Familie & Gesundheit

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Alleinerbe verkauft Familienheim

Wurde er zum Alleinerben bestimmt, um dies zu verhindern, ist die Erbeinsetzung anfechtbar

Eine Witwe mit zwei erwachsenen Kindern hatte 2002 ein Testament verfasst. Darin setzte sie ihren Sohn als Alleinerben ein, ihre Tochter sollte nur den Pflichtteil erhalten. Dies solle keine Strafe oder Benachteiligung für die Tochter sein, schrieb die Mutter: Aber dieser Weg sei die einzige Möglichkeit, das sanierungsbedürftige Wohnhaus zu erhalten, das eine "Belastung" sei. Sie und ihr verstorbener Mann wollten unbedingt vermeiden, dass das Familienheim "verschleudert" werden müsse.

Nach dem Tod der Mutter im April 2020 beantragte und erhielt der Sohn deshalb einen Alleinerbschein. Den Wert des Wohnhauses ließ er von einem kommunalen Ausschuss ermitteln (710.000 Euro). Auf Basis dieses Werts vereinbarte er mit seiner Schwester die Höhe ihres Pflichtteils. Schon vorher hatte der Erbe jedoch Kontakt zu einem Immobilienmakler aufgenommen. Drei Wochen nach dem Vertrag mit der Schwester verkaufte er das Haus zum Preis von 819.000 Euro.

Als die Schwester davon erfuhr, warf sie ihm arglistige Täuschung vor und focht das Testament an: Die Mutter habe den Bruder nur als Alleinerben eingesetzt, weil sie irrtümlicherweise angenommen habe, so den Verbleib des Wohnhauses im Familienbesitz zu sichern. Da sich der Bruder daran aber nicht gehalten habe, stehe ihr — der Schwester — nun als Miterbin gemäß gesetzlicher Erbfolge die Hälfte des Kaufpreises zu.

Das Landgericht Wuppertal gab der Schwester Recht (2 O 317/21). Ein Testament könne angefochten werden, wenn ein Erblasser es aufgrund einer irrigen Annahme verfasst habe. Im konkreten Fall habe sich die Witwe bei der Erbeinsetzung von der Vorstellung leiten lassen, dass ihr Sohn als Alleinerbe das Haus im Familienbesitz halten würde. Sie wolle es nicht "verschleudert sehen", stehe da wortwörtlich.

Da sich diese Erwartung nicht erfüllt habe, habe die Tochter zu Recht das Testament angefochten: Es sei unwirksam. Mit dem Testament entfalle auch die Geschäftsgrundlage für den Pflichtteilsvertrag zwischen den Geschwistern. Der Sohn sei nicht Alleinerbe, vielmehr gelte nun die gesetzliche Erbfolge, d.h. die Geschwister erbten zu gleichen Teilen.

Vor Gericht habe der Mann auch zugegeben, dass er die Schwester belogen habe: Er habe von vornherein geplant, das Haus zu verkaufen, weil er die nötige Komplett-Sanierung nicht hätte finanzieren können. Bei der Pflichtteilsvereinbarung habe der Bruder die Schwester also tatsächlich arglistig getäuscht. Darauf komme es jetzt aber nicht mehr an, stellte das Landgericht fest, da die im Testament getroffene Regelung ohnehin unwirksam sei.

Scheidung: Mann übernimmt die Ehewohnung

Seine nun höhere Miete wird beim Trennungsunterhalt für die Frau nicht berücksichtigt

Schon vor der Heirat hatte der Mann alleine in der späteren Ehewohnung gelebt. Im Sommer 2018 trennte sich das Ehepaar, die Frau zog aus. Rechtskräftig geschieden sind die Partner seit Februar 2020. Gestritten wurde um die Höhe des Trennungsunterhalts für die Frau, der ihr von Sommer 2018 bis Februar 2020 zustand.

Der unterhaltspflichtige Mann forderte, das Gericht müsse bei der Festsetzung des Unterhaltsbetrags berücksichtigen, dass sich durch die Trennung für ihn die Miete verdoppelt habe.

Die gestiegenen Wohnkosten minderten seine Unterhaltspflicht nicht, urteilte das Oberlandesgericht Brandenburg (13 UF 212/19). Wenn sich Eheleute endgültig trennten und ein Partner vereinbarungsgemäß die Ehewohnung allein übernehme, hafte dieser Partner (nach Ablauf der mietvertraglichen Kündigungsfrist) allein für die Miete. Im konkreten Fall habe der Ehemann mit seiner Frau und mit dem Vermieter im August 2018 vereinbart, die Frau solle aus dem Mietverhältnis entlassen werden.

Dass er von da an die Miete allein zahlen musste, sei klar gewesen. Sollte er damit überfordert sein, müsse er sich eine günstigere Wohnung suchen. Beim Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen sei fürs Wohnen ein Betrag von 380 Euro vorgesehen. Den Selbstbehalt wegen einer höheren Miete zu erhöhen und dies beim Trennungsunterhalt anzurechnen, komme nur in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige zwangsläufig mehr Geld fürs Wohnen ausgeben müsse als 380 Euro.

Das treffe hier jedoch nicht zu. Dass sich der geschiedene Mann um günstigeren Wohnraum bemüht habe, habe er nicht dargelegt. Nichts spreche dafür, dass dies unmöglich oder unzumutbar wäre. Der Mann habe sich freiwillig für die jetzige Wohnsituation entschieden.

