Euro zu (6 UF 70/21). Die Immobilie gehöre den ehemaligen Partnern gemeinsam. Nutzungsvergütung solle bei einer Trennung den Verlust des Mitbesitzes an der Immobilie und die damit verbundenen finanziellen Nachteile ausgleichen, so das OLG.

Die Ehefrau habe allerdings für die ersten Monate keinen Anspruch auf Nutzungsvergütung, da ihr Mann in dieser Zeit die auf dem Einfamilienhaus lastenden Schulden allein getilgt habe. Danach habe die Ehefrau das Haus ca. eineinhalb Jahre ohne ihn bewohnt und an die Bank nichts gezahlt. Sie schulde daher dem Ex-Mann Nutzungsvergütung. Da im konkreten Fall keine Unterhaltsregelung getroffen wurde, sei die Höhe der Nutzungsvergütung unabhängig von Unterhaltsfragen festzusetzen.

Der objektive Mietwert des Hauses betrage monatlich 2.000 Euro: So viel wäre für die Immobilie auf dem freien Wohnungsmarkt zu erzielen. Bis die Scheidung rechtskräftig sei, werde jedoch in der Regel nur ein gekürzter Wert angesetzt — der so genannte subjektive Mietwert. Maßgeblich sei die ersparte Miete für eine angemessene, dem bisherigen Lebensstandard entsprechende Wohnung. Dafür wären in der Region ca. 800 Euro ohne Nebenkosten aufzuwenden.

Dass die Söhne im Familienheim wohnten, spiele für die Frage der Nutzungsvergütung keine Rolle, da kein Elternteil dem anderen für den Wohnbedarf Kindesunterhalt gezahlt habe. Beide Elternteile hätten als Miteigentümer des Hauses für die Söhne sozusagen Naturalunterhalt geleistet — und ihnen Zimmer im Haus zur Verfügung gestellt.

Kinder sollen ihre Großeltern nicht mehr sehen

Gericht befürchtet Loyalitätskonflikt und gibt dem allein sorgeberechtigten Vater Recht

2019 hatten sich die Eltern getrennt, die 2012 und 2015 geborenen Kinder leben beim Vater. Das Sorgerecht für den Jungen und das Mädchen übertrug das Amtsgericht dem Vater, weil es die Mutter aufgrund von Drogenkonsum und psychischen Problemen nicht für "erziehungsfähig" hielt. Die Großeltern mütterlicherseits, deren Verhältnis zum Vater seit langem angespannt war, hatten zunächst regelmäßig Kontakt zu den Enkeln.

Mehrmals meldeten sie 2020 dem Jugendamt, der Vater gehe mit den Kindern aggressiv um. Seine Erziehungsmethoden seien "menschenunwürdig". Daraufhin beendete der Mann die Besuche der Kinder bei den Großeltern. Um eine Umgangsregelung durchzusetzen, zogen sie vor Gericht: Die Kinder hätten zu ihnen doch eine tiefe Bindung. Verschärfte Konflikte durch den Wiederbeginn der Kontakte sei nicht zu erwarten, denn das Zerwürfnis mit dem Vater habe immer schon bestanden …

Anders als Eltern hätten Großeltern keinen unbedingten Rechtsanspruch auf Umgang, erklärte das Oberlandesgericht Brandenburg (9 UF 188/21). Vielmehr müssten bei Problemen Jugendamt und Gerichte feststellen, ob der Kontakt dem Wohl der Kinder förderlich sei — nur dann werde er genehmigt. Wenn Eltern und Großeltern so zerstritten seien, dass Kinder durch den Umgang in einen Loyalitätskonflikt geraten könnten, diene dies natürlich nicht dem Kindeswohl.

Und ein vertiefter Loyalitätskonflikt sei im konkreten Fall absehbar. Die Großeltern hätten nie akzeptiert, dass der Vater die Kinder erziehe. Sie hätten ihn in der Vaterrolle abgelehnt, in ihren "Gefährdungsanzeigen" beim Jugendamt sogar herabgewürdigt: Er manipuliere die Kinder, liebe sie nicht, verhalte sich aggressiv usw. Die Vorwürfe der Großeltern seien von neutraler Seite (Verfahrensbeistand, Familienhilfe, Jugendamt) nie bestätigt worden. Gegen den Willen des Vaters ermöglichten sie ihrer Tochter immer wieder Kontakt zu den Kindern.

