Familie & Gesundheit

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Magenspiegelung ohne Schmerzmittel

Ärzte dürfen eine fehlerhafte Therapie auch auf Wunsch des Patienten nicht anwenden

Wegen häufiger Verdauungsprobleme wurde bei einem 14-Jährigen eine Magen- und Darmspiegelung vorgenommen. Beim Vorgespräch mit dem Anästhesisten äußerte die Mutter des Patienten den Wunsch, dem Jungen vor dem Eingriff ein Schmerzmittel zu verabreichen. Einige Wochen später forderte die Frau im Namen des Minderjährigen vom Ärzteteam 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Begründung: Entgegen der Absprache habe ihr Sohn während der Untersuchungen kein Schmerzmittel erhalten, die Sedierung sei unzureichend gewesen. Der Junge habe Schmerzen erlitten und fürchte sich nun schrecklich vor endoskopischen Untersuchungen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die Zahlungsklage ab (4 U 1258/22). Laut Sachverständigengutachten habe der Eingriff medizinischem Standard entsprochen.

Nur im Ausnahmefall werde zusätzlich zur Sedierung, die für sich genommen schon riskant sei, Schmerzmittel gegeben. Bei dem Jungen sei das nicht notwendig. Ob ein Behandlungsfehler vorliege oder nicht, richte sich nach dem medizinischen Standard — und nicht nach Vereinbarungen mit Patienten oder Erziehungsberechtigten. Daher könne es offenbleiben, ob der Anästhesist tatsächlich so eine Absprache getroffen habe - was er bestreite.

Auch ein unbedingter Wunsch des Patienten bzw. der Erziehungsberechtigten würde nämlich den Anästhesisten nicht dazu verpflichten, Schmerzmittel zu verabreichen, wenn dies aus medizinischer Sicht bei dieser Untersuchung nicht geboten oder sogar schädlich sei. Ärzte dürften keine medizinisch fehlerhafte Therapie anwenden, auch wenn Patienten dies ausdrücklich forderten. Dies zu unterlassen, könne also keinen Behandlungsfehler darstellen.

Nichts von dem, was die Mutter vorgetragen habe, begründe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Nach der ärztlichen Dokumentation habe der Junge tief geschlafen. Auch die gemessenen Werte sprächen dafür, dass die Sedierung bei dem Eingriff gestimmt habe. Die behaupteten Schmerzen dabei seien eine folgenlose Bagatelle gewesen. Dass der Junge weitere Eingriffe fürchte, sei ebenfalls "normal". In dem geschilderten Ausmaß seien Unwohlsein und Angst vor ärztlichen Untersuchungen alltagstypische Erscheinungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet seien.

Der Betreuerin passt die Freundin des Betreuten nicht

Sie darf seine Beziehung zu einer "guten Bekannten" nicht ohne sachlichen Grund unterbinden

Für einen alten Herrn, der im Pflegeheim lebte, hatte das Amtsgericht eine professionelle Betreuerin bestimmt, die sich um seine finanziellen und rechtlichen Belange kümmerte. Eines Tages beantragte die Betreuerin beim Amtsgericht, ihre Aufgaben zu erweitern: Sie wolle den persönlichen Umgang ihres Schützlings zu Frau M regeln.

Der Grund: Die Betreuerin fand es unmöglich, dass der Senior gelegentlich bei seiner "guten Bekannten" M übernachtete, dort auch Bier trank und erst am nächsten Tag ins Heim zurückkehrte. Der Betreute widersprach dem Antrag entschieden und bekam vom Amtsgericht Brandenburg Recht (85 XVII 127/20).

Betreuer dürften den Umgang des Betreuten allenfalls dann einschränken, wenn ein Kontakt für den Betreuten physisch oder psychisch schädlich sei. Das wäre etwa der Fall, wenn eine Bekannte/ein Bekannter Gewalt anwende oder Kontakte zu Drogen vermittle, dem Betreuten Geld oder wertvolle Sachen "abschwatze". Das treffe hier alles nicht zu.

Ohne eine konkrete Gefahr für den Betreuten dürfe eine Betreuerin den Umgang des Betreuten mit Freunden und Bekannten nicht unterbinden. Gut gemeinte "Erziehungsversuche" gegen den Willen des Betroffenen widersprächen seinem Selbstbestimmungsrecht. Der Betreute entscheide selbst, mit wem er Kontakt pflegen wolle, auch wenn das vielleicht gegen die Wertvorstellungen der Betreuerin verstoße.

Fitnessstudio ist nicht steuerlich absetzbar

Mitglieder zahlen ihre Beiträge auch für nicht ärztlich verordnete Leistungen des Studios

Wegen ihrer Rückenprobleme hatte der Hausarzt einer Patientin 2018 Wassergymnastik verordnet. Einschlägige Kurse bot das Fitnessstudio an, in dem die Frau Mitglied war. Bei ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 wollte sie die Mitgliedsbeiträge für das Studio als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Beiträge vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Dagegen wehrte sich die Steuerzahlerin, scheiterte aber mit ihrer Klage beim Finanzgericht Niedersachsen (9 K 17/21). Als "außergewöhnliche Belastung" würden nur Heilbehandlungskosten anerkannt, die der/die Steuerpflichtige "zwangsläufig" tragen müsse, so das Finanzgericht.