Kind vor der Kreuzfahrt Corona-positiv

Aufgrund einer nicht eindeutigen Vertragsklausel wurde die ganze Familie von der Reise ausgeschlossen

Für Oktober 2021 hatte ein Mann für sich und seine Familie eine Kreuzfahrt gebucht: von Kiel über Göteborg, Visby, Stockholm und retour. Kaum hatte die Familie vor dem Reisebeginn die Kabinen bezogen, fand ein Coronatest statt. Laut Reisevertrag durften Urlauber die Kreuzfahrt nur mit einem negativen Test antreten. Doch der Sohn wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Daraufhin musste die ganze Familie das Schiff verlassen.

So stand es in den Reisebedingungen: "Im Fall eines positiven Testergebnisses behält sich der Kreuzfahrt-Veranstalter das Recht vor, auch die Mitreisenden des positiv getesteten Gastes von der Kreuzfahrt auszuschließen."

Der Familienvater verklagte den Reiseveranstalter auf Rückzahlung des Reisepreises (7.180 Euro) und hatte damit beim Landgericht Rostock überwiegend Erfolg (1 O 51/22).

Zu Recht habe der Veranstalter das infizierte Kind nicht mitgenommen. Alle Reisenden auszuschließen, sei jedoch unzulässig gewesen, so das Landgericht: Denn die einschlägige Klausel im Reisevertrag sei intransparent und damit unwirksam. Richtig sei: Wenn eine Familie zusammen anreise, die auch zuhause "in häuslicher Gemeinschaft" lebe, bestehe das Risiko, dass die "Mitreisenden" eines Corona-positiven Gastes trotz eines negativen Tests infiziert seien.

Der Wortlaut der Klausel beziehe sich aber nicht nur auf Familien. Wenn ein Reisender für andere Personen eine Reise mit-buche, sage das nichts Zwingendes über den Kontakt vor dem Reiseantritt aus. Es sei gut möglich, dass sich eine Reisegruppe (oder ein Reisender und sein Mitreisender) erst an Bord treffe und vorher kein Kontakt, also auch keine Ansteckungsgefahr bestand. In so einem Fall wäre ein Ausschluss der Gruppe von der Reise wegen der Infektion einer Person offenkundig unangemessen.

Wenn eine Vertragsklausel nicht eindeutig formuliert sei, gingen Zweifel in Bezug auf ihre Interpretation zu Lasten des Reiseunternehmens. Der Kreuzfahrt-Veranstalter müsse daher den Reisepreis zurückzahlen — mit Ausnahme des Anteils für den infizierten Sohn, von dem wiederum ersparte Aufwendungen des Unternehmens abzuziehen seien.

Nikotin als erhöhtes Risiko für die Heilung

Dieser Hinweis des Zahnarztes stellt klar, dass die Behandlung auch misslingen kann

Dem Patienten sollten Zahnprothesen eingesetzt werden. Vor dem Eingriff sprach der Zahnarzt mit dem Raucher darüber und betonte besonders, dass die Prothese in der Regel schlechter einheile, wenn Patienten Alkohol und Nikotin konsumierten. Als der Heilungsprozess dann tatsächlich fehlschlug, klagte der Patient auf Schmerzensgeld.

Begründung: Dass der Eingriff grundsätzlich misslingen könne, habe ihm der Mediziner nicht klargemacht. Er habe ihn nur auf seinen Lebenswandel angesprochen, also sei die Risikoaufklärung unzulänglich gewesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle konnte im konkreten Fall jedoch kein Aufklärungsdefizit erkennen (I U 52/22).

Chirurgische Eingriffe seien nicht immer erfolgreich, so das OLG: Möglicherweise wüssten nicht alle Patienten darüber Bescheid. Im konkreten Fall habe der Zahnarzt diese Information jedoch nicht "unterschlagen", im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem Lebenswandel des Patienten sei das Misserfolgs-Risiko sehr wohl Thema gewesen.

Der Zahnarzt habe mit ihm erörtert, inwiefern seine Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum den Erfolg der Behandlung verzögern oder gar gefährden könnten. Das Risiko eines Misserfolgs bestehe grundsätzlich immer, werde durch die Lebensführung im Einzelfall nur deutlich erhöht. Nach diesem Hinweis habe der Patient von der Möglichkeit eines Fehlschlags ausgehen müssen, auch wenn er mit dem Rauchen aufgehört hätte.

Unterhaltsschulden beim Sohn

Wie wird der Unterhalt des Vaters für ein jüngeres Kind bei der Zwangsvollstreckung berücksichtigt?

Ein Vater zahlte den Unterhalt für seinen Sohn nur sehr zögerlich und blieb immer wieder etwas schuldig. Die Mutter erwirkte im Namen des Sohnes den gerichtlichen Beschluss, das Geld per Zwangsvollstreckung einzutreiben. Nur 960 Euro monatlich sollten dem Vater für seinen Lebensunterhalt verbleiben. Gegen den Beschluss wehrte sich der Mann und verwies darauf, dass er auch für sein jüngeres Kind E Unterhalt zahlen müsse.

Laut Gesetz wäre das ein Betrag von 322 Euro monatlich gewesen. Tatsächlich zahlte der Vater aber wegen seines geringen Gehalts für E nur 248 Euro. Das Landgericht Mainz erhöhte den pfändungsfreien Betrag — d.h. den Betrag, den der Vater behalten darf — um 248 Euro. Vergeblich beantragte der Vater, den pfändungsfreien Betrag um 322 Euro zu erhöhen, also um den gesetzlich geschuldeten Unterhalt.

