Auto & Verkehr

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Ausgebüxtes Pferd rannte auf die Landstraße

Die Tierhalterin haftet für den beim Zusammenstoß mit einem Auto verursachten Schaden

An einem Februarabend führten Mitarbeiterinnen eines Reiterhofs auf einem Feldweg zwei Pferde am Zügel. Plötzlich rissen sich die Tiere los — vorneweg Pferd A, das direkt auf die nahegelegene Landstraße rannte. Hier stieß das Tier mit einem Audi zusammen. Das Pferd verletzte sich bei dem Aufprall, die linke Seite des Fahrzeugs wurde erheblich beschädigt.

Die Kaskoversicherung des Autofahrers ersetzte die Hälfte der Reparaturkosten, die Tierhalterhaftpflichtversicherung der Pferdebesitzerin die andere Hälfte. Am Ende kam es jedoch zum Streit über die Kosten des Mietwagens, den der Autofahrer während der Reparatur des Audi benötigt hatte.

Die Tierhalterin hafte für die Unfallfolgen, entschied das Amtsgericht Köln, also auch für die Mietwagenkosten (261 C 118/22). Unstreitig habe ihr Pferd A die Kollision und damit den Autoschaden verursacht. Wenn ein Pferd weglaufe, wirke sich die besondere Gefahr aus, die mit dem unberechenbaren, selbständigen Verhalten von Tieren typischerweise verknüpft sei. Für die Folgen hafteten Tierhalter unabhängig von eigenem Verschulden.

Dem Autofahrer sei kein Mitverschulden an dem Unfall vorzuwerfen. Er sei weder zu schnell gefahren, noch habe er gegen andere Vorschriften verstoßen. Zwar hätten die Zeuginnen behauptet, die Pferde seien auf der Straße gut sichtbar gewesen. Das sei jedoch nicht bewiesen. Zum Unfallzeitpunkt gegen 18.30 Uhr sei es schon fast dunkel gewesen und die Landstraße unbeleuchtet.

Dass der Audi-Fahrer mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren wäre, wenn er die Pferde rechtzeitig gesehen hätte, sei angesichts des damit verbundenen Unfallrisikos schwer vorstellbar. Zudem seien die Damen vom Reiterhof weit weg von der Straße und sehr aufgeregt hinter den Pferden hergelaufen. In so einer Situation das Geschehen auf der Straße verlässlich zu beobachten, dürfte schwierig sein.

Grundsätzlich gelte: Die Gefahr, die generell von Kraftfahrzeugen ausgehe und die deshalb bei Unfällen manchmal auch ohne Verkehrsverstoß des Fahrers zur Mithaftung führe, trete bei der Kollision mit einem Pferd (oder einem anderen großen Tier) vollständig hinter der Tiergefahr zurück. Die Straße sei nämlich für Fahrzeuge da, während Pferde dort nichts zu suchen hätten.

Fahrverbot für E-Scooter aufgehoben

Fahrerlaubnisbehörde kann das Fahren mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht verbieten

Ein Betroffener wehrte sich gegen ein Fahrverbot: Da er einige Male angetrunken auf einem E-Scooter unterwegs gewesen war, war ihm das Fahren mit E-Scootern verboten worden. Laut Fahrerlaubnis-Verordnung ist die Fahrerlaubnisbehörde dazu befugt, Personen den Führerschein zu entziehen, die sich durch Fahren nach Alkohol- oder Drogenkonsum als "ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs" erwiesen haben.

Höchst umstritten dagegen ist, ob auch Verbote in Bezug auf Fahrzeuge ausgesprochen werden können, für die man gar keine Fahrerlaubnis braucht. Das geltende Recht biete dafür keine Grundlage, entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und hob im konkreten Fall das Fahrverbot auf (11 BV 22.1234).

Die Verbotspraxis der Behörden stütze sich auf die Fahrerlaubnis-Verordnung, die für solche Fälle aber zu unbestimmt formuliert sei. Welche Anforderungen eine Person erfüllen müsse, um sich für das Radfahren oder das Fahren eines E-Scooters zu "eignen", sei hier nicht geregelt. Es fehle auch jeder Maßstab dafür, wie die Eignung festzustellen wäre — im Unterschied zur Führerscheinprüfung, die jeder Autofahrer absolvieren müsse.

Die Maßstäbe, die für das Fahren mit Kraftfahrzeugen gelten, seien jedenfalls wegen des höchst unterschiedlichen Gefahrenpotenzials nicht auf das Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern übertragbar. Mit Kraftfahrzeugen könnten Fahrer wesentlich mehr Schaden anrichten. Wenn rechtliche Maßstäbe dafür fehlten, wie eine "Eignung" für das Fahren mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen aussehen solle, könne dies zu unverhältnismäßigen Fahrverboten führen.

Der Freistaat Bayern, der den Prozess beim Verwaltungsgerichtshof verlor, kann gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht Revision einlegen.

Polizei stellt Motorrad sicher

Zur Abwehr von Gefahren durch illegale Rennen ist so eine Maßnahme rechtmäßig

Zwei Polizeibeamte fuhren in Ludwigshafen zu einem Einsatz, als zwei entgegenkommende Motorradfahrer mit röhrenden Motoren "vorbeischossen". Die Polizisten hörten das schnelle Hochschalten der Gänge und vermuteten sofort ein illegales Straßenrennen. Sie wendeten deshalb ihren Wagen und verfolgten die Motorradfahrer.

An einer Ampel blieben die Motorradfahrer schließlich stehen — einer flüchtete. Bei der Verkehrskontrolle stellte sich heraus, dass der andere Fahrer schon mehrmals bei verbotenen Straßenrennen erwischt worden war. Sein Motorrad war für Rennen konstruiert und mit 998 ccm Hubraum in der Lage, bis zu 285 km/h schnell zu fahren.

Um weitere Rennen und damit Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer zu vermeiden, stellten die Polizeibeamten das Motorrad sicher. Gegen den Möchtegern-Rennfahrer wurde wegen des Rennens Strafbefehl erlassen. Und auch sein Motorrad bekommt er so schnell nicht wieder: Das Verwaltungsgericht Neustadt wies seine Klage auf Freigabe ab (5 K 692/22.NW).

Die Polizisten hätten bei der Datenabfrage erfahren, dass der Motorradfahrer ein Wiederholungstäter sei. Zu Recht hätten die Beamten daher angenommen, dass sich die zwei rasenden Motorradfahrer ein Rennen geliefert hätten und der kontrollierte Fahrer wohl jederzeit wieder an so einem Rennen teilnehmen würde. Von illegalen Straßenrennen gehe erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer aus.