Mit den Mitgliedsbeiträgen fürs Fitnessstudio bezahlten die Mitglieder jedoch auch Leistungen des Studios, die mit den ärztlich verordneten Kursen überhaupt nicht zusammenhängen: z.B. die Sauna oder die Nutzung des Schwimmbades für nicht ärztlich verordnete Aqua-Fitnesskurse. Solche Leistungen würden nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Personen in Anspruch genommen.

Unerheblich sei, ob die Steuerzahlerin die Sauna tatsächlich nutze oder nicht: Jedenfalls seien ihre Aufwendungen für das Fitnessstudio nicht (oder zumindest nicht vollständig) als zwangsläufige Heilbehandlungskosten einzustufen. Daher stellten sie auch keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar.

Zu wenig Bedenkzeit vor der Nasenoperation?

Die Zustimmung des Patienten kann auch wirksam sein, wenn er sie sofort nach dem Aufklärungsgespräch erklärt

Nach einer missglückten Nasenoperation, bei der eine Hirnblutung aufgetreten war, verlangte ein Bremer Schadenersatz von der Klinik. Sein Vorwurf: Man habe ihm zu wenig Zeit gelassen, die Entscheidung zu überdenken. Daher sei seine Zustimmung zu dem Eingriff unwirksam gewesen.

Tatsächlich hatte der Patient das Einwilligungsformular drei Tage vor dem Eingriff unterschrieben — allerdings direkt nach dem Aufklärungsgespräch über die Operationsrisiken.

Nach den geltenden Regeln muss die Risikoaufklärung vor einer Operation so früh erfolgen, dass der Patient "wohlüberlegt" entscheiden kann. Dieser Grundsatz sei hier verletzt worden, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen: Dem Patienten stehe wegen der fehlenden Bedenkzeit nach dem Aufklärungsgespräch Schadenersatz zu. Dem widersprach jedoch der Bundesgerichtshof (VI ZR 375/21).

Hier könne sogar offenbleiben, ob der Patient eventuell beim Gespräch vom HNO-Arzt zu einer schnellen Entscheidung gedrängt worden sei, so die Bundesrichter. Das spiele keine Rolle, weil der Mann drei Tage später wie vereinbart in der Klinik erschienen sei. Also habe er genügend Zeit gehabt, seine Entscheidung zu überdenken. Danach habe er stillschweigend nochmals in die Operation eingewilligt, indem er sich in der Klinik aufnehmen ließ.

Patienten müssten rechtzeitig vor einem Eingriff vom behandelnden Arzt über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Das bedeute aber nicht, dass man unbedingt einen Mindestabstand zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Zustimmungserklärung des Patienten einhalten müsse. Vorausgesetzt, die Risikoaufklärung sei korrekt erfolgt, sei es grundsätzlich die Sache des Patienten, wie schnell er sich pro oder contra entscheide.

Der Rechtsstreit wurde ans OLG zurückverwiesen. Es soll nun klären, ob möglicherweise ein Behandlungsfehler vorlag. Damit hatte sich das OLG nicht befasst. Aus seiner Sicht war das folgerichtig, weil es den Anspruch des Patienten auf Schadenersatz bereits wegen der fehlenden Bedenkzeit bejaht hatte.

Neue Familie, neuer Familienname?

Stimmt der leibliche Vater des Kindes der Namensänderung nicht zu, ist sie nur schwer durchzusetzen

Die Mutter eines 2008 geborenen Mädchens hat nach dem Scheitern der ersten Ehe wieder geheiratet und ein weiteres Kind bekommen. Sie möchte, dass ihre Tochter den neuen Familiennamen trägt und die Tochter wünscht sich das auch. Doch der psychisch erkrankte leibliche Vater, der zu dem Mädchen seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, konnte sich nicht dazu durchringen, der Namensänderung zuzustimmen.

Ohne Einwilligung des leiblichen Vaters ist es nicht einfach, eine Namensänderung zu erreichen. Das gilt sogar dann, wenn die Mutter — wie hier — das alleinige Sorgerecht für das Kind hat.

Das Familiengericht kann die Einwilligung des Vaters "ersetzen", aber nur, wenn es "für das Kindeswohl erforderlich" ist. Allein das Interesse daran, dass alle Mitglieder der "neuen Familie" den gleichen Namen tragen, genügt dafür nicht. Denn der Gesetzgeber hält auch das "Namensband" für wichtig, also die Bindung des Kindes zum "namensgebenden", nicht sorgeberechtigten Elternteil: Namenskontinuität soll die Regel sein.

Im konkreten Fall hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gegen den Willen des Vaters der Namensänderung zugestimmt. Begründung: Das Thema Familienname belaste das Mädchen so sehr, dass es zu weinen beginne, sobald es nur zur Sprache komme. Und in der Schule müsse es ständig erklären, warum es anders heiße als seine Mutter. Dabei habe doch das Kind ohnehin keine Bindung mehr an den Vater.

Dieser Argumentation widersprach der Bundesgerichtshof (XII ZB 29/20). Man müsse hier das Kindeswohl und das Interesse des Vaters an der Namenskontinuität gründlich abwägen. Allein die Tatsache, dass es so lange keinen Kontakt zwischen Vater und Kind gegeben habe, belege nicht, dass er sich für das Mädchen nicht interessiere. Das OLG habe die psychischen Probleme des Vaters außer Acht gelassen, die für den mangelnden Kontakt der Grund sein könnten.

