Europa und internationales Recht

Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit?

EuGH: Auch wenn Arbeitnehmer Bereitschaftszeit zu Hause verbringen, kann sie zur Arbeitszeit gehören

Ein Feuerwehrmann der belgischen Stadt Nivelles verlangte von der Kommune Entschädigung für Bereitschaftsdienste. Jeden Monat schob er eine Woche Bereitschaftsdienst, die Zeit ist seiner Ansicht nach als Arbeitszeit anzusehen. Über diesen Rechtsstreit sollte der Arbeitsgerichtshof Brüssel entscheiden. Er bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung der Frage, ob zu Hause verbrachte Bereitschaftszeit nach EU-Recht als Arbeitszeit gilt.

Unter bestimmten Bedingungen sei diese Frage mit "Ja" zu beantworten, erklärte der EuGH, und die seien im konkreten Fall erfüllt (C-518/15). Denn der Feuerwehrmann müsse offenbar während seines Bereitschaftsdienstes für den Arbeitgeber nicht nur erreichbar sein. Er sei darüber hinaus verpflichtet, sich in dieser Zeit zu Hause aufzuhalten und einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten.

Selbst wenn sich der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht am Arbeitsplatz, sondern in der Wohnung aufhalte: Die Pflicht, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, und die Auflage, sich bei einem Einsatz innerhalb kürzester Zeit am Arbeitsplatz einzufinden, schränke die Möglichkeiten des Arbeitnehmers erheblich ein, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen.

Unter diesen Umständen sei Bereitschaftszeit allemal als Arbeitszeit einzustufen. Die Frage des Arbeitsentgelts regle die EU-Arbeitszeitrichtlinie allerdings nicht einheitlich: Die Mitgliedsstaaten könnten im nationalen Recht bestimmen, dass Arbeitnehmer für die "Arbeitszeit" anders bezahlt werden als für die "Ruhezeit".

In Deutschland steht nach einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts von 2016 (5 AZR 716/15) Arbeitnehmern für Bereitschaftsdienst der Mindestlohn zu. Diesen Lohn darf der Arbeitgeber allerdings kürzen, wenn der Arbeitnehmer in der normalen Arbeitszeit mehr als den Mindestlohn verdient.

Wer für Bereitschaftsdienst unter den vom EuGH formulierten Bedingungen vom Arbeitgeber keine Entschädigung oder Freizeitausgleich bekommt, kann sich auf das Urteil des EuGH berufen und seine Ansprüche geltend machen.

Polnischer Übersiedler nicht als vertriebener Deutscher anerkannt

Der Sohn eines Deutschen aus Posen hält den "Versailler Vertrag" für ungültig

1985 übersiedelte ein Mann in die Bundesrepublik, der 1943 in Posen (Polen) geboren worden war. Sein Vater (Jahrgang 1911) besaß noch die deutsche Staatsangehörigkeit, weil Posen vor dem Ersten Weltkrieg zu Preußen gehörte. Der Sohn verlangte nun, als vertriebener Deutscher anerkannt zu werden. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags sei sein Vater zwar Pole geworden. Dieses Abkommen sei Deutschland jedoch nach der Niederlage von 1919 von den Siegern abgepresst worden. Es verstoße gegen die Menschenrechte und habe für ihn daher keine Gültigkeit.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte den Mann jedoch nicht als Vertriebenen an (9 B 311/95). Der Versailler Vertrag sei zwar unter dem Druck der damaligen Verhältnisse zustande gekommen, räumte das Gericht ein. Das Deutsche Reich habe aber den polnischen Staat anerkannt, der nach dem Ersten Weltkrieg neu gegründet wurde. Das gelte auch für die Regelung der Staatsangehörigkeit, die mit der Gebietsabtretung verbunden gewesen sei. Auch ein Verstoß gegen das Bonner Grundgesetz sei nicht auszumachen: Darin werde anerkannt, dass Gebiete wie das ehemalige Westpreußen, in dem Posen liege, nicht zu Deutschland gehörten.

Zwölf Tage Arbeit am Stück

Europäischer Gerichtshof: Arbeitnehmer müssen nicht unbedingt am "siebten Tag" der Woche frei bekommen

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) musste über die Klage eines portugiesischen Arbeitnehmers entscheiden, der an mehr als sieben aufeinanderfolgenden Tagen hatte arbeiten müssen. Das portugiesische Gericht leitete den Rechtsstreit zum EuGH weiter: Nach seiner Entlassung verlangte der Arbeitnehmer von der ehemaligen Arbeitgeberin Entgelt für Überstunden.

Begründung: Seine Arbeitszeit habe gegen die europäische Arbeitszeitrichtlinie (2003/88 EG) verstoßen: Demnach stehe jedem Arbeitnehmer in einem Zeitraum von sieben Tagen zusätzlich zur täglichen Ruhezeit von elf Stunden eine Mindestruhezeit von 24 Stunden zu. Nach Ansicht des Arbeitnehmers bedeutete das, dass eine Sechs-Tage-Arbeitswoche verbindlich festgelegt ist.

