Betreuung, Heim und Pflege

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Heimbewohner starb, bevor über Sozialhilfe entschieden wurde

Das Sozialamt muss dem Altenheim trotzdem die Pflegekosten erstatten

Ein Rentner erkrankte schwer, wurde pflegebedürftig und in einem Altenheim untergebracht. Da seine Rente nicht ausreichte, um die Kosten des Heims zu decken, sollte das Sozialamt den fehlenden Betrag übernehmen. Der Antrag auf Sozialhilfe landete aber erst auf einem Umweg beim zuständigen Landkreis. Der Rentner starb, noch bevor über den Antrag entschieden war.

Das Altenheim verlangte vom Sozialamt des Landkreises, die ungedeckten Pflegeleistungen (über 10.000 DM) zu bezahlen. Die Sozialbehörde lehnte jedoch ab, weil der Anspruch auf Sozialhilfe höchstpersönlicher Natur sei. Nach dem Tod des Berechtigten könne nichts mehr bewilligt werden. Dem widersprach das Oberlandesgericht Köln (7 U 127/93).

Die Beteiligten seien sich einig, dass dem verstorbenen Rentner Sozialhilfe zustand. Also sei der Landkreis als zuständiger Sozialhilfeträger gesetzlich zur Hilfeleistung verpflichtet gewesen. Diese Hilfe habe das Altenheim nur vorfinanziert. Wer aber für einen anderen in dessen Interesse Angelegenheiten besorge, könne Ersatz seiner Ausgaben verlangen. Gemäß diesem Rechtsgrundsatz - die so genannte "Geschäftsführung ohne Auftrag" - müsse der Landkreis die Pflegekosten ersetzen.

Der Betreuerin passt die Freundin des Betreuten nicht

Sie darf seine Beziehung zu einer "guten Bekannten" nicht ohne sachlichen Grund unterbinden

Für einen alten Herrn, der im Pflegeheim lebte, hatte das Amtsgericht eine professionelle Betreuerin bestimmt, die sich um seine finanziellen und rechtlichen Belange kümmerte. Eines Tages beantragte die Betreuerin beim Amtsgericht, ihre Aufgaben zu erweitern: Sie wolle den persönlichen Umgang ihres Schützlings zu Frau M regeln.

Der Grund: Die Betreuerin fand es unmöglich, dass der Senior gelegentlich bei seiner "guten Bekannten" M übernachtete, dort auch Bier trank und erst am nächsten Tag ins Heim zurückkehrte. Der Betreute widersprach dem Antrag entschieden und bekam vom Amtsgericht Brandenburg Recht (85 XVII 127/20).

Betreuer dürften den Umgang des Betreuten allenfalls dann einschränken, wenn ein Kontakt für den Betreuten physisch oder psychisch schädlich sei. Das wäre etwa der Fall, wenn eine Bekannte/ein Bekannter Gewalt anwende oder Kontakte zu Drogen vermittle, dem Betreuten Geld oder wertvolle Sachen "abschwatze". Das treffe hier alles nicht zu.

Ohne eine konkrete Gefahr für den Betreuten dürfe eine Betreuerin den Umgang des Betreuten mit Freunden und Bekannten nicht unterbinden. Gut gemeinte "Erziehungsversuche" gegen den Willen des Betroffenen widersprächen seinem Selbstbestimmungsrecht. Der Betreute entscheide selbst, mit wem er Kontakt pflegen wolle, auch wenn das vielleicht gegen die Wertvorstellungen der Betreuerin verstoße.

Mehr Einfluss für den Berufsbetreuer?

Legt die Betreute Einspruch ein, muss das Gericht prüfen, ob sie das Für und Wider vernünftig abwägen kann

Für eine Frau, die nach einem Schlaganfall an kognitiven Störungen leidet und körperlich behindert ist, war ein Berufsbetreuer bestellt worden. 2020 erweiterte das Amtsgericht dessen Kompetenzen um das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und bei der Vermögenssorge. Künftig sollten alle Ausgaben der Betreuten mit einem Wert von mehr als 75 Euro von der Zustimmung des Betreuers abhängen ("Einwilligungsvorbehalt").

Gegen diese Entscheidung und die Auswahl des Berufsbetreuers legte die Frau Rechtsbeschwerde ein. Während das Landgericht die Beschwerde rundweg ablehnte, erreichte die Betreute beim Bundesgerichtshof zumindest einen vorläufigen Erfolg (XII ZB 158/21). Gegen den freien Willen des/der Betreuten dürfe eine Betreuung weder eingerichtet, noch erweitert werden, betonten die Bundesrichter.

Wenn der/die Betroffene so einer Maßnahme widerspreche, müsse das Gericht prüfen, ob er/sie trotz der Krankheit noch zu freier Willensbestimmung fähig sei. Entscheidend sei, ob Betreute den Grund und die Tragweite der Maßnahme intellektuell erfassen könnten oder nicht. Wenn die Betreute im konkreten Fall in der Lage sei, ihre Defizite richtig einzuschätzen und die Vor- und Nachteile der Maßnahme abzuwägen, dann beruhe ihr Einspruch auf ihrem freien Willen und sei zu berücksichtigen.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten belegten nicht, dass die Betreute außerstande sei, Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Da werde festgestellt, diese Fähigkeit sei "in der Beziehung zu ihrer dominanten Jugendfreundin stark eingeschränkt, deren Dominanz könne die Betreute keine eigenen Entscheidungen entgegensetzen … Das reiche nicht aus, um der Frau objektiv die Fähigkeit zu freier Willensbildung abzusprechen. Das Landgericht müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und eventuell ein weiteres Gutachten anfordern.