Hinter diesen besonders wichtigen Rechtsgütern müsse das Recht des Motorradbesitzers an seinem Eigentum zurückstehen. Das Motorrad herauszugeben komme auch deshalb nicht in Frage, weil sich der Mann absolut uneinsichtig zeige. Vor Gericht habe er darauf beharrt, dass ihm kein Fehlverhalten und keine Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern nachzuweisen sei. Anhaltspunkte für ein Umdenken seien also nicht zu erkennen.

Nachts im Schnellimbiss Lamborghini gekauft

Nicht nur wegen der Umstände hätten sich dem Käufer Zweifel am Geschäft aufdrängen müssen!

Ein Lamborghini-Fan meldete sich auf eine Internetanzeige, in der so ein Luxuswagen "günstig" zum Kauf angeboten wurde. Die Anzeige stammte von zwei Brüdern, die behaupteten, das Auto im Namen des in Spanien lebenden Eigentümers zu verkaufen. Zur Besichtigung des Fahrzeugs trafen sich die Beteiligten auf dem Parkplatz einer Spielothek in Wiesbaden. Die Übergabe sollte einige Tage später bei einer Essener Tankstelle stattfinden. Vorher benötigten sie den Wagen für eine Hochzeitsfahrt, erklärten die Brüder.

Zur Übergabe erschienen sie verspätet: Um ein Uhr nachts unterschrieb der Käufer im Schnellimbiss neben der Tankstelle den Kaufvertrag. Vorher zeigten ihm die Brüder eine Kopie — angeblich vom Personalausweis des Eigentümers. Die Schreibweisen von Namen und Adresse in der Kopie, im Vertrag und in den Zulassungsbescheinigungen unterschieden sich auffällig. Trotzdem gab der Käufer seinen alten Lamborghini für 60.000 Euro in Zahlung und übergab den Verkäufern 70.000 Euro Bargeld.

Als er das Fahrzeug anmelden wollte, erfuhr er, dass es zur Fahndung ausgeschrieben war. Der "echte" spanische Eigentümer hatte den Lamborghini einer Agentur vermietet, die ihn an die Brüder weitervermietet hatte. Und die hatten damit das Weite gesucht ... Nun forderte der Eigentümer den Wagen zurück.

Vor Gericht ging es um die Frage, ob der Kaufvertrag wirksam war: Konnte der Käufer wirklich nicht ahnen, dass die Anbieter nicht im Namen des wirklichen Eigentümers handelten? Kann er sich darauf berufen, den Wagen "gutgläubig" erworben zu haben?

Nein, entschied das Oberlandesgericht Oldenburg (9 U 52/22). Obwohl der Käufer die Original-Zulassungsbescheinigungen erhalten habe, sei er nicht wirksam Eigentümer des Sportwagens geworden und müsse ihn herausgeben. Die Umstände seien derart verdächtig gewesen, dass der Mann das Geschäft nicht hätte abschließen dürfen. Beim Erwerb eines Luxusfahrzeugs sei besondere Vorsicht geboten, wenn es in Deutschland erst kurz vorher zugelassen worden sei.

Mit dem von den Brüdern genannten Eigentümer habe der Käufer keinen Kontakt gesucht, habe sich nicht einmal eine Vollmacht vorlegen lassen. Schon der nächtliche Verkauf in einem Schnellimbiss hätte Zweifel wecken müssen. Dass die "Vermittler" den Wagen für eine Hochzeitsfeier benötigten, dass sie den alten Lamborghini in Zahlung nahmen, ohne ihn zu prüfen, die unterschiedlichen Schreibweisen der Personalien — jeder dieser Punkte hätte Anlass dafür sein müssen, Nachforschungen anzustellen. Das Verhalten des Käufers sei grob fahrlässig gewesen, auf gutgläubigen Erwerb könne er sich daher nicht berufen.

Auto wiederholt verkratzt

Der Autobesitzer setzt eine Wildkamera ein, um den Übeltäter zu überführen

Im Oktober und November 2020 entdeckte Herr S sieben Mal Kratzer an seinem Toyota, den er regelmäßig auf dem Grundstück des Mietshauses parkte. Da sich Mieter S mit dem Hauseigentümer — der ebenfalls im Mietshaus wohnte — einige Male gestritten hatte, vermutete er, der Kontrahent könnte sich auf diese Weise rächen. Am 26.11. stellte der Mieter eine Wildkamera auf, die das Auto von hinten und den Hauseingang filmte. Die Kamera verfügt über einen Sensor, der sie einschaltet, wenn sich im Umfeld etwas bewegt.

Schon die erste Aufnahme bestätigte den Verdacht von Herrn S: Ein Video vom 30.11. zeigte den Vermieter, der sich am Heck des Autos zu schaffen machte. Nun ließ Herr S die Lackschäden am Heck für 1.386 Euro reparieren und verlangte vom Vermieter Schadenersatz: Die Kratzer habe er mit einem spitzen Gegenstand in die Heckklappe geritzt.

Die Forderung wies der Hauseigentümer als unberechtigt zurück: Er habe nur den Schaden besichtigt. Außerdem seien die Aufnahmen der Wildkamera nicht "gerichtsverwertbar".

Doch das Amtsgericht Lörrach war anderer Ansicht und verurteilte ihn zum Ersatz der Reparaturkosten (3 C 111/22). Auf dem Video sei eindeutig der Vermieter zu sehen. Da bewege er mit der Hand einen Gegenstand, der wie ein Schlüsselanhänger aussehe — und zwar genau dort, wo später eine deutliche Kratzspur am Heck prangte. Damit sei seine Behauptung widerlegt, er habe den Wagen nur angeschaut.

Richtig sei: Die Videoaufnahmen seien auf unzulässige Weise zustande gekommen. Denn der Hauseigentümer sei ohne sein Wissen auf seinem Grundstück gefilmt worden. Das bedeute aber nicht automatisch, dass die Aufnahmen vor Gericht nicht als Beweis gelten könnten. Hier müsse man vielmehr die Interessen der Beteiligten abwägen und gewichten.

Auf der einen Seite sei zwar die Privatsphäre des Hauseigentümers geringfügig betroffen. Auf der anderen Seite stehe aber die Beweisnot des S, der mit weiteren Schäden an seinem Toyota habe rechnen müssen. Ohne das Beweismittel Video hätte er seinen Anspruch auf Schadenersatz nicht durchsetzen können: Die Aufnahmen dienten also der Wahrheitsfindung vor Gericht.

