Auto & Verkehr

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Blitzer-App auf dem Handy

Dafür fällt Bußgeld an, auch wenn das Smartphone der Beifahrerin gehört

Die Verkehrsüberwachung auszutricksen, ist verboten und kostet Bußgeld: "Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören." (§ 23 Abs. 1c Straßenverkehrsordnung (StVO))

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe steht fest: Das gilt auch dann, wenn sich ein Autofahrer die Blitzer-Warnapp auf dem Smartphone einer Beifahrerin oder eines Beifahrers zunutze macht (2 ORbs 35 Ss 9/23). Der betroffene Autofahrer war im Januar 2022 in der Stadt Heidelberg so schnell unterwegs, dass Polizeibeamte auf ihn aufmerksam wurden.

Sie stoppten den 64-Jährigen wegen überhöhter Geschwindigkeit und kontrollierten die Fahrzeugpapiere. Dabei fiel den Beamten auf, dass der Mann ein auf der Mittelkonsole abgelegtes Smartphone blitzschnell zur Seite schob. Auf dem Handy war eine so genannte "Blitzer-App" aktiv, die vor Geschwindigkeitsmessgeräten warnt.

Das Amtsgericht Heidelberg brummte dem Autofahrer deshalb 100 Euro Bußgeld auf: Als ihn die Polizisten kontrollierten, habe er bewusst das Handy weggeschoben. Das zeige deutlich: Er habe gewusst, dass auf dem Handy eine Blitzer-App installiert und am Laufen war. Vergeblich wehrte sich der Mann gegen die Geldbuße. 100 Euro muss er bezahlen, bestätigte das OLG.

Ein gemäß StVO verbotenes Verhalten liege nicht nur dann vor, wenn ein Autofahrer selbst eine App auf dem Handy aktiviert habe, die vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen warne. Verboten sei es auch, eine Blitzer-App auf dem Mobiltelefon von Mitfahrern zu nutzen — sofern sich der Autofahrer der Warnfunktion der Blitzer-App bediene. Und das sei im konkreten Fall belegt.

Überholen bei "unklarer Verkehrslage"

Kurzartikel

Hält ein Auto hinter einem parkenden Kleinlaster an und ist unklar, ob die Fahrerin stehen bleiben oder vorbeifahren möchte, stellt es einen Verkehrsverstoß dar, wenn ein von hinten kommender Linienbus zum Überholen des Autos ansetzt. Schert die Autofahrerin im gleichen Moment nach links aus, ohne nach hinten zu blicken, und stößt mit dem Auto gegen den Bus, haften der Busfahrer und die Autofahrerin jeweils zur Hälfte für den Schaden.

Geschwindigkeitsverstoß verjährt oder nicht?

Wird die Identität eines Temposünders nicht rechtzeitig festgestellt, genügt auch ein Radarfoto

Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr verjähren innnerhalb von sechs Monaten. Sobald die Behörden jedoch einen bestimmten Verkehrsteilnehmer im Verdacht haben und gegen ihn ermitteln, wird dadurch die Verjährungsfrist unterbrochen.

Eine niedersächsische Kreisbehörde verfügte zwar über ein Radarfoto von einer Schnellfahrerin, hatte jedoch ihre Identität nicht klären können. Sie übersandte das Bild der Polizei zur Identifizierung. Als die Polizei den Namen der Verkehrssünderin endlich herausgefunden hatte, waren sechs Monate seit der Tat verstrichen. Dennoch wurde die Frau mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot belegt.

Das Oberlandesgericht Celle hatte daran nichts auszusetzen und wies die Klage der Autofahrerin gegen die Sanktion ab (2 Ss (OWi) 339/94). Einerseits sei zwar ihr Einwand richtig: Nur, wenn sich die Ermittlungen gegen einen individuell bestimmten Täter richteten, halte dies die Verjährung auf. Andererseits bedeute "individuell bestimmt" aber nicht, dass der Name des Täters oder der Täterin bekannt sein müsse. Es reiche vielmehr aus, wenn ein Foto vorliege - vorausgesetzt, es sei scharf genug und zeige so viele Merkmale, dass man ihn oder sie damit identifizeiren könne.

Widerruf beim Gebrauchtwagenhandel

Einen Kaufvertrag kann der Kunde nur widerrufen, wenn es um ein Fernabsatzgeschäft geht

Herr B suchte nach einem Gebrauchtwagen und fand im Internet die Anzeige eines Autohauses: Audi A3 Sportback e-tron, Erstzulassung März 2017, Kaufpreis 25.325 Euro. Er rief den Händler an und bekam per E-Mail ein Formular zugeschickt, das mit den Audi-Daten ausgefüllt war: "Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeugs mit Garantie". Herr B unterschrieb und schickte das Formular per Fax zurück. Daraufhin erhielt er vom Autohaus per E-Mail eine Auftragsbestätigung für den Kaufvertrag, der Deal war perfekt.