Der Bundesgerichtshof lehnte dies ab (VII ZB 35/20). Hier gehe es um die Frage, wie der pfändungsfreie Betrag zu bestimmen sei, wenn der Vater auch weiteren Unterhaltsberechtigten Unterhalt schulde. Konkret: Das jüngere Kind dürfe durch die Zwangsvollstreckung — die der ältere Sohn betreibe, um den Vater zur Zahlung des Unterhalts zu zwingen — nicht benachteiligt werden.

Dieses Ziel erfordere es jedoch nicht, den pfändungsfreien Betrag um die Summe zu erhöhen, die nötig wäre, um die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem jüngeren Kind ganz zu erfüllen — wenn der Vater diese tatsächlich nur teilweise erfülle. Im Gegenteil: Würde man dem Vater (= Unterhaltsschuldner) zugestehen, den gesetzlich geschuldeten Betrag von 322 Euro zu behalten, wäre gerade nicht sichergestellt, dass das jüngere Kind diesen Betrag wirklich bekomme.

Zahle ein Unterhaltspflichtiger nur unregelmäßig, sei es vielmehr praxisgerecht, beim pfändungsfreien Betrag nur den Durchschnitt des wirklich geleisteten Unterhalts zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, dass der Vater künftig an das Kind E mehr zahlen wolle bzw. könne, sei damit ja nicht ausgeschlossen. Auf Antrag könne das Gericht dafür den pfändungsfreien Betrag befristet erhöhen.

Der Vater eines nichtehelichen Kindes hat Elternrechte

Er muss bei der Adoption durch Mutter und/oder Stiefvater gefragt werden

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut eine Bestimmung des Familienrechts außer Kraft gesetzt, die zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschied. Dabei ging es um die Rolle des Vaters bei der Adoption seines nichtehelich geborenen Kindes. Wenn er bisher die Adoption durch die Mutter oder den Stiefvater nicht billigte, so war dies unerheblich. Denn das Gesetz verlangte dafür nur die Einwilligung der Mutter (§ 1747 BGB). Manche Vormundschaftsgerichte hörten den leiblichen Vater nicht einmal an.

Diese Regelung verstoße gegen das vom Grundgesetz garantierte natürliche Recht von Eltern, sich um ihre Kinder zu kümmern, entschieden nun die Karlsruher Verfassungsrichter (1 BvR 790/91). Ein Vater habe gegenüber seinem Kind Elternrechte, auch wenn er mit der Mutter nicht verheiratet sei. Dagegen spreche auch nicht, dass es nach wie vor ledige Väter gebe, die sich um ihr Kind nicht kümmerten.

Im Adoptionsverfahren müsse das zuständige Vormundschaftsgericht nichtehelichen Vätern rechtliches Gehör gewähren. Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber dürften in den genannten Fällen Adoptionen nur noch mit Zustimmung des Vaters erfolgen. Lehne er die Adoption ab, müsse das Verfahren bis zur gesetzlichen Neuregelung ausgesetzt werden.

Erbvertrag unwirksam

Ein wirksames Ehegattentestament kann einen zuvor von den Gatten geschlossenen Erbvertrag aufheben

Eine 84-jährige Witwe starb im Dezember 2021. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem gepflegten Zweifamilienhaus mit großem Grundstück. Mit ihrem zweiten Ehemann hatte die Erblasserin 1998 einen Erbvertrag geschlossen, in dem die Eheleute die Söhne der Frau aus erster Ehe zu gleichen Teilen als Erben einsetzten. Ersatzerben sollten deren Kinder sein. Sohn B war schon vor der Mutter gestorben und hinterließ eine Tochter.

Sohn K hatte seit 2009 eine Generalvollmacht der Mutter, die ihn berechtigte, in ihrem Namen alle Rechtsgeschäfte zu erledigen — falls sie selbst nicht mehr geschäftsfähig sein sollte. Die Vollmacht wurde 2021 erneuert und notariell beglaubigt. Als die Seniorin im Dezember 2021 mit Corona ins Krankenhaus aufgenommen wurde, ließ sich Sohn K vom Notar das Eigentum an der Immobilie übertragen: im eigenen Namen und im Namen der Mutter.

Dem Grundbucheintrag von K als Alleineigentümer des Hauses widersprach seine Nichte. Sie pochte auf den Erbvertrag der Großmutter von 1998, nach dem sie, die Enkelin, nach dem Tod des Vaters Ersatzerbin werden sollte. Doch zum Pech der Enkelin fanden sich im Haus der Großmutter zwei wortgleiche Ehegattentestamente der Erblasserin und ihres zweiten Ehemannes aus dem Jahr 2003: Darin legten die Eheleute fest, der Ehe- und Erbvertrag solle in einem Punkt geändert werden: Sohn K werde zum Alleinerben bestimmt.

Daraufhin wies das Oberlandesgericht Hamm den Einspruch der Enkelin ab (10 U 68/22). Unabhängig vom Notartermin, bei dem sich Sohn K das Haus habe übertragen lassen, gehöre ihm das Hausgrundstück schon aufgrund des Ehegattentestaments. Die Enkelin sei nicht Miteigentümerin geworden. Durch ein wirksames Ehegattentestament könne ein zuvor von den Eheleuten geschlossener Erbvertrag wirksam aufgehoben werden.

