Familie & Gesundheit

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Eigentumswohnung verkauft

Unter welchen Bedingungen ist der "Veräußerungsgewinn" steuerfrei?

Die Mutter dreier Söhne hatte für die Kinder an deren Studienort eine Wohnung gekauft. Die zwei älteren Söhne wohnten hier während des Studiums, der jüngste nur gelegentlich. Sechs Jahre nach dem Erwerb verkaufte die Frau die Eigentumswohnung mit Gewinn weiter. Den musste sie nach Ansicht des Finanzamts versteuern. Die Steuerzahlerin war dagegen der Meinung, der Gewinn sei steuerfrei: Schließlich habe es sich um eine selbst genutzte Immobilie gehandelt.

Der Bundesfinanzhof entschied den Streit zu Gunsten der Finanzbehörde (IX R 28/21). Grundsätzlich gelte: Wenn eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb gewinnbringend verkauft werde, sei der Gewinn steuerpflichtig.

Die Steuerpflicht entfalle nur, wenn der Eigentümer die Immobilie — mindestens in den zwei Jahren vor dem Verkauf — selbst bewohnt habe. Sei die Immobilie von den eigenen Kindern unentgeltlich genutzt worden, sei der Gewinn ebenfalls steuerfrei.

Doch das gelte nicht uneingeschränkt, sondern nur in Bezug auf Kinder, für die zum Zeitpunkt des Verkaufs der Immobilie noch Kindergeld gezahlt werde. Kindergeldberechtigt seien minderjährige Kinder oder volljährige Kinder bis zum 25. Geburtstag, wenn sie studierten oder eine Berufsausbildung absolvierten.

Die beiden älteren Söhne der Steuerzahlerin, die während des Studiums hauptsächlich die Eigentumswohnung bewohnten, seien aber zum Zeitpunkt des Verkaufs der Wohnung bereits 27 Jahre alt gewesen. Es reiche nicht aus, wenn nur eines von drei Kindern, die die betreffende Immobilie bewohnten, kindergeldberechtigt sei — zumal dieser Sprössling die Immobilie kaum genutzt habe. Die Wohnungsverkäuferin müsse daher den Veräußerungsgewinn versteuern.

Wohnungseigentümer trennten sich

Der Mann trägt zum Unterhalt bei, indem er der Frau die Wohnung überlässt: steuerlich abziehbare Sonderausgabe

Ein Paar mit zwei Kindern hatte in einer 200 qm großen Eigentumswohnung gewohnt, die beiden Partnern gemeinsam gehörte. 2015 trennten sie sich: Der Mann zog aus, die Frau blieb mit den Kindern in der Familienwohnung. Gemäß einer notariellen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung sollte der Mann seiner Frau bis zur Scheidung 600 Euro Trennungsunterhalt pro Monat zahlen.

Ihr finanzieller Vorteil durch das Überlassen der Wohnung — mit 400 Euro kalkuliert — wurde mit dem Trennungsunterhalt verrechnet, so dass der Mann noch 200 Euro Unterhalt zu zahlen hatte.

Mit ihrem Einverständnis machte er die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung geltend. 2018 beantragte der Mann beim Finanzamt, erhöhte Unterhaltsleistungen (12.066 Euro) zu berücksichtigen, weil der tatsächliche Mietwert seines Wohnungsanteils mit 818 Euro monatlich anzusetzen sei. Finanzamt und Finanzgericht lehnten den Antrag ab: Der Steuerzahler habe die Wohnung seiner Frau gegen Entgelt überlassen, das sei eine Art von Mietverhältnis und kein Unterhalt.

Der Bundesfinanzhof sah das anders und gab dem Steuerzahler Recht (X R 33/20). Laut Scheidungsfolgenvereinbarung werde Trennungsunterhalt gezahlt und mit dem Wohnvorteil verrechnet — von Mietzahlung sei da nicht die Rede. Der Mann leiste den Unterhalt eben, indem er der Frau die Wohnung, die ihm zur Hälfte gehöre, überlasse, ohne Miete zu verlangen.

Wenn ein Partner dem anderen nach der Trennung die gemeinsame Eigentumswohnung ohne Entgelt überlasse, sei dies als Sonderausgabe zu bewerten. Die Sonderausgabe sei mit Zustimmung des Partners bis zur Höhe von 13.805 Euro pro Jahr vom zu versteuernden Einkommen abziehbar.

Auch wenn in der Unterhaltsvereinbarung der Wohnvorteil nur mit 400 Euro kalkuliert worden sei, sei steuerrechtlich die ortsübliche Miete anzusetzen. Ob die wirklich bei 818 Euro für 100 qm liege, müsse das Finanzgericht noch prüfen.

Geschiedene Frau verlangt Opferentschädigung

Ein Streit eskalierte: Der Ehemann soll die Frau gestoßen haben, bis sie stürzte

Szenen einer Ehe: Nach gescheiterter Paartherapie 2016 bat der Rentner einen Anwalt, seiner Frau schriftlich mitzuteilen, sie möge "aus seinem Haus ausziehen" und sich eine Wohnung suchen. Ende Januar 2017 erstattete die Ehefrau Anzeige: Vor zwei Wochen sei die Situation eskaliert.

Sie habe ihren Mann wieder einmal damit konfrontiert, dass er psychisch sehr krank sei. Darauf sei er immer aggressiver geworden und auf sie losgegangen. Er habe sie gestoßen, bis sie zu Boden gestürzt sei — der Höhepunkt nach 20 Jahren Ehe-Martyrium mit Beleidigungen und psychischer Gewalt. Danach habe sie fluchtartig das Haus verlassen.