Zudem habe der Autobesitzer eine Wildkamera mit Bewegungsmelder aufgestellt und sich mit einer einzigen Aufnahme begnügt. Offenkundig habe es S nicht darauf angelegt, das Persönlichkeitsrecht des Vermieters zu verletzen. Er habe nur einen Beweis dafür gebraucht, auf wessen Konto die Sachbeschädigung ging.

Auffahrunfall mit Traktor

Der schuldige Autofahrer haftet auch für gesundheitliche Spätfolgen beim Unfallgeschädigten

Der 40 Jahre alte Nebenerwerbslandwirt L arbeitete hauptberuflich als Versuchstechniker für die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Im Rahmen dieser Tätigkeit war er im März 2016 mit einem Traktor auf einer Landstraße unterwegs, als ein Autofahrer von hinten gegen den linken Hinterreifen des Traktors fuhr. Der Traktor wurde bei dem Auffahrunfall schwer beschädigt, dafür kam die Kfz-Versicherung des Verursachers auf.

Dagegen schien Herr L zunächst glimpflich davonzukommen: Er wurde mit der Diagnose "Schleudertrauma an der Halswirbelsäule" krankgeschrieben. Vier Monate später erlitt L jedoch bei der Arbeit einen Riss der Hauptschlagader (Aortendissektion), erhielt nach mehreren Operationen einen Herzschrittmacher und bekam eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Die Landwirtschaft musste er aufgeben.

Vom Unfallverursacher verlangte L Ersatz für alle Unfallschäden: Auch der Riss in der Hauptschlagader sei eine Folge des Auffahrunfalls, denn dabei sei er mit dem Oberkörper gegen das Lenkrad geschleudert worden. Diesen Zusammenhang bestritten der Autofahrer und seine Kfz-Versicherung: Der schwer übergewichtige Landwirt leide seit Jahren unter Bluthochdruck, nur dieses Problem könne die Aortendissektion verursacht haben.

Das Oberlandesgericht Schleswig entschied den Streit zu Gunsten des Traktorfahrers L (7 U 24/22). Der medizinische Sachverständige habe erläutert, dass die nach dem Unfall durchgeführte Computertomographie keine Veränderungen an der Aortenwand zeige, wie sie in der Regel durch Bluthochdruck entstehen. Bluthochdruck komme als Grund für die Dissektion deshalb hier nicht in Frage. Herzbeschwerden müssten auch nicht sofort nach einem Unfall auftreten. Verletzungen der Hauptschlagader zeigten sich manchmal erst nach längeren Zeiträumen ohne Beschwerden.

Auch das Gutachten des Unfallsachverständigen, der den Traktor analysiert habe, spreche dafür, dass die Aorta von L beim Unfall traumatisch geschädigt worden sei. Der luftgefederte Traktorensitz habe sich demnach zum Unfallzeitpunkt in der so genannten Schwimmstellung befunden. Das bedeute: Der Sitz sei durch den Heckaufprall erst nach hinten und dann nach vorne geschleudert worden. Dass L durch den Aufprall nach vorne gegen das Lenkrad geschleudert worden sei, stehe also fest.

Daher müsse die Kfz-Versicherung des Autofahrers auch für die Folgen der Aortendissektion einstehen, die L Monate nach dem Auffahrunfall erlitten habe.

Neuwagen objektiv ohne Sicherheitsmangel

Wegen eines "unguten Gefühls" bei abruptem Bremsen kann der Käufer das Auto nicht zurückgeben

Ein halbes Jahr nach dem Autokauf meldete sich der Käufer beim Autohändler und beanstandete ein "schwerwiegendes Problem an der Bremsanlage". Bei starkem Abbremsen verziehe das Auto nach rechts, so dass er riskiere, von der Fahrbahn abzukommen. Es übersteuere und sei nicht zu stabilisieren.

Mehrmals überprüfte das Autohaus den Neuwagen, konnte aber keinen Sicherheitsmangel feststellen. Da der Händler das Problem nicht beheben könne, löse er sich vom Vertrag, erklärte Käufer S und verlangte den Kaufpreis von 21.470 Euro zurück.

Das Landgericht Kaiserslautern und das Oberlandesgericht Zweibrücken verneinten seinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufs (4 U 187/21). Objektiv liege kein Sicherheitsmangel vor. Das subjektiv "unangenehme" Gefühl von Herrn S bei Gefahrenbremsungen stelle keinen Sachmangel des Fahrzeugs dar, der einen Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigen würde. Denn die verbauten Assistenzsysteme arbeiteten technisch einwandfrei und hielten den Wagen tatsächlich kurs- und bremsstabil.

Welche Beschaffenheit der Kaufsache ein Käufer erwarten könne, hänge von der objektiv berechtigten Käufererwartung ab und nicht davon, welche Eigenschaften sich der einzelne Käufer wünsche. Trotz intensiver Fahrversuche habe der gerichtliche Kfz-Sachverständige nicht feststellen können, dass der Wagen bei abruptem Bremsen auffällig nach rechts ziehe. Er verhalte sich "spurneutral", so das Testergebnis. Die als unangenehm empfundene Drehung um die Achse werde durch die elektronische Stabilitätskontrolle (ESC) jederzeit ausgeglichen, ein Schleudern verhindert.

Damit erfülle das Fahrzeug die objektiv berechtigte Erwartung durchschnittlicher Käufer an die Sicherheit bei Bremsmanövern. Auf die Vorstellung von Herrn S, dass das Auto am Heck nicht übersteuern dürfe, komme es dagegen nicht an. Auf dieses Phänomen, das ohnehin nur in Ausnahmesituationen auftrete, könnten sich Fahrer einstellen. Dass sich ein Auto auch bei einer Gefahrenbremsung "komfortabel" oder "angenehm" steuern lasse, gehöre (jedenfalls in dieser Preisklasse) nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Fahrzeugs.

Mietwagenkosten zu hoch?

Kfz-Haftpflichtversicherung wirft einem Unfallgeschädigten vor, die Reparatur verzögert zu haben

Bei einem Verkehrsunfall, der auf das Konto des Unfallgegners ging, war der Wagen von Autofahrer K beschädigt worden. K ließ ihn zu einer Fachwerkstatt abschleppen, erteilte jedoch noch keinen Reparaturauftrag. Am nächsten Tag besorgte er sich bei einem Autovermieter fahrbaren Ersatz für 59 Euro am Tag und beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit einem Schadensgutachten.