Und das Ehegattentestament im konkreten Fall sei wirksam. Beide Schriftstücke erfüllten die Formanforderungen: Sie seien eigenhändig verfasst, mit Ort und Datum versehen sowie von beiden Eheleuten unterschrieben. Auch das gute Schreibmaterial deute nicht darauf hin, dass die Erblasserin und ihr Ehemann nur ein unverbindliches Konzept aufsetzen wollten. Zudem hätten die Eheleute im Text einen direkten Bezug zum Erbvertrag von 1998 hergestellt: Das Ehegattentestament solle den Erbvertrag ändern, werde ausdrücklich betont. Nicht beide Söhne sollten erben, sondern K Alleinerbe werden.

Magenspiegelung ohne Schmerzmittel

Ärzte dürfen eine fehlerhafte Therapie auch auf Wunsch des Patienten nicht anwenden

Wegen häufiger Verdauungsprobleme wurde bei einem 14-Jährigen eine Magen- und Darmspiegelung vorgenommen. Beim Vorgespräch mit dem Anästhesisten äußerte die Mutter des Patienten den Wunsch, dem Jungen vor dem Eingriff ein Schmerzmittel zu verabreichen. Einige Wochen später forderte die Frau im Namen des Minderjährigen vom Ärzteteam 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Begründung: Entgegen der Absprache habe ihr Sohn während der Untersuchungen kein Schmerzmittel erhalten, die Sedierung sei unzureichend gewesen. Der Junge habe Schmerzen erlitten und fürchte sich nun schrecklich vor endoskopischen Untersuchungen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die Zahlungsklage ab (4 U 1258/22). Laut Sachverständigengutachten habe der Eingriff medizinischem Standard entsprochen.

Nur im Ausnahmefall werde zusätzlich zur Sedierung, die für sich genommen schon riskant sei, Schmerzmittel gegeben. Bei dem Jungen sei das nicht notwendig. Ob ein Behandlungsfehler vorliege oder nicht, richte sich nach dem medizinischen Standard — und nicht nach Vereinbarungen mit Patienten oder Erziehungsberechtigten. Daher könne es offenbleiben, ob der Anästhesist tatsächlich so eine Absprache getroffen habe - was er bestreite.

Auch ein unbedingter Wunsch des Patienten bzw. der Erziehungsberechtigten würde nämlich den Anästhesisten nicht dazu verpflichten, Schmerzmittel zu verabreichen, wenn dies aus medizinischer Sicht bei dieser Untersuchung nicht geboten oder sogar schädlich sei. Ärzte dürften keine medizinisch fehlerhafte Therapie anwenden, auch wenn Patienten dies ausdrücklich forderten. Dies zu unterlassen, könne also keinen Behandlungsfehler darstellen.

Nichts von dem, was die Mutter vorgetragen habe, begründe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Nach der ärztlichen Dokumentation habe der Junge tief geschlafen. Auch die gemessenen Werte sprächen dafür, dass die Sedierung bei dem Eingriff gestimmt habe. Die behaupteten Schmerzen dabei seien eine folgenlose Bagatelle gewesen. Dass der Junge weitere Eingriffe fürchte, sei ebenfalls "normal". In dem geschilderten Ausmaß seien Unwohlsein und Angst vor ärztlichen Untersuchungen alltagstypische Erscheinungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet seien.

Der Betreuerin passt die Freundin des Betreuten nicht

Sie darf seine Beziehung zu einer "guten Bekannten" nicht ohne sachlichen Grund unterbinden

Für einen alten Herrn, der im Pflegeheim lebte, hatte das Amtsgericht eine professionelle Betreuerin bestimmt, die sich um seine finanziellen und rechtlichen Belange kümmerte. Eines Tages beantragte die Betreuerin beim Amtsgericht, ihre Aufgaben zu erweitern: Sie wolle den persönlichen Umgang ihres Schützlings zu Frau M regeln.

Der Grund: Die Betreuerin fand es unmöglich, dass der Senior gelegentlich bei seiner "guten Bekannten" M übernachtete, dort auch Bier trank und erst am nächsten Tag ins Heim zurückkehrte. Der Betreute widersprach dem Antrag entschieden und bekam vom Amtsgericht Brandenburg Recht (85 XVII 127/20).

Betreuer dürften den Umgang des Betreuten allenfalls dann einschränken, wenn ein Kontakt für den Betreuten physisch oder psychisch schädlich sei. Das wäre etwa der Fall, wenn eine Bekannte/ein Bekannter Gewalt anwende oder Kontakte zu Drogen vermittle, dem Betreuten Geld oder wertvolle Sachen "abschwatze". Das treffe hier alles nicht zu.

Ohne eine konkrete Gefahr für den Betreuten dürfe eine Betreuerin den Umgang des Betreuten mit Freunden und Bekannten nicht unterbinden. Gut gemeinte "Erziehungsversuche" gegen den Willen des Betroffenen widersprächen seinem Selbstbestimmungsrecht. Der Betreute entscheide selbst, mit wem er Kontakt pflegen wolle, auch wenn das vielleicht gegen die Wertvorstellungen der Betreuerin verstoße.