Schon bald häuften sich Beschwerden des Käufers über Mängel, die der Händler jedoch bestritt. Schließlich widerrief Herr B den Kaufvertrag. Da sich das Autohaus weigerte, das Geschäft rückgängig zu machen, erhob der Käufer Klage. Er forderte die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens. Vor Gericht ging es im Wesentlichen um die Frage, ob B den Kaufvertrag nach den Vorschriften zum Fernabsatzgeschäft widerrufen konnte.

Hintergrund: Im Versandhandel und im Onlinehandel (= Fernabsatzgeschäfte) steht Verbrauchern das Recht auf Widerruf zu. Sie können einen Kaufvertrag innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware widerrufen. Die Frist für den Widerruf ist aber nur dann auf zwei Wochen begrenzt, wenn der Verkäufer den Kunden korrekt über sein Widerrufsrecht informiert hat. Unterlässt der Händler diese Belehrung, besteht das Widerrufsrecht weiter.

Im konkreten Fall entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, B habe den Kaufvertrag wirksam widerrufen (3 U 81/22). Vergeblich pochte der Händler darauf, ein Autohaus sei kein Onlinehandel. Also stehe dem Käufer kein Widerrufsrecht zu. Dem widersprach das OLG: Hier handle es sich um ein Fernabsatzgeschäft, weil der Kaufvertrag allein mit "Fernkommunikationsmitteln" geschlossen wurde: B habe das Auto per Fax verbindlich bestellt, der Händler den Vertrag per E-Mail bestätigt.

Das Autohaus habe also sehr wohl ein Fernabsatzsystem eingerichtet, jedenfalls für daran interessierte Kunden entsprechende Kommunikationskanäle eröffnet. B habe problemlos einen Vertrag mit dem Autohaus schließen können, ohne persönlich dort zu erscheinen. Und das stelle keinen Ausnahmefall dar. Denn das Autohaus gehöre zu einer großen Gruppe von Autohändlern, die ihre Gebrauchtfahrzeuge eben auch "online" mit Garantie anbiete.

Heutzutage seien viele Verbraucher bereit, nur aufgrund einer Beschreibung im Internet — ohne Besichtigung und Probefahrt — einen Kaufvertrag abzuschließen. Da der Händler deshalb auch diesen Vertriebskanal regelmäßig nutze, liege ein Fernabsatzvertrag vor. Den habe B auch einige Monate nach dem Kauf noch widerrufen dürfen, da er vom Händler nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

Linksabbieger-Ampel zeigte "grün"

Anschließend fiel die Ampelanlage aus: Zusammenstoß auf der Kreuzung

An einer großen Kreuzung ist für Linksabbieger eine eigene Spur mit "Linksabbieger-Ampel" eingerichtet: Zeigt sie einen grünen Pfeil nach links, dürfen die Linksabbieger fahren. Autofahrerin A hatte sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und fuhr los, als die Ampel den grünen Pfeil anzeigte. Doch auf der Kreuzung kam ihr ein städtischer Omnibus entgegen. Der Bus erfasste ihren gerade abbiegenden Wagen hinten rechts und beschädigte ihn erheblich.

Des Rätsels Lösung: Kaum hatte die Autofahrerin die Ampel bei Grünlicht passiert, fiel plötzlich die Ampelanlage aus — und der Omnibus startete ebenfalls. Die kommunale Verkehrsgesellschaft, Kfz-Halterin des Omnibusses, wollte für die Reparaturkosten von Frau A nicht aufkommen (rund 7.000 Euro). Daraufhin zog die Unfallgeschädigte vor Gericht und bekam vom Landgericht Lübeck zunächst uneingeschränkt Recht.

Der Omnibusfahrer trage allein die Schuld an dem Zusammenstoß, so das Landgericht. Bei unklarer Verkehrslage müsse man besonders vorsichtig fahren. Zwar habe er nach dem Ausfall der Ampel Vorfahrt gehabt. Aber er habe den Ausfall bemerkt und darauf falsch reagiert. Für Frau A sei der Unfall dagegen unabwendbar gewesen, weil sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und den Ausfall der Anlage nicht mehr registrieren konnte.