Während das Mädchen den Kontakt zu den Großeltern ablehnte, habe sich der Junge dafür ausgesprochen. Sein Wunsch könne jedoch nicht erfüllt werden. Denn der Streit zwischen Vater und Großeltern sei so giftig und belastend, dass bei den Kindern schon jetzt ein Loyalitätskonflikt deutlich erkennbar sei.

Hausverbot für Maskenverweigerer

Bankkunde beantragt bei Gericht, ihm per einstweiliger Verfügung Zugang zur Filiale zu verschaffen

Im März 2022 bestand in allen Filialen einer großen deutschen Bank noch Maskenpflicht wegen der Corona-Pandemie. Ein Münchner Bankkunde ignorierte sie und erledigte im Selbstbedienungsbereich der kontoführenden Filiale Bankgeschäfte an den Automaten, ohne eine Maske zu tragen. Der Filialleiter machte sein Hausrecht geltend und rief die Polizei, die den renitenten Kunden aus den Geschäftsräumen hinauskomplimentierte. Die Bank erteilte ihm Hausverbot in allen Filialen.

Das sei rechtswidrig, fand der Kunde. Eine Maske könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht tragen. Onlinebanking komme für ihn nicht in Frage, weil er derzeit kein Mobiltelefon besitze. An den von außen zugänglichen Bankterminals könne er weder Geld einzahlen, noch Geld überweisen. Man könne es ihm doch nicht unmöglich machen, sein Girokonto zu nutzen.

Beim Amtsgericht München beantragte der Mann, es möge ihm per einstweiliger Verfügung Zugang zu seiner Bankfiliale verschaffen. Doch das Amtsgericht winkte ab: So groß sei die Not nun auch wieder nicht, dass man dringend das Hausverbot aufheben müsste (182 C 4296/22).

Wieso es für den Bankkunden unmöglich sein sollte, per Onlinebanking über sein Girokonto zu verfügen, sei nicht nachvollziehbar. Wenn er kein Mobiltelefon besitze, müsse er eben auf einen Computer oder einen Laptop zurückgreifen. Solche internetfähigen Endgeräte gebe es sogar in Internetcafés oder Bibliotheken. Der Bankkunde habe auch nicht plausibel erklärt, warum es für ihn gerade darauf ankomme, auf sein Girokonto an den Automaten im SB-Bereich der Filiale Bargeld einzuzahlen.

Die Maskenpflicht stimme mit den derzeit gültigen Corona-Regeln überein, der Filialleiter habe sein Hausrecht in korrekter Weise ausgeübt. Das Attest, mit dem der Bankkunde eine Ausnahme von der Maskenpflicht durchsetzen wolle, stamme vom Januar 2022 und sei nicht aktuell. Außerdem gehe aus dem Attest nicht hervor, warum es für den Mann unzumutbar sein könnte, während der Bankgeschäfte im SB-Bereich Mund und Nase zu bedecken: Da gehe es doch nur um eine Zeitspanne von ca. 2-5 Minuten.

Muss der Ehemann für künstlich gezeugtes Kind zahlen?

Gerichte müssen anstelle des untätigen Gesetzgebers entscheiden

Eine Ehefrau kann sich zwar den Samen eines anderen Mannes künstlich übertragen lassen. Der Gesetzgeber hat jedoch die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen einer solchen "heterologen Insemination" nicht geregelt.

Deshalb musste sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage befassen. Ihm lagen zwei Fälle vor, bei denen jeweils Zwillinge geboren wurden. Im ersten Fall trennte sich der Ehemann noch während der Schwangerschaft von seiner Frau und ließ gerichtlich feststellen, dass er nicht der Vater sei. Er wollte für die Kinder keinen Unterhalt leisten. Der Bundesgerichtshof verurteilte ihn jedoch dazu (XII ZR 29/94).

Im zweiten Fall zahlte der Ehemann nach der Scheidung zunächst weiter Unterhalt an die Kinder. Nachdem es zwischen den Geschiedenen zum Streit über das Umgangsrecht gekommen war, focht die Mutter namens der Kinder seine biologische Vaterschaft an. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Mann nun nichts mehr zum Kindesunterhalt beisteuern muss (XII ZR 89/94).