Fitnessstudio ist nicht steuerlich absetzbar

Mitglieder zahlen ihre Beiträge auch für nicht ärztlich verordnete Leistungen des Studios

Wegen ihrer Rückenprobleme hatte der Hausarzt einer Patientin 2018 Wassergymnastik verordnet. Einschlägige Kurse bot das Fitnessstudio an, in dem die Frau Mitglied war. Bei ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 wollte sie die Mitgliedsbeiträge für das Studio als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Beiträge vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Dagegen wehrte sich die Steuerzahlerin, scheiterte aber mit ihrer Klage beim Finanzgericht Niedersachsen (9 K 17/21). Als "außergewöhnliche Belastung" würden nur Heilbehandlungskosten anerkannt, die der/die Steuerpflichtige "zwangsläufig" tragen müsse, so das Finanzgericht.

Mit den Mitgliedsbeiträgen fürs Fitnessstudio bezahlten die Mitglieder jedoch auch Leistungen des Studios, die mit den ärztlich verordneten Kursen überhaupt nicht zusammenhängen: z.B. die Sauna oder die Nutzung des Schwimmbades für nicht ärztlich verordnete Aqua-Fitnesskurse. Solche Leistungen würden nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Personen in Anspruch genommen.

Unerheblich sei, ob die Steuerzahlerin die Sauna tatsächlich nutze oder nicht: Jedenfalls seien ihre Aufwendungen für das Fitnessstudio nicht (oder zumindest nicht vollständig) als zwangsläufige Heilbehandlungskosten einzustufen. Daher stellten sie auch keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar.

Zu wenig Bedenkzeit vor der Nasenoperation?

Die Zustimmung des Patienten kann auch wirksam sein, wenn er sie sofort nach dem Aufklärungsgespräch erklärt

Nach einer missglückten Nasenoperation, bei der eine Hirnblutung aufgetreten war, verlangte ein Bremer Schadenersatz von der Klinik. Sein Vorwurf: Man habe ihm zu wenig Zeit gelassen, die Entscheidung zu überdenken. Daher sei seine Zustimmung zu dem Eingriff unwirksam gewesen.

Tatsächlich hatte der Patient das Einwilligungsformular drei Tage vor dem Eingriff unterschrieben — allerdings direkt nach dem Aufklärungsgespräch über die Operationsrisiken.

Nach den geltenden Regeln muss die Risikoaufklärung vor einer Operation so früh erfolgen, dass der Patient "wohlüberlegt" entscheiden kann. Dieser Grundsatz sei hier verletzt worden, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen: Dem Patienten stehe wegen der fehlenden Bedenkzeit nach dem Aufklärungsgespräch Schadenersatz zu. Dem widersprach jedoch der Bundesgerichtshof (VI ZR 375/21).

Hier könne sogar offenbleiben, ob der Patient eventuell beim Gespräch vom HNO-Arzt zu einer schnellen Entscheidung gedrängt worden sei, so die Bundesrichter. Das spiele keine Rolle, weil der Mann drei Tage später wie vereinbart in der Klinik erschienen sei. Also habe er genügend Zeit gehabt, seine Entscheidung zu überdenken. Danach habe er stillschweigend nochmals in die Operation eingewilligt, indem er sich in der Klinik aufnehmen ließ.

Patienten müssten rechtzeitig vor einem Eingriff vom behandelnden Arzt über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Das bedeute aber nicht, dass man unbedingt einen Mindestabstand zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Zustimmungserklärung des Patienten einhalten müsse. Vorausgesetzt, die Risikoaufklärung sei korrekt erfolgt, sei es grundsätzlich die Sache des Patienten, wie schnell er sich pro oder contra entscheide.

Der Rechtsstreit wurde ans OLG zurückverwiesen. Es soll nun klären, ob möglicherweise ein Behandlungsfehler vorlag. Damit hatte sich das OLG nicht befasst. Aus seiner Sicht war das folgerichtig, weil es den Anspruch des Patienten auf Schadenersatz bereits wegen der fehlenden Bedenkzeit bejaht hatte.

Neue Familie, neuer Familienname?

Stimmt der leibliche Vater des Kindes der Namensänderung nicht zu, ist sie nur schwer durchzusetzen

Die Mutter eines 2008 geborenen Mädchens hat nach dem Scheitern der ersten Ehe wieder geheiratet und ein weiteres Kind bekommen. Sie möchte, dass ihre Tochter den neuen Familiennamen trägt und die Tochter wünscht sich das auch. Doch der psychisch erkrankte leibliche Vater, der zu dem Mädchen seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, konnte sich nicht dazu durchringen, der Namensänderung zuzustimmen.

Ohne Einwilligung des leiblichen Vaters ist es nicht einfach, eine Namensänderung zu erreichen. Das gilt sogar dann, wenn die Mutter — wie hier — das alleinige Sorgerecht für das Kind hat.

Das Familiengericht kann die Einwilligung des Vaters "ersetzen", aber nur, wenn es "für das Kindeswohl erforderlich" ist. Allein das Interesse daran, dass alle Mitglieder der "neuen Familie" den gleichen Namen tragen, genügt dafür nicht. Denn der Gesetzgeber hält auch das "Namensband" für wichtig, also die Bindung des Kindes zum "namensgebenden", nicht sorgeberechtigten Elternteil: Namenskontinuität soll die Regel sein.

Im konkreten Fall hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gegen den Willen des Vaters der Namensänderung zugestimmt. Begründung: Das Thema Familienname belaste das Mädchen so sehr, dass es zu weinen beginne, sobald es nur zur Sprache komme. Und in der Schule müsse es ständig erklären, warum es anders heiße als seine Mutter. Dabei habe doch das Kind ohnehin keine Bindung mehr an den Vater.