Sein Anwalt schickte das Gutachten sechs Tage später an die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Zusätzlich zu den geschätzten Reparaturkosten, der Wertminderung etc. enthielt das Anwaltsschreiben den Hinweis: "Wir bitten um umgehende Reparaturfreigabe. Das Fahrzeug steht zur Reparatur in der Werkstatt. (Sie) wird aber erst in Angriff genommen, wenn Ihre Regulierungszusage vorliegt. Bis dahin benötigt unser Mandant einen Mietwagen".

Die Versicherung ersetzte die Reparaturkosten, beanstandete jedoch, dass der Unfallgeschädigte mehr als drei Wochen einen Wagen gemietet hatte (Kostenpunkt: 1.574 Euro). Das Unternehmen überwies dafür nur 228,72 Euro und warf Herrn K vor, er habe die Reparatur unnötig verzögert. Daraufhin klagte der Unfallgeschädigte den Differenzbetrag ein. Zu Recht, entschied das Landgericht Konstanz (11 S 8/22).

Der Unfallverursacher müsse die Reparatur und, wenn nötig, während der Reparaturdauer ein Mietauto finanzieren. Bevor dessen Haftpflichtversicherung die Übernahme der Reparaturkosten nicht zugesagt habe, müsse der Unfallgeschädigte die Reparatur nicht — sozusagen auf eigenes Kostenrisiko — in Auftrag geben. So lange dürfe er mit dem Auftrag warten. Der Anwalt von Herrn K habe bereits eine Woche nach dem Unfall um Reparaturfreigabe gebeten und mitgeteilt, dass K einen Mietwagen benötige.

Nachdem die Versicherung die errechneten Reparaturkosten überwiesen habe, habe K die Reparatur sofort beauftragt und das Auto 24 Tage nach dem Unfall abgeholt. Der Vorwurf, K hätte pflichtwidrig mit dem Reparaturauftrag zu lange gewartet und so gegen seine Pflicht verstoßen, die Kosten so gering wie möglich zu halten, sei daher unberechtigt.

Auch die Tagespauschale von 59 Euro entspreche dem ortsüblichen Normaltarif. Dass K an seinem Wohnort einen günstigeren Mietwagen hätte finden können, habe die Versicherung zwar behauptet, aber nicht belegt.

Zweijähriger startete Auto

Die Mutter ging kurz weg und ließ die Autoschlüssel liegen: Aufsichtspflichtverletzung

Großmutter, Mutter und Kind hatten an einer Familienfeier teilgenommen. Als sie zu Ende ging, brachte die Mutter den zweieinhalbjährigen Jungen schon mal ins Auto. Sie setzte ihn in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz, ohne ihn anzuschnallen. Den Autoschlüssel legte die Frau aufs Armaturenbrett und ging kurz zurück ins Haus, um etwas zu holen. Das Kleinkind krabbelte vom Kindersitz, nahm den Autoschlüssel und startete den Wagen.

Das Auto schnellte ruckartig nach vorne und traf die Großmutter, die etwa eineinhalb Meter entfernt auf einer Bank saß. An beiden Kniegelenken schwer verletzt, musste die Großmutter lange im Krankenhaus behandelt werden. Ihre Krankenkasse kam für die Behandlungskosten auf und forderte den Betrag anschließend von der Mutter des Jungen zurück: Sie habe ihre Aufsichtspflicht verletzt.

Gegen den Vorwurf wehrte sich die Mutter: Sie sei nur ein oder zwei Minuten weg gewesen und habe die Autotüren weit offengelassen. Dass das Kind in der kurzen Zeit so eine komplexe Handlung ausführen könnte, damit habe sie nicht rechnen müssen. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg gab der Krankenkasse Recht: Kleinkinder müsse man ununterbrochen beaufsichtigen (14 U 212/22).

Die Mutter habe das Kind allein im Auto sitzen lassen und die Schlüssel dort abgelegt: Damit habe sie eine ganz erhebliche Gefahr geschaffen. Der Vorgang sei keineswegs so außergewöhnlich, wie die Mutter meine, betonte das OLG: Kleine Kinder ahmten prinzipiell gerne die Erwachsenen nach. Dass sie auch gerne mit Schlüsseln spielten und versuchten, sie in Schlösser zu stecken, zeige die Erfahrung.

Dass der Junge dies mit dem Autoschlüssel und dem Zündschloss versuchen könnte, liege also keinesfalls jenseits des "Vorstellbaren". Die Mutter hätte das Kleinkind im Kindersitz anschnallen und die Schlüssel mitnehmen müssen. Sie hätte auch jemanden darum bitten können, kurz auf den Jungen aufzupassen. Da sie ihre Aufsichtspflicht verletzt habe, hafte sie für den dadurch entstandenen Schaden.

Wohnmobil geklaut

Der Schlüssel lag im Fahrzeug: Muss die Teilkaskoversicherung den Verlust in voller Höhe ersetzen?

Ein Ehepaar fuhr mit dem Wohnmobil in Urlaub. In einer Gaststätte wollten die Urlauber eine Mittagspause einlegen, das Wohnmobil stellten sie auf dem Parkplatz ab. Während die Ehefrau im Fahrzeug noch etwas suchte, ging ihr Mann schon zum Hauseingang. Von dort rief er ihr zu, sie solle den Fahrzeugschlüssel mitbringen. Den hatte er in die vordere Ablage gelegt und mit einem Handtuch zugedeckt.

Doch die Ehefrau verstand seinen Zuruf nicht richtig und ließ den Schlüssel liegen. Als das Paar zwei Stunden später die Fahrt fortsetzen wollte, war das Wohnmobil verschwunden. Der Kfz-Halter meldete den Verlust seiner Teilkaskoversicherung. Das Unternehmen ersetzte jedoch nur rund 16.000 Euro, was etwa einem Drittel des Fahrzeugwerts entsprach.

Da der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, dürfe sie die Leistung kürzen, erklärte die Versicherung. Das sah der Versicherungsnehmer anders: Er klagte auf vollen Schadenersatz. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (6 U 107/21). Grob fahrlässig handle, wer naheliegende, einfache Maßnahmen nicht ergreife, die jedem einleuchten müssten.

