160.000 Euro Bargeld und eine Menge Grund hatte der alte Mann hinterlassen. Alleinerbin sollte nach einem älteren, aber durchgestrichenen Testament seine Frau werden. Kinder hatte das Paar nicht, aber einige Neffen und Nichten. Wer von ihnen welches Grundstück bekommen sollte, hatte der Erblasser schon im ersten Testament im Detail aufgelistet. Später hatte er ein neues verfasst, allerdings nur Kleinigkeiten verändert. Doch der letzte Satz aus dem älteren Testament fehlte, dass seine Frau Alleinerbin sei. Stattdessen stand da: "Das Testament wird noch vervollständigt". Beide Schriftstücke bewahrte der Mann zusammen in einem Umschlag auf, den er in die Klinik mitnahm. Doch dort kam er nicht mehr dazu, das Testament fertigzustellen.
Vergeblich versuchten seine Neffen zu verhindern, dass die Ehefrau einen Alleinerbschein zu ihren Gunsten bekam. Der Erblasser habe zwar das erste Testament widerrufen, erklärte das Bayerische Oberste Landesgericht (1Z BR 93/04). Dennoch könne man es heranziehen, um den Willen des Erblassers zu erschließen.
Mit dem Durchstreichen des alten Testaments habe der Erblasser ein neues Testament vorbereiten wollen. Dass er sie zusammen aufbewahrte, bedeute, dass sie beide für ihn relevant gewesen seien: Die Regelungen im neuen Testament präzisierten fast durchgehend nur die im alten Testament. Nichts spreche dafür, dass er die Erbeinsetzung seiner Ehefrau habe widerrufen wollen. Alle anderen, die der Erblasser bedacht habe, erhielten einzelne Vermögensgegenstände, seine Frau sollte "alles übrige" erhalten. Sie solle nicht nur ihre eigenen Verwandten bedenken, habe er dazu geschrieben, sondern auch die seinigen. Damit habe der Mann zum Ausdruck gebracht, dass seine Frau den Nachlass regeln sollte.