Dagegen behauptete der Mann, er habe seine Frau Wochen vorher gebeten, sein Schlafzimmer als Rückzugsort zu respektieren, solange sie noch im Haus wohne. Aber an diesem Tag habe sie unbedingt diskutieren wollen. Trotz der Aufforderung, sich zu entfernen, habe sie einfach keine Ruhe gegeben. Bis er sie aus dem Schlafzimmer hinausgeschoben habe. Von gewaltsamer Attacke könne keine Rede sein.

2019 beantragte die mittlerweile geschiedene Frau eine Opferentschädigung ("Beschädigtenrente"): Arbeiten könne sie infolge ihrer ehebedingten seelischen Leiden nicht mehr. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Auch ihre Klage gegen die zuständige Behörde blieb beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ohne Erfolg (L 6 VG 1148/22). Hier stehe Aussage gegen Aussage, stellte das Gericht fest. Wie es wirklich gewesen sei, sei also nicht aufzuklären.

Opferentschädigung setze einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff voraus, der zu einem Gesundheitsschaden führe — angebliche psychische Gewalt begründe keinen Anspruch. Eine Tätlichkeit sei aber nicht belegt.

Dagegen spreche nicht nur die Aussage des Mannes: Die Frau habe mit der Strafanzeige zwei Wochen gewartet, anstatt sofort die Polizei zu rufen. Zudem sei es unglaubwürdig, dass sie sich von ihm getrennt habe und quasi "geflüchtet" sei. Denn ihr Mann habe bereits 2016 die Beziehung beendet.

Entscheidend sei aber, dass die Frau die Ursache für die aggressive Reaktion des Ehemannes selbst gesetzt habe. Wiederholt habe sie gegen seinen erklärten Willen versucht, ihn zu einem Gespräch über seine vermeintliche psychische Krankheit zu nötigen. Wenn er — ihrer Ansicht nach — krank war und sich von ihr trennen wollte, musste die Frau mit so einer Reaktion rechnen.

Zumindest hätte sie sich sofort zurückziehen müssen, als sie merkte, wie er auf ihr Anliegen reagierte. Wenn das Opfer den Täter provoziere und sich selbst in Gefahr bringe, schließe dies eine Opferentschädigung aus.

Krebsverdacht: Falsche Diagnosemethode angewandt?

Patient bestreitet die Notwendigkeit der Gewebeentnahme und behauptet Aufklärungsdefizit

Ein Patient verlangte von seinem Urologen Schmerzensgeld, weil er ihn falsch behandelt und nicht richtig aufgeklärt habe. Nach ersten Anzeichen für einen Prostatakrebs hatte der Arzt eine Biopsie durchgeführt (d.h. er hatte Gewebe entnommen, dessen Untersuchung zeigt, ob ein Tumor vorliegt). Die Untersuchung bestätigte den Verdacht auf Krebs.

Der Eingriff löste beim Patienten Fieber und Schüttelfrost aus, der Urologe wies ihn für eine Woche in eine Klinik ein. Anschließend durchlief der Mann eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Hormontherapie, die er auch nicht gut vertrug.

Dem Mediziner warf er vor, die Biopsie sei nicht angezeigt gewesen. Den Tumor hätte man vielmehr durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigen müssen. Über die Risiken der Biopsie und die Alternativen dazu sei er vor dem Eingriff nicht aufgeklärt worden.

Das Oberlandesgericht Dresden wies die Klage des Patienten ab (4 U 657/21). Schon das sachverständig beratene Landgericht habe geklärt, dass die Prostata-Biopsie eindeutig notwendig gewesen und gemäß dem Facharztstandard vorbereitet und durchgeführt worden sei. Nur mit einer Gewebeprobe könne man herausfinden, um welchen Typ Tumor es sich handle - nicht aber mit einer MRT-Untersuchung.

Aufklärungsdefizite seien dem Urologen ebenfalls nicht vorzuwerfen. Er habe mit dem Patienten über die MRT-Untersuchung gesprochen, sie jedoch zu Recht nicht als echte, also gleichwertige Alternative zur Biopsie dargestellt. Der Mediziner habe ausgesagt, dass er die Risiken, die er ausdrücklich anspreche, handschriftlich im Aufklärungsbogen eintrage. Das sei auch im konkreten Fall geschehen.

Der Aufklärungsbogen selbst enthalte ausreichende Erläuterungen zum Risiko bei einer Gewebeentnahme. Darüber hinaus hätten Mitarbeiter bestätigt, dass der Urologe bei jedem Aufklärungsgespräch die Gefahr von Nachblutungen und Infektionen erwähne. Wegen dieses Risikos werde grundsätzlich vor der Biopsie ein Antibiotikum verabreicht. Dieses Vorgehen sei nicht fehlerhaft, sondern entspreche dem medizinischen Standard.

Die Tochter soll das Haus bekommen

Ist sie damit als Erbin eingesetzt oder gilt nach dem Tod des Vaters die gesetzliche Erbfolge?