Doch der EuGH sah das anders (C-306/16): An welchem Wochentag der Ruhetag zu gewähren sei, schreibe die EU-Richtlinie nicht vor — das müsse nicht immer der letzte Tag der Woche sein. Daher sei es auch zulässig, wenn Arbeitnehmer einmal zwölf Tage am Stück arbeiten müssten. Das könne vorkommen, wenn der Arbeitgeber die Ruhetage an den Anfang der ersten Arbeitswoche (Montag) und ans Ende der zweiten Arbeitswoche lege (Sonntag).

Immerhin kämen die Arbeitnehmer auf diese Weise zu zwei Ruhetagen hintereinander. Eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit sei nicht vorgeschrieben. Verbindlich einzuhalten sei nur die tägliche Ruhezeit von elf Stunden und die wöchentliche durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Wenn einzelne EU-Mitgliedsstaaten die Arbeitszeit arbeitnehmerfreundlicher regeln wollten, stehe dem nichts entgegen, betonte der EuGH.

In Deutschland sind zwei Ruhetage pro Woche die Regel, der Sonntag ist als Ruhetag gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch ist das EuGH-Urteil für deutsche Arbeitnehmer wichtig — in Branchen, in denen auch sonntags gearbeitet wird.

In diesen Branchen haben deutsche Arbeitnehmer nämlich Anspruch auf einen Ruhetag unter der Woche, der den Arbeitssonntag ausgleicht. Mit diesem Ausgleich kann sich der Arbeitgeber jedoch nach dem Arbeitssonntag zwei Wochen Zeit lassen: So können sogar 19 aufeinanderfolgende Arbeitstage zusammen kommen, während der EuGH die EU-Richtlinie so auslegt, dass maximal zwölf Arbeitstage am Stück zulässig sind.

Bioprodukte "online"

Onlinehändler müssen Bio-Lebensmittel ausnahmslos kontrollieren lassen

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs — ein Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für fairen Wettbewerb einsetzen — beanstandete das Geschäftsmodell eines Onlinehändlers. Der Internet-Versand "Kamin und Grill Shop GmbH" vertrieb nämlich Biogewürze, war aber keinem Kontrollsystem angeschlossen.

Der Bundesgerichtshof verwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Er sollte klären, ob die Ausnahmeregelungen für Einzelhändler auch für Onlinehändler gelten.

EU-Staaten dürfen nämlich unter bestimmten Bedingungen Einzelhändler von Bioprodukt-Kontrollen ausnehmen: vor allem dann, wenn ein Einzelhändler die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher verkauft und sie weder selbst herstellt noch die Produkte aus einem Drittland importiert.

Onlinehändler, die Bioprodukte vertreiben, müssen ihre Waren ausnahmslos kontrollieren lassen, urteilte der EuGH (C-289/16). Die Ausnahmeregelungen für Einzelhändler seien auf den Onlinehandel nicht anwendbar. Denn häufig lagerten die Versandhändler die Bioprodukte, und dann würden sie von Dritt-Unternehmen ausgeliefert. Unter diesen Umständen steige das Risiko deutlich, dass Waren um-etikettiert, vertauscht oder verschmutzt werden. Verbraucher müssten darauf vertrauen können, dass Bioprodukte die hohen Ansprüche erfüllten, die Verbraucher mit diesem Gütesiegel verbinden.

Champagnerhersteller verklagen "Aldi Süd"

Eis darf unter dem Namen "Champagner Sorbet" verkauft werden, wenn es echt nach Champagner schmeckt

Die Vereinigung der französischen Champagnerproduzenten — "Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne" — legte sich mit dem deutschen Discounter Aldi Süd an. Der Streitpunkt: Aldi Süd verkauft Speiseeis, das angeblich 12 Prozent Champagner enthält und als "Champagner Sorbet" bezeichnet wird. Nach Ansicht der Champagnerhersteller verletzt der Discounter damit die geschützte Herkunftsbezeichnung "Champagne".

Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) weitergereicht und ihn gebeten, die EU-Vorschriften zu geschützten Ursprungsbezeichnungen auszulegen. Zutreffend sei die Vermutung der Produzenten, erklärte der EuGH, dass der Produktname "Champagner Sorbet" darauf angelegt sei, vom hohen Ansehen der Ursprungsbezeichnung "Champagne" zu profitieren (C-101/12).

Das sei aber nicht automatisch gleichbedeutend damit, dass der Discounter das Prestige von Champagner widerrechtlich ausnütze. Vielmehr komme es darauf an, ob das fragliche Produkt unverkennbar nach Champagner schmecke ("als wesentliche Eigenschaft einen hauptsächlich durch Champagner hervorgerufenen Geschmack habe"). Die im Sorbet enthaltene Menge Champagner sei dafür ein Kriterium, aber nicht das einzige.

Ob das Sorbet nach Champagner schmecke, müsse das nationale Gericht prüfen (lassen) und dann den Streit entscheiden. Der Verkauf des Produkts würde nur dann die geschützte Herkunftsbezeichnung verletzen, wenn das Sorbet nicht nach Champagner schmeckte, obwohl der Produktname bzw. die Verpackung des Sorbets diesen Geschmack verspreche.

Dann wäre der Produktname irreführend, er würde die Verbraucher über die Natur des Produkts täuschen. "Geschützte Ursprungsbezeichnung" bedeute nicht nur rechtlichen Schutz vor falschen Angaben zum Ursprung eines Erzeugnisses, sondern auch Schutz vor irreführenden Angaben zu wesentlichen Eigenschaften des Produkts.