Darüber hinaus habe das OLG das Mädchen selbst dazu nicht angehört und auch nicht geprüft, ob der Wunsch des Kindes mit einem Doppelnamen erfüllt werden könnte. Es würde den Interessen beider Seiten Rechnung tragen, entweder den Namen des Vaters an den der Stieffamilie anzuhängen oder den Namen des Vaters dem Namen der Stieffamilie voranzustellen. Das OLG hätte die Namensänderung jedenfalls nicht billigen dürfen, ohne vorher zu klären, ob ein Doppelname in Betracht komme.

Risiko in der Schwangerschaft

Für nicht zugelassene Medikamente muss die Krankenkasse nur in Notfällen zahlen

Eine schwangere Frau hat sich mit dem Zytomegalievirus angesteckt. Es ist für die Frau selbst nicht gefährlich. Wenn sich dagegen ein ungeborenes Kind damit infiziert, kann das unter Umständen sogar eine Fehlgeburt auslösen. Statistisch gesehen, ist das Risiko aber gering: Die meisten Kinder, deren Mütter sich während der Schwangerschaft mit dem Zytomegalievirus infizieren, kommen gesund zur Welt.

Die Schwangere beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Medikament, das angeblich die Gefahr verringert, dass sich das ungeborene Kind ansteckt. Das Arzneimittel ist allerdings noch nicht vollständig erforscht und deshalb nicht zugelassen. Aus diesem Grund lehnte die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme ab.

Zu Recht, entschied das Bundessozialgericht (B 1 KR 7/22 R). Nur in extremen Ausnahmefällen hätten die Versicherten Anspruch auf Medikamente, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ständen. Das sei nur der Fall, wenn sich eine versicherte Person in einer "notstandsähnlichen Situation" befinde. Nur in Notfällen müsse die Krankenkasse nicht zugelassene Arzneimittel finanzieren.

Das gelte auch für ungeborene Kinder. Schwangere Frauen könnten die Kostenübernahme nur verlangen, wenn dem ungeborenen Kind eine gefährliche Infektion drohe und eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder schweren Krankheitsverlauf bestehe. Doch das Risiko einer Fehlgeburt durch das Zytomegalievirus sei gering.

Mehr Einfluss für den Berufsbetreuer?

Legt die Betreute Einspruch ein, muss das Gericht prüfen, ob sie das Für und Wider vernünftig abwägen kann

Für eine Frau, die nach einem Schlaganfall an kognitiven Störungen leidet und körperlich behindert ist, war ein Berufsbetreuer bestellt worden. 2020 erweiterte das Amtsgericht dessen Kompetenzen um das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und bei der Vermögenssorge. Künftig sollten alle Ausgaben der Betreuten mit einem Wert von mehr als 75 Euro von der Zustimmung des Betreuers abhängen ("Einwilligungsvorbehalt").

Gegen diese Entscheidung und die Auswahl des Berufsbetreuers legte die Frau Rechtsbeschwerde ein. Während das Landgericht die Beschwerde rundweg ablehnte, erreichte die Betreute beim Bundesgerichtshof zumindest einen vorläufigen Erfolg (XII ZB 158/21). Gegen den freien Willen des/der Betreuten dürfe eine Betreuung weder eingerichtet, noch erweitert werden, betonten die Bundesrichter.

Wenn der/die Betroffene so einer Maßnahme widerspreche, müsse das Gericht prüfen, ob er/sie trotz der Krankheit noch zu freier Willensbestimmung fähig sei. Entscheidend sei, ob Betreute den Grund und die Tragweite der Maßnahme intellektuell erfassen könnten oder nicht. Wenn die Betreute im konkreten Fall in der Lage sei, ihre Defizite richtig einzuschätzen und die Vor- und Nachteile der Maßnahme abzuwägen, dann beruhe ihr Einspruch auf ihrem freien Willen und sei zu berücksichtigen.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten belegten nicht, dass die Betreute außerstande sei, Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Da werde festgestellt, diese Fähigkeit sei "in der Beziehung zu ihrer dominanten Jugendfreundin stark eingeschränkt, deren Dominanz könne die Betreute keine eigenen Entscheidungen entgegensetzen … Das reiche nicht aus, um der Frau objektiv die Fähigkeit zu freier Willensbildung abzusprechen. Das Landgericht müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und eventuell ein weiteres Gutachten anfordern.

Weiß ein Selbstmörder, was er tut?

Lebensversicherung zahlt nur ausnahmsweise bei Suizid

Die Lebensversicherung zahlt im Prinzip nicht, wenn sich der Versicherte selbst das Leben genommen hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Selbstmord auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit zurückzuführen, der Verstorbene also nicht mehr Herr seines Willens war.

Auf diese Ausnahme berief sich ein Ehemann, der nach dem Suizid seiner Frau die vereinbarte Versicherungssumme von 128.000 DM forderte. Seine Frau habe die Trennung von ihm nicht verarbeiten können und ohne Rücksicht auf ihre mütterliche Pflicht gegenüber den Kindern gehandelt. Dieser Realitätsverlust zeige eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe verweigerte die Versicherung die Zahlung aber zu Recht (12 U 24/93).

Der Selbstmord der Frau möge zwar unerklärlich erscheinen, weil er sich als weit übersteigerte Reaktion auf Eheprobleme, insbesondere die Untreue des Mannes, darstelle. Das allein lasse aber noch nicht den Schluss zu, dass die Frau nicht mehr gewusst habe, was sie tat. Der Sachverständige habe ihr zwar neurotische Depression attestiert, dabei handle es sich jedoch nicht um eine krankhafte psychische Störung. Daher sei die Lebensversicherung nicht zur Leistung verpflichtet.