Gegen das Urteil legte die Stadt Berufung ein. Sie erreichte beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig jedoch nur einen Teilerfolg (7 U 201/21). Das OLG setzte eine Haftungsquote vom 80% zu 20% zu Gunsten der Autofahrerin fest und korrigierte das Landgericht in diesem Punkt. Unabwendbar sei die Kollision für Frau A nicht gewesen, so das OLG.

Ein "unabwendbarer Unfall" sei zu verneinen, wenn ein ganz besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch hätte abwenden können. So ein "Idealfahrer" hätte hier bemerkt, dass die Fußgängerampel ausfiel, hätte daraus auf eine Fehlfunktion der gesamten Anlage geschlossen und den Gegenverkehr abgewartet, anstatt mit dem Abbiegen zu beginnen.

Ein Verkehrsverstoß sei Frau A aber nicht vorzuwerfen. Sobald der grüne Pfeil das Linksabbiegen erlaube, dürften die Linksabbieger darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt sei und entgegenkommende Fahrzeuge das Haltegebot beachteten. Dieser Grundsatz werde nicht dadurch aufgehoben, dass die Ampelanlage ausfalle. Frau A könne daher von der Kfz-Versicherung der Kommune Ersatz für 80 Prozent der Reparaturkosten verlangen.

Alkoholbedingter Autounfall?

War die Fahrerin "relativ fahruntüchtig", muss der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler beweisen

Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer Diskothek kam Autofahrerin S um vier Uhr früh in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Das Auto erlitt Totalschaden. Die Polizei entnahm um ca. 7.30 Uhr eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,85 Promille ergab. Aus diesem Grund lehnte es die Vollkaskoversicherung von Frau S ab, den Schaden zu regulieren.

Ohne Erfolg klagte die Versicherungsnehmerin auf Zahlung. Sie habe den alkoholbedingten Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, urteilte das Oberlandesgericht Saarbrücken: Anspruch auf Schadenersatz habe sie daher nicht (5 U 22/22). Zum Unfallzeitpunkt habe Frau S mindestens eine BAK von 0,85 Promille, maximal eine BAK von 0,99 Promille gehabt. Bis zur Grenze von 1,1 Promille gehe man von relativer Fahruntüchtigkeit des Verkehrsteilnehmers aus.

Ein Unfall mit einer BAK von über 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) werde von vornherein als alkoholbedingt und damit als grob fahrlässig angesehen. Für so verursachte Unfallschäden müsse der Kfz-Versicherer prinzipiell nicht einstehen.

In Fällen relativer Fahruntüchtigkeit dagegen müsse der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen des Versicherungsnehmers nachweisen, die auf einen alkoholbedingten Unfall schließen lassen. Im konkreten Fall sei der Unfall ohne erheblichen Alkoholkonsum kaum plausibel zu erklären.

Angeblich sei Frau S nur 70 km/h gefahren — und habe trotzdem einen Auffahrunfall nur knapp vermeiden können, als der vor ihr fahrende Wagen bremste. Dadurch sei sie auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern geraten. Die Autofahrerin habe also zu wenig Abstand eingehalten oder sei unaufmerksam gewesen. Wenn ein Autofahrer in einer einfachen Verkehrssituation ohne ersichtlichen Grund am Baum lande, spreche dies für einen alkoholbedingten Unfall (Bremsen des Vordermanns zu spät erkannt, Fehleinschätzung der Straßenverhältnisse).

Nüchtern wäre Frau S vorsichtiger gefahren und hätte so einen Unfall ganz einfach vermeiden können. Dem Polizeibericht sei obendrein zu entnehmen, sie habe glasige Augen und eine leicht verwaschene Aussprache gehabt. Frau S selbst habe angegeben, sie habe sich "fast nüchtern" und in der Lage gefühlt, sicher zu fahren. Das zeuge von Unterschätzung der Folgen von Cocktails und von Überschätzung der eigenen (Fahr-)Fähigkeiten, ebenfalls eine typische Folge des Alkoholkonsums.

Radfahrerin in der Fußgängerzone

Nach folgenreichem Zusammenstoß mit einem Passanten erhält die Frau keinen Schadenersatz

Auf dem Frankfurter Opernplatz kollidierte bei Dunkelheit eine Radfahrerin mit einem Fußgänger, der wegen eines Regenschauers ziemlich schnell zum U-Bahn-Eingang unterwegs war. Die Radfahrerin stürzte und zog sich einen doppelten Beckenbruch zu. Dafür verlangte sie vom Fußgänger Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht Frankfurt verneinte jedoch einen Anspruch der verletzten Frau auf Entschädigung (17 U 216/93). In der Fußgängerzone sei ein Passant nicht verpflichtet, besonders auf Radfahrer zu achten. Das gelte erst recht, wenn dort das Zusatzschild "nur Schritttempo" für Radfahrer aufgestellt sei und diese ermahne, auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Anders hätte es ausgesehen, wenn der Fußgänger gerannt wäre und den Zusammenstoß durch grobe Unachtsamkeit verursacht hätte. Dafür habe es aber keine Beweise gegeben.

