Erbangelegenheiten

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Den Nachbarn als Alleinerben eingesetzt

Auch ein Testament auf der Rückseite eines Café-Speiseplans kann wirksam sein

Herr W hatte 1998 mit seiner (2019 verstorbenen) Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament verfasst. Die Eheleute hatten sich darin gegenseitig als Alleinerben und eine Nichte der Ehefrau als Schlusserbin eingesetzt. Ausdrücklich wurde festgehalten, der überlebende Partner habe das Recht, diese Erbeinsetzung zu ändern. Der seit 2015 an Parkinson erkrankte Senior lebte im eigenen Haus und wurde nach dem Tod der Ehefrau von einem ambulanten Pflegedienst und von einem Nachbarn unterstützt.

2020 benützte W die Rückseite eines Café-Speiseplans, um handschriftlich ein neues Testament zu verfassen. Darin bestimmte er den Nachbarn zum Alleinerben. Das Papier war ungewöhnlich, doch das Schriftstück war korrekt mit Ort, Datum und Unterschrift versehen und trug die Überschrift "Mein Testament". Als Herr W 2021 starb, beantragten der Nachbar und die Nichte einen Alleinerbschein: Sie zweifelte das zweite Testament an und bestritt zudem, dass der Erblasser 2020 noch "testierfähig" war.

Das Kammergericht Berlin wies die Einwände der Nichte zurück (6 W 48/22). Der Erblasser habe zwar die für eine Parkinson-Erkrankung typischen Probleme mit der Feinmotorik gehabt. Da er aber noch selbst Einkaufslisten und andere kurze Texte geschrieben habe, stehe aufgrund des Schriftbildes fest, dass das Schriftstück von Herrn W stammte. Und nichts spreche dafür, dass es nur als Entwurf gedacht sein könnte: Inhaltliche Gestaltung und Ausdrucksform belegten eine mit Testierwillen verfasste Erklärung.

W habe außerdem Monate später einen Zusatz angebracht, der die Verfügung bestätigte. Er habe diese nochmals unterschrieben und das Schriftstück einem Anwalt übergeben, der es zur Verwahrung beim Nachlassgericht gebracht habe. Allein die "unorthodoxe" Wahl des Papiers für ein Testament belege nicht, dass es an Testierwillen fehle — wenn es dafür keine weiteren Anhaltspunkte gebe.

Nach Aussagen seiner Ärzte hätten sich bei W auch noch keine Indizien für eine Parkinson-Demenz gezeigt, die die freie Willensbildung eingeschränkt haben könnte. Sie trete meist erst in einem späteren Stadium der Krankheit auf. Die vom Erblasser getroffene Verfügung sei obendrein plausibel und nachvollziehbar.

Pflegepersonen und Ärzte hätten betont, wie sehr der alte Herr die Hilfe des Nachbarn zu schätzen wusste. Er habe unbedingt im eigenen Haus bleiben und so selbständig wie möglich leben wollen. Offenbar habe ihn dabei der Nachbar so nachhaltig unterstützt, dass W diese im Alltag für ihn so wichtige Bezugsperson habe belohnen wollen.

Interpretationsbedürftiges Testament

"Dies gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme"

Vor einer Urlaubsfahrt im Jahr 1998 hatte Frau D handschriftlich ein Testament verfasst, das sie so einleitete: "Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Dies gilt für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme." Dann folgten die einzelnen Regelungen. Frau D unterschrieb das Testament vor einem weiteren Urlaub im Jahr 2000 noch einmal.

Nach ihrem Tod im Jahr 2021 stritten die Erben darüber, ob das Testament nur für den Fall gelten sollte, dass die Erblasserin nicht aus dem Urlaub zurückkommt — oder auch unabhängig davon. Das Landgericht Hagen sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen im Testament nur für den kurzfristigen Zeitraum des Urlaubs gedacht waren (4 O 265/22).

Die Urlaubsreisen seien offenkundig nur der Anlass gewesen, ein Testament zu verfassen, so das Landgericht. Einen Zusammenhang mit einem bestimmten Todeszeitpunkt lasse der Inhalt der Regelungen dagegen nicht erkennen. Nichts spreche dafür, dass die Erblasserin die Erbfolge ausschließlich für den Fall eines Todes im Urlaub habe regeln wollen und sich für den Fall eines Todes zuhause eine andere Erbfolge vorgestellt hätte. Außerdem habe sie das Testament nach der Rückkehr aus dem Urlaub nicht geändert, auch nach ihrer letzten Reise nicht.

Testament beim Nachlassgericht nicht aufzufinden

Die von der Mutter als Alleinerbin eingesetzte Tochter bekam trotzdem einen Erbschein

Eine Witwe verfasste 2017 handschriftlich ein Testament, in dem sie Frau A, eine ihrer Töchter, als Alleinerbin einsetzte. Die zweite Tochter, Frau B — die sie seit Jahren nicht gesehen hatte — sollte von der Erbfolge ausgeschlossen sein und eine Abfindung von 5.000 Euro erhalten. Von einer Rechtsanwältin, die wegen eines Hausübergabevertrags bei ihr war, ließ sich die Witwe auch bei der Formulierung des Testaments beraten.

Das Schriftstück steckte sie in einen kleinen Briefumschlag, den sie zusammen mit einem Anschreiben für das Nachlassgericht in einen größeren Umschlag schob. Diesen Umschlag warf der Lebensgefährte von Tochter A in den Briefkasten des Amtsgerichts. Bei der Nachlassabteilung des Gerichts kam jedoch nur das Anschreiben, nicht das Testament an. Das fiel erst auf, als die Witwe Anfang 2021 starb und Frau A einen Erbschein als Alleinerbin beantragte.

Diesem Antrag widersprach ihre Schwester und bestritt, dass das Testament verloren gegangen sein könnte. Die Erblasserin habe es vielmehr zerstört, um es zu widerrufen. Doch das Amtsgericht Hameln befragte die Rechtsanwältin und andere Zeugen zum Inhalt des Testaments und kam zu dem Schluss, dass Tochter A der Erbschein trotz der fehlenden Testamentsurkunde zustand (18 VI 135/21).

Das Gericht hielt es aufgrund der Zeugenaussagen für bewiesen, dass die Erblasserin ein formwirksames Testament verfasst und nicht widerrufen hatte: Sie habe Frau A als Alleinerbin eingesetzt, das stehe fest. Deren Lebensgefährte habe das Testament zum Amtsgericht zur Aufbewahrung gebracht. Da die Nachlassabteilung jedoch nur das Anschreiben gefunden habe, sei zu vermuten, dass das Testament beim Öffnen der Post im großen Umschlag geblieben und versehentlich zusammen mit ihm entsorgt worden sei.