Pflegende Mutter überschuldet

An pflegende Personen weitergeleitetes Pflegegeld ist nicht als Arbeitseinkommen pfändbar

Die Mutter eines autistischen Sohnes pflegt ihn alleine und erhält dafür sein Pflegegeld. Die verschuldete Frau musste sich einem Privatinsolvenzverfahren unterziehen. Bei der Berechnung ihres pfändbaren Einkommens wollte der Insolvenzverwalter auch das Pflegegeld berücksichtigen, das der Sohn an sie weiterleitete: Auch das Pflegegeld sei als Arbeitseinkommen anzusehen, fand der Insolvenzverwalter.

Dagegen wehrte sich die Schuldnerin und bekam vom Amtsgericht Recht. Auch der Bundesgerichtshof urteilte, das Pflegegeld sei bei der/bei dem Pflegenden unpfändbar (IX ZB 12/22). Dafür spreche in erster Linie der Sinn dieser Leistung, so die Bundesrichter. Der autistische Sohn, der das Geld an seine Mutter weiterleite, bekomme durch ihre Pflege die Möglichkeit, sein Leben eigenständig und selbstbestimmt zu führen.

Das Pflegegeld sei sozusagen die Belohnung dafür, dass die Pflegeperson Opfer bringe und ein Anreiz, um die Pflegebereitschaft zu erhöhen. Diesen Sinn würde die Geldleistung verlieren, wenn sie wie Arbeitseinkommen pfändbar wäre. Würde es einem Gläubiger der Mutter zugesprochen, widerspräche das dem Interesse des Pflegebedürftigen, die Mutter für ihre Opferbereitschaft zu belohnen.

Sturz einer Heimbewohnerin

Eine Pflegekraft ließ die demente Frau im Flur zu lange aus den Augen

Die gesetzliche Krankenkasse der bei einem Treppensturz verletzten Heimbewohnerin H verklagte den Träger des Seniorenheims auf Schadenersatz für die Behandlungskosten. Das Oberlandesgericht Rostock gab der Krankenkasse Recht: Der Heimträger müsse für die Unfallfolgen haften, weil der Sturz der Seniorin auf eine Pflichtverletzung der Pflegehelferin X zurückzuführen sei (6 U 7/19). Das Fehlverhalten sei dem Träger zuzurechnen.

Frau X habe die demente Patientin auf einem Wohnflur des Heims begleitet. Mit einem Gehwagen sollte sie mobilisiert werden. Es sei kein Zufall, dass dies mit einer Pflegehelferin stattfand, die sich nur auf die Seniorin konzentrieren sollte. Denn diese neigte zu motorischer Unruhe und sei auch schon öfter gestürzt. Während der Mobilisierungsübungen sei Frau X von einer Kollegin gerufen worden.

Die Kollegin habe einen Patienten zur Toilette gebracht und hatte wohl Mühe, ihn zurück in den Rollstuhl zu setzen. Das sei aber kein Notfall gewesen, der es gerechtfertigt hätte, eine sturzgefährdete, desorientierte Heimbewohnerin — wenn auch nur kurz — im Gehwagen alleine zu lassen. Angesichts des Gesundheitszustands von Frau H könne es nicht überraschen, dass sie sich in einem unbeobachteten Moment entfernt habe. Zudem sei die Tür zum Treppenhaus ungesichert und könne mit einem Druckknopf von jedem Patienten einfach geöffnet werden.

Spätestens, als Frau X die Seniorin durch die Toilettentür nicht mehr gesehen und den Türöffner gehört habe, hätte sie sofort tätig werden müssen. Ihr habe klar sein müssen, dass die hilflose Patientin, die dazu neigte, sich unkontrolliert fortzubewegen, durch die Flurtür das Treppenhaus erreichen konnte. Frau X hätte bei ihrer Hilfeleistung für die Kollegin ihre Patientin H im Auge behalten oder eine weitere Pflegekraft herbeirufen müssen.

Heimgeld nur teilweise gezahlt

Pandemiebedingte Besuchseinschränkungen im Pflegeheim rechtfertigen keine Kürzung

Frau S lebte seit 2017 in einem Seniorenheim mit vollstationärer Pflege, war in den Pflegegrad 3 eingestuft. Wegen der Corona-Pandemie holte ihr Sohn die Pflegebedürftige am 19.3.2020 nach Hause. Das Zimmer im Pflegeheim räumte sie nicht, zahlte aber von April bis Juli nur ein Drittel des vereinbarten Heimgelds.

Vom Heimbetreiber zur Zahlung des vollen Betrags aufgefordert, kündigte die Seniorin den Pflegevertrag "aus wichtigem Grund" zum 31.8.2020. Der Betreiber des Pflegeheims zog vor Gericht und verlangte bis zu diesem Tag "Heimgeld" in voller Höhe — abzüglich des vereinbarten Pauschalabzugs von 25 Prozent für Zeiten der Abwesenheit.

Zu Recht, entschied der Bundesgerichtshof (II ZR 240/21). Die Heimbewohnerin dürfe das monatliche Entgelt für das Pflegeheim nicht über diesen Pauschalbetrag hinaus kürzen. Die wesentlichen Leistungen — Unterbringung und Pflege — habe das Pflegeheim trotz der Pandemie in vollem Umfang erbracht. Durch die pandemiebedingten Einschränkungen von Besuchen Angehöriger habe sich die Geschäftsgrundlage des Pflegevertrags nicht geändert.