"Berührungsloser" Unfall

Radfahrerin steigt wegen eines überholenden Rettungswagens ab und stürzt

Mit eingeschaltetem Martinshorn fuhr ein Rettungswagen durch eine schmale Straße und setzte an, mehrere Radfahrer zu überholen. Eine 72-jährige Radfahrerin befürchtete, das Fahrzeug könnte ihr zu nahe kommen. Deshalb versuchte sie etwas hektisch, vom Rad zu steigen und stürzte dabei, obwohl es gar nicht zu einer Kollision kam. Die Frau brach sich einen Fußknöchel, musste wochenlang einen Gipsverband tragen.

Vom Rettungsdienst forderte sie Entschädigung. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Oldenburg zu (2 U 20/22). Hier handle es sich um einen so genannten "berührungslosen" Unfall. Auch wenn der überholende Rettungswagen die Radfahrerin nicht gestreift habe, habe er dennoch zu dem Unfall beigetragen.

Seinetwegen habe die Frau ein Ausweichmanöver eingeleitet und sei vom Rad gestiegen. Sehr gut nachvollziehbar und objektiv berechtigt habe die Radfahrerin in der engen Straße die Verkehrslage, d.h. das Überholen des Rettungswagens, als gefährlich empfunden.

Die Bedingung für eine Haftung des Kfz-Halters sei daher gegeben: Der Schaden — die Behandlungskosten — sei "beim Betrieb" des Fahrzeugs entstanden, da sich die vom Rettungswagen ausgehende Gefahr zumindest indirekt ausgewirkt habe. Der Rettungsdienst müsse für 20 Prozent des Schadens aufkommen und der Verletzten 2.400 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Verkehrt herum durch die Einbahnstraße

Kann sich die Autofahrerin trotzdem auf den Grundsatz "rechts-vor-links" berufen?

Autofahrerin A bog langsam nach links in eine Einbahnstraße ein. Da kam ihr der Wagen von Autofahrerin B entgegen, der die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr. Die beiden Autos stießen zusammen. Autobesitzer A verlangte von Autofahrerin B, d.h. von deren Kfz-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz für die Reparatur seines beschädigten Autos.

Die Gegenpartei müsse nur die Hälfte der Kosten ersetzen, entschied das Landgericht Wuppertal. Mehr stehe Autobesitzer A nicht zu, denn seine Ehefrau habe zu dem Unfall in gleichem Maß beigetragen wie Frau B (9 S 48/22). Frau A habe nämlich gegen das Gebot "rechts-vor-links" verstoßen. Laut Unfallgutachten hätte sie den Zusammenstoß vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut hätte.

Das Vorfahrtsrecht der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmerin werde nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahre. Das gelte schon deshalb, weil Fahrradfahrer diese Einbahnstraße in beiden Richtungen nutzen dürften. Ein Radfahrer, der die Einbahnstraße zulässigerweise in der Gegenrichtung befahre, habe also ebenfalls Vorfahrt.

Wer nach links in die Einbahnstraße einbiege, müsse daher mit von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Radfahrern rechnen und dürfe nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug komme. So eine Annahme sei allenfalls bei völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straßen gerechtfertigt.

Unbrauchbares Kfz-Schadensgutachten

Muss die Versicherung des Unfallverursachers das Gutachten trotzdem bezahlen?

Das alte Auto von Herrn X wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt, den eindeutig der Unfallgegner verschuldet hatte. Trotzdem kam es zum Streit über die Höhe des zu regulierenden Schadens. Denn der Privatgutachter des Unfallgeschädigten schätzte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 7.000 Euro viel zu hoch ein. Zudem hatte X den Kfz-Sachverständigen nicht über Vorschäden am Auto informiert, die er in Eigenregie repariert hatte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war der Ansicht, dass sie für das missratene Gutachten gar nichts zahlen musste. Doch das Landgericht Essen sprach Autobesitzer X Schadenersatz für die Gutachtenkosten zu (696 Euro) sowie 4.471 Euro für den Fahrzeugschaden. Dabei ging das Gericht von einem Wiederbeschaffungswert von nur 2.200 Euro aus.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (I-7 U 33/21). Die Fehleinschätzungen des Privatgutachters seien nicht dem Unfallgeschädigten anzulasten, so das OLG. Träfe das zu, wäre sein Anspruch auf Ersatz der Gutachtenkosten ausgeschlossen. Dass Herr X seinem Sachverständigen die Vorschäden an der Front und am vorderen rechten Kotflügel verschwieg, habe aber dessen Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes überhaupt nicht beeinflusst.