2019 verfasste ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament. Demnach sollten "Wohnhaus und Grundstück" nach dem Tod des länger lebenden Partners als "Erbe" an die gemeinsame Tochter und den Enkel gehen: Es sei ihr "Wunsch, dass das Haus in der Familie verbleibt und nicht verkauft wird", schrieben die Eheleute. Als der Ehemann starb, erteilte das Nachlassgericht der Witwe einen Alleinerbschein. Es nahm an, dass sich die Ehegatten im Testament gegenseitig zu Alleinerben einsetzen wollten.

Damit war der Sohn des Ehepaares nicht einverstanden. Er pochte auf seinen Anteil am Vermögen: Neben der Immobilie im Wert von ca. 500.000 Euro besaßen die Eheleute auch ein Sparvermögen von 250.000 Euro. Weder die Mutter, noch die Schwester seien als Alleinerben eingesetzt worden, meinte der Sohn: Nach dem Tod des Vaters gelte vielmehr die gesetzliche Erbfolge. Er beantragte einen Erbschein, der die Mutter zur Hälfte als Erbin auswies und die drei Kinder als Erben von jeweils einem Sechstel des Vermögens.

Das Oberlandesgericht Brandenburg gab ihm Recht (3 W 67/22). Dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hätten. Was mit dem Nachlass nach dem ersten Todesfall geschehen solle, sei überhaupt nicht geregelt. Das Ehepaar habe sich bewusst dafür entschieden, nur eine Regelung zu "Haus und Grundstück" zu treffen, anstatt das Vermögen erschöpfend aufzuteilen.

Den Eheleuten sei klar gewesen, dass sie im Testament nur über einen Teil ihres Vermögens verfügten. Dass sie das Haus als "Erbe" bezeichneten, ändere daran nichts: Nicht die gewählten Worte, sondern der sachliche Inhalt des Testaments sei entscheidend — zumal juristischen Laien der Unterschied zwischen vererben und "etwas vermachen" meist nicht geläufig sei. Offenkundig wünschten die Verfasser des Testaments nur, dass nach dem Tod beider Partner die Tochter und der Enkel das Haus bekommen sollten.

Diese Verfügung stelle aber keine Erbeinsetzung in Bezug auf den gesamten Nachlass dar, dessen Wert den des Hausgrundstücks allein weit übersteige. Erben des gesamten Nachlasses — und Rechtsnachfolger des Ehepaares — sollten die Tochter und der Enkel gerade nicht werden. In Bezug auf das Sparvermögen gelte die gesetzliche Erbfolge.

Vater-Kind-Kontakt war lange unterbrochen

Begleiteter Umgang soll übergangsweise auch in der Wohnung der Mutter stattfinden

Das 2019 geborene Mädchen A lebt bei ihrer alleinerziehenden Mutter, zusammen mit älteren Geschwistern aus früheren Beziehungen der Frau. Die Eltern von A waren nicht verheiratet und haben sich Anfang 2020 getrennt. Da die Mutter nach massiven Konflikten jeden Kontakt zum Vater ablehnte, beantragte dieser schließlich beim Amtsgericht eine Umgangsregelung für das Kind.

Im November 2021 schlug das Amtsgericht ein wöchentliches Treffen am Mittwochnachmittag in den Räumen einer Jugendhilfeeinrichtung vor. Ein Mitarbeiter der Jugendhilfe sollte dabei sein (d.h. so genannter "begleiteter" Umgang), um das zweijährige Mädchen behutsam an den fast fremden Vater zu gewöhnen.

Dagegen legte die Mutter Beschwerde ein: Sie könne das Kind am Werktag nicht zum Treffpunkt bringen. Das sei erstens mit ihren beruflichen Pflichten unvereinbar und zweitens wolle sie dem Ex-Freund nicht jede Woche begegnen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt kam den Bedenken der Frau entgegen und änderte die Umgangsregelung für eine Übergangszeit von sechs Monaten ab (4 UF 11/22). Um ihre Kooperationsbereitschaft zu erhöhen, könnten die Treffen zunächst abwechselnd beim Jugendhilfeträger und in der Wohnung der Mutter stattfinden. In der Wohnung sollten sich dann nur der Vater mit dem Mädchen und die Begleitperson aufhalten, nicht die Mutter. Die gewohnte Umgebung werde es dem kleinen Kind erleichtern, seine Scheu zu verlieren und eine tragfähige Beziehung zum Vater aufzubauen, so das OLG.

Zu den Treffen in der Jugendhilfeeinrichtung könne der Umgangsbegleiter das Kind abholen und anschließend zur Mutter zurückbringen. Nach der Übergangszeit könne das Mädchen den Vater dann in seiner Wohnung besuchen — falls die Eltern bis dahin in der Lage seien, im Alltag einvernehmliche Verabredungen zu treffen. Um einen konstruktiven Umgang zu erreichen, fänden in der Jugendhilfeeinrichtung zusätzlich Gespräche mit den Eltern statt.

Gelinge dies nicht, bleibe es länger bei der Übergangslösung und den Treffen nur am Mittwoch. Die beruflichen Pflichten der Mutter zu berücksichtigen, sei für das Gericht schon deshalb unmöglich gewesen, weil sie keine genauen Arbeitszeiten habe angeben können. Letztlich sei die Mutter verpflichtet, ihre selbständige Tätigkeit so zu organisieren, dass sie mit der gerichtlichen Umgangsregelung vereinbar sei. Und sich darüber hinaus mit dem Vater abzusprechen, um Kollisionen zu vermeiden.

Weisheitszähne unnötig entfernt?

