Familie & Gesundheit

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Chefarzt behandelte Krebskranke ...

... mit von der Krankenkasse nicht anerkannter Methode: Kostenerstattung?

Der Hausarzt hatte die an Darmkrebs leidende Frau 2005 an eine Frankfurter Klinik überwiesen. Dort sollte der Radiologe Professor V ambulant eine Chemo-Embolisation durchführen. Obwohl die gesetzlich versicherte Patientin einen Überweisungsschein ihrer Krankenkasse vorlegte, verlangte Chefarzt V von ihr, ein Formular für private Behandlung zu unterschreiben.

Ohne die Patientin darüber zu informieren, wandte der Professor nicht die verordnete, sondern eine andere Behandlungsmethode an (transarterielle Chemo-Perfusion). Die Krankenkasse lehnte es deshalb ab, die Behandlungskosten zu erstatten: Diese Methode gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Gegen den Bescheid zog die Frau vor das Sozialgericht und verlor den Prozess.

2008 starb die Versicherte. Ihr Ehemann legte Berufung ein und erreichte beim Landessozialgericht Hessen zumindest einen Teilerfolg (L 8 KR 313/08). Vor dem negativen Bescheid der Krankenkasse habe die Frau - weil sie vom Chefarzt im Unklaren gelassen wurde - angenommen, sie erhalte eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse. Sie habe nicht bewusst eine "nicht system-konforme Leistung gewählt".

Deshalb müsse die Krankenkasse die Behandlung, die bis zu diesem Zeitpunkt stattfand, finanzieren (18.700 Euro) - obwohl die Versicherte einen Privatbehandlungsvertrag unterzeichnet habe. Das Fehlverhalten des Chefarztes sei dem System der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen. Vom Chefarzt unter Druck gesetzt, habe die schwer kranke Frau unterschrieben, weil sie dachte, damit (nur) die Chefarztleistungen abzusichern.

So ein Systemversagen dürfe nicht zu Lasten des Patienten gehen. Erst ab dem Zeitpunkt, an dem die Patientin darüber Bescheid wusste, dass sie vom Chefarzt einer nicht anerkannten Chemo-Perfusion unterzogen wurde, müsse sie bzw. der Witwer die Behandlungskosten (50.000 Euro) tragen.

Berliner zieht zum Partner nach München

In Berlin Job gekündigt: Jobcenter darf ihm deswegen nicht das Arbeitslosengeld sperren

Wieder ein Schritt in Richtung Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften: Kündigt einer der Partner sein Arbeitsverhältnis, um zum Partner in eine andere Stadt zu ziehen, darf ihm deshalb nicht das Arbeitslosengeld gesperrt werden, entschied das Sozialgericht München (S 57 AL 816/08).

Der konkrete Fall: Nach fünf Jahren Arbeit am Empfang eines Berliner Hotels kündigte der Rezeptionist das Arbeitsverhältnis. Denn sein Freund, mit dem er in Berlin schon einige Jahre zusammengelebt hatte, musste aus beruflichen Gründen nach München ziehen. Eine Trennung kam für den Hotel-Angestellten nicht in Frage, also zog er ebenfalls um.

In München fand er nicht gleich eine Arbeitsstelle. Der Mann meldete sich beim Jobcenter arbeitslos. Doch Geld sah er erst mal nicht: Die Behörde sperrte für zwölf Wochen das Arbeitslosengeld, weil er freiwillig seinen Arbeitsplatz aufgegeben und so selbst die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Ein wichtiger Grund dafür sei nicht erkennbar …

Gegen den ablehnenden Bescheid des Jobcenters klagte der Neu-Münchner und pochte auf Gleichbehandlung: Bei Partnerschaften zwischen Mann und Frau werde es regelmäßig als akzeptabler Grund für eine Kündigung anerkannt, wenn jemand zum Partner ziehen wolle. Da werde keine Sperre verhängt.