Pflegende Mutter überschuldet

An pflegende Personen weitergeleitetes Pflegegeld ist nicht als Arbeitseinkommen pfändbar

Die Mutter eines autistischen Sohnes pflegt ihn alleine und erhält dafür sein Pflegegeld. Die verschuldete Frau musste sich einem Privatinsolvenzverfahren unterziehen. Bei der Berechnung ihres pfändbaren Einkommens wollte der Insolvenzverwalter auch das Pflegegeld berücksichtigen, das der Sohn an sie weiterleitete: Auch das Pflegegeld sei als Arbeitseinkommen anzusehen, fand der Insolvenzverwalter.

Dagegen wehrte sich die Schuldnerin und bekam vom Amtsgericht Recht. Auch der Bundesgerichtshof urteilte, das Pflegegeld sei bei der/bei dem Pflegenden unpfändbar (IX ZB 12/22). Dafür spreche in erster Linie der Sinn dieser Leistung, so die Bundesrichter. Der autistische Sohn, der das Geld an seine Mutter weiterleite, bekomme durch ihre Pflege die Möglichkeit, sein Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen.

Das Pflegegeld sei sozusagen die Belohnung dafür, dass die Pflegeperson Opfer bringe und ein Anreiz, um die Pflegebereitschaft zu erhöhen. Diesen Sinn würde die Geldleistung verlieren, wenn sie wie Arbeitseinkommen pfändbar wäre. Würde es einem Gläubiger der Mutter zugesprochen, widerspräche das dem Interesse des Pflegebedürftigen, die Mutter für ihre Opferbereitschaft zu belohnen.

Wenn Chemotherapie nicht mehr hilft

Private Krankenversicherung muss dann u.U. eine alternative Therapie finanzieren

Bei einem Krebspatienten war die Krankheit so weit fortgeschritten, dass die Chemotherapie nichts mehr brachte: Es bildeten sich immer weitere Metastasen, die nicht operiert werden konnten. Deshalb entschied sich der Mann für eine alternative Behandlungsmethode: eine dentritische Zelltherapie.

Bei dieser Behandlung wird eine Immunreaktion gegen die entarteten Tumorzellen angestrebt. Um diese Reaktion zu erzielen, werden dem Krebspatienten dentritische Zellen entnommen, im Labor auf seinen Tumor ausgerichtet und ihm dann wieder eingesetzt, um gegen die Krebszellen anzukämpfen.

Im konkreten Fall übernahm die private Krankenversicherung nur die Hälfte der hohen Behandlungskosten. Nach dem Tod des Krebspatienten verklagte die Witwe das Versicherungsunternehmen auf Zahlung des vollständigen Betrags.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab ihr Recht (7 U 140/20). Die dentritische Zelltherapie sei eine alternative Behandlungsmethode, die auf einem wissenschaftlich fundierten Ansatz beruhe, so das OLG.

Daher verspreche diese Therapie einen gewissen Erfolg, auch wenn sie noch nicht lange erprobt und allgemein anerkannt sei. Heilung sei bei Krebs im fortgeschrittenen Stadium zwar ausgeschlossen. Aber mit der Zelltherapie habe wenigstens die Aussicht bestanden, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und den Patienten zu stabilisieren. Daher müsse die Krankenversicherung die Behandlungskosten vollständig übernehmen.

Tödliche Schönheitsoperationen

Zwei Frauen starben nach dem Eingriff an Kreislaufversagen: Der Arzt muss ins Gefängnis

Ein Düsseldorfer Facharzt für Innere Medizin führte in seiner Praxis ambulant kosmetische Operationen durch: vor allem "Eigenfett-Transferbehandlungen", für die keine medizinische Notwendigkeit besteht. Dabei wird Körperfett abgesaugt und ein Teil der abgesaugten Fettzellen anderen Körperregionen (Brüste, Gesäß) wieder zugeführt.

2018 und 2019 starben zwei Frauen nach diesem Eingriff an Kreislaufversagen. Ausgelöst wurde das Kreislaufversagen durch die Entnahme einer großen Menge Gewebeflüssigkeit, zusätzlich durch Blutverlust und dadurch, dass Fettanteile in den Blutkreislauf gelangten und Gefäße verstopften.

Das Landgericht Düsseldorf hat den Arzt wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, weil er die Patientinnen über die Risiken der Behandlung ungenügend aufgeklärt hatte.

Hintergrund: Ohne wirksame Einwilligung des Patienten gilt eine Operation als Körperverletzung. Hat er ihr zugestimmt, wird jedoch über die Risiken nicht ausreichend aufgeklärt, ist die Einwilligung unwirksam und der Eingriff damit eine Körperverletzung.

Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Angeklagten und bestätigte das Strafmaß (3 StR 162/22). Nach der Beweisaufnahme des Landgerichts stehe Folgendes fest: Der Arzt habe die Patientinnen nicht darüber informiert, dass bei der Eigenfett-Transferbehandlung die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen steige, je größer die entnommene und wieder zugeführte Gewebemenge sei. Das Risiko sinke wesentlich, wenn man das Absaugen und das Wieder-Zuführen des Fettgewebes auf mehrere Eingriffe verteile.