In der Begründung heißt es: Wenn der Ehemann mit der künstlichen Befruchtung einverstanden gewesen sei, so bedeute dies auch, dass er wie ein biologischer Vater für das Kind sorgen wolle. Diese Unterhaltspflicht könne nur unter dem Gesichtspunkt des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" verneint werden. Im ersten Fall könne sich der Mann jedoch nicht darauf berufen, weil er durch die Anfechtungsklage die Verhältnisse selbst entscheidend verändert habe. Anders im zweiten Fall: Hier habe nicht der Mann die Vaterschaft angefochten. Daher sei es ihm nicht zuzumuten, lediglich noch als anonymer Zahlvater in Anspruch genommen zu werden.

Welche Schule ist die richtige fürs Kind?

Werden sich getrenntlebende Eltern nicht einig, kann das Gericht die Schulwahl einem Elternteil übertragen

Die Eltern zweier Kinder leben seit 2015 getrennt. Mit neuen Partnern wohnen sie in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs. Der Vater führt eine IT-Firma, die Mutter ist Gymnasiallehrerin. Während der Corona-Pandemie haben sie die Kinder im Wechselmodell betreut, vorher wohnten die Kinder überwiegend bei der Mutter. Diese möchte nun das Wechselmodell wieder beenden.

Den neunjährigen Sohn meldete sie am Gymnasium in Hamburg-R an, weil es seinen Neigungen entgegenkommt: mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt und besonderer Sportförderung. Damit war aber der Vater nicht einverstanden: Das E-Gymnasium liege näher am sozialen Umfeld des Kindes. Hier könne der Junge mit seinen Freunden zusammenbleiben, meinte der Vater. Außerdem wäre dann das Betreuungs-Wechselmodell besser zu organisieren, denn die Schule liege gleich um die Ecke ...

Da sich die Eltern über die Schulwahl nicht einig wurden, musste die Justiz den Konflikt lösen und die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg übertrug diese Befugnis der Mutter, weil es ihr eher zutraute, den Jungen in seiner Entwicklung adäquat zu fördern (12 UF 61/21). Auch der Vater habe vor Gericht gesagt, die Mutter habe sich um die Schulfragen immer "federführend gekümmert". Sie bringe als Lehrerin die Kompetenzen mit und er habe seine Stärken in anderen Bereichen.

Die Mutter mache sich tiefergehende Gedanken um die Kinder, so das OLG. Sie habe auch plausibel erläutert, warum das R-Gymnasium den Stärken und Interessen des Jungen in besonderer Weise entspreche. Für die vom Vater favorisierte Schule spreche zwar, dass seine besten Freunde dorthin wechselten. Allerdings sei davon auszugehen, dass der Junge mit seiner offenen, freundlichen Art auch im R-Gymnasium schnell neue Freunde finden werde.

Dadurch werde es wohl etwas umständlicher, ein Wechselmodell zu organisieren, räumte das OLG ein. Unmöglich sei es aber trotz der Entfernung zwischen den Wohnungen bzw. zwischen dem E-Gymnasium und der Wohnung des Vaters nicht. Vorausgesetzt, die Eltern könnten sich auf diese Form der Betreuung verständigen.

Familienvater als Auszubildender

Erspart ihm die Erstausbildung den Mindestunterhalt für die Kinder?

Nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin wurde ein 45-Jähriger dazu verurteilt, für die zwei gemeinsamen minderjährigen Kinder den Mindestunterhalt zu zahlen. Seit vielen Jahren hatte er als ungelernte Kraft gearbeitet und mäßig verdient. Kaum verklagte ihn die Ex-Partnerin auf Zahlung von Unterhalt für die Kinder, begann der Vater eine Erstausbildung in einem Handwerksbetrieb.

Im Unterhaltsverfahren erklärte er dem Gericht, den Kindesunterhalt könne er nicht aufbringen: Nun verdiene er noch weniger als vorher. Mit dem bisschen Ausbildungsvergütung könne er kaum seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten.

Grundsätzlich sei dieses Argument anzuerkennen, so das Oberlandesgericht Bamberg: Wenn ein Unterhaltspflichtiger seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung nachhaltig verbessern könne, habe die Erstausbildung Vorrang vor der Unterhaltspflicht (7 UF 196/21). In der Regel nütze dies dem Unterhaltspflichtigen selbst und langfristig auch den Kindern.