Der gerichtliche Kfz-Experte habe erläutert, dass ein durchschnittliches Fahrzeug mit diesem Alter und dieser Laufleistung bereits an einem Punkt angekommen sei, an dem kein großer Wertverlust mehr eintreten könne. Daher spielten kleinere Vorschäden bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts kaum noch eine Rolle. Z.B. habe der gerichtliche Kfz-Experte selbst, als er den Wiederbeschaffungswert auf 2.200 Euro taxierte, für einen Streifschaden einen Abschlag bei den Lackierkosten vorgenommen, der sich auf 21,25 Euro belief.

Wegen Fuchs am Straßenrand abrupt gebremst

Die vorausfahrende Autofahrerin trifft deshalb Mitverschulden am Auffahrunfall

Im April 2021 waren zwei Autofahrerinnen hintereinander auf einer oberbayerischen Landstraße unterwegs. Plötzlich tauchte am Straßenrand ein Fuchs auf. Die Fahrerin des vorderen Wagens befürchtete, er könnte auf die Straße springen. Deshalb bremste sie ihren Skoda so abrupt ab, dass der nachfolgende Wagen auffuhr.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Auffahrenden ersetzte nur zwei Drittel der Skoda-Reparaturkosten. Damit wollte sich die Skoda-Besitzerin nicht begnügen. Sie klagte auf Schadenersatz in voller Höhe: Schließlich gehe ein Auffahrunfall regelmäßig auf das Konto des Auffahrenden.

Doch das Amtsgericht Pfaffenhofen wies die Klägerin auf Paragraf 4 der Straßenverkehrsordnung hin: Wer vorausfahre, dürfe nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen (1 C 130/22).

"Zwingend" bedeute: Starkes Bremsen sei nur erlaubt, um Verkehrsteilnehmer vor drohenden Sach- und Personenschäden zu schützen. Wenn ein Fuchs am Straßenrand aufkreuze, drohe aber kein Schaden. Dann habe der Schutz des nachfolgenden Verkehrs Vorrang vor dem Schutz eines Kleintieres. Auf ein Tier, das für sie und das Auto keine Gefahr darstelle, dürfe die Autofahrerin nur Rücksicht nehmen, wenn das möglich sei, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.

In so einer Situation eine Vollbremsung einzuleiten, sei rechtswidrig — die Skoda-Besitzerin treffe daher erhebliches Mitverschulden am Auffahrunfall. Daher könne die Unfallgeschädigte nicht mehr Schadenersatz verlangen, als ohnehin schon gezahlt worden sei. Das gelte jedenfalls dann, wenn — wie hier — die nachfolgende Autofahrerin nachweislich ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe.

Zoff um Abgase in der Tiefgarage

BMW-Fahrer darf den Motor nur noch 90 Sekunden lang warmlaufen lassen

In einer privaten Tiefgarage gerieten zwei Nutzer benachbarter Stellplätze aneinander. Herr A fand es unmöglich, dass Herr B seinen BMW 525 in der Garage mehrere Minuten lang warmlaufen ließ, bevor er wegfuhr. Er wies ihn auf den Ausstoß von Kohlenmonoxid hin, mit dem er die Garage "verpeste". Da stieß Herr A aber bei Herrn B auf wenig Verständnis. Nach einigen Streitereien zog A vor Gericht, um sein Anliegen durchzusetzen.

Andere Nutzer von Stellplätzen müssten die von B verursachten Abgase nicht unbeschränkt dulden, bestätigte das Landgericht Berlin (67 S 44/22). Abgase konzentrierten sich in einer Tiefgarage schneller als auf offener Straße und beeinträchtigten die Luftqualität, vom Lärm einmal ganz abgesehen. B dürfe den Motor also nicht unnötig laufen lassen. Unnötig sei der Betrieb eines Motors allerdings nur, wenn dafür kein technischer Grund vorliege.

Herr B habe eingeräumt, dass er den Motor jeweils ein bis zwei Minuten warmlaufen lasse, und betont, das sei technisch notwendig, wenn der Wagen länger gestanden habe. Denn nach der Starthilfe sorge das Leerlaufventil erst ca. 60 bis 70 Sekunden, nachdem das Fahrzeug angesprungen sei, für gleichmäßigen Leerlauf. Ein gewisser zeitlicher Vorlauf, bevor der BMW-Besitzer den Wagen bewege, sei ihm also zuzubilligen.