Frau B habe ihre Behauptung, die Mutter habe das zugunsten von A verfasste Testament später widerrufen, nicht einmal ansatzweise belegen können. Sie habe nicht einmal Umstände benennen können, die einen Widerruf nahelegten, geschweige denn ein anderslautendes Testament vorgelegt. Seit 2013 habe sie zur Erblasserin keinen Kontakt mehr gehabt.

Kinder brachten ihre demente Mutter ins Heim

Der Vater enterbte deshalb die Kinder und entzog ihnen den Pflichtteil

2015 war die Mutter bereits dement, trotzdem plante der Vater mit ihr eine USA-Reise. Die drei Kinder des Ehepaares sahen die Gesundheit der Mutter bedroht, zumal sich der nierenkranke Vater nicht einmal zuhause richtig um sie kümmern konnte. Aus diesem Grund holten sie ihre Mutter aus der Ehewohnung, als der Vater abwesend war. Sie hatte den Kindern schon Jahre zuvor eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt.

Gegen den Protest des Vaters erwirkten die Kinder beim Amtsgericht den Beschluss, die Mutter in einem Seniorenzentrum unterzubringen. Er behauptete, sie hätten die Unterschrift auf der Vollmacht gefälscht, um sich das Vermögen zu sichern.

Über die "Entführung" war der alte Herr so wütend, dass er die Kinder in einem Testament von 2016 enterbte und ihnen "wegen groben Undanks" den Pflichtteil entzog. Gegen die Einweisung seiner Frau ins Heim klagte er erfolglos. Im Gegenzug beantragten die Kinder bei Gericht, für ihn einen Betreuer zu bestellen.

Nachdem das Amtsgericht festgestellt hatte, dass die Vorsorgevollmacht der Mutter nicht "manipuliert" worden sei, entspannte sich die Lage ein wenig: Der Vater erteilte einem Sohn die Vollmacht, ihn bei der Verwaltung seines Gewerbegrundstücks zu vertreten. Nach dem Tod des Vaters beantragten die Kinder beim Amtsgericht einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge. Da mittlerweile auch die Mutter gestorben war, hätten sie das Vermögen zu drei gleichen Teilen geerbt.

Der Vater habe ihnen schließlich verziehen, so das Argument der Kinder, ansonsten hätte er dem Ältesten keine Vollmacht erteilt. Damit sei nicht nur der Entzug des Pflichtteils unwirksam geworden, sondern auch die Enterbung. Sie habe dem Willen des Erblassers jetzt nicht mehr entsprochen. Dem widersprachen das Amtsgericht und das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe (11 W 94/21 (Wx)).

Dass der Erblasser den Kindern den Pflichtteil entzogen habe, sei durch die "Verzeihung" unwirksam geworden (§ 2337 BGB). Das beziehe sich aber nicht automatisch auf die Enterbung. Ein entsprechender Wille des Vaters sei nicht festzustellen — von vollständiger Versöhnung könne hier nicht die Rede sein, so das OLG. Auch nachdem feststand, dass der Vorwurf der Fälschung nicht zutraf, habe der Vater weiter gegen die Heimunterbringung prozessiert.

Deshalb könne man nicht davon ausgehen, dass der Vater von der Enterbung abgesehen hätte, wenn er 2016 schon gewusst hätte, dass die Vorsorgevollmacht korrekt zustande gekommen war. Denn der eigentliche Grund für diesen Schritt sei seine Wut darüber gewesen, dass die Kinder den Wegzug der Mutter aus der Ehewohnung organisiert hätten. Nach der gesetzlichen Erbfolge stehe das Vermögen daher den Enkeln zu.

Offenkundig unwirksames Testament

Wer mit so einer "Urkunde" einen Alleinerbschein beantragt, ist "erbunwürdig" und geht leer aus

Eine Witwe hinterließ drei Kinder. Als ihr Ehemann noch lebte, hatte sie mit ihm zusammen ein gültiges Testament verfasst. Demnach sollten die Kinder erst nach dem Tod beider Elternteile zu gleichen Teilen erben. Tochter A gelang es offenbar Jahre später, die bereits schwer erkrankte Frau zu einer Änderung zu überreden. Da die Mutter nicht mehr gut schreiben konnte, schrieb sie ihr den Testamentstext selbst auf.

Nach dem Tod der Mutter reichte die Tochter beim Nachlassgericht ein Schreiben ein, in dem sie zur alleinigen Erbin des Hauses mitsamt Inventar bestimmt wurde. Es war mit "Testament" überschrieben und von der Mutter unterschrieben. Allerdings handelte es sich um den von Tochter A geschriebenen Entwurf.

Sie habe die Mutter darauf hingewiesen, dass sie den Text selbst noch abschreiben und unterschreiben müsse, erklärte A. Später habe ihr die Mutter das Testament in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt. Deshalb habe sie nicht bemerkt, dass die Mutter ihrem Rat nicht gefolgt sei. Die Mutter habe den Text aber gebilligt und unterschrieben. Daher beantrage sie hiermit einen Alleinerbschein.

Dagegen legte ihre Schwester B Widerspruch ein: Der Text des Einzeltestaments stamme — anders als das gemeinschaftlich verfasste Testament der Eltern — eindeutig nicht aus der Mutter Hand, sondern sei von Schwester A geschrieben. Damit sei dieses Testament offenkundig unwirksam, was A auch wisse.

So sah es auch das Landgericht Kassel: Es verweigerte A nicht nur den Alleinerbschein, sondern erklärte sie für erbunwürdig (6 O 542/22). Ein Testament sei nur wirksam, wenn es vom Erblasser/von der Erblasserin eigenhändig geschrieben sei. A habe gewusst, dass ihr Entwurf kein wirksames Testament war. Trotzdem habe sie versucht, damit einen Alleinerbschein zu bekommen. Sie habe ein ungültiges Testament beurkunden lassen wollen. Dieses Vorgehen erfülle den Tatbestand der "mittelbaren Falschbeurkundung". Infolge dessen stehe A nicht einmal mehr der Pflichtteil zu.

Wer wird Hoferbin?

