Herr W hatte 1998 mit seiner (2019 verstorbenen) Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament verfasst. Die Eheleute hatten sich darin gegenseitig als Alleinerben und eine Nichte der Ehefrau als Schlusserbin eingesetzt. Ausdrücklich wurde festgehalten, der überlebende Partner habe das Recht, diese Erbeinsetzung zu ändern. Der seit 2015 an Parkinson erkrankte Senior lebte im eigenen Haus und wurde nach dem Tod der Ehefrau von einem ambulanten Pflegedienst und von einem Nachbarn unterstützt.
2020 benützte W die Rückseite eines Café-Speiseplans, um handschriftlich ein neues Testament zu verfassen. Darin bestimmte er den Nachbarn zum Alleinerben. Das Papier war ungewöhnlich, doch das Schriftstück war korrekt mit Ort, Datum und Unterschrift versehen und trug die Überschrift "Mein Testament". Als Herr W 2021 starb, beantragten der Nachbar und die Nichte einen Alleinerbschein: Sie zweifelte das zweite Testament an und bestritt zudem, dass der Erblasser 2020 noch "testierfähig" war.
Das Kammergericht Berlin wies die Einwände der Nichte zurück (6 W 48/22). Der Erblasser habe zwar die für eine Parkinson-Erkrankung typischen Probleme mit der Feinmotorik gehabt. Da er aber noch selbst Einkaufslisten und andere kurze Texte geschrieben habe, stehe aufgrund des Schriftbildes fest, dass das Schriftstück von Herrn W stammte. Und nichts spreche dafür, dass es nur als Entwurf gedacht sein könnte: Inhaltliche Gestaltung und Ausdrucksform belegten eine mit Testierwillen verfasste Erklärung.
W habe außerdem Monate später einen Zusatz angebracht, der die Verfügung bestätigte. Er habe diese nochmals unterschrieben und das Schriftstück einem Anwalt übergeben, der es zur Verwahrung beim Nachlassgericht gebracht habe. Allein die "unorthodoxe" Wahl des Papiers für ein Testament belege nicht, dass es an Testierwillen fehle — wenn es dafür keine weiteren Anhaltspunkte gebe.
Nach Aussagen seiner Ärzte hätten sich bei W auch noch keine Indizien für eine Parkinson-Demenz gezeigt, die die freie Willensbildung eingeschränkt haben könnte. Sie trete meist erst in einem späteren Stadium der Krankheit auf. Die vom Erblasser getroffene Verfügung sei obendrein plausibel und nachvollziehbar.
Pflegepersonen und Ärzte hätten betont, wie sehr der alte Herr die Hilfe des Nachbarn zu schätzen wusste. Er habe unbedingt im eigenen Haus bleiben und so selbständig wie möglich leben wollen. Offenbar habe ihn dabei der Nachbar so nachhaltig unterstützt, dass W diese im Alltag für ihn so wichtige Bezugsperson habe belohnen wollen.