Das schließe aber die Forderung von A nicht aus, dass B möglichst "abgasarm" starten solle. Herr B müsse künftig seinen BMW baldmöglichst nach der Starthilfe aus der Tiefgarage herausfahren — höchstens aber 90 Sekunden nach der Zündung des Motors. Länger als 90 Sekunden dürfe er den Motor nicht mehr warmlaufen lassen.

Ein Autoreifen bei Verkehrsunfall beschädigt

Muss die Kfz-Versicherung trotzdem für den Austausch beider Vorderreifen zahlen?

Bei einem Verkehrsunfall wurde der Skoda Oktavia einer Autofahrerin an der Front demoliert. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernahm im Wesentlichen die Reparaturkosten von rund 6.000 Euro. Gestritten wurde unter anderem über die Reifen: Auch der linke Vorderreifen war bei dem Zusammenstoß beschädigt worden.

Die Werkstatt teilte der Autofahrerin mit, das passende Modell sei gerade nicht lieferbar. Also müssten beide Vorderreifen ausgetauscht werden. Die Skoda-Besitzerin war damit einverstanden, nicht so die Kfz-Versicherung des Unfallgegners: Den intakten rechten Reifen auszuwechseln, sei unwirtschaftlich und unnötig, fand die Versicherung: Die Material- und Arbeitskosten dafür (161 Euro) müsse sie nicht übernehmen.

Doch das Amtsgericht Burgwedel bejahte den Anspruch der Unfallgeschädigten (7 C 239/21). Dass der rechte Vorderreifen beim Unfall heil geblieben sei, ändere daran nichts. Denn dieses Reifenmodell könne man derzeit nicht bekommen, der Ersatzreifen wäre also ein anderes Modell. Unterschiedliche Reifen an einer Fahrzeugachse wirkten sich jedoch negativ auf die Fahreigenschaften des Wagens aus.

Schadenersatz solle so weit möglich den Zustand des Fahrzeugs vor dem Unfall wiederherstellen. Da der beschädigte Skoda mit zwei gleichartigen Vorderreifen — und damit optimalen Fahreigenschaften — ausgestattet war, müsse die Reparatur diesen Standard wiederherstellen. Die Unfallgeschädigte müsse sich nicht mit einer Reparatur zufriedengeben, die nur einen minderwertigeren Zustand des Autos erreiche.

In einem Jahr 159 mal falsch geparkt

Ein notorischer Verkehrssünder muss deshalb seinen Führerschein abgeben

Das Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hatte einem Autofahrer den Führerschein entzogen. Der Mann, auf den drei Fahrzeuge zugelassen sind, ist offenbar ein notorischer Verkehrssünder. Innerhalb eines Jahres waren gegen den Autofahrer 174 Verfahren anhängig, alle wegen Ordnungswidrigkeiten: 159 mal hatte er falsch geparkt und 15 mal war er zu schnell gefahren.

Gegen den Entzug der Fahrerlaubnis wehrte sich der Autofahrer: Die meisten Verstöße hätten andere Personen mit seinen Autos begangen, behauptete er. Gegen die Bußgeldbescheide habe er nur deshalb keine Rechtsmittel eingelegt, weil er der Behörde Arbeit ersparen wollte. Darüber hinaus sei er beruflich auf den Führerschein angewiesen. Die Behörde hätte daher zu einer milderen Sanktion greifen müssen, z.B. zur Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen.

Beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin blitzte der Verkehrssünder ab (4 K 456/21). Zu Recht habe das Landesamt angenommen, dass er ungeeignet sei, ein Kraftfahrzeug zu führen, stellte das VG fest. Da der Entzug der Fahrerlaubnis dann zwingend vorgesehen sei, komme es auch nicht darauf an, ob er den Führerschein beruflich benötige.

Zwar sollten bei der Prüfung der Fahreignung Bagatellverstöße wie falsches Parken im Prinzip keine Rolle spielen, räumte das VG ein. Hier sei das aber ausnahmsweise anders zu beurteilen aufgrund der Vielzahl der Verstöße. Denn der Autofahrer missachte offenbar grundsätzlich Vorschriften, die der Verkehrssicherheit dienten. Jeder Verstoß sei für sich genommen unbedeutend, doch zeige ihre Gesamtzahl einen charakterlichen Mangel.

Ob tatsächlich Familienangehörige für die Fehler verantwortlich waren, könne offenbleiben: Wenn das so wäre, wüsste der Kfz-Halter durch zahlreiche Bußgeldbescheide über deren Verkehrsverstöße mit seinen Fahrzeugen Bescheid. Wer dagegen nichts unternehme und weiterhin seine Fahrzeuge verleihe, dem fehle ebenfalls die charakterliche Eignung, am Straßenverkehr teilzunehmen.