Die Tochter des verstorbenen Landwirts kennt sich nicht aus, die Schwester ist "wirtschaftsfähig"

Ein unverheirateter Landwirt war 2020 im Alter von 69 Jahren gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Zuletzt hatte er nur noch ca. 20 Rinder gehalten und die Äcker überwiegend von befreundeten Landwirten bewirtschaften lassen. Etwa zwölf Hektar bestellte der Landwirt noch selbst. Dabei half ihm ein Neffe, Sohn seiner Schwester C. C ist Steuerfachangestellte und erledigte für den Landwirt die Buchführung. Nach dem Tod des Bruders beantragte sie beim Landwirtschaftsgericht, ihr den Hof zuzusprechen.

Das Gericht erklärte C zur Hoferbin. Doch die nichteheliche Tochter des Landwirts, die zum Vater nie Kontakt hatte, widersprach und machte geltend, sie sei selbst "wirtschaftsfähig" (d.h. in der Lage, den Hof zu übernehmen). Die Diplom-Chemikerin und passionierte Reiterin wollte aus dem Hof einen "Pferde-Aktivstall" machen. Schwester C habe keine Mittel, die sie in den heruntergewirtschafteten Hof investieren könnte, so die Tochter, und sie sei zu alt, um ihn zu führen. Das würde sie doch nur ihrem Sohn überlassen.

Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts (60L WLw 5/22). Die Tochter habe weder eine landwirtschaftliche Ausbildung, noch betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Wie die Befragung gezeigt habe, verfüge sie nicht einmal über die Grundkenntnisse, die nach ihrem Konzept eines Pferde-Aktivhofs erforderlich wären, um das Pferdefutter anzubauen.

Ob das Futter für die Pferde gekauft oder angebaut werden solle und zu welchen Kosten, werde in ihrem Konzept nicht einmal erwähnt. Die Tochter habe nicht gelernt, betriebswirtschaftlich zu kalkulieren und sei nicht in der Lage, den über 50 Hektar großen Betrieb in einen Pferdehof umzuwandeln.

Dagegen habe Schwester C als Steuerfachfrau bessere betriebswirtschaftliche Kenntnisse als die meisten Landwirte. Sie führe seit Jahrzehnten die Bücher für den Bruder und für ihren Mann, der ebenfalls Landwirt sei. C sei mit den Besonderheiten des Hofs vertraut, arbeite auch auf dem Hof ihres Mannes mit, könne melken und Traktor fahren. Dass sie schon 67 Jahre alt sei, ändere nichts an ihrer "Wirtschaftsfähigkeit". Bei der körperlichen Arbeit könne ihr Sohn, ein Agrarbetriebswirt, sie unterstützen — C könnte auch Hilfskräfte überwachen, falls welche benötigt würden.

Die Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben hänge nicht von den Geldmitteln ab, die er oder sie in den Betrieb investieren könne. Vielmehr gehe es darum, ob er oder sie Erträge und Kosten richtig kalkulieren könne. Und das könne die Schwester des Erblassers zweifellos. Wenn sie beabsichtigen sollte, ihren Sohn Äcker und Hof bewirtschaften zu lassen, sei auch das kein Problem: Ein Hoferbe müsse den Hof nicht selbst bewirtschaften, er oder sie müsse nur die Fähigkeit dazu haben.

Alleinerbe verkauft Familienheim

Wurde er zum Alleinerben bestimmt, um dies zu verhindern, ist die Erbeinsetzung anfechtbar

Eine Witwe mit zwei erwachsenen Kindern hatte 2002 ein Testament verfasst. Darin setzte sie ihren Sohn als Alleinerben ein, ihre Tochter sollte nur den Pflichtteil erhalten. Dies solle keine Strafe oder Benachteiligung für die Tochter sein, schrieb die Mutter: Aber dieser Weg sei die einzige Möglichkeit, das sanierungsbedürftige Wohnhaus zu erhalten, das eine "Belastung" sei. Sie und ihr verstorbener Mann wollten unbedingt vermeiden, dass das Familienheim "verschleudert" werden müsse.

Nach dem Tod der Mutter im April 2020 beantragte und erhielt der Sohn deshalb einen Alleinerbschein. Den Wert des Wohnhauses ließ er von einem kommunalen Ausschuss ermitteln (710.000 Euro). Auf Basis dieses Werts vereinbarte er mit seiner Schwester die Höhe ihres Pflichtteils. Schon vorher hatte der Erbe jedoch Kontakt zu einem Immobilienmakler aufgenommen. Drei Wochen nach dem Vertrag mit der Schwester verkaufte er das Haus zum Preis von 819.000 Euro.

Als die Schwester davon erfuhr, warf sie ihm arglistige Täuschung vor und focht das Testament an: Die Mutter habe den Bruder nur als Alleinerben eingesetzt, weil sie irrtümlicherweise angenommen habe, so den Verbleib des Wohnhauses im Familienbesitz zu sichern. Da sich der Bruder daran aber nicht gehalten habe, stehe ihr — der Schwester — nun als Miterbin gemäß gesetzlicher Erbfolge die Hälfte des Kaufpreises zu.

Das Landgericht Wuppertal gab der Schwester Recht (2 O 317/21). Ein Testament könne angefochten werden, wenn ein Erblasser es aufgrund einer irrigen Annahme verfasst habe. Im konkreten Fall habe sich die Witwe bei der Erbeinsetzung von der Vorstellung leiten lassen, dass ihr Sohn als Alleinerbe das Haus im Familienbesitz halten würde. Sie wolle es nicht "verschleudert sehen", stehe da wortwörtlich.

Da sich diese Erwartung nicht erfüllt habe, habe die Tochter zu Recht das Testament angefochten: Es sei unwirksam. Mit dem Testament entfalle auch die Geschäftsgrundlage für den Pflichtteilsvertrag zwischen den Geschwistern. Der Sohn sei nicht Alleinerbe, vielmehr gelte nun die gesetzliche Erbfolge, d.h. die Geschwister erbten zu gleichen Teilen.

Vor Gericht habe der Mann auch zugegeben, dass er die Schwester belogen habe: Er habe von vornherein geplant, das Haus zu verkaufen, weil er die nötige Komplett-Sanierung nicht hätte finanzieren können. Bei der Pflichtteilsvereinbarung habe der Bruder die Schwester also tatsächlich arglistig getäuscht. Darauf komme es jetzt aber nicht mehr an, stellte das Landgericht fest, da die im Testament getroffene Regelung ohnehin unwirksam sei.

Erbvertrag unwirksam

Ein wirksames Ehegattentestament kann einen zuvor von den Gatten geschlossenen Erbvertrag aufheben

Eine 84-jährige Witwe starb im Dezember 2021. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem gepflegten Zweifamilienhaus mit großem Grundstück. Mit ihrem zweiten Ehemann hatte die Erblasserin 1998 einen Erbvertrag geschlossen, in dem die Eheleute die Söhne der Frau aus erster Ehe zu gleichen Teilen als Erben einsetzten. Ersatzerben sollten deren Kinder sein. Sohn B war schon vor der Mutter gestorben und hinterließ eine Tochter.