Red Bull und "blau-silberne" Dose

Die Farbkombination auf den "Red Bull"-Getränkedosen wird nicht als Farbmarke geschützt

Vor einigen Jahren hatte das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) auf Antrag der Red Bull GmbH eine Farbkombination aus Blau (RAL 5002) und Silber (RAL 9006) als Marke für "Energy Drinks" in Dosen geschützt. Farben kommen nur ausnahmsweise als Marke in Betracht: Denn Verbraucher sehen Farben in der Regel als "dekoratives Element" eines Produkts an und nicht als Unternehmenskennzeichen.

Solche Ausnahmen sind in Deutschland z.B. das "Gelb" des Langenscheidt-Verlags oder das "Nivea-Blau". Zunächst war das EUIPO wie die Red Bull GmbH der Ansicht, dass auch die "Blau-Silber"-Kombination auf den Getränkedosen am Markt durchgesetzt ist und von den Verbrauchern eindeutig dem Getränkehersteller zugeordnet wird. Deshalb wurde für das Unternehmen die Unionsmarke Nr. 2 534 774 "Blau-Silber" ins EU-Markenregister eingetragen. Mit der Ergänzung, das Verhältnis der beiden Farben sei "ungefähr 50 % zu 50 %".

Gegen den Eintrag klagte die polnische Firma Optimum Mark: Sie verlangte, die Farbmarke zu löschen. Das Gericht der Europäischen Union gab ihr Recht, gestützt auf eine neue Markenverordnung der EU, die zu Farbmarken genauere Regelungen enthält (T 101/15 und T 102/15).

Demnach bleibt Markenschutz für Farbkombinationen zwar zulässig. Doch deren Zusammenstellung müsse präzise beschrieben werden, heißt es in der Verordnung, um eine Farbmarke klar abzugrenzen. Auf ihre konkrete Anordnung zueinander komme es an.

Farben könne man in verschiedenen geometrischen Formen oder Gestaltungen der Verpackung kombinieren, die jeweils einen ganz unterschiedlichen Gesamteindruck vermittelten. Markeninhaber dürften sie nicht in allen "denkbaren Formen" für sich monopolisieren.

Genau das wäre aber das Resultat, würde man die unklare Beschreibung der Red-Bull-Farbmarke gelten lassen, so das EU-Gericht. Da sei von Farben im Verhältnis von "ungefähr 50%-50%" die Rede, die sich auf dem Produkt gegenüber stehen. Das lasse unendlich viele "Erscheinungsbilder und Zuordnungen der Farben" zu. Damit könnte die Red Bull GmbH jede 50-50-Nutzung von "Blau-Silber" für sich monopolisieren. (Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Red Bull GmbH hat Berufung eingelegt.)

"Minimum Connecting Time"

Fluggast verpasst Anschlussflug: Schuldet die Airline dafür Ausgleichszahlung?

Frau T hatte einen Flug von Hannover über Frankfurt am Main nach Los Angeles gebucht. Ihr Zubringerflug aus Hannover landete zwar pünktlich in Frankfurt. Aber aufgrund der ungünstigen Parkposition der Maschine auf dem Flughafen-Gelände erreichte Frau T das Terminalgebäude erst, als das "Boarding" für den Anschlussflug bereits begonnen hatte. Genauer: 16 Minuten vor dem Ende des Einsteigevorgangs.

Doch dann musste sie noch durch die Passkontrolle und durch eine weitere Sicherheitskontrolle. Beim Gate für ihren Anschlussflug kam sie erst an, als das Boarding bereits beendet war. Die Fluggesellschaft buchte sie auf einen anderen Flug um. Mit über drei Stunden Verspätung landete Frau T schließlich in Los Angeles. Von der Airline forderte sie deshalb 600 Euro Ausgleichszahlung.

Zu Recht, wie das Amtsgericht Hannover entschied (523 C 12833/16). Nach der EU-Fluggastrechteverordnung stehe Passagieren eine Entschädigung zu, wenn sie ihr Ziel mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden erreichten und die Fluggesellschaft dafür verantwortlich sei. Warum habe Frau T den Anschlussflug verpasst?

Bei einer aus Zubringer- und Anschlussflug zusammengesetzten Flugreise komme es auf die vom Flughafen garantierte Mindestzeit an, in der ein Umstieg möglich ist: die Minimum Connecting Time. Das Flugunternehmen treffe nur dann keine Verantwortung, wenn erstens der Zubringerflug planmäßig lande (was zutraf) und wenn zweitens dem Fluggast die Mindest-Umstiegszeit zur Verfügung stehe. Letzteres sei nicht der Fall gewesen.

Der Frankfurter Flughafen gebe als "Minimum Connecting Time" 45 Minuten an. Frau T sei aber erst 16 Minuten vor dem Ende des Boardings am Terminal angekommen. Dass die Passagierin den Anschlussflug durch eigenes Verschulden verpasste — weil sie trödelte, sich trotz ausreichender Informationen verlief etc. —, könne man daher ausschließen. Innerhalb von 16 Minuten sei es so gut wie unmöglich, alle Kontrollen zu durchlaufen und das Gate für einen Anschlussflug rechtzeitig zu erreichen.