Das Sozialgericht München gab dem Mann in diesem Punkt Recht: Wer wegen des Nachzugs zum gleichgeschlechtlichen Partner kündige, gegen den dürfe keine Arbeitslosengeld-Sperre verhängt werden. Ob ein "wichtiger Grund" vorliege oder nicht, dürfe nicht von der sexuellen Orientierung abhängen, das wäre willkürlich. Ausschlaggebend sei die Intensität der Beziehung: Und die sei hier durchaus mit einer Ehe vergleichbar.

Trotzdem wurde die Klage des ehemaligen Hotelangestellten abgewiesen: Weil er nicht alle "zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um Arbeitslosigkeit infolge des Umzugs" abzuwenden. Er hätte rechtzeitig - d.h. vor der Kündigung im Hotel - das Arbeitsamt einschalten und sich schon von Berlin aus intensiv um Arbeit in München bemühen müssen.

Kindertagesstätte kündigt Betreuungsvertrag

Eine Kündigungsfrist von drei Monaten ist nicht zu beanstanden

Ab Herbst 2007 besuchte der (jetzt fünf Jahre alte) Sohn berufstätiger Eltern eine Münchner Kindertagesstätte mit Ganztagsbetreuung. Das Kind leidet an hochgradiger Allergie. In der Kindertagesstätte deponierten die Eltern deshalb eine Notfallkiste für ihn mit verschiedenen Medikamenten und einem Notfallpass. Ende März 2011 kündigte die Kindertagesstätte den Betreuungsvertrag zum 30. Juni, ohne dies zu begründen.

Dagegen klagten die Eltern: Die Kündigungsfrist von drei Monaten (die allerdings im Betreuungsvertrag so vereinbart war) sei zu kurz. Zudem sollten Kinder aus pädagogischen Gründen die gesamte Kindergartenzeit in einer Einrichtung verbringen. Im Übrigen sei die Kündigung schon deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie letztlich wegen der Allergie und den damit verbundenen Umständen ausgesprochen worden sei. Darüber hätten die Betreuer aber von Anfang an Bescheid gewusst.

Die Kindertagesstätte hielt jedoch das Risiko eines allergischen Schocks für zu groß für die Mitarbeiter. Und die vereinbarte Kündigungsfrist sei wesentlich länger als die gesetzlich vorgeschriebene von zwei Wochen.

So sah es auch das Amtsgericht München: Die Kündigung sei wirksam (222 C 8644/11). Gemäß dem bürgerlichen Gesetzbuch könnten Dienstverträge ohne Angabe von Gründen in den ersten zwei Wochen jedes Monats bis zum Monatsende gekündigt werden. Die Kündigungsklausel im Betreuungsvertrag sehe eine großzügigere Regelung vor und gelte für beide Seiten. Das sei nicht zu beanstanden.

Ein Wechsel der Kindertagesstätte sei nicht ideal, aber zu verkraften. Anders als in der Schule gebe es kein "Kindergartenjahr", das es für den Jungen zwingend notwendig machen würde, in der Einrichtung zu bleiben. Kindergartenplätze seien zwar in München ein knappes Gut. Da der Junge aber über drei Jahre alt sei, hätten die Eltern einen Rechtsanspruch auf einen anderen Kindergartenplatz. Die Kündigungsregelung benachteilige sie daher nicht unangemessen.

Als dritten Vornamen kann ein Mädchen ...

... auch den Geburtsnamen des Vaters - "Bock" - führen

Die Eltern des Mädchens hatten bei der Heirat ihre Geburtsnamen beibehalten und keinen Ehenamen bestimmt. Für die im März 2009 geborene Tochter wählten sie den Familiennamen der Mutter als Nachnamen. Auf dem Standesamt erklärten die Eltern, das Mädchen solle die Vornamen "Clara Elisabeth Bock" erhalten. Bock ist der Nachname des Vaters.

