Eine 84-jährige Witwe starb im Dezember 2021. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem gepflegten Zweifamilienhaus mit großem Grundstück. Mit ihrem zweiten Ehemann hatte die Erblasserin 1998 einen Erbvertrag geschlossen, in dem die Eheleute die Söhne der Frau aus erster Ehe zu gleichen Teilen als Erben einsetzten. Ersatzerben sollten deren Kinder sein. Sohn B war schon vor der Mutter gestorben und hinterließ eine Tochter.
Sohn K hatte seit 2009 eine Generalvollmacht der Mutter, die ihn berechtigte, in ihrem Namen alle Rechtsgeschäfte zu erledigen — falls sie selbst nicht mehr geschäftsfähig sein sollte. Die Vollmacht wurde 2021 erneuert und notariell beglaubigt. Als die Seniorin im Dezember 2021 mit Corona ins Krankenhaus aufgenommen wurde, ließ sich Sohn K vom Notar das Eigentum an der Immobilie übertragen: im eigenen Namen und im Namen der Mutter.
Dem Grundbucheintrag von K als Alleineigentümer des Hauses widersprach seine Nichte. Sie pochte auf den Erbvertrag der Großmutter von 1998, nach dem sie, die Enkelin, nach dem Tod des Vaters Ersatzerbin werden sollte. Doch zum Pech der Enkelin fanden sich im Haus der Großmutter zwei wortgleiche Ehegattentestamente der Erblasserin und ihres zweiten Ehemannes aus dem Jahr 2003: Darin legten die Eheleute fest, der Ehe- und Erbvertrag solle in einem Punkt geändert werden: Sohn K werde zum Alleinerben bestimmt.
Daraufhin wies das Oberlandesgericht Hamm den Einspruch der Enkelin ab (10 U 68/22). Unabhängig vom Notartermin, bei dem sich Sohn K das Haus habe übertragen lassen, gehöre ihm das Hausgrundstück schon aufgrund des Ehegattentestaments. Die Enkelin sei nicht Miteigentümerin geworden. Durch ein wirksames Ehegattentestament könne ein zuvor von den Eheleuten geschlossener Erbvertrag wirksam aufgehoben werden.
Und das Ehegattentestament im konkreten Fall sei wirksam. Beide Schriftstücke erfüllten die Formanforderungen: Sie seien eigenhändig verfasst, mit Ort und Datum versehen sowie von beiden Eheleuten unterschrieben. Auch das gute Schreibmaterial deute nicht darauf hin, dass die Erblasserin und ihr Ehemann nur ein unverbindliches Konzept aufsetzen wollten. Zudem hätten die Eheleute im Text einen direkten Bezug zum Erbvertrag von 1998 hergestellt: Das Ehegattentestament solle den Erbvertrag ändern, werde ausdrücklich betont. Nicht beide Söhne sollten erben, sondern K Alleinerbe werden.