Unzureichende Risikoaufklärung bleibt folgenlos, wenn die Patientin dem Eingriff auf jeden Fall zugestimmt hätte

Eine Lehrerin hatte Probleme mit den linken Weisheitszähnen. Ihre Zahnärztin empfahl, die Weisheitszähne auf beiden Seiten operativ entfernen zu lassen und überwies die Patientin an eine Kieferchirurgin. Auf der linken Seite verlief der Eingriff komplikationslos. Doch beim Entfernen der rechten Weisheitszähne wurde ein Nerv beschädigt.

Daraufhin forderte die Lehrerin von der Chirurgin Schmerzensgeld: Seit der zweiten Operation, die gar nicht notwendig gewesen wäre, sei ihre Zunge taub. Über das Risiko sei sie nicht aufgeklärt worden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg wies die Klage der Patientin ab (12 U 8/22). Eingriff und Nachsorge seien nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen gemäß medizinischem Standard ausgeführt worden. Dass dabei ein nahe an den Zähnen liegender Nerv verletzt werde, gehöre zu den Risiken so einer Operation. Und die — vielleicht nicht optimale — Risikoaufklärung der Medizinerin habe sich im konkreten Fall nicht ausgewirkt.

Grundsätzlich gelte: Patienten willigten in eine Operation nur dann wirksam ein, wenn sie jedenfalls in Grundzügen wüssten, was auf sie zukomme. Die Lehrerin sei im Aufklärungsbogen über vorübergehende Taubheit und Gefühlsstörungen als mögliche Folgen informiert worden, was das Risiko etwas beschönige: Schließlich könnten solche Folgen in seltenen Fällen auch dauerhaft auftreten und eine Sprechstörung sei gerade für eine Lehrerin sehr belastend.

Zu Recht habe jedoch die Chirurgin eingewandt, dass die Patientin der Entfernung der rechten Weisheitszähne auch zugestimmt hätte, wenn sie über das Risiko noch genauer informiert worden wäre. Die Patientin habe zwar auf der rechten Seite keine Schmerzen gehabt, so das OLG. Doch bereits die Hauszahnärztin habe ihr erläutert, dass das nur eine Frage der Zeit sei. Die Operation auf beiden Seiten durchzuführen, sei unbedingt ratsam, da sich muskuläres Ungleichgewicht einstelle, wenn man nur die linken Weisheitszähne entferne.

Wenn man mit dem zweiten Eingriff zu lange warte, erhöhten sich außerdem das Operationsrisiko und die Gefahr für benachbarte Zähne. Das habe die Patientin alles gewusst. Darüber hinaus werde im Aufklärungsbogen der Chirurgin sogar auf das Risiko eines Durchbruchs zur Nasenhöhle hingewiesen. Diese erhebliche Gefahr habe die Patientin nicht abgeschreckt.

Deshalb sei nicht anzunehmen, dass ein deutlicherer Hinweis auf das geringe Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung die Patientin von der Zustimmung zur Operation abgehalten oder sie zumindest in einen Entscheidungskonflikt gestürzt hätte. Damit fehle ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Nervenschädigung und den Schwächen des Aufklärungsbogens.

An chronischer Müdigkeit erkrankt

Fehlt dafür eine Standard-Therapie, muss die Krankenkasse ausnahmsweise ihre Leistungen erweitern

Ein 55 Jahre alter Mann leidet an zahlreichen Krankheiten und ist aufgrund seiner chronischen Müdigkeit ("Chronisches Fatigue-Syndrom" — CFS) pflegebedürftig. Bei seiner gesetzlichen Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme der Arzneimittel Biomo-Lipon und Dekristol (Vitamin D). Die Krankenkasse lehnte sie ab, weil für eine ärztliche Verordnung dieser Arzneimittel die medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen fehlten.

Daraufhin wandte der Versicherte ein, im System der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrem Standard-Leistungskatalog werde er mit seiner Grunderkrankung CFS nicht hinreichend versorgt. Allgemein anerkannte Therapien gebe es kaum. Liponsäure und Vitamin D würden aber immerhin gegen die Symptome eines CFS, also gegen den chronischen Erschöpfungszustand, helfen. Der Mann klagte gegen den ablehnenden Bescheid.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verpflichtete die Krankenkasse dazu, zumindest vorläufig die Kosten für die beiden Arzneimittel zu übernehmen (L 4 KR 373/22 B ER). Für ihre Wirksamkeit gebe es zwar keine eindeutigen, wissenschaftlich gesicherten Beweise, räumte das Gericht ein. Deshalb zählten sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier gehe es aber um einen Ausnahmefall.

Der zum Rechtsstreit befragte medizinische Sachverständige habe ausgeführt, dass im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für das CFS keine Standard-Therapie zur Verfügung stehe, deren Wirkung wissenschaftlich belegt wäre. Die Ursachen des CFS seien unklar, infolgedessen existierten noch keine gezielten Therapien. Auch die medizinische Wissenschaft diskutiere lediglich, wie man gegen die Symptome vorgehen könne.

Daher müsse die Krankenkasse hier ausnahmsweise ihren Leistungskatalog erweitern, so die Schlussfolgerung des Gerichts, auch wenn nach ihren allgemein geltenden Maßstäben die Kostenübernahme für die betreffenden Arzneimittel ausgeschlossen sei.