Die staatlich angeordneten Kontaktbeschränkungen dienten in erster Linie dem Schutz der besonders gefährdeten Heimbewohner und auch dem der Mitarbeiter. Den Vertragszweck stellten die Corona-Regeln also nicht in Frage. Für die Seniorin sei es zumutbar, am Pflegevertrag bis zum Ende der Kündigungsfrist festzuhalten, zumal die Einschränkungen sozialer Kontakte im Lockdown die gesamte Bevölkerung betrafen. Sie rechtfertigten keine Kürzung des Heimentgelts um zwei Drittel.

Rentner schob Mutter nach Tschechien ab

Berufsbetreuerin holte die weggesperrte Demenzkranke aus dem Pflegeheim

Zusammen mit seiner Frau holte ein Münchner seine 92-jährige Mutter im Krankenhaus ab. Die Ärzte empfahlen dem 67 Jahre alten Rentner, häusliche Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst zu organisieren. Das Ehepaar brachte die Demenzkranke aber nicht nach Hause, sondern nach Tschechien in ein Pflegeheim. Der Rentner erzählte der Mutter, sie müsse nur vorübergehend im Heim bleiben, weil er nun in Urlaub fahre. Danach hole er sie wieder ab.

Tatsächlich machten die Eheleute keinen Urlaub. Sie bezogen vielmehr die Wohnung der Mutter und dachten überhaupt nicht daran, die alte Frau zurückzuholen. Im Pflegeheim wurde sie — ohne medizinische Notwendigkeit und ohne richterliche Genehmigung — auf einer geschlossenen Station untergebracht und miserabel betreut. Deutsch sprach im Heim niemand.

Zum Glück für die Seniorin erkundigte sich die gerichtliche Verfahrenspflegerin beim Sohn nach ihrem Aufenthalt. Die Mutter befinde sich in einem "supertollen geschlossenen Heim in Tschechien", so die Auskunft. Nach Deutschland komme sie nicht mehr zurück.

Das hätte die alte Frau niemals gewollt, da war sich die Verfahrenspflegerin sicher. Auf ihren Bericht hin setzte das Amtsgericht eine Berufsbetreuerin ein. Die beiden Frauen fuhren kurzerhand zu dem Pflegeheim nach Tschechien und fanden die Seniorin in einem "verwahrlosten, erbärmlichen Zustand" vor (Hämatome am Rücken, schmutzige Wäsche, fettige Haare). Sie habe sofort geweint und geklagt, sie warte schon so lange auf ihren Sohn.

Die Berufsbetreuerin nahm sie mit und brachte sie in München in einem offenen Pflegeheim unter. Dort sei sie glücklich und wieder ein ganz anderer Mensch geworden, erklärte die Betreuerin vor dem Amtsgericht München im Prozess gegen den Sohn. Der Rentner und seine Frau erhielten wegen Freiheitsberaubung eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren (820 Ls 275 Js 118454/20).

Neben ihrem Geständnis spreche für die Angeklagten die Tatsache, dass sie offenkundig mit der Pflege der Demenzkranken überfordert gewesen seien. Auch habe das Ehepaar wohl nicht gewollt, dass die Mutter eingesperrt werde, räumte das Amtsgericht ein.

Aber es habe die Unterbringung auf einer geschlossenen Station zumindest billigend in Kauf genommen. Immerhin sieben Monate habe die Tortur gedauert. Während dieser langen Zeit habe die alte Frau täglich darauf gewartet, vom Sohn besucht und abgeholt zu werden, weil er sie mit diesem falschen Versprechen abgeschoben habe. Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung sei daher angemessen.

Vorsorgevollmacht für einen Sohn

Der zweite Sohn fordert, die Vollmacht der demenzkranken Mutter aufzuheben

Ein wohlhabender Metzgermeister hatte Sohn A den Betrieb übergeben und ihn im Testament als Erben eingesetzt. Sohn B, mit dem er sich zerstritten hatte, erhielt zwei Mehrfamilienhäuser, sollte nach dem Tod der Eltern aber nur den Pflichtteil bekommen. Das Metzger-Ehepaar erteilte Sohn A zudem eine Vorsorgevollmacht in Sachen Vermögensvorsorge. Er sollte sich um die Mutter kümmern, deren Alzheimer-Krankheit sich schon abzeichnete.

Nach dem Tod des Vaters 2018 ging die Mutter mit dem enterbten Sohn B zur Sparkasse und hob für ihn über eine Million Euro ab. B überredete sie auch dazu, die Vollmacht für den Bruder zu widerrufen, dem er nicht traute. Daraufhin wurde vom Amtsgericht ein Kontrollbetreuer für die Seniorin bestellt. Die Betreuung wurde allerdings bald wieder aufgehoben: Denn A verpflichtete sich gegenüber dem Betreuer, von seiner Vollmacht nur nach Rücksprache mit B Gebrauch zu machen.

Darauf wollte sich B jedoch nicht verlassen: Die Vollmacht müsse aufgehoben und ein neutraler Betreuer für die Vermögensvorsorge eingesetzt werden, forderte er. Sein Anliegen wurde von allen Instanzen abgewiesen, zuletzt vom Bundesgerichtshof (XII ZB 518/20). Eine Betreuung sei nicht nötig, da sich der bevollmächtigte Sohn an die Vorgaben des Testaments halte und im wohlverstandenen Interesse der Mutter handle. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für das Gegenteil.