Europäische "Streitbeilegungsplattform"

Gewerbliche eBay-Angebote müssen Link zur OS-Plattform der EU enthalten

Die EU hat als Beitrag zum Verbraucherschutz und zum reibungslosen Funktionieren des Onlinehandels eine Internet-Plattform (OS-Plattform) eingerichtet. Sie soll bei Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern unabhängig und schnell eine außergerichtliche Schlichtung ermöglichen. Die entsprechende EU-Verordnung — "Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten" heißt sie in schönstem Beamtendeutsch — schreibt vor, dass alle gewerblichen Webseiten einen Link zu dieser OS-Plattform enthalten müssen.

Das ist der Hintergrund eines Rechtsstreits zweier Onlinehändler. Beide Unternehmen verkaufen im Internet auf gängigen Plattformen Software, auch über das Internetauktionshaus eBay. Händler X bot Anfang 2017 dort ein Windows-Produkt an. Händler Y beanstandete das Angebot, weil es keinen Link auf die OS-Plattform enthielt: Das verstoße gegen die EU-Vorschrift und müsse künftig anders gehandhabt werden, forderte Händler Y.

Die EU-Verordnung gelte nicht für Angebote auf Handelsplattformen wie eBay, konterte Händler X. Im Übrigen seien auf eBay seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen veröffentlicht. In diesem Text verweise er auf die Internetadresse der OS-Plattform. Das genügt nicht, stellte das Oberlandesgericht Hamm fest, und bestätigte damit eine Entscheidung des Landgerichts Bochum (4 U 50/17).

Auch gewerbliche Angebote auf der Internetplattform eBay müssten einen Link zur OS-Plattform enthalten. Die EU-Verordnung verlange ausdrücklich, dass Online-Marktplätze einen Link zur OS-Plattform setzen müssten. Das bedeute umgekehrt aber nicht, dass diese Pflicht für die einzelnen Anbieter auf so einem Online-Marktplatz entfalle. Die EU-Verordnung setze ein weites Verständnis des Begriffs "Webseite" voraus.

Sinn und Zweck der Vorschrift sei, in ganz Europa Auseinandersetzungen über Online-Kaufverträge möglichst ohne Prozess effektiv und transparent abzuwickeln. Derartige Konflikte beträfen selbstverständlich auch Online-Kaufverträge mit Anbietern auf Handelsplattformen. Händler X müsse die Internetadresse der OS-Plattform außerdem "verlinken". Ein "Link" sei nach allgemeinem Verständnis "klickbar" und nicht nur die Wiedergabe einer Internetadresse im Text.

Landgang mit voreiligem Teppichkauf

Übertriebene Anpreisung eines türkischen Verkäufers lässt das Geschäft nicht auffliegen

Ein Teilnehmer an einer Kreuzfahrt nützte einen Landausflug in der Türkei zum Teppichkauf. Der Verkäufer versicherte ihm, die 12.500 DM für den ausgesuchten Seidenteppich seien äußerst günstig, das gleiche Stück würde in Deutschland "ungefähr doppelt so viel" kosten. Der Kunde zahlte per Scheck 2.500 DM an.

Schon am nächsten Tag bereute er den Kauf, ließ den Euroscheck sperren und lehnte es ab, den bestellten Teppich in Empfang zu nehmen. Nach der Sperre wurde der Scheck nur in Höhe von 400 DM eingelöst. Daraufhin verklagte der Händler den wankelmütigen Käufer auf Zahlung der restlichen 12.100 DM.

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf muss der Käufer diesen Betrag berappen (13 U 173/92). Nach türkischem Recht sei der Vertrag ebenso wirksam wie dies nach deutschem Recht der Fall wäre. Bei der Anpreisung, der Teppich sei supergünstig und wäre in Deutschland viel teurer, handle es sich erkennbar um Reklame. Daher könne der Käufer den Vertrag nicht rückgängig machen, auch wenn die Aussage falsch gewesen sei.

Aus einer offensichtlich übertriebenen, reklamemäßigen Anpreisung einer Ware sei kein Rechtsanspruch abzuleiten. Betrug liege auch keiner vor, denn der Käufer habe keinen Schaden erlitten. Seiner eigenen Aussage nach werde der Teppich auf dem deutschen Markt zu einem ähnlichen Preis angeboten. Leistung und Gegenleistung seien also gleichwertig.

EuGH zu Streamingportalen

Urheberrecht: Nicht nur Filesharing von Filmen, auch Streamen kann illegal sein

So genannte Streaming-Webseiten wie z.B. Kinox.to bieten im Internet Serien und Filme an. Solche Portale mit Hilfe von Computern oder Mediaplayern zu nutzen, galt bisher als mehr oder weniger legal. Denn anders als beim Filesharing werden die geschützten Werke auf diese Weise von den Nutzern nicht weiterverbreitet, sondern nur zwischengespeichert und angesehen.

Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass auch das rechtswidrig sein kann — vorausgesetzt, der Nutzer weiß, dass er illegal geschützte Werke "konsumiert" (C-527/15).

Im konkreten Fall ging es um das Geschäftsmodell eines Niederländers, der im Internet verschiedene Modelle einer Multimedia-Box ("filmspeler") anbot. Auf den Geräten sind Software und Add-ons installiert, über die man auf illegale Streaming-Webseiten zugreifen kann. Der "Medienabspieler" verbindet das Internet mit dem Fernseher: So können die Nutzer kostenlos auch Filme oder Serien anschauen, die rechtswidrig im Internet zugänglich sind.