Sohn K hatte seit 2009 eine Generalvollmacht der Mutter, die ihn berechtigte, in ihrem Namen alle Rechtsgeschäfte zu erledigen — falls sie selbst nicht mehr geschäftsfähig sein sollte. Die Vollmacht wurde 2021 erneuert und notariell beglaubigt. Als die Seniorin im Dezember 2021 mit Corona ins Krankenhaus aufgenommen wurde, ließ sich Sohn K vom Notar das Eigentum an der Immobilie übertragen: im eigenen Namen und im Namen der Mutter.

Dem Grundbucheintrag von K als Alleineigentümer des Hauses widersprach seine Nichte. Sie pochte auf den Erbvertrag der Großmutter von 1998, nach dem sie, die Enkelin, nach dem Tod des Vaters Ersatzerbin werden sollte. Doch zum Pech der Enkelin fanden sich im Haus der Großmutter zwei wortgleiche Ehegattentestamente der Erblasserin und ihres zweiten Ehemannes aus dem Jahr 2003: Darin legten die Eheleute fest, der Ehe- und Erbvertrag solle in einem Punkt geändert werden: Sohn K werde zum Alleinerben bestimmt.

Daraufhin wies das Oberlandesgericht Hamm den Einspruch der Enkelin ab (10 U 68/22). Unabhängig vom Notartermin, bei dem sich Sohn K das Haus habe übertragen lassen, gehöre ihm das Hausgrundstück schon aufgrund des Ehegattentestaments. Die Enkelin sei nicht Miteigentümerin geworden. Durch ein wirksames Ehegattentestament könne ein zuvor von den Eheleuten geschlossener Erbvertrag wirksam aufgehoben werden.

Und das Ehegattentestament im konkreten Fall sei wirksam. Beide Schriftstücke erfüllten die Formanforderungen: Sie seien eigenhändig verfasst, mit Ort und Datum versehen sowie von beiden Eheleuten unterschrieben. Auch das gute Schreibmaterial deute nicht darauf hin, dass die Erblasserin und ihr Ehemann nur ein unverbindliches Konzept aufsetzen wollten. Zudem hätten die Eheleute im Text einen direkten Bezug zum Erbvertrag von 1998 hergestellt: Das Ehegattentestament solle den Erbvertrag ändern, werde ausdrücklich betont. Nicht beide Söhne sollten erben, sondern K Alleinerbe werden.

Erbschaft des Bruders angenommen

Die Annahme kann der Erbe nicht wegen eines Irrtums über die Erbschaftssteuer anfechten

In seinem Testament hatte ein (lediger, kinderloser) Mann die Mutter und seinen Bruder jeweils zur Hälfte als Erben eingesetzt. Die Erben beantragten und erhielten nach seinem Tod einen entsprechenden Erbschein. Kurz darauf wollte jedoch der Bruder die Annahme der Erbschaft rückgängig machen.

Als er den Erbschein beantragte, habe er über die Höhe der Erbschaftssteuer nicht Bescheid gewusst, teilte er dem Nachlassgericht mit: Er sei von wesentlich höheren Steuerfreibeträgen ausgegangen. Inzwischen habe er herausgefunden, dass es viel günstiger gewesen wäre, die Erbschaft auszuschlagen. Dann wäre sein Erbteil zunächst der Mutter und nach deren Tod ihm zugefallen — mit einem viel höheren Freibetrag.

Es bleibe bei dem ausgestellten Erbschein, entschied das Nachlassgericht. Erfolglos legte der Erbe dagegen Beschwerde ein: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (10 W 125/21). Möglicherweise wäre es für ihn tatsächlich steuerlich günstiger gewesen, die Erbschaft erst einmal auszuschlagen, um später Alleinerbe der Mutter zu werden, räumte das OLG ein.

Mit der Begründung, die Erbschaftssteuer unterschätzt zu haben, könne er jedoch seine Willenserklärung - die Annahme der Erbschaft - nicht zurücknehmen. Grundsätzlich könne eine Willenserklärung nur angefochten werden, wenn sich der Erklärende über deren Inhalt geirrt habe und diese zu wesentlich anderen Rechtsfolgen führe. Ein Irrtum über die Höhe der Erbschaftssteuer, die sich aus einer Erbschaft ergebe, gehöre jedoch nicht zu den zulässigen Gründen einer Anfechtung.

Sind die finanziellen Folgen einer Erbschaft zweifelhaft, sollten sich potenzielle Erben also besser beraten lassen, bevor sie sie annehmen.

Landwirtstochter verlangt Nachabfindung

Wenn ein Hoferbe Ackerland an Landwirte verpachtet, wird es landwirtschaftlich genutzt

Die Eltern von Frau A hatten die Landwirtschaft schon 1991 aufgegeben und ihr Ackerland langfristig verpachtet. 1997 übergaben sie Hof und Grund der Tochter S, die die Verpachtung fortsetzte. Als nach den Eltern auch Frau S starb, wurde ihr Sohn 2019 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Frau A, der vom Nachlass der Eltern ein Achtel als Pflichtteil zustand, forderte von ihm Auskunft über die Pachtverträge und die Einkünfte daraus seit 1997.

Der Neffe zahlte ihr eine Abfindung von 5.623 Euro. Damit war Frau A jedoch nicht zufrieden. Sie pochte auf eine Vorschrift der Höfeordnung: Demnach besteht Anspruch auf eine Nachabfindung, wenn ein Hoferbe innerhalb von zwanzig Jahren nach dem Erbfall oder nach der Hofübergabe Hof und Grund auf andere Weise als landwirtschaftlich nutzt und dadurch erhebliche Gewinne erzielt.

Schon seit 1991 bewirtschafteten die Grundeigentümer das Ackerland nicht mehr selbst und das sei auch nach der Übergabe an Frau S bzw. bei ihrem Erben so geblieben, stellte das Oberlandesgericht (OLG) Celle fest (7 W 14/22 (L)). Allein deshalb könne die Miterbin aber noch keine Nachabfindung verlangen. Bedingung dafür sei nicht nur, dass die "Eigenbewirtschaftung" aufgegeben wurde.