Taxifahrer rast mit schwangerer Frau zur Klinik

Angst vor einer Notgeburt kann die Überschreitung des Tempolimits rechtfertigen

Ein Taxifahrer sollte eine Schwangere zur Entbindung in die Klinik fahren. Als er bemerkte, dass die Wehen einsetzten und die Frau zu stöhnen begann, befürchtete er, das Kind werde im Auto geboren. Um das möglichst zu verhindern, beschleunigte er auf 80 km/h, 30 km/h mehr als erlaubt. Der Amtsrichter verurteilte ihn deshalb zu 160 DM Geldbuße und einem Monat Fahrverbot.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hob das Urteil auf (5 Ss (OWi) 411/94). Das Amtsgericht habe fehlerhaft nicht geprüft, ob "ein Notstand" die Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigte. Immerhin habe der Taxifahrer aus Angst um das Leben und die Gesundheit der Hochschwangeren gehandelt. So habe er jedenfalls den Verkehrsverstoß begründet, das sei nicht widerlegt worden.

In so einem Fall müsse geklärt werden, ob durch die Fahrweise des Taxifahrers andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden und, wenn ja, ob der Zeitgewinn groß genug gewesen sei, um dieses Risiko für den Straßenverkehr aufzuwiegen.

Autofahrer beschädigt Fahrbahnteiler

Kein Fall von Fahrerflucht, wenn die Behörde den Schaden nicht behebt

Ein Auto geriet auf der Autobahn zu weit nach links und demolierte dabei die Eisenstäbe des Fahrbahnteilers. Weil sich der Fahrer nach dem Unfall "verdünnisierte", anstatt ihn der Polizei zu melden, wollte seine Kaskoversicherung nicht für die Autoreparatur aufkommen: Nach einer Fahrerflucht müsse sie nicht zahlen. Die Fahrbahnbegrenzung instandzusetzen, würde ca. 1.800 DM kosten. Hier handle es sich also nicht um einen geringfügigen Schaden, bei dem man sich von der Unfallstelle entfernen dürfe, ohne wegen Fahrerflucht belangt zu werden.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe sah das in diesem Fall anders (12 U 145/92). Offenbar habe die Straßenbehörde den Schaden am Fahrbahnteiler als harmlos angesehen, weil sie die verbogenen Stäbe auch zwei Jahre nach dem Unfall noch nicht repariert habe. Es sei also davon auszugehen, dass der Unfall die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt habe.

Deshalb komme es hier nicht darauf an, wieviel die Reparatur kosten würde: Da die Behörde den Schaden nicht für reparaturbedürftig gehalten habe, liege im Ergebnis kein erheblicher Schaden vor, der den Unfallfahrer dazu verpflichtet hätte, die Polizei zu verständigen und an der Unfallstelle zu warten. Also müsse die Kaskoversicherung die Fahrzeugreparatur finanzieren.

Gebrauchtwagenhändler verliert Vorsteuerabzug

Den Rechnungen angekaufter "Gebrauchter" war nicht zu entnehmen, wer der Autoverkäufer war

Unternehmer können beim Finanzamt den sogenannten Vorsteuerabzug geltend machen: Sie dürfen die ihnen von Geschäftspartnern berechnete Umsatzsteuer abziehen von der eigenen Umsatzsteuer, die sie ans Finanzamt zahlen müssen.

Dies verwehrte das Finanzamt einem Unternehmer, der Gebrauchtwagen ankaufte. Er zahlte die Autos bar oder per Scheck an den jeweiligen Fahrer und ließ sich den Fahrzeugbrief aushändigen. Manchen Rechnungen war nicht zu entnehmen, wer der tatsächliche Verkäufer (= Eigentümer) des Fahrzeugs war. In diesen Fällen wurde dem Händler kein Vorsteuerabzug eingeräumt.

Das Finanzgericht Hamburg bestätigte das Vorgehen der Steuerbehörde (I 103/93). Der Steuerzahler sei verpflichtet, Rechnungen vorzulegen, aus denen sich eindeutig und leicht nachprüfbar ergebe, wer der Lieferant des angekauften Fahrzeugs gewesen sei. Auch die Fahrzeugbriefe würden hier nicht weiterhelfen, weil die früheren Eigentümer nicht unbedingt die Verkäufer der Autos sein müssten.