Hätten die verstorbenen Frauen gewusst, wie hoch das Risiko bei der vorgeschlagenen Vorgehensweise war, und hätten sie die genannte alternative Methode gekannt, hätten sie auf keinen Fall in den Eingriff eingewilligt und sich nicht auf diese Weise operieren lassen.

Das Gefängnis bleibt dem Mediziner also nicht erspart. Zusätzlich zur Freiheitsstrafe wurde ihm für vier Jahre verboten, chirurgische Eingriffe vorzunehmen oder dabei zu assistieren.

Scheidungswillige Ehefrau überlegt es sich anders

Nach dem Trennungsjahr wird die Ehe dennoch geschieden, wenn der Ehemann darauf besteht

Im März 2022 wurde ein Berliner Ehepaar geschieden. Das Paar lebte seit Oktober 2020 getrennt, beide Partner haben die Scheidung beantragt. Doch beim Scheidungstermin im März 2022 erklärte die Ehefrau, sie ziehe ihren Scheidungsantrag zurück. Sie wolle sich nun doch mit ihrem Mann versöhnen. Daran sei er nicht interessiert, stellte der Ehemann klar, er wolle geschieden werden. Das Familiengericht sprach die Scheidung aus.

Dagegen legte die Frau beim Kammergericht Berlin erfolglos Beschwerde ein (16 UF 65/22). Wenn Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide die Scheidung beantragt hätten, gehe die Justiz vom Scheitern der Ehe aus, stellte das Gericht fest. Das treffe hier zu. Nach Aussagen beider Partner habe der Ehemann im Oktober 2020 die Frau aus der damaligen Ehewohnung "hinausgeworfen". Sie lebten also seit einem Jahr und neun Monaten getrennt.

An diesem Fakt ändere sich nichts, auch wenn jetzt die Frau die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen wolle. Denn ihr Mann habe klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, zu ihr zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen. Auch wenn sich nur ein Partner endgültig abwende und auf der Scheidung bestehe, sei eine Ehe als "irreparabel" zerrüttet anzusehen.

Als Antwort auf ihre Rechtsbeschwerde habe der Mann erneut seinen Scheidungswillen betont und erklärt, sein Wille sei seiner Frau bestens bekannt. Ihre Beschwerde diene nur dazu, das Verfahren zu verzögern. Angesichts dieser Reaktion stehe fest: Versöhnung sei keinesfalls zu erwarten.

Videokameras am Doppelhaus

Mutter befürchtet, vom Sohn überwacht zu werden: Müssen die Kameras wieder weg?

In ländlicher Umgebung hatte die Familie vor vielen Jahren ein Doppelhaus gebaut. Eine Hälfte bewohnt die Mutter mit ihrem Ehemann, die andere Hälfte ihr Sohn. Weitere Nachbarn gibt es nicht. Mutter und Sohn sind seit Jahren total zerstritten. Im Sommer 2020 installierte er vor und hinter seiner Haushälfte zwei Highend-Kameras mit intelligenter Videotechnologie.

Sie können Daten speichern und verarbeiten, Personen zählen und erkennen. Die vordere Kamera erfasste den gesamten Einfahrtsbereich und die Zufahrtstraße. Die hintere Kamera war auf die Gärten hinter dem Doppelhaus und die angrenzenden Felder ausgerichtet.

Nach einem Streit über die Videokameras erhielt die Mutter ein Anwaltsschreiben: Darin teilte der Sohn mit, auf seinem Grundstück seien bereits Reifen zerstochen worden und sein neues Auto sei "diebstahlsgefährdet". Deshalb benötige er Überwachungskameras. Alle gefilmten Bereiche, die nicht zu seinem Grundstück gehörten, würden verpixelt.

Darauf wollte sich die Mutter aber nicht verlassen: Filmaufnahmen störten ihre Privatsphäre, die "Verpixelung" könne jederzeit aufgehoben werden. Sie zog vor Gericht und verlangte, der Sohn müsse die Aufnahmegeräte entfernen.

Das Amtsgericht Bad Iburg gab ihr Recht (4 C 366/21). So, wie die Videokameras jetzt installiert und ausgerichtet seien, verletze dies das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn. Und zwar unabhängig davon, ob die Kameras tatsächlich Teile des Grundstücks nebenan erfassten.

Ein Unterlassungsanspruch der Nachbarn bestehe bereits dann, wenn diese objektiv befürchten müssten, überwacht zu werden — was angesichts des langwierigen Familienkonflikts durchaus nachvollziehbar erscheine. Wie sich auch im Prozess gezeigt habe, sei das familiäre Verhältnis durch und durch von Misstrauen geprägt. Der bedrückende Gedanke, möglicherweise ständig gefilmt zu werden, setze die Mutter und ihren Ehemann unter "Überwachungsdruck".

Daher müsse der Sohn die Kameras entfernen oder so anbringen, dass die Linsen das Nachbargrundstück erfassen könnten. Die Verpixelung ändere am Unterlassungsanspruch der Nachbarn nichts: Man könne sie in der Tat unschwer rückgängig machen und das sei von außen nicht zu überprüfen.

Erbschaft des Bruders angenommen

Die Annahme kann der Erbe nicht wegen eines Irrtums über die Erbschaftssteuer anfechten

In seinem Testament hatte ein (lediger, kinderloser) Mann die Mutter und seinen Bruder jeweils zur Hälfte als Erben eingesetzt. Die Erben beantragten und erhielten nach seinem Tod einen entsprechenden Erbschein. Kurz darauf wollte jedoch der Bruder die Annahme der Erbschaft rückgängig machen.