Im konkreten Fall sei dieser Vorwurf unberechtigt. Der Versicherungsnehmer habe seine Frau gebeten, den Schlüssel mitzunehmen. Er habe sich also darum gesorgt, dass der Schlüssel während der Mittagspause nicht im Wohnmobil liegen blieb. Nur wegen eines Missverständnisses sei die Ehefrau der Aufforderung nicht gefolgt. So ein Missverständnis könne letztlich jedem passieren — es stelle keine unentschuldbare Pflichtverletzung dar.

Der Kfz-Halter habe nicht kontrolliert, ob seine Frau das Wohnmobil abgeschlossen und den Schlüssel eingesteckt habe. Das wäre natürlich besser gewesen, räumte das OLG ein. Aber als grob fahrlässig sei auch dieses Versäumnis nicht zu bewerten. Normalerweise vertrauten Ehepartner einander. Anhaltspunkte dafür, warum dieses unter Ehepartnern übliche Vertrauen hier unangebracht gewesen sein könnte, seien nicht ersichtlich.

Fahrgast-Sturz im Linienbus

Seniorin verletzte sich bei einer Vollbremsung, weil sie sich nur mit einer Hand festhielt

An einem regnerischen Abend fuhr eine noch relativ fitte 82-Jährige mit dem Bus nach Hause. Kurz vor dem Ziel drückte sie auf das Haltesignal, stand auf und ging zum Ausstieg. Dort ergriff die Frau mit einer Hand die Haltestange, in der anderen Hand hielt sie Tasche und Regenschirm. Doch vor "ihrer" Haltestelle lag noch eine Kurve. Weil der Fahrer beim Linksabbiegen zunächst eine Fußgängerin übersah, musste er im letzten Moment mit aller Kraft bremsen.

Wegen der Vollbremsung blieb zwar die Fußgängerin heil. Doch die Seniorin im Bus wurde zu Boden geschleudert und schwer verletzt. Sie musste aufgrund dauerhafter Folgen in einem Pflegeheim untergebracht werden. Vom Busfahrer und vom kommunalen Busunternehmen verlangte die Frau Schadenersatz.

Das Landgericht Lübeck verneinte jeden Anspruch auf Entschädigung: Die Passagierin habe sich nicht richtig festgehalten und den Unfall damit letztlich selbst verschuldet. Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil erreichte die Seniorin immerhin einen Teilerfolg.

Da der Fahrfehler des Busfahrers zu dem Unfall beigetragen habe, müssten er und die kommunale Arbeitgeberin gemeinsam die Hälfte des Schadens tragen, entschied das Oberlandesgericht Schleswig (7 U 125/22).

Richtig sei: Fahrgäste hätten nach einem derartigen Unfall nur Anspruch auf Schadenersatz, wenn sie sich gut festgehalten hätten. Gerade ältere Passagiere müssten sich mit beiden Händen sichern. Eine Hand genüge nicht, um auch bei ruckartigen Bewegungen des Busses das Gleichgewicht halten zu können. Und mit ruckeligem Bremsen bzw. Wiederanfahren sei im Straßenverkehr immer zu rechnen.

Die Seniorin ginge daher wegen "fehlender Eigensicherung" leer aus, wenn der Busfahrer nicht seine Sorgfaltspflichten beim Linksabbiegen verletzt hätte. Diesen Fahrfehler hätte das Landgericht bei der Haftungsquote berücksichtigen müssen. Der Fahrer habe nur deshalb plötzlich eine Vollbremsung einleiten müssen, weil er die Fußgängerin zuerst übersehen habe. Dies sei also kein normaler Bremsvorgang gewesen, sondern Folge eines Verkehrsverstoßes.

Autofahrerin fährt Radfahrer um

Sie nahm dem Rennradfahrer die Vorfahrt: Sein hohes Tempo begründet keine Mithaftung

Kurz nach 17 Uhr verließ Autofahrerin A mit ihrem Wagen den Betriebsparkplatz. Bei der Ausfahrt musste sie einen kombinierten Rad- und Fußweg überqueren. Der (bevorrechtigte) Radweg ist an dieser Stelle farbig markiert und mit gestrichelten Linien abgegrenzt. Zur gleichen Zeit war auf dem Radweg ein Rennradfahrer unterwegs: Der sportliche 47-Jährige trainierte für einen Triathlon-Wettkampf.

Wie später eine Unfallsachverständige errechnete, hatte er sich der Parkplatz-Ausfahrt mit ca. 42 km/h genähert. Die Autofahrerin habe den Radfahrer sehen müssen, als sie ihren Wagen vor dem Radweg kurz angehalten habe, so die Expertin. Trotzdem fuhr Frau A auf den Radweg — weil sie nicht auf den Radfahrer achtete oder seine Geschwindigkeit unterschätzte. Der Mann konnte mit seinem Bremsmanöver den Zusammenstoß nicht mehr verhindern, bei dem er sehr schwer verletzt wurde.

Der Radfahrer verlangte von der Autofahrerin Entschädigung. Sie müsse alle Folgekosten des Unfalls übernehmen und dem Verletzten zusätzlich 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth (8 O 5432/18). Hohes Schmerzensgeld sei hier gerechtfertigt, da er dauerhafte Schäden erlitten habe: Wegen gebrochener Wirbel habe man die Brustwirbelsäule mit Implantaten versteifen müssen, die gebrochene Hand sei nicht mehr so beweglich.

Frau A habe dem Radfahrer eindeutig die Vorfahrt genommen. Anders als die Autofahrerin meine, treffe den Rennradfahrer wegen seiner zweifellos hohen Geschwindigkeit kein Mitverschulden. Auf gerader Strecke, bei guter Sicht und trockenem Wetter könnten Rennradfahrer auch mal schnell fahren. Der Mann habe seine Geschwindigkeit auch nicht vorsorglich vermindern müssen, weil ein Wagen in der Parkplatzausfahrt stand. Vielmehr habe er sich darauf verlassen dürfen, dass die Autofahrerin sein Vorfahrtsrecht beachten würde.

Spurwechsel führt zu Verkehrsunfall

Der Unfallgegner haftet zu 25 Prozent mit, weil er auf der Autobahn mit 200 km/h unterwegs war

Als Autofahrerin A auf der Autobahn auf die linke Spur wechselte, um einen Laster zu überholen, übersah sie den von hinten mit ca. "200 Sachen" heranbrausenden Wagen von Herrn B. Da Frau A nur etwa 130 km/h schnell fuhr, kam es zum Auffahrunfall. Die Autofahrerin gab dem "Raser" die Schuld und forderte Entschädigung für den Schaden an ihrem Auto.