Letztlich kritisiere B, dass Bruder A die Anweisungen des Vaters befolgte, statt B mehr abzugeben. Die Eltern hätten aber, als die Mutter noch gesund war, die Verteilung des Vermögens gemeinsam geplant — ebenso die Vollmacht. Deshalb könne man davon ausgehen, dass es ihrem Willen entspreche, wenn A sie versorge.

Da sich B weder für den elterlichen Betrieb interessiert, noch um die Eltern gekümmert habe, sollte er auf den Pflichtteil beschränkt bleiben. A dagegen sollte die Pflege der Mutter in ihrer vertrauten Umgebung bestmöglich sichern und genau das setze er um.

Kosten einer Pflege-WG sind steuerlich absetzbar

Kurzartikel

Das Finanzamt muss die Ausgaben eines Schwerbehinderten für die Unterbringung als steuermindernde außergewöhnliche Belastung auch dann berücksichtigen, wenn er nicht in einem Pflegeheim, sondern in einer Wohngemeinschaft mit Betreuung lebt. Diese alternative Möglichkeit des Wohnens für pflegebedürftige Menschen ist vom Gesetzgeber genauso anerkannt wie das Wohnen im Pflegeheim.

Berufsbetreuerin als Erbschleicherin

Die Notarin für die Erbeinsetzung bestellte die Betreuerin gleich selbst: Testament ist nichtig

Ein 85 Jahre alter Mann erlitt Ende 2004 einen schweren Schlaganfall und war danach nicht mehr in der Lage, den Alltag zu bewältigen. Im April 2005 wurde er aus dem Krankenhaus in eine Pflegeeinrichtung verlegt. Das Amtsgericht Hannover richtete für ihn eine rechtliche Betreuung ein. Eine Berufsbetreuerin sollte die gesundheitlichen und finanziellen Angelegenheiten regeln, da der Senior keine nahen Verwandten hatte.

Die Betreuerin verlor keine Zeit. Sie vermittelte dem Pflegebedürftigen nicht nur einen Begleiter für Spaziergänge und fürs Einkaufen. Sie bestellte auch — ohne Auftrag des Betreuten — eine Notarin, um im Pflegeheim sein Testament aufzuschreiben. Das Vermögen belief sich auf ca. 350.000 Euro. Als Erben setzte die Notarin die Betreuerin und den Begleiter ein. Als das Amtsgericht das Betreuungsverhältnis im Dezember 2005 verlängerte, erwähnte die Betreuerin das Testament nicht.

Der Senior starb im April 2012, danach teilten die Erben das Geld unter sich auf. Hier sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, vermutete das Amtsgericht, und beauftragte einen Nachlasspfleger, der das Vermögen zurückforderte. Zu Recht, entschieden das Landgericht Hannover und das Oberlandesgericht Celle (6 U 22/20). Denn im Mai 2005 sei der Erblasser nicht mehr "testierfähig" gewesen, wie ärztliche Gutachten und Zeugenaussagen bestätigten.

Das bedeute: Er sei nach dem Schlaganfall nicht mehr imstande gewesen, die Tragweite einer testamentarischen Verfügung zu erkennen, die Lage rational zu beurteilen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zudem habe der pflegebedürftige Senior in dieser Ausnahmesituation nicht mehr selbstbestimmt und unbeeinflusst handeln können. Trotz seines hilflosen Zustands habe die Betreuerin pflichtwidrig keinen Mediziner gefragt, ob der Betreute noch testierfähig sei.

Stattdessen habe sie den Zustand unverfroren zu ihrem Vorteil ausgenutzt. Kaum sei der Patient im Pflegeheim untergebracht worden, habe die Betreuerin die Notarin geholt. Ohne zwingenden Grund sei sie beim Testamentstermin dabei gewesen. Da der Betreute nicht mehr selbst schreiben konnte, habe die Frau gewusst, dass er das Testament allein nicht mehr würde ändern können. Dem Amtsgericht habe sie die Erbeinsetzung bewusst verschwiegen, damit es den Interessenkonflikt nicht prüfte. Das notarielle Testament sei daher sittenwidrig und nichtig.

Pflegeheim will Demenzkranke loswerden

Die Heimbetreiberin kann den Heimvertrag nicht wegen demenzbedingter Verhaltensauffälligkeiten kündigen

Seit 2015 lebt eine an Demenz erkrankte Frau in einem Seniorenheim mit spezieller Abteilung für Demenzkranke. Im Herbst 2018 kündigte die Heimbetreiberin ihren Heimvertrag, weil die Frau permanent den Hausfrieden störe: Sie laufe nachts ständig herum und gehe in die Zimmer anderer Heimbewohner. Ihr Verhalten sei fast immer aggressiv. Sie boxe Pflegekräfte, stelle anderen Personen ein Bein oder fahre sie mit ihrem Rollator an.

Da Angehörige und der Betreuer der Seniorin der Kündigung widersprachen, klagte die Heimbetreiberin auf Räumung des Zimmers. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg urteilte, es sei für die Heimbetreiberin trotz der Störungen zumutbar, am Heimvertrag festzuhalten (1 U 156/19). Sie habe bei der Aufnahme der Frau gewusst, dass diese an Demenz leide. Gerade für demente Senioren unterhalte das Heim eine eigene Abteilung mit ausgebildeten Fachkräften.