Mutter will sich ihrem nichtehelichen Kind widmen

Sie muss für ihre zwei Kinder aus einer geschiedenen Ehe nicht mehr zahlen

Eine Frau hatte aus einer geschiedenen Ehe zwei minderjährige Kinder, für die ihrem Ex-Mann das Sorgerecht übertragen worden war. Sie musste für die Kinder Unterhalt zahlen. Dann ging aus der Beziehung zu einem neuen Partner, mit dem sie ohne Trauschein zusammenwohnte, ein weiterer Sprössling hervor.

Die Mutter gab ihren Job auf, um das Baby zu betreuen. Deshalb sah sich die Frau nun nicht mehr in der Lage, weiterhin monatliche Zahlungen an ihre Kinder aus der geschiedenen Ehe zu leisten. Doch der Ex-Mann bestand darauf und zog vor Gericht. Der Bundesgerichtshof machte deutlich, dass der Fall anders zu beurteilen sei, als wenn die Frau wieder geheiratet hätte (XII ZR 209/94).

Wäre die Frau mit dem neuen Partner verheiratet, so müsste dieser auf ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern aus erster Ehe Rücksicht nehmen. Entsprechende Rechte und Bindungen fehlten jedoch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Daher habe die Mutter ihre Arbeit aufgeben dürfen, um das jüngste Kind versorgen zu können. Für den Nachwuchs aus ihrer geschiedenen Ehe müsse sie deshalb keinen Unterhalt mehr leisten.

Schlechte Note im Arztbewertungsportal

Kurzartikel

Verlangt ein Mediziner, der auf einem Arztbewertungsportal schlecht bewertet wurde, die Bewertung zu löschen, muss der Portalbetreiber dieser Forderung nicht nachkommen, wenn der Arzt wahrheitswidrig behauptet, dass er die betreffende Patientin nicht behandelt hat. Der Hostprovider hat seine Prüfpflichten erfüllt, wenn er eine Stellungnahme der Patientin eingeholt hat und diese ein Behandlungsverhältnis belegen konnte.

Aids durch verseuchtes Blutplasma

Aidskranker erhielt 1988 eine relativ niedrige Entschädigung: Vergleich mit dem Hersteller hat trotzdem Bestand

Ein Patient wurde durch die Behandlung mit Blutplasma mit Aids infiziert und forderte vom Hersteller Entschädigung. Die Verhandlungen mit der Versicherung des Herstellers endeten im April 1988 mit einem Vergleich: Der Infizierte bekam 75.000 DM, damit sollten alle seine Ansprüche wegen der Erkrankung abgegolten sein.

Da es mittlerweile viel höhere Abfindungen bei HIV-Infektionen durch Blutplasma gibt, wollte der Betroffene seinen Fall neu aufrollen lassen. Heute würden Abfindungen bis 450.000 DM gezahlt, so sein Argument: Verglichen damit, sei er 1988 mit einem "Discountvergleich" abgespeist worden.

Das Landgericht Heidelberg verkannte zwar nicht die Tragik, die der unverrückbare Vergleich für den Aidskranken bedeutet (2 O 168/94). Die Vereinbarung habe aber gerade den Streit über die Abfindung beenden sollen. Es verstieße gegen das Wesen eines Vergleichs, würde man jetzt erneut über die Höhe der Entschädigung streiten.

Namensangleichung bei Geschwistern?

Standesamt darf Familiennamen nicht ohne Entscheidung der Eltern angleichen

Das erste Kind des unverheirateten Paares, ein Sohn, wurde 2014 geboren. Die Mutter bekam seinerzeit das alleinige Sorgerecht zugesprochen, der Junge erhielt ihren Nachnamen. 2018 bekam das Paar eine Tochter. Diesmal einigte sich das Paar auf ein gemeinsames Sorgerecht für beide Kinder. Für das Mädchen wählten die Eltern den Nachnamen des Vaters.

Ohne ihr Wissen glich das Standesamt den Geburtsnamen des Sohnes dem Nachnamen der Schwester an. Dass nun beide Kinder den Familiennamen des Vaters trugen, passte allerdings der Mutter nicht. Sie beantragte bei Gericht, den Nachnamen des Sohnes im Geburtsregister erneut zu ändern. Zu Recht, entschied der Bundesgerichtshof (XII ZB 504/21).

Die Eltern hätten nicht erklärt, dass der Sohn einen neuen Nachnamen erhalten sollte. Wenn sie für die neugeborene Tochter gemeinsam einen Familiennamen wählten, dürfe das Standesamt nicht automatisch den Nachnamen des älteren Kindes diesem Familiennamen angleichen. Das setze vielmehr eine bewusste Entscheidung der sorgeberechtigten Eltern voraus. Bis zum 14. Geburtstag des Kindes seien die Eltern dafür gemeinsam zuständig, danach das Kind selbst.

Erblasser war dement

Sein früherer Lebenspartner verliert durch eine neue Heirat nicht zwangsläufig das Erbrecht

Ein älterer Herr hatte 2005 ein Testament verfasst und seine Tochter sowie seinen Lebenspartner, Herrn V, als Erben eingesetzt. 2016 konnte der Mann wegen weit fortgeschrittener Demenz von Herrn V nicht mehr zuhause betreut werden. Er kam in ein Pflegeheim. V heiratete 2020 einen neuen Partner, ein halbes Jahr später starb der Erblasser im Pflegeheim.

V beantragte beim Nachlassgericht einen (Mit-)Erbschein. Doch die Tochter legte Widerspruch ein und focht das Testament an: Ihr Vater hätte es sicher geändert und seinen Lebenspartner nicht als Erben eingesetzt, wenn er gewusst hätte, dass sich V — noch zu seinen Lebzeiten — einem anderen Mann zuwenden würde.