Doch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig beantwortete die Schuldfrage anders (7 U 41/22). Autofahrer dürften die Spur nur wechseln, wenn jede Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Spurwechsler treffe eine "besondere Sorgfaltspflicht". Ereigne sich bei einem Spurwechsel ein Unfall, liege das in der Regel daran, dass der Spurwechsler nicht umsichtig genug vorgegangen sei, betonte das OLG.

Und das sei auch hier der Fall, obwohl Frau A behaupte, sie sei vor der Kollision mindestens schon zehn Sekunden auf der linken Fahrspur gefahren. Wenn das zuträfe, hätte sie den großen Wagen von Herrn B auf dieser geraden Strecke im Rückspiegel geraume Zeit vor dem Unfall bemerken müssen. Angeblich habe sie ihn aber erst "direkt vor dem Krach" im linken Außenspiegel gesehen — dies spreche gegen ihre Darstellung, dass der Spurwechsel zum Unfallzeitpunkt bereits beendet war.

Frau A habe den Unfall überwiegend selbst verschuldet. Allerdings müsse Autofahrer B für 25 Prozent der Unfallfolgen mithaften, weil er deutlich schneller als mit Richtgeschwindigkeit unterwegs war. Zwar bestehe auf diesem Streckenabschnitt kein Geschwindigkeitslimit, gegen das Herr B verstoßen hätte. Grundsätzlich rechtfertige aber eine so hohe Geschwindigkeit eine Mithaftung, weil sie das Unfallrisiko vergrößere. Häufig reagierten nämlich die anderen Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht richtig und unterschätzten die Geschwindigkeit.

Autoschlange kurz vor einer Ampel

Wer eine Autoschlange überholt, muss mit ausscherenden Fahrzeugen rechnen

Auf einer Landstraße bildete sich eine Autoschlange, weil ein Lieferwagen — kurz vor einer Kreuzung mit Ampelanlage — auf der Fahrbahn liegengeblieben war. Der Fahrer hatte das Warnblinklicht eingeschaltet. Als die Fahrerin eines Suzuki aus der Schlange ausscherte, um am Lieferwagen vorbeizufahren, stieß sie mit einem Wagen zusammen, der die Autoschlange überholte.

Die Suzuki-Fahrerin verlangte von der Fahrerin des Wagens Schadenersatz für die Reparaturkosten am Suzuki, doch das Amtsgericht Homburg ließ sie abblitzen: Den Unfall habe sich die Klägerin selbst zuzuschreiben, weil sie eine Vorschrift der Straßenverkehrsordnung ignoriert habe. Wer ein Hindernis oder ein Fahrzeug umfahren wolle, müsse das Ausscheren ankündigen und beim Ausscheren auf den nachfolgenden Verkehr achten (§ 6 StVO).

Die Suzuki-Fahrerin legte gegen das Urteil Berufung ein und erreichte beim Landgericht Saarbrücken zumindest einen Teilerfolg (13 S 74/22): Beide Autofahrerinnen müssten jeweils für die Hälfte des Schadens haften, entschied das Landgericht. Denn die überholende Autofahrerin habe ihrerseits gegen die besonderen Sorgfaltspflichten beim Überholen verstoßen.

Vieles spreche dafür, dass die Verkehrslage unklar gewesen sei. In so einer Situation dürfe man von vornherein nicht überholen.

Auf jeden Fall aber hätte die Autofahrerin beim Überholen besonders vorsichtig fahren müssen: Beim Vorbeifahren an einer Autoschlange müsse man immer damit rechnen, dass Fahrer ausscherten. Am besten hätte sich die überholende Autofahrerin zuvor vergewissert, warum die Autos auf der Fahrbahn stehen blieben. Bei einer Autoschlange dränge sich ja zunächst der Gedanke auf, dass die Fahrzeuge nicht abgestellt seien, sondern verkehrsbedingt anhielten. Dann sei erst recht Vorsicht geboten!

Bremst der Tesla-Tempomat zu "selbständig"?

Ein Mangel liegt nur vor, wenn der Autopilot nicht dem aktuellen "Stand der Technik" entspricht

Der Käufer eines Tesla Model 3 forderte vom Hersteller ein Ersatzfahrzeug, weil er seinen 45.990 Euro teuren Wagen mangelhaft fand. Der Tempomat halte die eingestellte Geschwindigkeit häufig nicht, beanstandete der Käufer. Vielmehr bremse der Autopilot selbständig, ohne vorherige Warnung und auch ohne erkennbare Hindernisse oder Verkehrszeichen.

Der Autohersteller sah darin keinen Mangel, lehnte eine Nachlieferung ab und ließ es auf eine Klage ankommen. Das Landgericht München I und das Oberlandesgericht (OLG) München gaben ihm Recht (8 U 1627/22). Mangelhaft wäre der Wagen nur, wenn er nicht so beschaffen wäre wie bei "Sachen der gleichen Art üblich" und wie es "der Käufer nach Art der Sache erwarten" könne. Vergleichen könne man den Tesla nur mit Fahrzeugen, die ebenfalls mit GPS-unterstützten Abstands-Tempomaten ausgestattet seien, erklärte das OLG.

Der Autohersteller habe die Gründe für die angeblichen "Phantombremsungen" vor Gericht nachvollziehbar dargelegt und diese auch in ausführlichen Benutzerinformationen erläutert. Die Funktionsweise des Tempomaten hänge u.a. vom Kartenmaterial ab und damit von Drittanbietern, die die GPS-Daten zur Verfügung stellten. Verkehr verändere sich durch Umbaumaßnahmen und neue Verkehrsschilder ständig, das Kartenmaterial sei nicht immer 100-prozentig aktuell.

Deswegen könne bisher kein Hersteller garantieren, dass GPS-unterstützte Abstands-Tempomaten die eingestellte Geschwindigkeit immer einhalten. Einen völlig fehlerfreien Betrieb könnten die Käufer solcher Systeme (noch) nicht erwarten. Der Autohersteller habe aber die vom Käufer angegebenen "Problemstellen", an denen der Wagen unversehens bremste, korrigiert und das Kartenmaterial online verändert.

Der GPS-unterstützte Autopilot von Tesla entspreche damit dem derzeitigen "Stand der Technik". Wenn der "Stand der Technik" die Hoffnungen des Käufers enttäusche, stelle das keinen Mangel des Tesla dar. Im Übrigen rate das Tesla-Benutzerhandbuch: Bei selbständigem Bremsen des Tempomaten könne der Fahrer gegensteuern, indem er manuell beschleunige, also das Gaspedal betätige.