Grundsätzlich könne ein Heimvertrag mit einem Demenzpatienten nicht wegen demenzbedingter Verhaltensauffälligkeiten gekündigt werden. Das geschilderte Verhalten der Seniorin liege im Rahmen dessen, was von einer Demenzkranken zu erwarten sei und sei daher von der Heimbetreiberin hinzunehmen. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Heimbewohnerin sich oder andere Personen erheblich gefährden würde. Das treffe jedoch nicht zu.

Sparkonten für die Enkel angelegt

Der Sozialhilfeträger kann das Geld von den Beschenkten zurückfordern, wenn die Oma pflegebedürftig wird

Für ihre beiden Enkel hatte eine Großmutter je ein Sparkonto eröffnet. Elf bzw. neun Jahre lang zahlte sie jeden Monat auf diese Konten je 50 Euro ein, um für die Enkel eine Starthilfe für Studium oder Beruf anzusparen. Die Großmutter lebte von ca. 1.250 Euro Rente. Als sie für Medikamente und Behandlungen mehr Geld brauchte, stoppte sie die Zahlungen. Schließlich musste die Seniorin vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht werden.

Den Kostenanteil für das Heim konnte sie jedoch nicht mit eigenen Mitteln finanzieren. Der Sozialhilfeträger sprang ein und verklagte gleichzeitig die Enkel auf Rückzahlung der geschenkten Beträge. In der ersten Instanz ohne Erfolg: Das Landgericht hielt die Zahlungen auf die Sparkonten für so genannte "Anstandsschenkungen", die nicht zurückgefordert werden dürfen. Gemeint sind Geschenke, mit denen der Schenker einer "sittlichen Pflicht" entsprochen hat oder dem, "was sich gehört".

Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Sozialhilfeträger Berufung ein und setzte sich beim Oberlandesgericht Celle durch (6 U 76/19). Die Zahlungen auf die Sparkonten stellten weder eine sittliche gebotene Pflicht dar, noch eine Schenkung, die auf moralischer Verantwortung beruhe. In diese Kategorie wären z.B. Geschenke zu bestimmten Anlässen einzuordnen, etwa an Weihnachten oder an Geburtstagen. Solche Geschenke hatten die Enkel von ihrer Großmutter zusätzlich bekommen.

Hier sei es um Kapitalaufbau gegangen und nicht um ein kleines Taschengeld oder um "dem Anstand entsprechende" Geburtstagspräsente. Angesichts der Summe der jährlich geleisteten Beträge einerseits und den finanziellen Verhältnissen der Großmutter andererseits könne von Gelegenheitsgeschenken keine Rede sein. Da die Schenkerin mittlerweile pflegebedürftig und auf Leistungen vom Sozialhilfeträger angewiesen sei, habe dieser Anspruch auf Rückzahlung. Die Enkel müssten die Guthaben auf den Sparkonten herausgeben.

Geschönte Pflegedokumentation

Pflegekraft trägt nicht erbrachte Leistungen ein: Dieses Fehlverhalten rechtfertigt eine fristlose Kündigung

Es war nicht das erste Mal, dass der Altenpflegerin Fehlverhalten vorgeworfen wurde. Während der fünf Jahre, die sie für einen ambulanten Pflegedienst arbeitete, war die Frau vom Arbeitgeber mehrmals abgemahnt worden. Unter anderem auch schon einmal deshalb, weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt und dies falsch dokumentiert hatte.

Im April 2019 fuhr die Pflegerin nicht persönlich zu einer Seniorin, um ihr die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte nur mit ihr. Trotzdem zeichnete sie einen nächtlichen Besuch ab und bestätigte wahrheitswidrig auf dem Tagestourennachweis, sie habe die Seniorin zwischen 22.55 Uhr und 23.06 Uhr persönlich versorgt. Als der Schwindel aufflog, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin scheiterte beim Arbeitsgericht Siegburg (3 Ca 992/19). Ein ambulanter Pflegedienst könne die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer nur schwer kontrollieren, so das Gericht. Wenn der Arbeitgeber deshalb den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Pflegern selbst übertrage, müsse er sich darauf verlassen können, dass sie ihre Leistungen richtig dokumentierten.

Fülle eine Arbeitnehmerin das einschlägige Formular wissentlich falsch aus, missbrauche sie auf schwerwiegende Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Obwohl sie wegen des gleichen Fehlverhaltens bereits einmal abgemahnt worden war, habe die Altenpflegerin erneut absichtlich nicht erbrachte Leistungen in ihren Tagestourennachweis eingetragen. Dieser schwerwiegende Pflichtenverstoß rechtfertige eine fristlose Kündigung.

Kranke Kinder zur Arbeit mitgenommen

Diese Pflichtverletzung einer Altenpflegerin rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Die gelernte Altenpflegerin hatte eine neue Stelle angetreten. Sie befand sich noch in der Probezeit, als ihre beiden Kinder Schnupfen und Fieber bekamen. Die Kinder müssten betreut werden, erklärte der Hausarzt. Daraufhin nahm die Frau die kranken Kinder zeitweise mit ins Altenheim — sie wollte wohl während der Probezeit keine Fehlzeiten ansammeln.

Einige Tage später erkrankte die Altenpflegerin selbst und informierte die Arbeitgeberin per SMS darüber, dass sie vermutlich eine Grippe habe und den Arzt aufsuchen müsse. Die Heimleitung kündigte der Frau fristlos, als sie vom Aufenthalt der Kinder im Heim erfuhr: Die Kinder zur Arbeit mitzunehmen, sei verboten — das gelte erst recht, wenn sie krank seien.

Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte, die Arbeitgeberin müsse zumindest die gesetzliche Kündigungsfrist einhalten (in der Probezeit: zwei Wochen). Das Arbeitsgericht Siegburg gab der Frau Recht (3 Ca 642/19).

Das Arbeitsverhältnis sei erst nach Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist zu Ende gewesen. Für diese Zeit stehe der Altenpflegerin Gehalt zu. Grundsätzlich hätte hier auch eine Abmahnung gereicht, erklärte das Arbeitsgericht.

Selbstverständlich sei es problematisch und verletze die arbeitsvertraglichen Pflichten, erkrankte Kinder in das Heim mitzunehmen. Aus versicherungsrechtlichen Gründen, vor allem aber wegen der Ansteckungsgefahr für die älteren Heimbewohner und Patienten. Das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, sei aber für die Arbeitgeberin durchaus zumutbar.

Private Kranken- und Pflegezusatzversicherung einer Betreuten gekündigt

Ist der Versicherungsfall bereits absehbar, handelt die Berufsbetreuerin mit der Kündigung pflichtwidrig

Die Berufsbetreuerin sollte sich im gerichtlichen Auftrag um die finanziellen und gesundheitlichen Belange einer älteren Frau kümmern. Die Betreute hatte eine private Kranken- und Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Wegen finanzieller Probleme konnte sie die Beiträge dafür kaum noch zahlen. Im Sommer 2016 kündigte deshalb die Berufsbetreuerin die Versicherungen, um diese Zusatzkosten abzubauen. Über die gesetzliche Krankenkasse sei ihr Schützling ja ausreichend abgesichert, meinte sie.

Doch zu diesem Zeitpunkt war bereits absehbar, was wenig später dann auch tatsächlich eintrat: Die Betreute wurde pflegebedürftig. Da nun aber die Zusatzversicherungen nicht mehr einspringen mussten, entgingen der Betreuten Leistungen in Höhe von 18.000 Euro. Sie warf der Betreuerin vor, ihre Pflichten verletzt zu haben. Bei Gericht beantragte die Frau Prozesskostenhilfe für eine Schadenersatzklage gegen ihre Betreuerin.

Das Landgericht lehnte die Prozesskostenhilfe ab. Diese Klage würde sowieso abgewiesen, meinte das Gericht: Die Verträge zu kündigen, sei angesichts des finanziellen Engpasses nicht pflichtwidrig, sondern vernünftig gewesen. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz schätzte die Erfolgsaussichten einer Klage anders ein und bewilligte die Prozesskostenhilfe (4 W 79/18). Hier könnte durchaus Anspruch auf Schadenersatz bestehen, fand das OLG.

Angesichts des Gesundheitszustandes der Betreuten sei es für die Betreuerin vorhersehbar gewesen, dass der Versicherungsfall bevorstand. Dadurch hätte die Betreute erhebliche Einnahmen erhalten. Die Tatsache, dass die Seniorin mit ihren finanziellen Mitteln die Beiträge nicht mehr aufbringen konnte, rechtfertige es unter diesen Umständen nicht, die Zusatzversicherungen zu kündigen. Denn mit dem Eintritt des Versicherungsfalles wäre die Betreute gemäß den Versicherungsbedingungen auch von der Beitragszahlung befreit worden.

Dass die Seniorin gesetzlich versichert war, ändere nichts daran, dass die Betreuerin hier pflichtwidrig gehandelt habe. Nachvollziehbar sei, dass sie die erheblichen monatlichen Zusatzkosten vermeiden wollte. Die Betreuerin habe aber offenbar nicht geprüft, ob der Verlust der Leistungen aus den Zusatzversicherungen möglicherweise finanziell nachteiliger sein könnte als der Vorteil, sich die monatlichen Beiträge bis zum Eintritt des Versicherungsfalles zu ersparen. So eine Risikoabwägung gehöre zu den Pflichten einer Betreuerin.

Fingernagel-Norm für Heimmitarbeiter

Arbeitgeberin darf aus Hygienegründen lange, lackierte und künstliche Nägel im Altenheim verbieten

Frau R legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres und besonders stolz war sie auf ihre schicken Gelnägel. Als Helferin im Sozialen Dienst arbeitet sie in einem Altenheim, kümmert sich um Unterhaltung und Beschäftigung für die Senioren. Anfang 2018 hing am "Infoboard" des Heims eine Dienstanweisung, die Frau R überhaupt nicht gefiel: Aus hygienischen Gründen sei künftig allen Mitarbeitern verboten, während der Arbeitszeit lange oder lackierte Fingernägel, Gelnägel und andere künstliche Nägel zu tragen.

Sie gehöre doch nicht zum Pflegepersonal, wandte Frau R ein. Wenn sie hin und wieder mit den Senioren Kuchen backe, könne sie Handschuhe anziehen. Das wirke sich nicht so auf ihr Privatleben aus: Gelnägel könne man schließlich nicht schnell mal ab- und anlegen. Doch die Arbeitgeberin blieb hart: Hygienefachbeauftragte hätten empfohlen, das Verbot auf alle Mitarbeiter auszuweiten. Handschuhe seien keine geeignete Alternative.