Die Ackerflächen müssten außerdem "auf andere Weise als landwirtschaftlich" genutzt werden. Das Verpachten landwirtschaftlicher Flächen an Landwirte sei jedoch nicht als "landwirtschaftsfremd" einzustufen. An dieser früher einmal vertretenen Ansicht halte das Gericht nicht mehr fest, so das OLG.

Verpächter erzielten Einkommen dadurch, dass sie Landwirten Ackerflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung überlassen. An dieser Art der Gewinnerzielung ändere sich nichts, wenn der Hoferbe/die Hoferbin selbst noch einen nicht verpachteten Acker bestelle. Es sei in beiden Fällen als landwirtschaftliche Nutzung von Hof und Grund anzusehen, wenn ein Hoferbe/eine Hoferbin einen langfristigen Landpachtvertrag schließe.

Die Tochter soll das Haus bekommen

Ist sie damit als Erbin eingesetzt oder gilt nach dem Tod des Vaters die gesetzliche Erbfolge?

2019 verfasste ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament. Demnach sollten "Wohnhaus und Grundstück" nach dem Tod des länger lebenden Partners als "Erbe" an die gemeinsame Tochter und den Enkel gehen: Es sei ihr "Wunsch, dass das Haus in der Familie verbleibt und nicht verkauft wird", schrieben die Eheleute. Als der Ehemann starb, erteilte das Nachlassgericht der Witwe einen Alleinerbschein. Es nahm an, dass sich die Ehegatten im Testament gegenseitig zu Alleinerben einsetzen wollten.

Damit war der Sohn des Ehepaares nicht einverstanden. Er pochte auf seinen Anteil am Vermögen: Neben der Immobilie im Wert von ca. 500.000 Euro besaßen die Eheleute auch ein Sparvermögen von 250.000 Euro. Weder die Mutter, noch die Schwester seien als Alleinerben eingesetzt worden, meinte der Sohn: Nach dem Tod des Vaters gelte vielmehr die gesetzliche Erbfolge. Er beantragte einen Erbschein, der die Mutter zur Hälfte als Erbin auswies und die drei Kinder als Erben von jeweils einem Sechstel des Vermögens.

Das Oberlandesgericht Brandenburg gab ihm Recht (3 W 67/22). Dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hätten. Was mit dem Nachlass nach dem ersten Todesfall geschehen solle, sei überhaupt nicht geregelt. Das Ehepaar habe sich bewusst dafür entschieden, nur eine Regelung zu "Haus und Grundstück" zu treffen, anstatt das Vermögen erschöpfend aufzuteilen.

Den Eheleuten sei klar gewesen, dass sie im Testament nur über einen Teil ihres Vermögens verfügten. Dass sie das Haus als "Erbe" bezeichneten, ändere daran nichts: Nicht die gewählten Worte, sondern der sachliche Inhalt des Testaments sei entscheidend — zumal juristischen Laien der Unterschied zwischen vererben und "etwas vermachen" meist nicht geläufig sei. Offenkundig wünschten die Verfasser des Testaments nur, dass nach dem Tod beider Partner die Tochter und der Enkel das Haus bekommen sollten.

Diese Verfügung stelle aber keine Erbeinsetzung in Bezug auf den gesamten Nachlass dar, dessen Wert den des Hausgrundstücks allein weit übersteige. Erben des gesamten Nachlasses — und Rechtsnachfolger des Ehepaares — sollten die Tochter und der Enkel gerade nicht werden. In Bezug auf das Sparvermögen gelte die gesetzliche Erbfolge.

Erblasser war dement

Sein früherer Lebenspartner verliert durch eine neue Heirat nicht zwangsläufig das Erbrecht

Ein älterer Herr hatte 2005 ein Testament verfasst und seine Tochter sowie seinen Lebenspartner, Herrn V, als Erben eingesetzt. 2016 konnte der Mann wegen weit fortgeschrittener Demenz von Herrn V nicht mehr zuhause betreut werden. Er kam in ein Pflegeheim. V heiratete 2020 einen neuen Partner, ein halbes Jahr später starb der Erblasser im Pflegeheim.

V beantragte beim Nachlassgericht einen (Mit-)Erbschein. Doch die Tochter legte Widerspruch ein und focht das Testament an: Ihr Vater hätte es sicher geändert und seinen Lebenspartner nicht als Erben eingesetzt, wenn er gewusst hätte, dass sich V — noch zu seinen Lebzeiten — einem anderen Mann zuwenden würde.

Mit dieser Argumentation war das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg nicht einverstanden (3 W 55/22). Eine Erbeinsetzung könne zwar unwirksam werden, wenn ihr Motiv eine nicht mehr existente Lebensgemeinschaft gewesen sei, räumte das OLG ein. Wenn ein Ehepartner oder Lebenspartner den Erblasser/die Erblasserin verlasse, um eine neue Beziehung einzugehen, könne dies dazu führen, dass ein Testament zu Gunsten des Partners keinen Bestand habe.

Anders sei die Situation jedoch zu bewerten, wenn der Erblasser das Testament auch für diesen Fall so gewollt hätte. (Juristen sprechen dann vom "hypothetischen Willen".) Ein derartiger Ausnahmefall liege hier vor. Die Partner hätten sich nicht auseinandergelebt oder zerstritten. Herr V habe auch keineswegs die Beziehung zum Erblasser beendet, um sich einem neuen Partner zuzuwenden.

Vielmehr habe es die Demenz des Erblassers für die Partner unmöglich gemacht, ihre Lebensgemeinschaft in der bisherigen Art und Weise fortzusetzen. V habe den Erblasser im Heim regelmäßig besucht und so seine anhaltende Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Umständen führe eine neue Partnerschaft nicht zum Verlust des Erbrechts. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Testament nach dem (hypothetischen) Willen des Erblassers Bestand haben sollte.

Streit um Omas Erbe zu befürchten?

Interessenkonflikt: In der Regel kann man trotzdem erwarten, dass Eltern im Interesse ihres Kindes handeln

2021 war Frau W gestorben. Im Testament hatte sie ihre verheiratete Tochter als Haupterbin eingesetzt. Deren Töchter und Enkelinnen von Frau W sollten — abhängig vom noch zu taxierenden Wert des hinterlassenen Gesamtvermögens — Wertpapiere im Wert von 200.000 Euro erben, eventuell auch mehr.

Darin sah das Familiengericht eine mögliche Interessenkollision: Je nach Auslegung des Testaments könne sich eine unterschiedliche Höhe der Zuwendungen an die minderjährigen Kinder und an die Mutter, die Haupterbin, ergeben. Das Gericht entzog deshalb den Eltern — nur in Bezug auf das Erbverfahren — das Sorgerecht für die Töchter und übertrug es einer Anwältin (als so genannte Ergänzungspflegerin).