Mit dieser Argumentation war das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg nicht einverstanden (3 W 55/22). Eine Erbeinsetzung könne zwar unwirksam werden, wenn ihr Motiv eine nicht mehr existente Lebensgemeinschaft gewesen sei, räumte das OLG ein. Wenn ein Ehepartner oder Lebenspartner den Erblasser/die Erblasserin verlasse, um eine neue Beziehung einzugehen, könne dies dazu führen, dass ein Testament zu Gunsten des Partners keinen Bestand habe.

Anders sei die Situation jedoch zu bewerten, wenn der Erblasser das Testament auch für diesen Fall so gewollt hätte. (Juristen sprechen dann vom "hypothetischen Willen".) Ein derartiger Ausnahmefall liege hier vor. Die Partner hätten sich nicht auseinandergelebt oder zerstritten. Herr V habe auch keineswegs die Beziehung zum Erblasser beendet, um sich einem neuen Partner zuzuwenden.

Vielmehr habe es die Demenz des Erblassers für die Partner unmöglich gemacht, ihre Lebensgemeinschaft in der bisherigen Art und Weise fortzusetzen. V habe den Erblasser im Heim regelmäßig besucht und so seine anhaltende Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Umständen führe eine neue Partnerschaft nicht zum Verlust des Erbrechts. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Testament nach dem (hypothetischen) Willen des Erblassers Bestand haben sollte.

Schwangere Mazedonierin wird nicht abgeschoben

Bei einer Abschiebung ist auch die Staatsangehörigkeit des Kindes zu beachten

Das nichteheliche Kind einer ausländischen Mutter und eines deutschen Vaters kann die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben - wenn die Vaterschaft feststeht. Vor diesem Hintergrund wehrte sich eine junge Frau aus Mazedonien dagegen, dass sie abgeschoben werden sollte: Sie erwarte ein Kind von ihrem deutschen Lebensgefährten. Man könne sie also nicht in ihre Heimat zurückschicken, denn davon wäre auch ihr Kind betroffen.

Das Verwaltungsgericht Greifswald sprach der Schwangeren ein Bleiberecht zu, da das Kind voraussichtlich die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen werde (2 B 910/94). Deutsche aber dürften sich selbstverständlich im Bundesgebiet aufhalten. Diesem Recht widerspräche eine Abschiebung der Mutter, mit der man vollendete Tatsachen schaffen würde. Deshalb müsse man ihrer eidesstattlichen Versicherung Glauben schenken, dass sie von einem Deutschen schwanger sei.

Das Gericht verwarf die gegenteilige Ansicht, wonach ein Kind jedenfalls im Aufenthaltsrecht die Staatsangehörigkeit erst mit der Geburt erwirbt. Diese Betrachtungsweise sei zu formalistisch und lebensfremd.

Die Frau dürfe auch deshalb in Deutschland bleiben, weil man nur so das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft überhaupt durchführen könne. In der Heimat der Betroffenen sei das mit Unwägbarkeiten verbunden. Ihr das Bleiberecht zu versagen, würde auch deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, weil die schwangere Frau minderjährig und ohne Vater sei.

Operationsrisiko verharmlost?

Patientin ist nach einer Tumoroperation halbseitig gelähmt und verlangt Schadenersatz

Eine 1962 geborene Frau litt unter einem meist gutartigen Tumor der Hirnhaut (Meningeom). Die Geschwulst war schon relativ groß, deshalb empfahl der behandelnde Arzt, sie operativ entfernen zu lassen. Den Eingriff führte ein Chirurg im Krankenhaus durch. Danach war die Patientin dauerhaft halbseitig gelähmt. Von der Klinik und vom Operateur forderte sie Schadenersatz wegen unzureichender Risikoaufklärung vor dem Eingriff.

Im Aufklärungsbogen des Krankenhauses werden als mögliche Folgen einer "großen Tumoroperation" Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen, Sehstörungen, Verwirrtheit und viele andere, teils lebensgefährliche Komplikationen aufgezählt.

Deshalb wies das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz die Klage der Patientin ab: Die Gefahren würden im Aufklärungsbogen sehr klar gekennzeichnet. Allein die Tatsache, dass der Chirurg einige Risiken unterstrichen habe, die Formulierung "unter Umständen schwere und dauerhafte Ausfälle" jedoch nicht, belege keine Verharmlosung.

Mit diesem Urteil war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden: Er verwies den Rechtsstreit ans OLG zurück (VI ZR 342/21). Die Patientin habe nicht nur gerügt, dass eine Formulierung im Aufklärungsbogen nicht unterstrichen gewesen sei. Vielmehr habe sie ausdrücklich eine Passage beanstandet, in der es heiße, nach dieser Operation komme es nur "selten" zu schweren, dauerhaften Störungen.

Dabei habe doch der medizinische Sachverständige im Prozess erläutert, dass nach dieser Operation 20 Prozent der Patienten schwere und 30 Prozent der Patienten leichte neurologische Defizite zeigten. Wenn im Aufklärungsbogen dennoch das Risiko schwerer bleibender Störungen als selten oder als Ausnahme charakterisiert werde, grenze das schon an Verharmlosung — zumal auch noch betont werde, sie bildeten sich im Laufe der Zeit meistens zurück.