Nun zog die Arbeitnehmerin vor Gericht, um diese "Einmischung in ihr Privatleben" abzuwenden. Doch das Arbeitsgericht Aachen entschied den Streit zu Gunsten der Arbeitgeberin (1 Ca 1909/18). Sie habe ihr Weisungsrecht rechtmäßig ausgeübt, urteilte das Gericht. Arbeitgeber dürften den Mitarbeitern ein bestimmtes Erscheinungsbild während der Berufsausübung vorschreiben. Wenn so eine Vorschrift sachlich begründet sei, sei sie gerechtfertigt, auch wenn sie die freie Entfaltung der Mitarbeiter einschränke.

Sachlich begründet sei die Dienstanweisung der Heimträgerin zweifellos, denn sie setze damit die Empfehlungen des Bundesgesundheitsblatts und des Robert-Koch-Instituts zur Hygiene um. Saubere Hände sollten in Kliniken und Pflegeheimen selbstverständlich sein, Nagellack verdecke jedoch den Blick auf die Nägel. Auch sei die Bakteriendichte auf natürlichen Nägeln geringer als auf künstlichen Nägeln. Künstliche Nägel minderten die Wirkung der Handhygiene und erhöhten das Risiko, Einmalhandschuhe zu zerreißen.

Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die Gesundheit der Heimbewohner und Bewohnerinnen so gut wie möglich zu schützen. Da müsse das Recht der Helferin auf ein stylisches Outfit zurückstehen. Dass sie nicht regelmäßig Lebensmittel zubereite, ändere daran nichts. Auf jeden Fall stehe sie ständig in engem Kontakt zu den Heimbewohnern.

Spitzel im Seniorenheim

Arbeitgeberin wollte aufmüpfige Betriebsratsmitglieder loswerden: Detektive konstruierten Kündigungsgründe

Was sich 2012 in einem Bad Nauheimer Altersheim abspielte, klingt wie ein "Dreigroschen-Krimi". Die Heimbetreiberin X-GmbH wollte nach einigen Streitereien um Mitbestimmung die Vorsitzende des Betriebsrats, Frau S, und deren Stellvertreterin C loswerden. Die Geschäftsführerin der X-GmbH ließ sich von Anwalt Helmut Naujoks beraten, der für solche Aufträge bestens qualifiziert ist: Eines seiner Bücher heißt "Kündigung von ‚Unkündbaren‘".

‚Unkündbar‘ sind u.a. Betriebsräte, weil sie unter besonderem Kündigungsschutz stehen. Das heißt: Der Arbeitgeber darf sie nur aus schwerwiegenden Gründen entlassen. Daher war schnell klar: In der Bad Nauheimer "Seniorenresidenz" mussten solche Kündigungsgründe gefunden oder erfunden werden.

Die Intrige flog erst Jahre später auf, als einer von zwei Detektiven auspackte, die damals von der Geschäftsleitung ins Heim eingeschleust worden waren. Sie gaben sich als Praktikant bzw. Leiharbeiter aus. Anwalt Naujoks hatte die "Dienstleister" empfohlen.

Ein Detektiv bot Frau C während der Nachtschicht Sekt an — trotz Alkoholverbots im Heim. Das war mit der Geschäftsleitung abgesprochen. Gegen ein Uhr nachts wurde der Pausenraum kontrolliert und die Sektflasche "entdeckt". Frau C wurde entlassen, obwohl sie nichts getrunken hatte.

Frau S suchten die Spitzel in ihrem Betriebsratsbüro auf. Bei dem Gespräch beschimpften und bespuckten sie die Frau, um sie zu einem Angriff herauszufordern. Da sie sich nicht provozieren ließ, schlug ein Detektiv dem anderen ins Gesicht und beschuldigte dann die Betriebsratsvorsitzende, sie habe einen Kollegen verletzt. Ihr wurde ebenfalls gekündigt.

Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Gießen müssen die Arbeitgeberin und ihr Rechtsberater Frau C 20.000 Euro Entschädigung zahlen (3 Ca 433/17). Die Heimbetreiberin X-GmbH habe gemeinsam mit dem Anwalt ein Strategiekonzept entwickelt, um unliebsame Mitglieder des Betriebsrats entlassen zu können, so das Gericht. Lockspitzel sollten die Mitarbeiterinnen in Verruf bringen, Kündigungsgründe provozieren oder erfinden. Um Frau C fristlos entlassen zu können, habe man ihr einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben — das sei eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

PS: Frau S hatte ebenfalls Entschädigung verlangt. Ihre Klage blieb jedoch erfolglos, weil sie 2014 vor Gericht einem Vergleich mit der X-GmbH zugestimmt hatte. Das Arbeitsverhältnis war "einvernehmlich" beendet worden, Frau S verzichtete auf finanzielle Ansprüche daraus. Frau C ist dagegen nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess wieder bei der X-GmbH beschäftigt.

Unterhalt pflegebedürftiger Eltern

Sozialhilfeträger fordert Pflegemehrkosten für gehörlose Seniorin von den Kindern

Eine pflegebedürftige alte Frau brauchte besondere Betreuung, weil sie gehörlos war. Ein "normales" Pflegeheim kam nicht in Frage, sie wurde in einer Gehörlosenwohngruppe untergebracht. Da ihre Rente für die Mehrkosten nicht ausreichte, sprang der Sozialhilfeträger ein. Anschließend forderte er Ersatz von den — prinzipiell unterhaltspflichtigen — erwachsenen Kindern der Seniorin.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab dem Sozialhilfeträger Recht, weil die beiden Kinder durchaus leistungsfähig seien, sprich: gut verdienten. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) ersparte ihnen die Übernahme der Mehrkosten (XII ZB 384/17). Dabei betonte der BGH, dass unterhaltspflichtige Kinder grundsätzlich die Kosten eines "behinderungsbedingten Mehrbedarfs" ihrer Eltern übernehmen müssten.