Dieser Argumentation widersprach der Bundesgerichtshof (XII ZB 29/20). Man müsse hier das Kindeswohl und das Interesse des Vaters an der Namenskontinuität gründlich abwägen. Allein die Tatsache, dass es so lange keinen Kontakt zwischen Vater und Kind gegeben habe, belege nicht, dass er sich für das Mädchen nicht interessiere. Das OLG habe die psychischen Probleme des Vaters außer Acht gelassen, die für den mangelnden Kontakt der Grund sein könnten.

Darüber hinaus habe das OLG das Mädchen selbst dazu nicht angehört und auch nicht geprüft, ob der Wunsch des Kindes mit einem Doppelnamen erfüllt werden könnte. Es würde den Interessen beider Seiten Rechnung tragen, entweder den Namen des Vaters an den der Stieffamilie anzuhängen oder den Namen des Vaters dem Namen der Stieffamilie voranzustellen. Das OLG hätte die Namensänderung jedenfalls nicht billigen dürfen, ohne vorher zu klären, ob ein Doppelname in Betracht komme.

Risiko in der Schwangerschaft

Für nicht zugelassene Medikamente muss die Krankenkasse nur in Notfällen zahlen

Eine schwangere Frau hat sich mit dem Zytomegalievirus angesteckt. Es ist für die Frau selbst nicht gefährlich. Wenn sich dagegen ein ungeborenes Kind damit infiziert, kann das unter Umständen sogar eine Fehlgeburt auslösen. Statistisch gesehen, ist das Risiko aber gering: Die meisten Kinder, deren Mütter sich während der Schwangerschaft mit dem Zytomegalievirus infizieren, kommen gesund zur Welt.

Die Schwangere beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Medikament, das angeblich die Gefahr verringert, dass sich das ungeborene Kind ansteckt. Das Arzneimittel ist allerdings noch nicht vollständig erforscht und deshalb nicht zugelassen. Aus diesem Grund lehnte die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme ab.

Zu Recht, entschied das Bundessozialgericht (B 1 KR 7/22 R). Nur in extremen Ausnahmefällen hätten die Versicherten Anspruch auf Medikamente, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ständen. Das sei nur der Fall, wenn sich eine versicherte Person in einer "notstandsähnlichen Situation" befinde. Nur in Notfällen müsse die Krankenkasse nicht zugelassene Arzneimittel finanzieren.

Das gelte auch für ungeborene Kinder. Schwangere Frauen könnten die Kostenübernahme nur verlangen, wenn dem ungeborenen Kind eine gefährliche Infektion drohe und eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder schweren Krankheitsverlauf bestehe. Doch das Risiko einer Fehlgeburt durch das Zytomegalievirus sei gering.

Mehr Einfluss für den Berufsbetreuer?

Legt die Betreute Einspruch ein, muss das Gericht prüfen, ob sie das Für und Wider vernünftig abwägen kann

Für eine Frau, die nach einem Schlaganfall an kognitiven Störungen leidet und körperlich behindert ist, war ein Berufsbetreuer bestellt worden. 2020 erweiterte das Amtsgericht dessen Kompetenzen um das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und bei der Vermögenssorge. Künftig sollten alle Ausgaben der Betreuten mit einem Wert von mehr als 75 Euro von der Zustimmung des Betreuers abhängen ("Einwilligungsvorbehalt").

Gegen diese Entscheidung und die Auswahl des Berufsbetreuers legte die Frau Rechtsbeschwerde ein. Während das Landgericht die Beschwerde rundweg ablehnte, erreichte die Betreute beim Bundesgerichtshof zumindest einen vorläufigen Erfolg (XII ZB 158/21). Gegen den freien Willen des/der Betreuten dürfe eine Betreuung weder eingerichtet, noch erweitert werden, betonten die Bundesrichter.

Wenn der/die Betroffene so einer Maßnahme widerspreche, müsse das Gericht prüfen, ob er/sie trotz der Krankheit noch zu freier Willensbestimmung fähig sei. Entscheidend sei, ob Betreute den Grund und die Tragweite der Maßnahme intellektuell erfassen könnten oder nicht. Wenn die Betreute im konkreten Fall in der Lage sei, ihre Defizite richtig einzuschätzen und die Vor- und Nachteile der Maßnahme abzuwägen, dann beruhe ihr Einspruch auf ihrem freien Willen und sei zu berücksichtigen.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten belegten nicht, dass die Betreute außerstande sei, Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Da werde festgestellt, diese Fähigkeit sei "in der Beziehung zu ihrer dominanten Jugendfreundin stark eingeschränkt, deren Dominanz könne die Betreute keine eigenen Entscheidungen entgegensetzen … Das reiche nicht aus, um der Frau objektiv die Fähigkeit zu freier Willensbildung abzusprechen. Das Landgericht müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und eventuell ein weiteres Gutachten anfordern.

Weiß ein Selbstmörder, was er tut?

Lebensversicherung zahlt nur ausnahmsweise bei Suizid

Die Lebensversicherung zahlt im Prinzip nicht, wenn sich der Versicherte selbst das Leben genommen hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Selbstmord auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit zurückzuführen, der Verstorbene also nicht mehr Herr seines Willens war.

Auf diese Ausnahme berief sich ein Ehemann, der nach dem Suizid seiner Frau die vereinbarte Versicherungssumme von 128.000 DM forderte. Seine Frau habe die Trennung von ihm nicht verarbeiten können und ohne Rücksicht auf ihre mütterliche Pflicht gegenüber den Kindern gehandelt. Dieser Realitätsverlust zeige eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe verweigerte die Versicherung die Zahlung aber zu Recht (12 U 24/93).