Gegen dieses Geschäftsmodell klagte der niederländische Verband "Stichting Brein", der sich für den Schutz von Urheberrechten einsetzt. Das niederländische Gericht, das über den Rechtsstreit urteilen sollte, legte ihn dem EuGH vor. Und der EuGH kam zu dem Schluss: Derartige Geräte zu verkaufen, verletzt das Urheberrecht. Filme oder Serien über Mediaplayer abzuspielen, stelle eine "öffentliche Wiedergabe geschützter Werke" dar.

Viele Personen hätten den "Medienabspieler" gekauft, die vermutlich größtenteils über Internet verfügten. Somit richte sich die Wiedergabe geschützter Werke per "Medienabspieler" an eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten. Diese zahlten für das Gerät, um direkten Zugang zu Werken zu erhalten, die auf Streaming-Webseiten ohne Erlaubnis der Urheber zugänglich gemacht würden. Das beeinträchtige die Verwertung dieser Werke und damit die berechtigten Interessen der Urheber.

Diese Argumente gelten natürlich auch für Computer, die Streaming ermöglichen. Dass das Urteil zu einer Abmahnwelle gegen private Nutzer von Streamingportalen führt, ist vorerst aber nicht zu erwarten. Denn illegale Streamingportale speichern die IP-Adressen ihrer Nutzer nicht. Wer allerdings für solche Dienste Geld überwiesen hat, ist durch den Zahlungsvorgang leicht zu identifizieren und muss künftig mit einer Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung rechnen.

"Milchmädchen"

Lebensmittelhersteller streiten um eine Marke für Käse und Milchprodukte

Eine Molkerei ließ 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Kombination aus Wort und Bild als Marke für Käse schützen: einen Ausschnitt aus einem Gemälde des niederländischen Künstlers Jan Vermeer ("Dienstmagd mit Milchkrug", allerdings in Schwarz-Weiß), versehen mit der Unterschrift "MilchMädchen".

Ein europäischer Lebensmittelkonzern, der ebenfalls Käse und Milchprodukte herstellt, forderte, den neuen Eintrag im Markenregister wieder zu löschen. Der Konzern ist seit Jahrzehnten Inhaber des Markennamens "MILCHMÄDCHEN" und hat zudem 2004 das gleiche Vermeer-Bild als internationale (Bild-)Marke schützen lassen: bunt mit gelbem Hintergrund — ohne das Wort Milchmädchen.

Das Markenamt lehnte den Einspruch ab. Es sah hier trotz identischer Waren keine Gefahr, dass Verbraucher die Marken verwechseln könnten: Zwar sei das Bildmotiv gleich, aber die grafische Gestaltung unterschiedlich. Außerdem enthalte die jüngere Marke das Wort "MilchMädchen".

Doch das Bundespatentgericht hob die Entscheidung der Behörde auf und ordnete an, die jüngere Marke zu löschen (28 W (pat) 553/16). Der Wortbestandteil der jüngeren Marke ("MilchMädchen") und die ältere Marke "MILCHMÄDCHEN" seien identisch. Das beinhalte zumindest klanglich eine Verwechslungsgefahr. Also beeinträchtige der neue Eintrag im Markenregister die älteren Markenrechte.

Daran ändere auch das Bild nichts, denn der weiße Schriftzug "MilchMädchen" setze sich farblich klar ab und falle deutlich ins Auge. Zudem vermittle das Bild dieselbe Vorstellung wie das Wort: Eine junge Frau gieße Milch aus einer Kanne in eine Schüssel. Insofern liege es für die Verbraucher nahe, bei diesem Bild an "Milchmädchen" zu denken.

Flughafen-Rollstuhlservice im Schneckentempo

Wenn Passagiere zu spät zum Gate kommen, muss die Fluggesellschaft keine Ausgleichszahlung leisten

Über Frankfurt flog Frau X mit ihren Eltern nach Kanada. Das war jedenfalls der Plan. Doch in Frankfurt verpassten die Passagiere den Anschlussflug nach Vancouver.

Denn das alte Ehepaar benötigte am Flughafen einen Rollstuhlservice. Und der brauchte so lange, dass die Familie das Abfluggate erst erreichte, als die Maschine schon abgefertigt war. Die Fluggesellschaft spendierte den frustrierten Reisenden eine Übernachtung plus Essensgutscheine und transportierte sie am nächsten Tag über London nach Vancouver.

Da die Passagiere mit einer Verspätung von etwa 22 Stunden in Vancouver ankamen, verlangte Frau X von der Airline zusätzlich Entschädigung. Doch Amtsgericht und Landgericht Frankfurt verneinten einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung (2-24 S 110/16).

Die Airline habe den von der Familie gebuchten Flug weder annulliert, noch sei er verspätet in Vancouver angekommen, so das Landgericht. Die Familie habe den pünktlichen Flug einfach verpasst. Für den langsamen Rollstuhlservice sei der Flughafenbetreiber verantwortlich und nicht die Fluggesellschaft.