Der konkrete Fall liege aber doch etwas anders, da der 45-Jährige in der Vergangenheit ausschließlich ungelernte Tätigkeiten ausgeübt habe. Warum er ausgerechnet kurz nach Beginn des Unterhaltsverfahrens erstmals eine Berufsausbildung begonnen habe, habe er nicht nachvollziehbar begründet. Nach so vielen Jahren als Hilfsarbeiter könne sich der Vater gegenüber seinen minderjährigen Kindern nicht auf sein Recht auf eine Berufsausbildung berufen.

Identität des/der Erben muss sich aus dem Testament ergeben

Eine beigefügte, maschinengeschriebene Liste mit den Namen von Freunden zählt nicht

Ein Ehepaar hatte sich in einem handschriftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tod des zweiten Partners sollte eine "Erbengemeinschaft aus fünf befreundeten Familien" das restliche Vermögen bekommen. "Namen und Adressen … sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben", fügte das Paar hinzu. Doch das war ein Fehler.

Die Tochter legte nach dem Tod der Eltern Beschwerde ein, als das Nachlassgericht den Freunden einen Erbschein ausstellte. Und sie bekam Recht. Das Oberlandesgericht Frankfurt erklärte die Erbeinsetzung für nichtig, der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil (IV ZB 30/20).

Zweifellos könne man davon ausgehen, dass die Freunde erben sollten, räumten die Bundesrichter ein. Doch die hinzugefügte Liste der Erben sei unwirksam, weil sie zwar unterzeichnet, aber maschinengeschrieben sei. Erben könne nur eine Person, deren Identität sich unmittelbar aus dem eigenhändig geschriebenen Testament ergebe. Das sei hier nicht der Fall.

Im Testament selbst sei nur von fünf Familien die Rede. Die Identität der Erben könne nur durch die Bezugnahme auf eine Erbenliste ermittelt werden, die nicht handschriftlich verfasst wurde. Diese "Anlage" entspreche deshalb nicht den zwingenden Vorschriften für ein Testament, sei "formnichtig" und dürfe nicht berücksichtigt werden. Daher gelte die gesetzliche Erbfolge, der Nachlass stehe der Tochter zu.

Querschnittsgelähmte ließ sich in den USA behandeln

Die Krankenkasse muss keine teure, unkonventionelle Spezialbehandlung finanzieren

Im Alter von 15 Jahren war die Frau 2006 vom Pferd gestürzt, seither ist sie (inkomplett) querschnittsgelähmt. 2013 begann sie im amerikanischen Trainingszentrum "Project Walk" eine Behandlung. Später beantragte sie bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse die Kostenübernahme.

Zwischen März 2014 und Februar 2015 waren Kosten von 106.845 Euro angefallen: für Behandlungen, Wohnungsmiete, Betreuung, Flüge und Mietwagen, Miete eines behindertengerechten Betts und Fahrdienste.

Die DAK erstattete nur 800 Euro pro Monat, so viel, wie sie auch für eine Behandlung in Deutschland genehmigt hätte: Hierzulande ständen genügend Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, erklärte die Krankenkasse, es gebe 26 Zentren für Querschnittsgelähmte. Obendrein habe die Frau mit der Therapie in Amerika schon begonnen, bevor sie die Kostenübernahme beantragt habe. So habe sie, die Krankenkasse, die Versicherte nicht beraten und Alternativen aufzeigen können.

Erfolglos zog die Frau gegen den ablehnenden Bescheid vor Gericht: Das Bundessozialgericht wies ihre Klage ab (B 1 KR 29/20 R). Bei physiotherapeutischen Angeboten gebe es in Deutschland kein Versorgungsdefizit. Außerdem habe die unkonventionelle Behandlung im "Project Walk" (jedenfalls im Jahr 2014) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen. Sie werde auch nicht von Ärzten durchgeführt.

So weit nachvollziehbar. Doch im Sozialgesetzbuch findet sich auch eine Ausnahmeregelung. Demnach haben "Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung" das Recht, es auch mit einer noch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu versuchen, wenn Aussicht auf spürbare positive Wirkungen besteht.

Darauf könne sich die Versicherte nicht berufen, fanden die Bundesrichter. Eine Lähmung sei nicht lebensbedrohlich. Eine "wertungsmäßig vergleichbare‘" Krankheit sei auch nur dann anzunehmen, wenn Lebensgefahr bestehe und sofort behandelt werden müsse. Wenn eine Lähmung vor der Therapie schon acht Jahre andauere, handle es sich nicht um einen "Notstand". Es drohe keine Verschlimmerung. Es liegt kein Notstand vor, wenn eine Person schon lange nicht mehr gehen kann — was für eine tröstliche Auskunft für Gelähmte.