Das sollte die Verbundenheit zwischen Vater und Tochter dokumentieren, aber auch deren koreanische Wurzeln. Denn die Großmutter mütterlicherseits, die vor 35 Jahren Deutsche wurde, stammt aus Korea. Und im Koreanischen bedeutet "Bock" Glück. Das Standesamt hielt den Vornamen "Bock" für unzulässig und legte das Problem der Justiz vor.

Das Landgericht fand den Namen ebenso fragwürdig wie die Standesbeamten: "Bock" ähnele keinem einzigen weiblichen Vornamen und werde im deutschen Sprachgebrauch nur zur Bezeichnung männlicher Tiere wie "Ziegenbock" verwendet. Das werde später Anlass für Hänseleien und sexuell motivierte Wortspiele bieten - "geiler Bock", "bockig", "null Bock" - und so möglicherweise das Wohl des Kindes beeinträchtigen.

Doch das Oberlandesgericht Frankfurt teilte diese Bedenken nicht und wies das Standesamt an, den Namen in das Geburtenregister einzutragen (20 W 284/10). Dass der Name "Bock" nur als Nachname gebräuchlich sei, gefährde das Wohl des Kindes nicht. Das Recht der Eltern, Namen frei zu wählen, umfasse auch ausgefallene oder der Phantasie entstammende Vornamen. Das Geschlecht des Kindes brächten die ersten beiden Vornamen deutlich genug zum Ausdruck.

Außerdem sei der Name "Bock" für das Kind identitätsstiftend, weil er die besondere Beziehung zum Vater und zur Großmutter reflektiere. Witzeleien in Kindergarten oder Schule könne die Familie später vermeiden, indem sie den dritten Vornamen im Alltag nicht gebrauche - das sei ohnehin üblich. Letztlich sei es nicht die Aufgabe der Standesämter und Gerichte, Eltern zur Wahl sinnvoller Namen für die Kinder anzuregen.

Tochter betreut eigenes Kind ...

... und beginnt erst danach ein Studium: Damit verwirkt sie nicht den Ausbildungsunterhalt

2001 hatte die 20-Jährige das Abitur gemacht und anschließend ein freiwilliges soziales Jahr geleistet. Anfang 2003 bekam die unverheiratete junge Frau ein Kind, das sie dreieinhalb Jahre betreute. Ab Oktober 2006 studierte sie Sozialpädagogik und schloss das Studium 2009 ab. Da ihr (geschiedener) Vater keinen Ausbildungsunterhalt zahlte, bekam sie vom BAföG-Amt 585 Euro monatlich als Vorschuss. Vom Vater des Kindes erhielt die Studentin kein Geld.

Ihren eigenen Vater verklagte sie auf Unterhalt, um die Schuldenlast beim BAföG-Amt zu reduzieren. Er müsse der Tochter nachträglich 206 Euro pro Monat zahlen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte das Urteil (XII ZR 127/09). Vergeblich wandte der Vater ein, die Tochter habe ihre Ausbildung alles andere als zielstrebig und konsequent betrieben. Daher schulde er keinen Unterhalt.

Die junge Frau habe das Studium verzögert begonnen, aber aus gutem Grund, fand der BGH. Ein "soziales Jahr" sei ihr im Rahmen einer Orientierungsphase zuzugestehen. Und ein Kind zu erziehen, verletze erst recht nicht die Pflicht, sich zügig und ernsthaft um eine Berufsausbildung zu bemühen. Sie habe daher Anspruch auf Ausbildungsunterhalt.

In den ersten drei Lebensjahren sei es geboten, ein Kind persönlich zu betreuen. Danach habe die Tochter zum nächstmöglichen Termin mit dem Studium begonnen und es in der Regelstudienzeit beendet. Der Vater müsse ebenso wie die Mutter für einen Teil des Bedarfs der Tochter einstehen. Dass die Tochter - immer noch traumatisiert durch die Scheidung der Eltern - Kontakt mit ihm ablehne, berechtige ihn auch nicht dazu, den geringen Unterhaltsbetrag zu verweigern.