Als er den Erbschein beantragte, habe er über die Höhe der Erbschaftssteuer nicht Bescheid gewusst, teilte er dem Nachlassgericht mit: Er sei von wesentlich höheren Steuerfreibeträgen ausgegangen. Inzwischen habe er herausgefunden, dass es viel günstiger gewesen wäre, die Erbschaft auszuschlagen. Dann wäre sein Erbteil zunächst der Mutter und nach deren Tod ihm zugefallen — mit einem viel höheren Freibetrag.

Es bleibe bei dem ausgestellten Erbschein, entschied das Nachlassgericht. Erfolglos legte der Erbe dagegen Beschwerde ein: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (10 W 125/21). Möglicherweise wäre es für ihn tatsächlich steuerlich günstiger gewesen, die Erbschaft erst einmal auszuschlagen, um später Alleinerbe der Mutter zu werden, räumte das OLG ein.

Mit der Begründung, die Erbschaftssteuer unterschätzt zu haben, könne er jedoch seine Willenserklärung - die Annahme der Erbschaft - nicht zurücknehmen. Grundsätzlich könne eine Willenserklärung nur angefochten werden, wenn sich der Erklärende über deren Inhalt geirrt habe und diese zu wesentlich anderen Rechtsfolgen führe. Ein Irrtum über die Höhe der Erbschaftssteuer, die sich aus einer Erbschaft ergebe, gehöre jedoch nicht zu den zulässigen Gründen einer Anfechtung.

Sind die finanziellen Folgen einer Erbschaft zweifelhaft, sollten sich potenzielle Erben also besser beraten lassen, bevor sie sie annehmen.

Ehemann will sein Einkommen nicht offenlegen

Von der Auskunftspflicht im Scheidungsverfahren kann man sich nicht mit hoher Zahlung freikaufen

In einem Scheidungsverfahren ging es unter anderem um die Höhe des nachehelichen Unterhalts für die Ehefrau. Sie verlangte vom Ehemann Auskunft über sein Einkommen, doch das wollte er auf keinen Fall offenlegen. Um die Frau milde zu stimmen, überwies ihr der vermögende Gatte eine Million Euro.

Gleichzeitig teilte er mit, die Summe sei mit "etwaigen Ansprüchen auf Trennungs- und gegebenenfalls nachehelichen Unterhalt zu verrechnen" und als Vorauszahlung auf den Zugewinnausgleich anzusehen. Mit diesem Betrag sei ihr Unterhaltsbedarf ja wohl für längere Zeit gedeckt.

Mit der Verrechnung sei sie einverstanden, erklärte die Frau, dennoch bestehe sie auf der Auskunft. Ein Unterhaltsanspruch sei trotz dieser Zahlung nicht ausgeschlossen. Ohne Auskunft könne sie ihre Ansprüche nicht einschätzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab der Ehefrau Recht (5 UF 197/21).

Schließlich habe der Gatte sie dazu aufgefordert, die hohe Einmalzahlung mit Unterhalt und Zugewinnausgleich zu verrechnen. Dazu müsse die Ehefrau aber erst einmal ihren Unterhaltsanspruch kennen. Wenn es darum gehe, den Unterhaltsbedarf der Partnerin zu ermitteln, sei die Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Von dessen Einkommen hänge es auch ab, ob und wie lange der Unterhalt zeitlich befristet werde.

Im Scheidungsverfahren entfalle die Auskunftspflicht des/der Unterhaltspflichtigen nur, wenn von vornherein zweifelsfrei feststehe, dass kein Unterhaltsanspruch des Partners/der Partnerin bestehe.

Kostenklausel im Behandlungsvertrag

Patientin sollte Honorarforderungen nicht an ihre private Krankenversicherung abtreten

Eine Patientin wurde zwei Mal an der Wirbelsäule operiert. Ihre Behandlungsverträge enthielten folgende Klausel: "Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung bzw. Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet."

Der Chirurg stellte der Patientin einmal 13.742 Euro, einmal 13.200 Euro in Rechnung. Die Frau bezahlte beide Rechnungen und reichte sie bei ihrer privaten Krankenversicherung ein. Die Versicherung beanstandete zahlreiche Kostenpositionen, erstattete der Versicherungsnehmerin jedoch die bezahlten Beträge im von der Versicherungspolice gedeckten Umfang. Anschließend forderte sie vom Mediziner Teilbeträge zurück.

4.719,92 Euro müsse er zurückzahlen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 143/21). Prinzipiell sei es so: Könne der Versicherungsnehmer gegen einen behandelnden Arzt Ersatzansprüche geltend machen, gingen die Ansprüche auf die Krankenversicherung über, soweit sie die Kosten erstattet habe. Ärzte dürften Patienten nicht generell verbieten, der Krankenversicherung solche Ansprüche abzutreten: Die einschlägige Vertragsklausel benachteilige Patienten unangemessen und sei unwirksam.

Zwar sei die Patientin im Behandlungsvertrag auf das mögliche Risiko hingewiesen worden, dass sie eventuell die Kosten selbst tragen müsse. Es werde auch empfohlen, vor der Behandlung die Kostenfragen mit der Versicherung abzuklären. Dennoch müssten Patienten mit so einem umfassenden Verbot nicht rechnen. Es sei überraschend, weil es sich nicht nur auf die ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen beziehe, sondern auf alle "Forderungen aus der Behandlungsrechnung".