Ledige Väter zum Wehrdienst?

Nicht nur Ehemänner und Alleinerziehende werden "zurückgestellt"

Nach einer Weisung des Verteidigungsministers müssen weder verheiratete noch alleinerziehende Väter, denen das Sorgerecht für ihr Kind zusteht, den Wehrdienst antreten. Dies hielt ein Wehrpflichtiger aus Sachsen für ungerecht: Er sei einberufen worden, obwohl er mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind zusammenwohne. Es sei nicht in Ordnung, ihn nur zum Wehrdienst heranzuziehen, weil er nicht verheiratet sei.

Das Verwaltungsgericht Leipzig verfügte auf seinen Antrag hin in einem Eilverfahren, dass er zunächst einmal nicht zum "Bund" muss (5 K 1708/93). Das "Privileg" verheirateter Väter sei vom Bundesverwaltungsgericht bereits für gesetzeswidrig erklärt worden. Genau genommen müssten also auch Verheiratete zum Grundwehrdienst eingezogen werden.

Doch bisher scherten sich die Einberufungsbehörden nicht darum und wendeten die verworfenen Richtlinien weiter an. Angesichts dieser Situation hätten auch unverheiratete Wehrpflichtige Anspruch auf die gut gemeinte soziale Regelung, Väter zurückzustellen. Eine andere Entscheidung würde das Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzen.

Patient stirbt in der Klinik an Herzstillstand

BGH: "Grobes Verschulden" von Ärzten ist bei der Bemessung von Schmerzensgeld zu berücksichtigen

Beim Essen geriet Nahrung in die Luftröhre: Der 71 Jahre alte Mann bekam keine Luft mehr und wurde in eine Klinik eingeliefert. Dort zeigte eine um 15.07 Uhr angefertigte Röntgenaufnahme Anzeichen für Herzprobleme, ein EKG (15.33 Uhr) sogar deutliche Hinweise auf einen Herzinfarkt. Dennoch wurde der Mann auf die Normalstation verlegt, wo es um 16.30 Uhr zum Herzstillstand kam. Reanimation, anschließende Herzkatheter-Untersuchung und das Einsetzen von Stents halfen nun nicht mehr: Der Patient starb am nächsten Morgen nach erneutem Herzstillstand.

Die Witwe verklagte die Klinik und die behandelnden Ärzte wegen Versäumnissen auf Zahlung von Schmerzensgeld. Auch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf bejahte einen groben Behandlungsfehler: Aus dem EKG habe sich der hochgradige Verdacht auf einen Herzinfarkt ergeben. Bei so einer Diagnose müsse man sofort, innerhalb von zehn Minuten, mit der Katheter-Untersuchung beginnen. Dies zu unterlassen, habe zum Kammerflimmern um 16.30 Uhr und schließlich zum Tod des Patienten geführt.

Dennoch sprach das OLG der Witwe nur 2.000 Euro Entschädigung zu. Die Begründung: Das Verschulden des Arztes stehe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht im Vordergrund, so dass ein grober Fehler die Entschädigung nicht erhöhe. Ärzte wollten dem Patienten ja helfen und nicht schaden. Mit dieser Argumentation war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden: Er hob das Urteil auf und verwies den Streit ans OLG zurück (VI ZR 409/19).

Das OLG gehe selbst davon aus, dass es eine "grob fahrlässige Nichtreaktion" der behandelnden Ärzte gewesen sei, den Patienten nicht sofort zu "kathetern". Natürlich sei es ihr Beruf, Patienten zu helfen, so die Bundesrichter. Deshalb könne man aber bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht außer Acht lassen, ob einem Arzt grobes Verschulden zur Last falle.

Im konkreten Fall sei nicht auszuschließen, dass die Verzögerung der Herzkatheter-Untersuchung um mehr als zwei Stunden auf einer unentschuldbaren Pflichtverletzung der behandelnden Ärzte beruhte. Wie weit der objektiv grobe Behandlungsfehler den behandelnden Ärzten als subjektives Verschulden vorzuwerfen sei, müsse das OLG nun klären und gegebenenfalls die Entschädigung erhöhen. Ein nachvollziehbarer Grund für die Verzögerung sei jedenfalls nicht ersichtlich.

