Ein Anwohner der Kupferdreher Straße in Essen hörte im Juni 2016 lautes Scheppern. Von einer mehrstämmigen großen Esche, die auf dem Hang neben der Straße stand, war ein "Stämmling" abgebrochen. Er rauschte die Böschung hinunter und krachte auf einen gerade vorbeifahrenden Porsche Carrera. Sofort eilte der Anwohner auf die Straße. Er sah noch den Stämmling die Straße entlang rollen, der Wagen stand quer zur Straße mit Ästen auf dem Dach. Und neben dem Porsche zitterte der unverletzte Autofahrer vor Schreck.
Von der Stadt Essen forderte der Porschefahrer Schadenersatz für Reparaturkosten und Nutzungsausfall des Fahrzeugs. Der Baum sei morsch gewesen und hätte längst gefällt werden müssen, so sein Vorwurf.
Für die Baumkontrolle sei die Straßenverkehrsbehörde der Stadt zuständig, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Für die Unfallschäden müsse sie allerdings nur einstehen, wenn ihre Kontrolleure Anzeichen verkannt, übersehen oder ignoriert hätten, die auf Gefahren durch die Esche hindeuteten (11 U 34/20). Das sei hier der Fall.
Die Behördenmitarbeiter hätten sich mit Sichtkontrollen begnügt, obwohl sie am Baum Krankheitsanzeichen wie Pilzbefall bemerkten. Von der Esche sei schon einmal ein Stämmling abgebrochen, der Baum sei an der Bruchstelle morsch gewesen. Das sei bereits im Sommer 2015 und bei einer weiteren Kontrolle im April 2016 registriert worden.
Angesichts so einer Diagnose müsse man den Baum mit einem Sondierstab genauer auf Kernfäule im Stamm untersuchen, so das OLG, und zwar sofort. Bei Kernfäule werde der Baum instabil, das müsse geschulten Baumkontrolleuren klar sein. Daher sei es zumindest fahrlässig gewesen, weitere Maßnahmen zur Prüfung der Standsicherheit der Esche zu unterlassen. Dieses Versäumnis sei auch zweifellos die Ursache für den beträchtlichen Schaden am Porsche gewesen.
Nach einem Sachverständigengutachten sei der Stämmling wegen Kernfäule abgebrochen und die sei nicht erst 2016 entstanden, wie die Baumexpertin erläutert habe. Bei gründlicher Kontrolle hätten die Behördenmitarbeiter die Kernfäule schon 2015 feststellen können, auf jeden Fall aber im April 2016. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt pflichtgemäß angeordnet hätten, die Esche innerhalb von 14 Tagen zu fällen, wäre der Unfall nicht passiert.
Die Kommune musste dem Porschefahrer rund 38.000 Euro Schadenersatz zahlen.