Sie schulde den Passagieren auch keinen finanziellen Ausgleich für die "Nichtbeförderung". Der stehe Fluggästen laut EU-Fluggastrechteverordnung nur zu, wenn sie rechtzeitig am Gate ankämen und trotzdem nicht mitfliegen dürften. Dass die Familie X ihr Zuspätkommen nicht selbst verschuldet habe, ändere daran nichts. Ob sie pünktlich das Gate erreichten, sei allein Sache der Fluggäste: Sie müssten selbständig zum vorgegebenen Zeitpunkt dort erscheinen.

Flug vier Stunden verspätet

Eine verstopfte Toilette führt zu Verspätung: Fluggesellschaft muss Passagiere entschädigen

Im Februar 2015 hob ein Flugzeug in Frankfurt zu spät ab, weil Mitarbeiter vorher eine verstopfte Toilette in Ordnung bringen mussten. Vier Stunden zu spät landete die Maschine schließlich am Zielort. Einige frustrierte Passagiere forderten deshalb eine Ausgleichszahlung gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung.

Die Fluggesellschaft lehnte ab und pochte auf einen "außergewöhnlichen Umstand". In so einem Fall müsse sie die betroffenen Fluggäste nicht entschädigen. So einfach kam die Airline jedoch nicht davon: Hier sei eine Ausgleichszahlung fällig, entschied das Amtsgericht Frankfurt (29 C 2454/15 (21)).

Ein "außergewöhnlicher Umstand" im Sinne der EU-Norm liege nur dann vor, wenn ein unvo rhergesehenes Ereignis den Flugbetrieb störe, das vom Flugunternehmen nicht beherrschbar sei. Wie z.B. ein Vulkanausbruch.Im konkreten Fall gehe es jedoch nicht um eine Katastrophe, die über das Unternehmen "hereingebrochen" sei.

Vielmehr handle es sich um ein alltägliches Problem, mit dem jede Fluggesellschaft immer wieder einmal konfrontiert sei und zurechtkommen müsse. Sanitäre Einrichtungen für die Fluggäste zu warten, gehöre zum Normalbetrieb. Dass Toiletten verstopft sein könnten, müssten Airlines ebenso einkalkulieren wie technische Probleme der Flugzeuge. Das gehöre zu ihrem "Kerngeschäft", dafür seien sie verantwortlich.

Passagier zu spät benachrichtigt

Airlines müssen Fluggäste mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Flug über eine Annullierung informieren

Ein holländischer Staatsbürger, Herr K, hatte über einen Online-Reisevermittler einen Hin- und Rückflug gebucht: von Amsterdam nach Paramaribo (Surinam) mit der Fluggesellschaft Surinaamse Luchtvaart Maatschappij (SLM). Der Hinflug hätte am 14.11.2014 stattfinden sollen, wurde jedoch von der Airline annulliert. Das teilte die SLM dem Reisevermittler am 9. Oktober mit. Der schickte dem Fluggast jedoch erst am 4. November eine E-Mail mit dieser Information.

Herr K forderte von der Airline deshalb eine Ausgleichszahlung von 600 Euro. So ist das in der Fluggastrechte-Verordnung der EU vorgesehen, wenn Fluggäste nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit darüber unterrichtet werden, dass ihr Flug "gecancelt" wurde. Reisevermittler und Fluggesellschaft schoben sich nun wechselseitig den "schwarzen Peter" zu.

Sie müsse den Passagier nicht entschädigen, meinte die SLM, denn sie habe den Reisevermittler rechtzeitig über die Änderung informiert. Der Reisevermittler erklärte, für Änderungen des Flugplans sei er nicht verantwortlich. Er vermittle nur Verträge zwischen Fluggästen und Flugunternehmen. Es sei deren Sache, Kunden über Änderungen zu unterrichten. Schließlich übermittle er den Airlines mit der Buchung die Daten und Mailadressen der Fluggäste.

Könne eine Fluggesellschaft nicht beweisen, dass sie den Fluggast spätestens zwei Wochen vor dem Flug über eine Annullierung informiert habe, sei sie zur Ausgleichszahlung verpflichtet, entschied der Europäische Gerichtshof (C-302/16). Das gelte auch dann, wenn sie den Beförderungsvertrag mit dem Fluggast nicht direkt, sondern über einen Online-Vermittler geschlossen habe.

Daher müsse die SLM die 600 Euro zahlen. Es stehe der Fluggesellschaft aber frei, sich an den Reisevermittler zu halten und von ihm Schadenersatz zu verlangen.

Gericht lässt sich vier Jahre Zeit

EU-Gericht: Überlange Verfahrensdauer in einem einfachen Fall verstößt gegen Menschenrechte

Ein Lehrer verlangte Leistungen aus der Unfallversicherung. Der "Unfall" beruhte nach seiner Auffassung auf beleidigenden Äußerungen eines Schülers. Die hätten ihn so aus der Fassung gebracht, dass er arbeitsunfähig geworden sei. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte ab und der Lehrer zog gegen den negativen Bescheid vor das Sozialgericht. Das Verfahren nahm fünf Jahre in Anspruch und führte nicht zum Erfolg.