Hupen half nichts!

Mercedes fuhr trotz der Warnung rückwärts aus der Garage heraus und gegen einen Peugeot

Ein Peugeot-Fahrer war in einer verkehrsberuhigten Straße unterwegs, als er bemerkte, dass auf der rechten Straßenseite ein Mercedes dabei war, rückwärts aus der Garage herauszurollen. Der Peugeot-Fahrer hupte, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch der Mercedes-Fahrer überhörte die Warnung und fuhr rückwärts auf die Straße. Die Fahrzeuge stießen zusammen.

Der Mercedesfahrer behauptete, der Peugeot sei mit überhöhter Geschwindigkeit in seinen bereits stehenden Mercedes E 320 CDI hineingefahren. Er forderte Schadenersatz für die Reparatur und die Sachverständigenkosten (3.928 Euro). Das Landgericht Saarbrücken sprach ihm nur 20 Prozent des geforderten Betrags zu, weil er den Unfall überwiegend selbst verschuldet habe (13 S 60/22).

Laut Unfallgutachten sei der Mercedes bei der Kollision in Bewegung gewesen, stellte das Landgericht fest. Das spreche dafür, dass der Rückwärtsfahrende sich nicht aufmerksam genug nach hinten umgesehen habe. Beim Rückwärtsfahren und beim Ausfahren aus einem Grundstück müssten Autofahrer besonders vorsichtig vorgehen. Gegen diese Sorgfaltspflichten habe der Mercedes-Fahrer verstoßen.

Der Peugeot 206 sei dagegen fast mit Schrittgeschwindigkeit gefahren (ca. 10 km/h), wie im verkehrsberuhigten Bereich vorgeschrieben. Allerdings hätte sich der Peugeot-Fahrer nicht darauf verlassen dürfen, dass der Mercedes seine Rückwärtsfahrt unterbrechen würde.

Diese leichte Fahrlässigkeit begründe eine Mithaftung von 20 Prozent: Der Peugeot-Fahrer habe vorsorglich gehupt, weil er erkannt habe, dass eine Kollision drohte. Angesichts dessen hätte es nahegelegen, nur sehr langsam und jederzeit bremsbereit weiterzufahren. Und den Mercedes weiter zu beobachten, um sofort anhalten zu können. Das habe der Peugeot-Fahrer versäumt.

"Verbrauch und Emissionen" in der Autowerbung

Münchner Autobauer gestaltete Reklame so, als seien die Abgaswerte nach WLTP berechnet

Die Abkürzung WLTP steht für "Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedures": Das ist ein europäisches Prüfverfahren zur Bestimmung von Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen bei Kraftfahrzeugen. WLTP hat 2018 das Prüfverfahren NEFZ ("Neuer Europäischer Fahrzyklus") abgelöst, beruht auf engeren Testintervallen mit strengeren Vorgaben und bildet daher den Verbrauch besser ab als das NEFZ.

Ein Umweltverein verklagte einen Münchner Autokonzern wegen irreführender Werbung. Das Unternehmen hatte 2022 auf seiner Internetseite für eines seiner Modelle geworben. In der Rubrik "Verbrauch und Emissionen" wurden Abgaswerte des Modells angegeben, die nach dem NEFZ berechnet, jedoch direkt neben der Abkürzung WLTP platziert waren.

Das führe die Leser der Reklame in die Irre, fand der Umweltverein: Denn die nach NEFZ berechneten Abgaswerte lägen regelmäßig niedriger als diejenigen, die gemäß der WLTP-Methode bestimmt worden seien. So beschönige man die Emissionen: Der Konzern müsse offiziell erklären, diesen Werbetrick künftig zu unterlassen. Das Landgericht München I gab dem Verein Recht: Die Werbung sei irreführend und unzulässig (1 HK O 4969/22).

Vor allem Verbraucher, die wüssten, dass es sich bei der Abkürzung WLTP um eine strengere Prüfmethode handle, könnten angesichts der Gestaltung der Webseite auf den Irrtum verfallen, die angegebenen Werte seien nach dem WLTP-Verfahren berechnet worden, erklärte das Landgericht. Die Abkürzung sei zwar verlinkt mit einer anderen Seite, auf der die WLTP-Werte ständen. Das sei aber nicht klar zu erkennen. Verbraucher merkten das höchstens zufällig, wenn sie mit der Maus über das Zeichen WLTP wischten.

Obendrein müssten sie aus den verlinkten Angaben erschließen, dass die auf der vorherigen Internetseite angegebenen Werte NEFZ-Werte seien — obwohl dort keinerlei Erklärung dazu stehe. Nirgends werde dem interessierten Kunden klar mitgeteilt, dass die zuerst genannten Werte nach NEFZ berechnet wurden. Die Gefahr, dass eine falsche Vorstellung über Verbrauch und Abgaswerte die Kunden beeinflusse, sei hier eindeutig zu bejahen, betonte das Landgericht.

Seit dem "Dieselskandal", der manipulierte Abgaswerte im Prüfverfahren NEFZ betraf, werde das Thema in der Öffentlichkeit viel diskutiert. Nicht nur die Automobil-Fachpresse habe es aufgegriffen, sondern mehr oder weniger alle Medien. Verbrauch und Abgaswerte seien beim Kauf ein wichtiges Kriterium. Viele Verbraucher bevorzugten aus Umweltgründen ein "saubereres" Auto. Gehe der Verbraucher irrtümlich von besseren Werten aus, treffe er seine Entscheidung auf Basis falscher Angaben. (Das Unternehmen hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Motorradfahrer weicht Rehen aus

Die Kfz-Versicherung muss Schäden durch eine objektiv gebotene "Rettungshandlung" ersetzen

Im Herbst 2020 war Motorradfahrer M mit seinem Sohn in Frankreich unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve bemerkte er am rechten Straßenrand hinter Büschen zwei oder drei Rehe. Weil er fürchtete, sie könnten auf die Straße springen, lenkte er blitzschnell das Motorrad nach links. Das Manöver endete im Straßengraben.

Der Schaden am teilkaskoversicherten BMW-Motorrad betrug laut Sachverständigengutachten rund 3.500 Euro. Allerdings weigerte sich der Versicherer, für die Schäden an BMW und Motorradkleidung aufzukommen.