Bei Operationen könnten aber Komplikationen auftreten und kurzfristig weitere Leistungen notwendig machen. Die Tragweite des Verbots sei für durchschnittlich informierte Patienten nicht zu durchschauen. Im Unterschied zum Arzt und zur Krankenversicherung verfügten sie nicht über die notwendige Sachkunde, um zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet worden sei oder nicht.

Würde man die Vertragsklausel akzeptieren, müssten Patienten eventuell unberechtigte Forderungen zumindest vorläufig selbst begleichen oder sich dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arzt aussetzen. Das sei unzumutbar — erst recht in Bezug auf Leistungen, die im Behandlungsvertrag nicht erfasst seien und deren Art und Umfang Patienten nicht annähernd absehen könnten.

15-Jährige verlangte Corona-Impfung

Wenn die Mutter der Tochter die Impfung verweigert, missbraucht sie ihr Sorgerecht

Das 15 Jahre alte Mädchen lebt schon seit Februar 2020 nicht mehr bei der Mutter, die das alleinige Sorgerecht hat. Die Tochter möchte nicht in den Haushalt der Mutter zurück und das war nicht der einzige Streitpunkt. Gegenüber Mitarbeitern des Jugendamts äußerte die Jugendliche mehrmals, sie wolle sich unbedingt gegen Corona impfen lassen. Doch die Mutter lehnte die Covid-19-Impfung strikt ab.

Im November 2021 leitete deshalb das Jugendamt beim Familiengericht Pirmasens ein Verfahren ein. Das Gericht entzog der Mutter antragsgemäß das Recht, über die Impfung zu entscheiden und übertrug es dem Jugendamt ("Ergänzungspflegschaft"). Gegen den Teilentzug des Sorgerechts legte die Frau erfolglos Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken erklärte die Maßnahme für gerechtfertigt (2 UF 37/22). Wenn das Wohl eines Kindes auf dem Spiel stehe und der sorgeberechtigte Elternteil nicht gewillt sei, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, müsse das Familiengericht dies tun. Dass die Mutter der Tochter die Impfung verweigere, richte sich gegen das Kindeswohl und sei als Missbrauch des Sorgerechts anzusehen.

Die 15-Jährige dürfe darüber selbst entscheiden. Ihr nachdrücklicher Wunsch, sich impfen zu lassen, sei aufgrund ihres Alters als "Akt der Selbstbestimmung" zu werten und zu beachten. Nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts sei die Minderjährige absolut in der Lage, die Tragweite dieser Entscheidung zu begreifen.

Dass die Jugendliche es ernst meine, wenn sie den Kontakt zur Mutter nachdrücklich ablehne, sei ebenfalls nicht zu bezweifeln. Da sich die Mutter dem Wunsch des Mädchens nach einer Impfung entschieden verschließe, sei eine konstruktive und dem Kindeswohl entsprechende Lösung nur durch den Teilentzug des Sorgerechts möglich.

Landwirtstochter verlangt Nachabfindung

Wenn ein Hoferbe Ackerland an Landwirte verpachtet, wird es landwirtschaftlich genutzt

Die Eltern von Frau A hatten die Landwirtschaft schon 1991 aufgegeben und ihr Ackerland langfristig verpachtet. 1997 übergaben sie Hof und Grund der Tochter S, die die Verpachtung fortsetzte. Als nach den Eltern auch Frau S starb, wurde ihr Sohn 2019 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Frau A, der vom Nachlass der Eltern ein Achtel als Pflichtteil zustand, forderte von ihm Auskunft über die Pachtverträge und die Einkünfte daraus seit 1997.

Der Neffe zahlte ihr eine Abfindung von 5.623 Euro. Damit war Frau A jedoch nicht zufrieden. Sie pochte auf eine Vorschrift der Höfeordnung: Demnach besteht Anspruch auf eine Nachabfindung, wenn ein Hoferbe innerhalb von zwanzig Jahren nach dem Erbfall oder nach der Hofübergabe Hof und Grund auf andere Weise als landwirtschaftlich nutzt und dadurch erhebliche Gewinne erzielt.

Schon seit 1991 bewirtschafteten die Grundeigentümer das Ackerland nicht mehr selbst und das sei auch nach der Übergabe an Frau S bzw. bei ihrem Erben so geblieben, stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest (7 W 14/22 (L)). Allein deshalb könne die Miterbin aber noch keine Nachabfindung verlangen. Bedingung dafür sei nicht nur, dass die "Eigenbewirtschaftung" aufgegeben wurde.

Die Ackerflächen müssten außerdem "auf andere Weise als landwirtschaftlich" genutzt werden. Das Verpachten landwirtschaftlicher Flächen an Landwirte sei jedoch nicht als "landwirtschaftsfremd" einzustufen. An dieser früher einmal vertretenen Ansicht halte das Gericht nicht mehr fest, so das OLG.

Verpächter erzielten Einkommen dadurch, dass sie Landwirten Ackerflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung überlassen. An dieser Art der Gewinnerzielung ändere sich nichts, wenn der Hoferbe/die Hoferbin selbst noch einen nicht verpachteten Acker bestelle. Es sei in beiden Fällen als landwirtschaftliche Nutzung von Hof und Grund anzusehen, wenn ein Hoferbe/eine Hoferbin einen langfristigen Landpachtvertrag schließe.