Die Daten des Sachverständigen belegten, dass bei diesem Eingriff trotz sorgfältiger Diagnostik Komplikationen kaum zu vermeiden seien. Im konkreten Fall sei das Risiko sogar weit höher gewesen als der vom Experten genannte Durchschnittswert, weil der Tumor der Patientin stark durchblutet und mit dem Hirngewebe verzahnt war.

Mit den einschlägigen Hinweisen des Sachverständigen und dem zentralen Einwand der Patientin gegen den Aufklärungsbogen habe sich das OLG überhaupt nicht befasst. Das müsse die Vorinstanz nun nachholen. Auch der vom OLG als sehr treffend hervorgehobene Hinweis darauf, dass nach dem Eingriff schlaganfallähnliche Symptome auftreten könnten, sei im Aufklärungsgespräch durch den Verweis auf wahrscheinliche Rückbildung relativiert worden.

Beziehungs-Aus: Geschenke zurück?

Geht es um für das Paar "üblichen Konsum", kann die Ex-Freundin Geld und Diamanten behalten

Nach etwa eineinhalb Jahren beendete eine Frau eine einträgliche Liebesbeziehung. Der Freund hatte ihr eine Kredit-Zweitkarte überlassen, die sie mit gut 100.000 Euro belastete. Er hatte ihr zudem Reisen und Einkäufe bei Chanel finanziert und Diamant-Ohrringe geschenkt. Die Trennung war wohl schmerzlich. Jedenfalls kam es zu einem heftigen Streit inklusive Sachbeschädigungen durch den großzügigen, enttäuschten Liebhaber.

Die Strafanzeige der Frau führte zu einem Kontaktverbot. Daraufhin wollte sich der Mann wenigstens schadlos halten: Er verlangte die Ohrringe und das mit der Kreditkarte ausgegebene Vermögen zurück. Doch auch von der Justiz wurde der Mann enttäuscht. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Frankfurt verneinten einen Anspruch auf Rückzahlung bzw. Rückgabe (17 U 125/21).

Im konkreten Fall seien Geschenke Ausdruck eines exklusiven und luxuriösen Lebensstils. Das wohlhabende Paar habe regelmäßig teure Restaurants besucht und in teuren Geschäften eingekauft. Das sei vor der Beziehung so gewesen und habe sich währenddessen nicht geändert. Auch die Partnerin verdiene sehr gut: Sie habe keineswegs die Beziehung nützen müssen, um ihre finanzielle Situation zu verbessern. Von grobem Undank könne daher hier keine Rede sein.

Bei Ausgaben für das gemeinsame Leben — d.h. den für das Paar "üblichen Konsum" — käme eine Rückforderung nur in Betracht, wenn sie außergewöhnlich hoch wären und wenn es für den Zahler unzumutbar wäre, die "Vermögensverschiebung" hinzunehmen. Die Beträge, die der Partner für die Freundin ausgegeben habe, seien für ihn jedoch eher "peanuts" und hätten sein Vermögen kaum geschmälert. Anspruch auf Ausgleich stehe ihm daher nach dem Ende der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu.

Dass der Mann seiner Freundin die Kreditkarte nur leihweise überlassen habe - also vereinbart war, dass sie die damit getätigten Einkäufe selbst finanzieren sollte -, habe der Mann nicht beweisen können.

Unzumutbar viele Nachbehandlungen beim Zahnarzt?

Zahnersatz sitzt oft nicht "auf Anhieb": Das belegt keinen Behandlungsfehler

Ein Zahnarzt hatte mehrere Zähne einer Patientin mit Kronen versorgt. Die Kronen hätten von Anfang an nicht richtig gepasst, beanstandete die Frau nachträglich: Mit ca. 30 Terminen für die Nachbehandlung sei die Grenze des Zumutbaren überschritten.

Die Patientin verlangte vom Mediziner die Rückzahlung ihres Eigenanteils an den Behandlungskosten und Schmerzensgeld für die langwierige Prozedur. Das Landgericht Leipzig wies ihre Klage ab: Die Patientin habe keine Behandlungsfehler nachweisen können. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden bestätigte das Urteil (4 U 2562/21)

Die vom Gericht beauftragte medizinische Sachverständige habe zwar am Gipsmodell eine "nicht korrekte Einschleifsituation" bei zwei Zähnen festgestellt. Doch seien die Kronen zu diesem Zeitpunkt nur provisorisch eingegliedert gewesen. Der Zahnarzt habe sie problemlos noch nacharbeiten können. Ernsthafte Abweichungen vom ärztlichen Standard seien an den Modellen nicht zu erkennen, so das Fazit der Sachverständigen.

Bei einer zahnprothetischen Versorgung sei ein Behandlungsfehler des Arztes nicht schon dann anzunehmen, wenn der Zahnersatz nicht beim ersten Mal "sitze", betonte das OLG. Zahnersatz einzugliedern, sei ein "mehrstufiger Prozess". Dabei seien fast immer Anpassungsmaßnahmen nötig, bei denen die Patienten mitwirken müssten.

Die Patientin habe behauptet, sie habe zu 30 Nachbesserungsterminen antreten müssen. In den Behandlungsunterlagen dokumentiert seien aber für jeden Zahn maximal drei Termine, wobei es sich jeweils nur um minimale Polituren und das Einschleifen von Füllungen gehandelt habe. Um das zu widerlegen, hätte die Frau für die angebliche Menge von Nachbehandlungen schon einen handfesten Beweis erbringen müssen.

