Arbeitgeberin wollte aufmüpfige Betriebsratsmitglieder loswerden: Detektive konstruierten Kündigungsgründe
Was sich 2012 in einem Bad Nauheimer Altersheim abspielte, klingt wie ein "Dreigroschen-Krimi". Die Heimbetreiberin X-GmbH wollte nach einigen Streitereien um Mitbestimmung die Vorsitzende des Betriebsrats, Frau S, und deren Stellvertreterin C loswerden. Die Geschäftsführerin der X-GmbH ließ sich von Anwalt Helmut Naujoks beraten, der für solche Aufträge bestens qualifiziert ist: Eines seiner Bücher heißt "Kündigung von Unkündbaren".
Unkündbar sind u.a. Betriebsräte, weil sie unter besonderem Kündigungsschutz stehen. Das heißt: Der Arbeitgeber darf sie nur aus schwerwiegenden Gründen entlassen. Daher war schnell klar: In der Bad Nauheimer "Seniorenresidenz" mussten solche Kündigungsgründe gefunden oder erfunden werden.
Die Intrige flog erst Jahre später auf, als einer von zwei Detektiven auspackte, die damals von der Geschäftsleitung ins Heim eingeschleust worden waren. Sie gaben sich als Praktikant bzw. Leiharbeiter aus. Anwalt Naujoks hatte die "Dienstleister" empfohlen.
Ein Detektiv bot Frau C während der Nachtschicht Sekt an — trotz Alkoholverbots im Heim. Das war mit der Geschäftsleitung abgesprochen. Gegen ein Uhr nachts wurde der Pausenraum kontrolliert und die Sektflasche "entdeckt". Frau C wurde entlassen, obwohl sie nichts getrunken hatte.
Frau S suchten die Spitzel in ihrem Betriebsratsbüro auf. Bei dem Gespräch beschimpften und bespuckten sie die Frau, um sie zu einem Angriff herauszufordern. Da sie sich nicht provozieren ließ, schlug ein Detektiv dem anderen ins Gesicht und beschuldigte dann die Betriebsratsvorsitzende, sie habe einen Kollegen verletzt. Ihr wurde ebenfalls gekündigt.
Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Gießen müssen die Arbeitgeberin und ihr Rechtsberater Frau C 20.000 Euro Entschädigung zahlen (3 Ca 433/17). Die Heimbetreiberin X-GmbH habe gemeinsam mit dem Anwalt ein Strategiekonzept entwickelt, um unliebsame Mitglieder des Betriebsrats entlassen zu können, so das Gericht. Lockspitzel sollten die Mitarbeiterinnen in Verruf bringen, Kündigungsgründe provozieren oder erfinden. Um Frau C fristlos entlassen zu können, habe man ihr einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben — das sei eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
PS: Frau S hatte ebenfalls Entschädigung verlangt. Ihre Klage blieb jedoch erfolglos, weil sie 2014 vor Gericht einem Vergleich mit der X-GmbH zugestimmt hatte. Das Arbeitsverhältnis war "einvernehmlich" beendet worden, Frau S verzichtete auf finanzielle Ansprüche daraus. Frau C ist dagegen nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess wieder bei der X-GmbH beschäftigt.