Die Pflegeversicherung decke nicht die vollen Kosten ab. Im konkreten Fall wäre es allerdings eine "unbillige Härte", wenn der Sozialhilfeträger die Kinder heranziehen würde, um diese Lücke zu füllen und die spezielle Betreuung zu finanzieren. Es würde die familiären Beziehungen belasten und die Seniorin beeinträchtigen. Maßgeblich sei hier zu berücksichtigen, dass die Kinder "die Behinderung der von Geburt an gehörlosen Mutter im Familienverband seit frühester Kindheit mitgetragen" haben.

Pflegewohngeld für Heinbewohnerin?

Auf Pflegewohngeld besteht kein Anspruch, wenn der Ehemann Heimkosten mit einem Hausverkauf finanzieren kann

Die Pflegeversicherung finanziert nur die direkten Pflegeleistungen, nicht die Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Pflegeheim. Dafür müssen die Heimbewohner selbst aufkommen. In manchen Heimen müssen sich die Pflegebedürftigen auch an Investitionen in die Instandhaltung der Gebäude beteiligen. Können sie sich diese Beiträge nicht leisten, haben sie in drei Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) die Möglichkeit, Pflegewohngeld zu beantragen.

Anspruch darauf haben die Heimbewohner aber nur, wenn ihr Einkommen bzw. Vermögen und das des Ehepartners nicht ausreicht, um die Heimkosten zu finanzieren. Kein Anspruch auf Pflegewohngeld besteht, wenn der Ehemann einer Heimbewohnerin ein Haus besitzt, das er verkaufen kann, urteilte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (12 A 3076/15). Das gelte sogar dann, wenn das Haus allein dem Ehemann gehöre und wenn es dieser ablehne, das Haus zu verkaufen.

Das Vermögen des Mannes sei heranzuziehen, um die Heimkosten zu decken — es sei denn, das Paar hätte schon getrennt gelebt, als die Ehefrau ins Heim aufgenommen wurde. Das treffe im konkreten Fall jedoch nicht zu. Ein Haus zähle zum verwertbaren Vermögen, auch wenn der Ehemann die eheliche Solidarität verweigere. Es stelle trotzdem keine unzumutbare Härte dar, wenn er sein Haus für die Pflege der Ehefrau einsetzen müsse.

Sparkasse akzeptiert Vorsorgevollmacht nicht

Tochter sollte für ihre kranke, alte Mutter Geld abheben: Extra-Bankvollmacht nötig?

Die 82 Jahre alte Frau hatte Krebs und zog im März 2017 in ein Hospiz. Ihrer Tochter stellte sie eine Vorsorgevollmacht aus. Die Tochter sollte für sie Geld abheben, weil die Seniorin nicht mehr selbst zur Bank gehen konnte. Doch die Sparkasse Hamburg rückte kein Geld heraus. Eine Vorsorgevollmacht reiche da nicht aus, erklärte ein Mitarbeiter des Kreditinstituts. Fürsorglich empfahl er, die Mutter möge doch im Rollstuhl kommen, um eine Bankvollmacht zu erteilen.

Dazu war die kranke Frau aber nicht in der Lage, sie konnte das Bett nicht mehr verlassen. Doch nicht einmal ein ärztliches Attest brachte die Sparkasse zum Nachgeben. Daraufhin wandte sich die Tochter ans Amtsgericht, das sie als Betreuerin für die Vermögenssorge einsetzte. Die Kosten des Betreuungsverfahrens wurden "wegen groben Verschuldens" der Sparkasse auferlegt.

Das Landgericht Hamburg wies die Rechtsbeschwerde der Sparkasse gegen den Kostenbescheid ab (301 T 280/17). Wenn sie jetzt behaupte, die Vorsorgevollmacht und das Attest nicht zu kennen, sei das unglaubwürdig. Wieso sollte wohl die Tochter der Kontoinhaberin mutwillig ein Betreuungsverfahren einleiten, um ans Geld der Mutter heranzukommen — wenn sie doch mit einer wirksamen Vorsorgevollmacht berechtigt sei, Geld abzuheben?

Kostspielige gerichtliche Betreuungsverfahren zu vermeiden, sei gerade der Sinn und Zweck von Vorsorgevollmachten. Nur das unverständliche Handeln des Kreditinstituts habe das Betreuungsverfahren notwendig gemacht, so das Gericht. Eine Bank dürfe sich nicht weigern, so eine Vollmacht zu akzeptieren — es sei denn, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass sie gefälscht sein könnte oder nicht im Interesse des Kontoinhabers ausgeübt werde.

Hier habe es aber keinerlei Indizien dafür gegeben, dass die Vollmacht unwirksam sein könnte. Im Übrigen hätte sich das Kreditinstitut bei der Kontoinhaberin erkundigen können. Wenn die Sparkasse des Weiteren einwende, schwer kranke Kontoinhaber könnten auch "geistig nicht mehr auf der Höhe" (= nicht mehr uneingeschränkt geschäftsfähig) sein, sei das Argument nur vorgeschoben. Im ärztlichen Attest werde der Seniorin Krebs in fortgeschrittenem Stadium und Bettlägerigkeit bescheinigt. Von geistigem Verfall sei nicht die Rede.