Umgangstermine sind einzuhalten

Vater kam mit dem Sohn nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurück und muss Ordnungsgeld zahlen

Die Berliner Eltern leben getrennt. Das Familiengericht hatte penibel geregelt, dass der dreieinhalb Jahre alte Junge die erste Woche der Herbstferien 2021 mit dem Vater verbringt, die zweite mit der Mutter. Der Vater flog mit dem Jungen nach Nordspanien und sollte ihn der Mutter am Sonntag, den 17.10.2021, um 17 Uhr übergeben. Der Rückflug am 17.10. sollte um 8.45 Uhr in Berlin landen.

Als der Vater am Vortag im Internet einchecken wollte, stellte er fest, dass der Flug storniert worden war. Sofort meldete er sich bei der Umgangsbegleiterin und teilte mit, dass er am 18.10. einen Lufthansa-Ersatzflug nehmen werde. Das brachte die Mutter auf die Palme, die am 18.10. mit dem Kind nach Südspanien in den Urlaub fliegen wollte.

Einen Tag zu spät zurückzukommen, sei nicht akzeptabel, fand die Frau: Der Vater hätte auf Buchungsportalen leicht Rückflüge mit freien Plätzen am 17.10. finden können. Hektisch wurde telefoniert. Schließlich erreichte die Mutter bei "ihrer" Fluggesellschaft, dass der Junge gegen Aufpreis auf dem Zwischenstopp ihres Flugs nach Südspanien in Madrid zusteigen konnte. Die Umgangsbegleiterin überredete den Vater, das Kind am 18.10. mit dem Zug nach Madrid zum Flughafen zu bringen.

Nach dem Urlaub beantragte die Mutter, gegen den Vater Ordnungsgeld festzusetzen. Zu Recht, entschied das Berliner Kammergericht (16 WF 29/22). Der Mann habe es fahrlässig versäumt, für den Fall von Problemen mit dem Rückflug einen Zeitpuffer einzuplanen. Wie häufig es derzeit im Flugverkehr zu Ausfällen und Verzögerungen komme, sei allgemein bekannt.

Wer den Rückflug so knapp vor dem Rückgabetermin buche, gehe das Risiko ein, den Termin zu versäumen. Auch für das Kind wäre es besser gewesen, den Rückflug für den 16.10 vorzusehen, anstatt ihm zwei lange Flüge an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zuzumuten.

Der Vater habe es für unzumutbar erklärt, den von der Fluglinie angebotenen Ersatzflug am 18.10. verfallen zu lassen und kostenpflichtig einen früheren Rückflug zu buchen. Da verkenne er allerdings, wie verbindlich Umgangstermine seien. Wer mit seiner Planung darauf keine Rücksicht nehme, müsse dann eben Unannehmlichkeiten und zusätzliche Kosten in Kauf nehmen, um den Umgangstermin einzuhalten. Andere Flüge hätte es jedenfalls gegeben.

Wäre der Vater erst, wie beabsichtigt, am 18.10. nach Berlin zurückgeflogen, hätte das den Urlaub der Mutter vereitelt oder ihr zumindest die Mehrkosten für die Umbuchung auf einen späteren Flug aufgebürdet. Da er bereits mehrmals ohne Rücksicht auf die Belange seiner Ex-Partnerin Umgangszeiten eigenmächtig verändert und Vereinbarungen ignoriert habe, sei eine Geldbuße alles in allem angemessen.

Eigentumswohnung verkauft

Unter welchen Bedingungen ist der "Veräußerungsgewinn" steuerfrei?

Die Mutter dreier Söhne hatte für die Kinder an deren Studienort eine Wohnung gekauft. Die zwei älteren Söhne wohnten hier während des Studiums, der jüngste nur gelegentlich. Sechs Jahre nach dem Erwerb verkaufte die Frau die Eigentumswohnung mit Gewinn weiter. Den musste sie nach Ansicht des Finanzamts versteuern. Die Steuerzahlerin war dagegen der Meinung, der Gewinn sei steuerfrei: Schließlich habe es sich um eine selbst genutzte Immobilie gehandelt.

Der Bundesfinanzhof entschied den Streit zu Gunsten der Finanzbehörde (IX R 28/21). Grundsätzlich gelte: Wenn eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb gewinnbringend verkauft werde, sei der Gewinn steuerpflichtig.

Die Steuerpflicht entfalle nur, wenn der Eigentümer die Immobilie — mindestens in den zwei Jahren vor dem Verkauf — selbst bewohnt habe. Sei die Immobilie von den eigenen Kindern unentgeltlich genutzt worden, sei der Gewinn ebenfalls steuerfrei.

Doch das gelte nicht uneingeschränkt, sondern nur in Bezug auf Kinder, für die zum Zeitpunkt des Verkaufs der Immobilie noch Kindergeld gezahlt werde. Kindergeldberechtigt seien minderjährige Kinder oder volljährige Kinder bis zum 25. Geburtstag, wenn sie studierten oder eine Berufsausbildung absolvierten.

Die beiden älteren Söhne der Steuerzahlerin, die während des Studiums hauptsächlich die Eigentumswohnung bewohnten, seien aber zum Zeitpunkt des Verkaufs der Wohnung bereits 27 Jahre alt gewesen. Es reiche nicht aus, wenn nur eines von drei Kindern, die die betreffende Immobilie bewohnten, kindergeldberechtigt sei — zumal dieser Sprössling die Immobilie kaum genutzt habe. Die Wohnungsverkäuferin müsse daher den Veräußerungsgewinn versteuern.