Wegen der langen Dauer - allein das Landessozialgericht Berlin benötigte für seine Entscheidung vier Jahre -, wandte sich der Lehrer nun an den Europäischen Gerichtshof. Dieser bemängelte einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention und verurteilte die Bundesrepublik Deutschland, dem Lehrer die Gerichtskosten von 1.000 DM zu ersetzen und 3.000 DM Schmerzensgeld zu zahlen (16958/90).

Der Fall beinhalte keine besonderen Schwierigkeiten. Den Sachverhalt zu ermitteln und den Streit rechtlich zu beurteilen, sei einfach gewesen. Es sei daher nicht einzusehen, warum das Landessozialgericht trotzdem vier Jahre für seine Entscheidung benötigt habe. Auch wenn das Gericht angeblich überlastet gewesen sei, sei das keine akzeptable Begründung für eine derart lange Verfahrensdauer.

Lastschrift allein genügt nicht

Stromanbieter müssen ihren Kunden auch im Basistarif mehrere Zahlungsmöglichkeiten eröffnen

Eine Verbraucherzentrale beanstandete die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Stromanbieters: Er bot den Verbrauchern verschiedene Tarife zu unterschiedlichen Bedingungen und mit verschiedenen Zahlungsarten an. Bestellten Kunden jedoch online den Tarif "Strom Basic", gab es keine Wahlmöglichkeit. Das Energieunternehmen forderte ihre Kontodaten, die Kunden mussten ihm ein SEPA-Lastschriftmandat erteilen.

Dagegen klagte die Verbraucherzentrale: Nach EU-Recht und deutschem Energiewirtschaftsgesetz müssten Energieversorger ihren Haushaltskunden vor dem Vertragsschluss unterschiedliche Zahlungsmöglichkeiten eröffnen.

Über 90 Prozent der Haushaltskunden entschieden sich sowieso für die Lastschrift, konterte der Stromanbieter. Wenn er diese Zahlungsart vorgebe, könne er im günstigen Basistarif den Zahlungsverkehr einfacher überwachen. Die eingesparten Kosten kämen den Kunden zugute.

Mit dieser Argumentation war das Oberlandesgericht Köln nicht einverstanden (6 U 146/16). Wortlaut und Sinn des Gesetzes seien eindeutig: Energieversorger müssten für jeden Tarif verschiedene Zahlungsarten anbieten. Einkommensschwache Kunden, die über kein Konto verfügten, könnten nicht am Lastschriftverfahren teilnehmen. Ausgerechnet sie wären damit vom preisgünstigen Basistarif von vornherein ausgeschlossen. Die Praxis des Stromanbieters benachteilige sie unangemessen.

Außerdem sei der Basistarif nicht nur wegen des SEPA-Lastschriftverfahrens so günstig, sondern auch deshalb, weil der Energieversorger in anderen Tarifen mehr Leistungen biete. Seine berechtigten wirtschaftlichen Interessen könne er auch wahren, wenn er Kunden im Basistarif Bar-Überweisungen ermögliche: Wenn diese oder andere aufwändigere Zahlungsweisen Mehrkosten verursachten, dürfe das Unternehmen diese Kosten an die Kunden weitergeben.

Kein Krabbensalat im Handgepäck!

Kurzartikel

Wenn die Bundespolizei einem Flugreisenden bei der Gepäckkontrolle am Flughafen Berlin Tegel untersagt, 272 Gramm Büffelmozzarella, 155 Gramm Nordseekrabbensalat und 140 Gramm "Flensburger Fördetopf" im Handgepäck zu transportieren, ist das rechtens. Diese Lebensmittel gehören zu den Mischungen von Flüssigkeiten und Feststoffen, die nur in Einzelbehältern mit einem Fassungsvermögen von maximal 100 Millilitern in einem durchsichtigen Plastikbeutel befördert werden dürfen. Die Bundespolizei ist auch nicht verpflichtet, solche Lebensmittel vor Ort auf Flüssigsprengstoff hin zu untersuchen.

Teures 0180-Servicetelefon

Anrufe beim Kundendienst eines Unternehmens dürfen nicht mehr kosten als ein normales Telefongespräch

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verklagte den Elektro- und Elektronikartikel-Händler comtech wegen Kundenabzocke. Das Unternehmen gibt auf seiner Webseite als Kundendienst-Telefonnummer eine so genannte 0180-Nummer an.

Ein Anruf bei dieser (deutschlandweit gültigen) Sondernummer ist wesentlich teurer als ein Anruf bei einer (regional gebundenen) Festnetznummer oder einer Mobilfunknummer. 14 Cent pro Minute kostet ein Anruf aus dem Festnetz, 42 Cent ein Anruf aus einem Mobilfunknetz.

Das Landgericht Stuttgart hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Stellungnahme zum Rechtsstreit zwischen comtech und Wettbewerbszentrale gebeten. In einer EU-Richtlinie heißt es nämlich, Verbraucher müssten für telefonische Kontakte im Zusammenhang mit einem Vertrag nicht mehr als den "Grundtarif" zahlen. "Grundtarif" bedeutet nach dem Urteil des EuGH gemäß dem üblichen Sprachgebrauch: die Kosten eines normalen Anrufs (C-568/15).