Die Tiere, die der Versicherungsnehmer angeblich gesehen habe, seien noch nicht einmal auf der Straße gestanden, wandte das Unternehmen ein: Das Ausweichmanöver sei völlig unnötig gewesen. Zudem sei die Schilderung des Vorfalls widersprüchlich, M habe nicht einmal genau angeben können, wann er die Rehe gesehen habe ("vielleicht aus 15 Meter Abstand").

Diese Einwände konnte das Oberlandesgericht Saarbrücken nicht nachvollziehen: Es verurteilte den Versicherer dazu, 4.300 Euro Schadenersatz zu leisten (5 U 120/21). Aufgrund von Zeugenaussagen stehe fest, dass an der Unfallstelle stetig Wildwechsel stattfinde. Da M den Zusammenstoß verhindert habe, fänden sich am Motorrad keine Tierspuren. Das widerlege aber seine plausible — vom Sohn und anderen Zeugen bestätigte — Schilderung nicht. M habe einen Ablauf beschrieben, der, objektiv betrachtet, dafür spreche, dass ein Zusammenstoß mit Rehen drohte.

Dass Tiere, deren Verhalten nicht berechenbar sei, möglicherweise auf die Straße laufen würden, damit sei in so einer Situation zu rechnen — auch wenn es nicht sicher feststehe. Anders als der Versicherer meine, sei in solchen Fällen eine sichere Prognose weder möglich, noch notwendig: Wenn eine Kollision zumindest wahrscheinlich sei, stelle das Ausweichmanöver eine gebotene "Rettungshandlung" dar, d.h. den Versuch, größere Schäden am Fahrzeug bzw. Verletzungen zu vermeiden. Die tatsächlichen Schäden seien als "Rettungskosten" zu ersetzen.

Vom Versicherungsnehmer könne man außerdem nicht verlangen, so einen Unfall in allen Details 100-prozentig korrekt zu schildern. Hier gehe es schließlich um ein rasch ablaufendes Ereignis, von dem Betroffene überrascht würden. Kein Wunder, dass sich da keine Einzelheiten eingeprägten. Motorradfahrer, die mangels Knautschzone Verletzungen fürchten müssten, wollten verständlicherweise Kollisionen unter allen Umständen vermeiden — M sei zudem noch für seinen Sohn verantwortlich gewesen.

Elektroroller-Batterie explodiert in der Werkstatt

Keine Haftung des Kfz-Halters, wenn der Brand nicht beim Betrieb des Rollers entstand

Der Besitzer eines Elektrorollers hatte sein "Kleinkraftrad" (Freeliner Lyric A720) zur Inspektion in die Werkstatt gebracht. Ein Mitarbeiter der Werkstatt nahm die Batterie aus dem Roller, um sie aufzuladen. Dabei erhitzte sie sich sehr stark. Vorsichtshalber trennte deshalb der Mechaniker den Akku vom Stromnetz und legte ihn auf den Boden. Er dachte, die Batterie würde sich dort abkühlen — doch nach wenigen Minuten explodierte sie und setzte die Werkstatt in Brand.

Die Gebäudeversicherung des Werkstattinhabers regulierte den Brandschaden und forderte den Betrag anschließend von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Rollerfahrers ersetzt. Ihre Zahlungsklage scheiterte jedoch in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (VI ZR 1234/20). Die Haftpflichtversicherung müsse für Schäden haften, die "beim Betrieb" eines Kraftfahrzeugs eintreten, so die Bundesrichter — nicht aber, wenn ein Schaden unabhängig davon bei Wartungsarbeiten entstehe.

In der Werkstatt werde der Roller nicht als Verkehrsmittel benutzt. Dass der Akku aus dem E-Roller ausgebaut wurde, mache es geradezu anschaulich: Damit setze der Mitarbeiter das Kleinkraftrad außer Betrieb. Es habe keine Verbindung mehr zum Kfz bestanden. Also könne die Explosion der Batterie nicht beim Betrieb des E-Rollers verursacht worden sein.

Allein die Tatsache, dass der E-Roller vor dem Werkstattbesuch mit dem Akku gefahren sei, sich der Akku beim Kfz-Betrieb entladen habe, begründe jedenfalls keinen ursächlichen Zusammenhang zur Explosion. Die Situation sei dann genauso, als sollte eine neue Batterie ins Kfz eingebaut und deswegen vorher aufgeladen werden. Unter diesen Umständen sei sie noch kein Bestandteil der Betriebseinrichtung.

Blitzer-App auf dem Handy

Dafür fällt Bußgeld an, auch wenn das Smartphone der Beifahrerin gehört

Die Verkehrsüberwachung auszutricksen, ist verboten und kostet Bußgeld: "Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören." (§ 23 Abs. 1c Straßenverkehrsordnung (StVO))

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe steht fest: Das gilt auch dann, wenn sich ein Autofahrer die Blitzer-Warnapp auf dem Smartphone einer Beifahrerin oder eines Beifahrers zunutze macht (2 ORbs 35 Ss 9/23). Der betroffene Autofahrer war im Januar 2022 in der Stadt Heidelberg so schnell unterwegs, dass Polizeibeamte auf ihn aufmerksam wurden.

Sie stoppten den 64-Jährigen wegen überhöhter Geschwindigkeit und kontrollierten die Fahrzeugpapiere. Dabei fiel den Beamten auf, dass der Mann ein auf der Mittelkonsole abgelegtes Smartphone blitzschnell zur Seite schob. Auf dem Handy war eine so genannte "Blitzer-App" aktiv, die vor Geschwindigkeitsmessgeräten warnt.

Das Amtsgericht Heidelberg brummte dem Autofahrer deshalb 100 Euro Bußgeld auf: Als ihn die Polizisten kontrollierten, habe er bewusst das Handy weggeschoben. Das zeige deutlich: Er habe gewusst, dass auf dem Handy eine Blitzer-App installiert und am Laufen war. Vergeblich wehrte sich der Mann gegen die Geldbuße. 100 Euro muss er bezahlen, bestätigte das OLG.

Ein gemäß StVO verbotenes Verhalten liege nicht nur dann vor, wenn ein Autofahrer selbst eine App auf dem Handy aktiviert habe, die vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen warne. Verboten sei es auch, eine Blitzer-App auf dem Mobiltelefon von Mitfahrern zu nutzen — sofern sich der Autofahrer der Warnfunktion der Blitzer-App bediene. Und das sei im konkreten Fall belegt.