Der Selbstmord der Frau möge zwar unerklärlich erscheinen, weil er sich als weit übersteigerte Reaktion auf Eheprobleme, insbesondere die Untreue des Mannes, darstelle. Das allein lasse aber noch nicht den Schluss zu, dass die Frau nicht mehr gewusst habe, was sie tat. Der Sachverständige habe ihr zwar neurotische Depression attestiert, dabei handle es sich jedoch nicht um eine krankhafte psychische Störung. Daher sei die Lebensversicherung nicht zur Leistung verpflichtet.

Pflegende Mutter überschuldet

An pflegende Personen weitergeleitetes Pflegegeld ist nicht als Arbeitseinkommen pfändbar

Die Mutter eines autistischen Sohnes pflegt ihn alleine und erhält dafür sein Pflegegeld. Die verschuldete Frau musste sich einem Privatinsolvenzverfahren unterziehen. Bei der Berechnung ihres pfändbaren Einkommens wollte der Insolvenzverwalter auch das Pflegegeld berücksichtigen, das der Sohn an sie weiterleitete: Auch das Pflegegeld sei als Arbeitseinkommen anzusehen, fand der Insolvenzverwalter.

Dagegen wehrte sich die Schuldnerin und bekam vom Amtsgericht Recht. Auch der Bundesgerichtshof urteilte, das Pflegegeld sei bei der/bei dem Pflegenden unpfändbar (IX ZB 12/22). Dafür spreche in erster Linie der Sinn dieser Leistung, so die Bundesrichter. Der autistische Sohn, der das Geld an seine Mutter weiterleite, bekomme durch ihre Pflege die Möglichkeit, sein Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen.

Das Pflegegeld sei sozusagen die Belohnung dafür, dass die Pflegeperson Opfer bringe und ein Anreiz, um die Pflegebereitschaft zu erhöhen. Diesen Sinn würde die Geldleistung verlieren, wenn sie wie Arbeitseinkommen pfändbar wäre. Würde es einem Gläubiger der Mutter zugesprochen, widerspräche das dem Interesse des Pflegebedürftigen, die Mutter für ihre Opferbereitschaft zu belohnen.

Wenn Chemotherapie nicht mehr hilft

Private Krankenversicherung muss dann u.U. eine alternative Therapie finanzieren

Bei einem Krebspatienten war die Krankheit so weit fortgeschritten, dass die Chemotherapie nichts mehr brachte: Es bildeten sich immer weitere Metastasen, die nicht operiert werden konnten. Deshalb entschied sich der Mann für eine alternative Behandlungsmethode: eine dentritische Zelltherapie.

Bei dieser Behandlung wird eine Immunreaktion gegen die entarteten Tumorzellen angestrebt. Um diese Reaktion zu erzielen, werden dem Krebspatienten dentritische Zellen entnommen, im Labor auf seinen Tumor ausgerichtet und ihm dann wieder eingesetzt, um gegen die Krebszellen anzukämpfen.

Im konkreten Fall übernahm die private Krankenversicherung nur die Hälfte der hohen Behandlungskosten. Nach dem Tod des Krebspatienten verklagte die Witwe das Versicherungsunternehmen auf Zahlung des vollständigen Betrags.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab ihr Recht (7 U 140/20). Die dentritische Zelltherapie sei eine alternative Behandlungsmethode, die auf einem wissenschaftlich fundierten Ansatz beruhe, so das OLG.

Daher verspreche diese Therapie einen gewissen Erfolg, auch wenn sie noch nicht lange erprobt und allgemein anerkannt sei. Heilung sei bei Krebs im fortgeschrittenen Stadium zwar ausgeschlossen. Aber mit der Zelltherapie habe wenigstens die Aussicht bestanden, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und den Patienten zu stabilisieren. Daher müsse die Krankenversicherung die Behandlungskosten vollständig übernehmen.

Tödliche Schönheitsoperationen

Zwei Frauen starben nach dem Eingriff an Kreislaufversagen: Der Arzt muss ins Gefängnis

Ein Düsseldorfer Facharzt für Innere Medizin führte in seiner Praxis ambulant kosmetische Operationen durch: vor allem "Eigenfett-Transferbehandlungen", für die keine medizinische Notwendigkeit besteht. Dabei wird Körperfett abgesaugt und ein Teil der abgesaugten Fettzellen anderen Körperregionen (Brüste, Gesäß) wieder zugeführt.

2018 und 2019 starben zwei Frauen nach diesem Eingriff an Kreislaufversagen. Ausgelöst wurde das Kreislaufversagen durch die Entnahme einer großen Menge Gewebeflüssigkeit, zusätzlich durch Blutverlust und dadurch, dass Fettanteile in den Blutkreislauf gelangten und Gefäße verstopften.

Das Landgericht Düsseldorf hat den Arzt wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, weil er die Patientinnen über die Risiken der Behandlung ungenügend aufgeklärt hatte.

Hintergrund: Ohne wirksame Einwilligung des Patienten gilt eine Operation als Körperverletzung. Hat er ihr zugestimmt, wird jedoch über die Risiken nicht ausreichend aufgeklärt, ist die Einwilligung unwirksam und der Eingriff damit eine Körperverletzung.

Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Angeklagten und bestätigte das Strafmaß (3 StR 162/22). Nach der Beweisaufnahme des Landgerichts stehe Folgendes fest: Der Arzt habe die Patientinnen nicht darüber informiert, dass bei der Eigenfett-Transferbehandlung die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen steige, je größer die entnommene und wieder zugeführte Gewebemenge sei. Das Risiko sinke wesentlich, wenn man das Absaugen und das Wieder-Zuführen des Fettgewebes auf mehrere Eingriffe verteile.

Hätten die verstorbenen Frauen gewusst, wie hoch das Risiko bei der vorgeschlagenen Vorgehensweise war, und hätten sie die genannte alternative Methode gekannt, hätten sie auf keinen Fall in den Eingriff eingewilligt und sich nicht auf diese Weise operieren lassen.

Das Gefängnis bleibt dem Mediziner also nicht erspart. Zusätzlich zur Freiheitsstrafe wurde ihm für vier Jahre verboten, chirurgische Eingriffe vorzunehmen oder dabei zu assistieren.

Scheidungswillige Ehefrau überlegt es sich anders

Nach dem Trennungsjahr wird die Ehe dennoch geschieden, wenn der Ehemann darauf besteht

Im März 2022 wurde ein Berliner Ehepaar geschieden. Das Paar lebte seit Oktober 2020 getrennt, beide Partner haben die Scheidung beantragt. Doch beim Scheidungstermin im März 2022 erklärte die Ehefrau, sie ziehe ihren Scheidungsantrag zurück. Sie wolle sich nun doch mit ihrem Mann versöhnen. Daran sei er nicht interessiert, stellte der Ehemann klar, er wolle geschieden werden. Das Familiengericht sprach die Scheidung aus.

Dagegen legte die Frau beim Kammergericht Berlin erfolglos Beschwerde ein (16 UF 65/22). Wenn Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide die Scheidung beantragt hätten, gehe die Justiz vom Scheitern der Ehe aus, stellte das Gericht fest. Das treffe hier zu. Nach Aussagen beider Partner habe der Ehemann im Oktober 2020 die Frau aus der damaligen Ehewohnung "hinausgeworfen". Sie lebten also seit einem Jahr und neun Monaten getrennt.

An diesem Fakt ändere sich nichts, auch wenn jetzt die Frau die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen wolle. Denn ihr Mann habe klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, zu ihr zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen. Auch wenn sich nur ein Partner endgültig abwende und auf der Scheidung bestehe, sei eine Ehe als "irreparabel" zerrüttet anzusehen.

Als Antwort auf ihre Rechtsbeschwerde habe der Mann erneut seinen Scheidungswillen betont und erklärt, sein Wille sei seiner Frau bestens bekannt. Ihre Beschwerde diene nur dazu, das Verfahren zu verzögern. Angesichts dieser Reaktion stehe fest: Versöhnung sei keinesfalls zu erwarten.

Videokameras am Doppelhaus

Mutter befürchtet, vom Sohn überwacht zu werden: Müssen die Kameras wieder weg?

In ländlicher Umgebung hatte die Familie vor vielen Jahren ein Doppelhaus gebaut. Eine Hälfte bewohnt die Mutter mit ihrem Ehemann, die andere Hälfte ihr Sohn. Weitere Nachbarn gibt es nicht. Mutter und Sohn sind seit Jahren total zerstritten. Im Sommer 2020 installierte er vor und hinter seiner Haushälfte zwei Highend-Kameras mit intelligenter Videotechnologie.

Sie können Daten speichern und verarbeiten, Personen zählen und erkennen. Die vordere Kamera erfasste den gesamten Einfahrtsbereich und die Zufahrtstraße. Die hintere Kamera war auf die Gärten hinter dem Doppelhaus und die angrenzenden Felder ausgerichtet.

Nach einem Streit über die Videokameras erhielt die Mutter ein Anwaltsschreiben: Darin teilte der Sohn mit, auf seinem Grundstück seien bereits Reifen zerstochen worden und sein neues Auto sei "diebstahlsgefährdet". Deshalb benötige er Überwachungskameras. Alle gefilmten Bereiche, die nicht zu seinem Grundstück gehörten, würden verpixelt.

Darauf wollte sich die Mutter aber nicht verlassen: Filmaufnahmen störten ihre Privatsphäre, die "Verpixelung" könne jederzeit aufgehoben werden. Sie zog vor Gericht und verlangte, der Sohn müsse die Aufnahmegeräte entfernen.

Das Amtsgericht Bad Iburg gab ihr Recht (4 C 366/21). So, wie die Videokameras jetzt installiert und ausgerichtet seien, verletze dies das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn. Und zwar unabhängig davon, ob die Kameras tatsächlich Teile des Grundstücks nebenan erfassten.

Ein Unterlassungsanspruch der Nachbarn bestehe bereits dann, wenn diese objektiv befürchten müssten, überwacht zu werden — was angesichts des langwierigen Familienkonflikts durchaus nachvollziehbar erscheine. Wie sich auch im Prozess gezeigt habe, sei das familiäre Verhältnis durch und durch von Misstrauen geprägt. Der bedrückende Gedanke, möglicherweise ständig gefilmt zu werden, setze die Mutter und ihren Ehemann unter "Überwachungsdruck".

Daher müsse der Sohn die Kameras entfernen oder so anbringen, dass die Linsen das Nachbargrundstück erfassen könnten. Die Verpixelung ändere am Unterlassungsanspruch der Nachbarn nichts: Man könne sie in der Tat unschwer rückgängig machen und das sei von außen nicht zu überprüfen.