Sturz einer Heimbewohnerin

Eine Pflegekraft ließ die demente Frau im Flur zu lange aus den Augen

Die gesetzliche Krankenkasse der bei einem Treppensturz verletzten Heimbewohnerin H verklagte den Träger des Seniorenheims auf Schadenersatz für die Behandlungskosten. Das Oberlandesgericht Rostock gab der Krankenkasse Recht: Der Heimträger müsse für die Unfallfolgen haften, weil der Sturz der Seniorin auf eine Pflichtverletzung der Pflegehelferin X zurückzuführen sei (6 U 7/19). Das Fehlverhalten sei dem Träger zuzurechnen.

Frau X habe die demente Patientin auf einem Wohnflur des Heims begleitet. Mit einem Gehwagen sollte sie mobilisiert werden. Es sei kein Zufall, dass dies mit einer Pflegehelferin stattfand, die sich nur auf die Seniorin konzentrieren sollte. Denn diese neigte zu motorischer Unruhe und sei auch schon öfter gestürzt. Während der Mobilisierungsübungen sei Frau X von einer Kollegin gerufen worden.

Die Kollegin habe einen Patienten zur Toilette gebracht und hatte wohl Mühe, ihn zurück in den Rollstuhl zu setzen. Das sei aber kein Notfall gewesen, der es gerechtfertigt hätte, eine sturzgefährdete, desorientierte Heimbewohnerin — wenn auch nur kurz — im Gehwagen alleine zu lassen. Angesichts des Gesundheitszustands von Frau H könne es nicht überraschen, dass sie sich in einem unbeobachteten Moment entfernt habe. Zudem sei die Tür zum Treppenhaus ungesichert und könne mit einem Druckknopf von jedem Patienten einfach geöffnet werden.

Spätestens, als Frau X die Seniorin durch die Toilettentür nicht mehr gesehen und den Türöffner gehört habe, hätte sie sofort tätig werden müssen. Ihr habe klar sein müssen, dass die hilflose Patientin, die dazu neigte, sich unkontrolliert fortzubewegen, durch die Flurtür das Treppenhaus erreichen konnte. Frau X hätte bei ihrer Hilfeleistung für die Kollegin ihre Patientin H im Auge behalten oder eine weitere Pflegekraft herbeirufen müssen.

Streit um Omas Erbe zu befürchten?

Interessenkonflikt: In der Regel kann man trotzdem erwarten, dass Eltern im Interesse ihres Kindes handeln

2021 war Frau W gestorben. Im Testament hatte sie ihre verheiratete Tochter als Haupterbin eingesetzt. Deren Töchter und Enkelinnen von Frau W sollten — abhängig vom noch zu taxierenden Wert des hinterlassenen Gesamtvermögens — Wertpapiere im Wert von 200.000 Euro erben, eventuell auch mehr.

Darin sah das Familiengericht eine mögliche Interessenkollision: Je nach Auslegung des Testaments könne sich eine unterschiedliche Höhe der Zuwendungen an die minderjährigen Kinder und an die Mutter, die Haupterbin, ergeben. Das Gericht entzog deshalb den Eltern — nur in Bezug auf das Erbverfahren — das Sorgerecht für die Töchter und übertrug es einer Anwältin (als so genannte Ergänzungspflegerin).

Dagegen legten die Eltern Rechtsbeschwerde ein: Sie würden das Erbe der Oma selbstverständlich entsprechend der für die Enkelinnen günstigsten Auslegung aufteilen. Davon war auch das Oberlandesgericht Nürnberg überzeugt und hob den Beschluss des Familiengerichts auf (7 WF 434/22).

Zwar sei es zu Recht von einem Interessengegensatz ausgegangen, da die Höhen des jeweiligen Anteils am Erbe voneinander abhängig seien. In so einem Fall müsse man aber darüber hinaus auch prüfen, ob die Gefahr bestehe, dass die sorgeberechtigten Eltern deshalb das Kindesinteresse vernachlässigen könnten.

Wenn zu erwarten sei, dass Eltern trotz des Interessengegensatzes im Interesse der Kinder handelten, gebe es keinen Grund, warum sie die Kinder im Erbverfahren nicht vertreten sollten. Dass Eltern im Interesse der Kinder handelten, sei die Regel und nach den Ausführungen der Eltern vor Gericht auch im konkreten Fall anzunehmen.

Außerdem sei es Sache des Nachlassgerichts und nicht der Erben, das Testament auszulegen und damit dessen rechtlich geltenden Inhalt festzustellen. Die Anhörung der Erben vor Gericht werde die Entscheidung des Nachlassgerichts nur geringfügig beeinflussen. Auch deshalb sei es unverhältnismäßig, den Eltern in Bezug auf das Erbscheinverfahren das Sorgerecht zu entziehen.

Mutter verstößt gegen Umgangsvereinbarung

Kurzartikel

Ist zwischen den getrenntlebenden Eltern eines vierjährigen Mädchens vor dem Familiengericht eine Vereinbarung über den Umgang des Vaters mit dem Kind getroffen worden, darf die Mutter die Kontakte nicht verweigern. Wenn sie meint, der Umgang schade dem Kind, hat, muss die Mutter bei Gericht eine Änderung der Vereinbarung beantragen, anstatt die Treffen mit dem Vater eigenmächtig auszusetzen. Wer schuldhaft gegen eine Umgangsvereinbarung verstößt, muss Ordnungsgeld zahlen.