Dagegen legten die Eltern Rechtsbeschwerde ein: Sie würden das Erbe der Oma selbstverständlich entsprechend der für die Enkelinnen günstigsten Auslegung aufteilen. Davon war auch das Oberlandesgericht Nürnberg überzeugt und hob den Beschluss des Familiengerichts auf (7 WF 434/22).

Zwar sei es zu Recht von einem Interessengegensatz ausgegangen, da die Höhen des jeweiligen Anteils am Erbe voneinander abhängig seien. In so einem Fall müsse man aber darüber hinaus auch prüfen, ob die Gefahr bestehe, dass die sorgeberechtigten Eltern deshalb das Kindesinteresse vernachlässigen könnten.

Wenn zu erwarten sei, dass Eltern trotz des Interessengegensatzes im Interesse der Kinder handelten, gebe es keinen Grund, warum sie die Kinder im Erbverfahren nicht vertreten sollten. Dass Eltern im Interesse der Kinder handelten, sei die Regel und nach den Ausführungen der Eltern vor Gericht auch im konkreten Fall anzunehmen.

Außerdem sei es Sache des Nachlassgerichts und nicht der Erben, das Testament auszulegen und damit dessen rechtlich geltenden Inhalt festzustellen. Die Anhörung der Erben vor Gericht werde die Entscheidung des Nachlassgerichts nur geringfügig beeinflussen. Auch deshalb sei es unverhältnismäßig, den Eltern in Bezug auf das Erbscheinverfahren das Sorgerecht zu entziehen.

Von der Oma den Pflichtteil verlangt?

"Pflichtteilsstrafklausel": Die Sanktion greift nicht, wenn die Enkelin nur Auskunft übers Erbe forderte

Eheleute hatten 2007 ein gemeinschaftliches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Ihre vier Kinder (ersatzweise die Enkel) wurden zu gleichen Teilen als Schlusserben bestimmt, d.h. als Erben nach dem Tod beider Elternteile. Das Testament enthielt eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel: "Sollte eines unserer Kinder nach dem Tode des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztverstorbenen ebenfalls nur den Pflichtteil".

Ein Sohn des Ehepaars, der zwei Kinder hinterließ, war 2015 gestorben. 2018 starb der Vater. Nun forderte die Enkelin (= Schlusserbin) von der Großmutter (= Erbin) Auskunft über den Nachlass. Das von der Erbin übergebene Nachlassverzeichnis kritisierte die Enkelin als unzureichend und verlangte ein Gutachten zum Wert des Einfamilienhauses. Den ihr zustehenden Pflichtteil forderte die Enkelin aber nicht.

Als die Großmutter 2020 starb, beantragte eine Tochter beim Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein für sich und zwei Geschwister. Die Enkelin war ihrer Ansicht nach von der Erbfolge ausgeschlossen: Sie habe gemäß Pflichtteilsstrafklausel ihren Erbanteil verwirkt. Als Ersatzerbe sei nur der Bruder — Enkel der Erblasserin — mit zu berücksichtigen. Gegen den Ausschluss wehrte sich die Enkelin: Sie habe doch nicht ihren Pflichtteil gefordert, nur Auskunft verlangt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab ihr Recht (21 W 182/21). Eine Pflichtteilsstrafklausel solle dem überlebenden Ehepartner den Nachlass ungeschmälert erhalten und belastenden Streit mit den Pflichtteilsberechtigten um den Nachlass ersparen. Die Sanktion — Verlust des Erbteils, Reduzierung auf den Pflichtteil — gelte aber nur, wenn ein Pflichtteilsberechtigter ernsthaft vom überlebenden Ehepartner den Pflichtteil verlange.

Allein die Forderung nach Auskunft löse die Sanktion nicht aus. Die Forderung sei berechtigt, denn der/die Pflichtteilsberechtigte könne ohne Auskunft über den Umfang des Nachlasses nicht vernünftig entscheiden, ob es besser sei, den Erbanspruch zu bewahren oder den Pflichtteil in Anspruch zu nehmen.

Zwar habe die Enkelin mit ihrem Verlangen nach Korrektur des Nachlassverzeichnisses ihr Interesse sehr beharrlich verfolgt. Vermutlich habe das die Großmutter sogar gekränkt. Trotzdem: Damit habe die Enkelin nicht die Auszahlung des Pflichtteils gefordert, verliere also auch nicht ihren Anteil am Erbe.

Wenn ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament errichte, stehe es ihm frei, schon das Verlangen eines Schlusserben nach Auskunft über den Umfang des Nachlasses zu sanktionieren. Dann müssten die Eheleute allerdings die Pflichtteilsstrafklausel im Testament anders formulieren, d.h. weiter fassen.

Erbin oder Vermächtnisnehmerin?

Der Erblasser wandte seiner Lebensgefährtin den wesentlichen Teil des Vermögens zu

Testamente sind oft nicht ganz eindeutig formuliert und müssen von Gerichten interpretiert werden. So auch im konkreten Fall: Ein älterer Herr (verwitwet, kinderlos) war verstorben. Eine klare Erbeinsetzung war seinem Testament nicht zu entnehmen, denn von Erben und Vererben war mehrmals die Rede. Seine Lebensgefährtin solle das Haus und das Barvermögen bei der X-Bank erben, die Kinder seiner Schwester Ackergrundstücke. Für die Beerdigung sollte die Lebensgefährtin aufkommen.

Die Lebensgefährtin beantragte einen Alleinerbschein: Das Testament sei so auszulegen, als hätte sie der Verstorbene zur Alleinerbin bestimmt, erklärte sie. Denn der Lebensgefährte habe ihr, von einzelnen Ackergrundstücken abgesehen, den wesentlichen Teil seines Vermögens zugewandt. So sah es auch das Nachlassgericht. Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken wies die Einwände der Verwandten zurück (5 W 15/22).

Der Erblasser habe im Testament einzelne Gegenstände erwähnt und diese einzelnen Personen vermacht, also könnten sie "Vermächtnisnehmer" sein. Dabei habe er allerdings die mit einem Vermächtnis bedachten Personen als "Erben" bezeichnet, sowohl die Neffen als auch die Lebensgefährtin. Letztlich bestehe hier aber kein Zweifel daran, dass er die Lebensgefährtin zu seiner Rechtsnachfolgerin berufen und als Alleinerbin einsetzen wollte und die Neffen Vermächtnisnehmer sein sollten.