Anrufe bei einer Service-Rufnummer dürften nicht teurer sein als ein Anruf aus dem Festnetz oder ein Handygespräch, so der EuGH. Zweck der EU-Richtlinie sei der Verbraucherschutz. Ein Servicetelefon sei ein Angebot für Kunden, die von einem Unternehmen Informationen zu einem Vertrag erhalten oder Gewährleistungsrechte geltend machen wollten. Dürften Unternehmen für ein Servicetelefon höhere Gebühren berechnen, könnte dies die Verbraucher davon abhalten, die Service-Rufnummer zu nutzen.

Keine Nachrüstung von Güllebehältern

Nordrhein-Westfalen darf Tiermäster nicht zu effektiverem Abdecken der Güllebehälter verpflichten

Tierhaltung stellt mit etwa 80 Prozent die Hauptquelle für Ammoniak-Emissionen dar. Die EU hat für diesen und für andere Luftschadstoffe 2010 Grenzwerte festgelegt. Seither hat Deutschland die nationale Höchstmenge für Ammoniak-Emissionen ständig überschritten. Um hier gegenzusteuern, hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen quasi im Alleingang beschlossen, große Schweinemastbetriebe müssten Abluftreinigungsanlagen einbauen ("Tierhaltungserlass" von 2013). Mit weiteren Regelungen hat sich das Bundesland einen Rüffel von der Justiz eingehandelt.

Flüssigmist soll in geschlossenen Behältern gelagert werden, um die Schadstoffemissionen gering zu halten. Nach der "Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft" (TA Luft) können Tiermastbetriebe auch andere Maßnahmen zur Luftreinhaltung anwenden, sofern diese Maßnahmen die Emissionen geruchsintensiver Stoffe und von Ammoniak um mindestens 80 Prozent mindern.

Die Landkreise Unna, Warendorf und Steinfurt haben unter Verweis auf den Tierhaltungserlass von Tiermästern verlangt, die Emissionen um 85 Prozent zu reduzieren. Begründung: Die Vorgaben der TA Luft entsprächen nicht mehr dem Stand der Technik. Es sei für die Betriebe finanziell zumutbar, Güllebehälter mit einem Zeltdach, Schwimmfolien oder -körpern abzudecken und die Emissionen des Schadgases Ammoniak so um 85 Prozent zu verringern.

Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht Münster hoben diese Anordnungen auf (8 B 2691/15 und weitere, gleichlautende Urteile). Die Verwaltung dürfe von den Vorgaben der TA Luft nicht abweichen. Denn bisher gebe es in Wissenschaft und Technik keine gesicherten, neuen Erkenntnisse, die die Regelungen der TA Luft entkräften würden.

Zweifellos bestehe in Sachen Ammoniak Handlungsbedarf: Die Ammoniak-Emissionen müssten unbedingt reduziert werden, da Deutschland bisher die EU-Werte nicht habe einhalten können. Es sei aber in erster Linie Aufgabe der Bundesregierung und nicht die des Bundeslandes, die Vorgaben der EU mit nationalen Maßnahmen umzusetzen.

Unzulässige Bierreklame

Brauerei darf ihre Biere in der Werbung nicht als "bekömmlich" anpreisen

Ein Wirtschaftsverband beanstandete die Bierreklame einer Brauerei als unzulässig. Sie hatte 2015 eines ihrer Biere — mit Alkoholgehalt von 4,4 % — so gelobt: "Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus, wodurch es besonders bekömmlich wird."

Stein des Anstoßes für den Verband, dem auch Konkurrenten der Brauerei angehören, war das Wort "bekömmlich". Für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürften Hersteller nicht mit "gesundheitsbezogenen Angaben" werben, erklärte der Wirtschaftsverband. So steht es in der einschlägigen EU-Verordnung (Health Claims Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 - HCVO).

Das Oberlandesgericht Stuttgart gab dem Verband Recht: Bier dürfe nicht als "bekömmlich" beworben werden (2 U 37/16). Angaben zu alkoholischen Getränken dürften nicht mehrdeutig sein. Und es sei verboten, Verbrauchern in der Reklame positive Wirkungen auf die Gesundheit zu versprechen. Eine "gesundheitsbezogene Angabe" im Sinne der HCVO liege nicht erst dann vor, wenn behauptet werde, ein Produkt wirke sich "heilsam" auf die Gesundheit des Konsumenten aus.

Unzulässig sei Werbung schon dann, wenn sie den Eindruck erwecke, beim beworbenen Produkt fehlten negative oder schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit oder fielen zumindest geringer aus als jene, die mit dem Konsum ähnlicher Produkte verbunden seien. Wenn man gängige Wörterbücher nach der Bedeutung von "bekömmlich" befrage, laute die Antwort: "zuträglich", "leicht verdaulich" oder "gesund".

Das suggeriere zum einen, dass sich beim Konsum allgemeines Wohlbehagen einstelle. Zum anderen beinhalte das Attribut "bekömmlich" aber auch ein "Langzeitversprechen": Auch bei lang anhaltendem Konsum werde das beworbene Lebensmittel dem Verbraucher nicht schaden. Das sei bei alkoholischen Getränken eine fragwürdige Aussage.

Die Brauerei sei auch für den Werbespruch "Wohl bekomm’s" bekannt. Das sei als Trinkspruch nur ein gut gemeinter Wunsch und daher zulässig. Das Unternehmen dürfe aber künftig nicht mehr versprechen, ihr Bier sei "bekömmlich".