Auffahrunfall mit dem Auto des Partners

Nach Heirat und Trennung fordert der Autobesitzer von seiner Frau Schadenersatz

Mit dem alten Audi A6 ihres Freundes verursachte eine Autofahrerin im April 2018 einen Unfall: Sie fuhr auf einen stehenden Wagen auf. Im August dieses Jahres heiratete das Paar, im November trennte man sich schon wieder.

War es Rache? Oder fiel dem Ehemann nun plötzlich ein, dass ihm die Frau noch etwas schuldete? Jedenfalls verlangte er nach der Trennung Entschädigung für den Unfallschaden am Audi. Auf ca. 2.000 Euro hatte ein Kfz-Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert geschätzt. Den Audi verkaufte der Autobesitzer unrepariert zum Restwert von 100 Euro.

Sein Anspruch auf Schadenersatz sei verwirkt, fand die Ehefrau: Nach der Hochzeit habe sie davon ausgehen dürfen, dass er darauf stillschweigend verzichtet habe. Die Forderung sei nur Schikane. So sah es auch das Amtsgericht, doch das Landgericht Limburg schlug sich auf die Seite des Ehemannes (3 S 109/20).

Die Heirat lasse es nicht treuwidrig erscheinen, dass der Autobesitzer nun Schadenersatz fordere. Auch während der Ehe könne ein Partner Entschädigung fordern, wenn der andere sein Eigentum beschädige. Wer dem Partner ein Auto leihe, verknüpfe dies nicht mit dem Gedanken, dass der Partner für einen Unfallschaden nicht haften solle. Auch aus der Heirat nach dem Unfall sei nicht abzuleiten, dass der Autobesitzer darauf verzichtet habe.

Vater am Sohn nicht interessiert?

Die getrenntlebende Mutter beantragt, das gemeinsame Sorgerecht zu beenden

Die Eltern eines 13-jährigen Jungen leben schon lange getrennt. Eigentlich sind sie gemeinsam sorgeberechtigt. Tatsächlich traf die Mutter aber seit Jahren wichtige Entscheidungen für das Kind alleine. Der Vater zahlt Unterhalt für den Jungen, der Kontakt ist jedoch seit etwa zwei Jahren "eingeschlafen". Nicht einmal zu den Geburtstagen des Sohnes meldete sich der Vater. Mit der Mutter tauschte er gelegentlich Nachrichten über Whatsapp aus.

Bei Gericht beantragte deshalb die Mutter, ihr das Sorgerecht alleine zu übertragen. Das entspreche auch dem Wunsch des Kindes, an dem der Vater sowieso nicht interessiert sei. Doch der Vater widersprach dem Antrag: Er räume ein, er habe sich um den Jungen zuletzt wenig gekümmert, aber am elterlichen Sorgerecht wolle er festhalten. Dem entnahm das Amtsgericht Frankenthal "wenigstens ein gewisses Interesse für das Kind" und lehnte den Antrag der Mutter ab (71 F 108/21).

Mangelndes Engagement schließe das gemeinsame Sorgerecht nicht unbedingt aus, wenn die Eltern — wie hier — im Prinzip zur Kooperation bereit seien. Konflikte in wesentlichen Fragen gebe es nicht. Die Zurückhaltung des Vaters sei nicht zwingend ein Zeichen von Verantwortungslosigkeit, auch wenn sich im konkreten Fall die Kommunikation auf ein Mindestmaß beschränkt habe. Wenn die Mutter etwas regeln wollte, sei der Vater jedoch ansprechbar gewesen. Auch zahle er den Kindesunterhalt regelmäßig.

Zwar habe sich der Junge in der persönlichen Anhörung vor Gericht ausdrücklich für die Alleinsorge der Mutter ausgesprochen. Allerdings sei dabei auch klar geworden, dass er aufgrund der Vernachlässigung in der letzten Zeit vom Vater sehr enttäuscht sei — das dürfte das Motiv der Ablehnung sein. Eine Auseinandersetzung mit dem Vater würde jedoch psychologisch der persönlichen Entwicklung des Jungen besser entsprechen als der vollständige Abbruch der Beziehungen. Das Gericht sei deshalb zu dem Schluss gekommen, dem Kindeswohl sei mehr gedient, wenn das gemeinsame Sorgerecht beibehalten werde.