Zum einen seien die ihr zugedachten Gegenstände — das Hausanwesen und das Barvermögen des Erblassers — erheblich mehr wert als das übrige Vermögen. Der Erblasser habe sie ersichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen. Zum anderen habe er der Lebensgefährtin aufgetragen, die Beerdigung zu organisieren und zu bezahlen. Das sei ein weiteres, deutliches Indiz für die beabsichtigte Erbeinsetzung.

Auch dadurch habe der Verstorbene deutlich gemacht, dass er die Partnerin als seine Rechtsnachfolgerin betrachtete. Bei der Entscheidung, ob eine Person als Erbe eingesetzt sei, komme es vor allem auch darauf an, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass regeln und die Nachlassschulden tilgen solle, zu denen auch die Beerdigungskosten gehörten.

Hauserbin soll Erbschaftsteuer nachzahlen

Finanzamt widerruft die Steuerbefreiung, weil die Erbin aus dem Familienheim auszog

Frau B hatte das 1951 erbaute Einfamilienhaus mit ihrem Vater bewohnt. Nach dessen Tod 2009 erbte sie das Haus und lebte auch weiterhin dort. Deshalb wurde Frau B (gemäß Erbschaftsteuergesetz) von der Erbschaftsteuer für die Immobilie befreit. Im Sommer 2018 mietete sie eine Erdgeschoss-Wohnung im Haus nebenan und ließ ihr Einfamilienhaus abreißen.

Nun forderte das Finanzamt nachträglich Erbschaftssteuer: Die Steuerbefreiung gelte nur, wenn der Erbe/die Erbin das Familienheim mindestens zehn Jahre lang selbst nutze.

Frau B wehrte sich gegen den Steuerbescheid: Das alte Gemäuer sei aufgrund zahlreicher Mängel unbewohnbar geworden, erklärte sie. Außerdem habe sie sich — nach Bandscheibenvorfällen und wegen eines Hüftleidens — nicht mehr allein im Haus bewegen können.

Das Finanzgericht wies die Klage der Steuerzahlerin ab: Gebäudemängel machten die Nutzung der Immobilie nicht objektiv unmöglich. Auch ein Hüftleiden sei kein zwingender Grund für einen Umzug. Zwingend notwendig wäre er z.B., wenn sie pflegebedürftig wäre. Mit dem zweiten Argument war der von Frau B angerufene Bundesfinanzhof nicht einverstanden (II R 18/20).

Das Finanzamt dürfe die Steuerbefreiung dann nicht widerrufen, wenn der Erbe/die Erbin das Familienheim nicht mehr selbst bewohnen könne — d.h. "zwingende Gründe" für einen Umzug vorlägen. Wirtschaftliche Erwägungen des Erben oder bauliche Mängel der Immobilie reichten da nicht, wie das Finanzgericht richtig gesehen habe. Den baulichen Zustand einer Immobilie könne man veränderten Lebensumständen anpassen.

Die Steuernachzahlung bleibe Erben bei einem Umzug nur erspart, wenn es objektiv unmöglich oder unzumutbar sei, das Familienheim selbst zu nutzen. Anders als das Finanzgericht annehme, treffe das aber nicht nur zu, wenn ein Erbe/eine Erbin in ein Pflegeheim umziehen müsse. Sondern auch dann, wenn es ihm/ihr nicht mehr möglich sei, im Familienheim den Haushalt selbständig zu führen.

Im konkreten Fall sei dieser entscheidende Punkt nicht geklärt worden. Allein der Umstand, dass Frau B nun in einer kleinen Erdgeschoss-Wohnung ihren Haushalt selbständig führe, widerlege nicht, dass der Umzug für sie "zwingend notwendig" war.

Das Finanzgericht müsse sich mit dem Fall nochmals befassen und feststellen, ob Frau B aufgrund ihres Gesundheitszustands im Familienheim nicht mehr selbständig habe leben können, d.h. ohne ständige Hilfe Dritter. Das wäre ein "zwingender Grund" dafür, das Familienheim aufzugeben.

Identität des/der Erben muss sich aus dem Testament ergeben

Eine beigefügte, maschinengeschriebene Liste mit den Namen von Freunden zählt nicht

Ein Ehepaar hatte sich in einem handschriftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tod des zweiten Partners sollte eine "Erbengemeinschaft aus fünf befreundeten Familien" das restliche Vermögen bekommen. "Namen und Adressen … sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben", fügte das Paar hinzu. Doch das war ein Fehler.

Die Tochter legte nach dem Tod der Eltern Beschwerde ein, als das Nachlassgericht den Freunden einen Erbschein ausstellte. Und sie bekam Recht. Das Oberlandesgericht Frankfurt erklärte die Erbeinsetzung für nichtig, der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil (IV ZB 30/20).

Zweifellos könne man davon ausgehen, dass die Freunde erben sollten, räumten die Bundesrichter ein. Doch die hinzugefügte Liste der Erben sei unwirksam, weil sie zwar unterzeichnet, aber maschinengeschrieben sei. Erben könne nur eine Person, deren Identität sich unmittelbar aus dem eigenhändig geschriebenen Testament ergebe. Das sei hier nicht der Fall.

Im Testament selbst sei nur von fünf Familien die Rede. Die Identität der Erben könne nur durch die Bezugnahme auf eine Erbenliste ermittelt werden, die nicht handschriftlich verfasst wurde. Diese "Anlage" entspreche deshalb nicht den zwingenden Vorschriften für ein Testament, sei "formnichtig" und dürfe nicht berücksichtigt werden. Daher gelte die gesetzliche Erbfolge, der Nachlass stehe der Tochter zu.

"Corona-Nottestament" unwirksam

Trotz der Kontaktbeschränkungen müssen drei Zeugen gleichzeitig anwesend sein

In einem früheren Testament hatte ein krebskranker Mann drei Verwandte zu gleichen Teilen als Erben bestimmt. An einem Sonntag im März 2021 wollte er sein Testament in der Klinik ändern und eine von ihnen als Alleinerbin einsetzen. Am Wochenende war jedoch kein Notar erreichbar. Da der Mann fürchtete, bald werde er nicht mehr in der Lage sein, klar zu formulieren, beschloss er, ein so genanntes Nottestament vor drei Zeugen zu verfassen.

Doch im März 2021 durften aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht drei Personen gleichzeitig den Patienten besuchen. So schrieb erst die als Alleinerbin ausersehene Verwandte das Testament, das dann nacheinander der Erblasser und drei Zeugen unterschrieben.

Das Nachlassgericht stellte der Frau nach dem Tod des Erblassers keinen Alleinerbschein aus: Das Nottestament sei unwirksam, da die Zeugen nicht wie vorgeschrieben gleichzeitig anwesend waren. Gültig bleibe daher das vorherige Testament.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte die Entscheidung (I-3 Wx 216/21). Es bestehe kein Grund, wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen von den zwingenden Vorschriften zum Nottestament abzuweichen. Der einschlägige Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 2250) regle genau die Situation, dass sich der Erblasser an einem durch außergewöhnliche Umstände isolierten Ort befinde und keinen Notar hinzuziehen könne.

Die Absperrung könne unterschiedliche Gründe haben: Naturereignisse, oder auch die Situation einer Quarantäne infolge von Seuchen und ansteckenden Krankheiten. Für einen Patienten in der Klinik bedeuteten die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen natürlich eine Art Quarantäne: Der Erblasser sei isoliert gewesen. Trotzdem: Nach den vom Gesetzgeber für ein Nottestament festgelegten Bedingungen müsse ein Nottestament vor drei Zeugen errichtet werden, andernfalls sei es nichtig.

Stiefmutter überlebt ihren Erben

Wurde im Erbvertrag kein Ersatzerbe eingesetzt, kann die Witwe die weitere Erbfolge frei bestimmen

Die Witwe hatte nicht nur ihren Mann überlebt, sondern auch dessen Sohn, der laut Erbvertrag von 1965 das Vermögen hätte erben sollen. Im Erbvertrag hatten sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Erbe des länger lebenden Partners sollte der Sohn des Ehemannes sein. Nacherben bzw. Ersatzerben wurden nicht benannt: "Sonst wollen wir nicht bestimmen", hieß es im Erbvertrag.

2012 verfasste die Witwe ein Testament, in dem sie diesen Umstand erläuterte: Der 1996 verstorbene Stiefsohn habe zwei Kinder hinterlassen, einen Jungen und ein Mädchen. Für diesen Fall, dass der Erbe vor ihnen sterben sollte, hätten sie und ihr Mann "keine bindende Ersatzerbeneinsetzung gewollt". Denn zu diesem Zeitpunkt habe sich "die Entwicklung der beiden Enkel noch nicht absehen" lassen. 2015 verfasste die Witwe ein weiteres, notarielles Testament, in dem sie die geschiedene Frau des Enkels als ihre Alleinerbin einsetzte.

Als die Witwe 2018 starb, beanspruchten Enkel und Enkelin je eine Hälfte des Vermögens, gestützt auf den Erbvertrag von 1965: Sie seien die Erben ihres Vaters, der das Vermögen des Großvaters hätte erben sollen.

Doch das Nachlassgericht war der Ansicht, die Erbfolge richte sich nach dem Testament der Witwe von 2015. Es erteilte der Ex-Frau des Enkels einen Alleinerbschein: Der Erbvertrag von 1965 enthalte keine Regelung, die die Erblasserin an dieser Erbeinsetzung hindern würde.

So sah es auch das Oberlandesgericht München (31 Wx 110/19, 31 Wx 272/20). Offenbar habe das Ehepaar 1965 bewusst davon abgesehen, die Ersatzerbfolge zu regeln. Das lege auch der Satz "Sonst wollen wir nicht bestimmen" nahe. Damals seien die Enkel ein und zwei Jahre alt gewesen.

Vor diesem Hintergrund sei es plausibel und nachvollziehbar, wenn die Witwe schreibe, sie hätten 1965 keinen Ersatzerben verbindlich festlegen wollen, weil nicht vorhersehbar war, wie sich die Enkel entwickeln würden. So sei es offenbar zwischen den Ehepartnern abgesprochen und mit dem Notar besprochen worden, der seinerzeit den Erbvertrag aufgesetzt habe. Daher habe die Witwe die weitere Erbfolge frei bestimmen können.

Testament oder Testamentsentwurf?

Ein gültiges Testament setzt ernsthaften Testierwillen des Erblassers voraus

Herr M, ledig und kinderlos, starb Anfang 2020. 2009 hatte er ein notarielles Testament verfasst, in dem er eine Bekannte als Alleinerbin eingesetzt hatte. Nach seinem Tod fanden die beiden Schwestern in der Wohnung allerdings nicht nur dieses Testament, sondern eine Mappe mit einigen DIN A 4-Blättern. Auf der Rückseite von Werbezetteln hatte M mit Bleistift Notizen zu möglichen Änderungen des Testaments festgehalten.

Die Schwestern schickten die Blätter dem Nachlassgericht und teilten mit, ihr Bruder habe vor seinem Tod mehrmals erwähnt, er wolle sein Vermögen einer Hilfsorganisation X hinterlassen. Auf einem Blatt mit dem Datum 7.10.2016 stand:

"Testamentsveränderung (…) Hiermit möchte ich mein bisheriges 1. Testament, erstellt am 20.7.2009 Urkunde Rolle Nr. 00 2009 von A in B. verändern auf für ungültig erklären Mein ganzes Vermögen bestehend aus" (… es folgen Angaben zu Konten und Immobilien) "möchte ich der Hilfsorganisation X vererben".

Gestützt auf dieses Blatt Papier beantragte die Hilfsorganisation beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein — jedoch ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die ablehnende Entscheidung (10 W 18/21).

Ein Testament sei nur gültig, wenn ein Erblasser ernsthaft eine verbindliche Anordnung für den Fall seines Todes treffen wollte. Im konkreten Fall seien aus mehreren Gründen Zweifel daran angebracht, dass die Notizen vom Oktober 2016 mehr darstellen sollten als einen Entwurf.

Zum einen sei es ungewöhnlich, ein Testament auf der Rückseite eines Werbezettels zu notieren. Zweifel würden verstärkt durch den Umstand, dass Herr M den Text mit Bleistift geschrieben habe — wodurch er früher oder später unleserlich werde. Zum anderen enthalte der Text viele Auslassungen. Offenbar habe ihn der Erblasser also noch ergänzen oder ändern wollen — der Text enthalte keine endgültigen Formulierungen.

All diese Umstände führten zu der Schlussfolgerung: Hier handle es sich um den Entwurf einer 2016 beabsichtigten Testamentsänderung, zu der der Erblasser aber nicht ernstlich entschlossen gewesen sei und die nicht wirklich durchgeführt wurde. Ähnliche Notizen habe Herr M 2017 angefertigt. Auf weiteren Zetteln von 2018 finde sich wiederum die Formulierung: "Ich lasse altes Testament so". Gültig sei daher nach wie vor das notarielle Testament von 2009.