SUV sauste bei Rot über die Ampel

Dass der Regelverstoß mit einem Geländewagen begangen wurde, rechtfertigt kein erhöhtes Bußgeld

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt hat im Juni 2022 einen Autofahrer wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilt. Zusätzlich zum Fahrverbot erhöhte das Gericht die übliche Geldbuße von 200 Euro auf 350 Euro, weil der Verkehrssünder mit einem Geländefahrzeug unterwegs war (onlineurteile-Artikel Nr. 57346). Begründung: Die kastenförmige Bauweise und die höhere Frontpartie eines SUVs führten bei Verkehrsverstößen zu einem höheren Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer.

Das Urteil sorgte für Aufsehen und wurde, wie fast zu erwarten war, vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt aufgehoben (3 Ss-OWi 1048/22). Der Bußgeldkatalog solle dafür sorgen, dass häufig vorkommende, wesentlich gleich gelagerte Sachverhalte auch gleich behandelt würden, betonte das OLG. Von den im Bußgeldkatalog vorgesehenen Sanktionen abzuweichen, sei daher auch nur gerechtfertigt, wenn sich auch die Umstände des Falles deutlich vom Normalfall unterschieden.

Dass der Autofahrer einen SUV fahre, genüge nicht, um daraus eine besondere Gefahr abzuleiten. Die Gruppe der Geländefahrzeuge sei sehr heterogen und kein genau abgrenzbarer Fahrzeugtyp. Ein allgemeiner Schluss auf besondere, risikoerhöhende Umstände sei kaum möglich. Die vom AG vermutete erhöhte Verletzungsgefahr durch SUVs sei bereits Gegenstand vieler Untersuchungen gewesen, die zu sehr unterschiedlichen Resultaten geführt hätten. Eindeutig belegt sei sie jedenfalls nicht.

Trotzdem blieb das OLG bei der verhängten, erhöhten Geldbuße: Die Begründung des AG dafür gehe zwar fehl. Ein Bußgeld von 350 Euro sei aber im Ergebnis gerechtfertigt, weil die "Regelbuße" von 200 Euro für nicht vorbelastete Verkehrsteilnehmer gelte. Der Betroffene im konkreten Fall habe jedoch vor 13 Monaten schon einen Rotlichtverstoß begangen.

Dackel von Jäger überfahren

Beißt der verletzte Hund deshalb den Tierhalter, haftet die Kfz-Versicherung für die Folgen

Ende April 2017 trafen sich zwei Jagdfreunde im Wald, um einen Hochsitz zu bauen. Jäger A brachte mit seinem Pick-up das Material. Jäger B wartete bereits vor Ort, mit seinem Rauhaardackel an der langen Leine. A wollte sein Geländefahrzeug auf dem Waldweg in eine bessere Position bringen, fuhr noch einmal an und übersah dabei den Hund, der unter ein Vorderrad geriet.

Der entsetzte B hielt den Dackel für tot und hob ihn auf. Doch der zunächst leblos wirkende Hund biss den Tierhalter plötzlich ins linke Handgelenk. Die tiefe Verletzung entzündete sich und musste operiert werden. Jäger B war bis September arbeitsunfähig. Seine Krankenversicherung übernahm die Behandlungskosten und verlangte den Betrag von rund 11.220 Euro anschließend von der Kfz-Versicherung des Pick-up-Fahrers.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Celle (14 U 19/22). Der Hund hätte nicht zugebissen, wenn Jäger A ihn nicht zuvor mit dem Fahrzeug überrollt hätte. In dieser Ausnahmesituation habe der Dackel nicht zwischen feindlicher und freundlicher Berührung unterscheiden können, sondern instinktiv abwehrend reagiert. Das sei direkt auf das gerade erlebte Überfahren zurückzuführen. Daher sei der Hundebiss dem Betrieb des Fahrzeugs zuzuordnen.

Allerdings müsse die Kfz-Versicherung nur 75 Prozent der Behandlungskosten ersetzen, weil sich hier auch die so genannte Tiergefahr — das prinzipiell unberechenbare Verhalten von Tieren — ausgewirkt habe, für das der Tierhalter selbst einstehen müsse. Das mit der tierischen Unberechenbarkeit verbundene Gefahrenpotential steige, wenn ein Tier bei einem Unfall verletzt werde. Der Dackel habe auf das Überfahren mit einem instinktiven Beißreflex reagiert. Deshalb müsse auch die Tierhalterhaftpflichtversicherung von B ein Viertel des Schadens tragen.

Im Autobahn-Stau zu wenig Platz gelassen

Sobald der Verkehr ins Stocken kommt, ist sofort eine Rettungsgasse zu bilden

Autofahrer X war auf der dreispurigen A 1 in Richtung Osnabrück unterwegs, als wegen einer Baustelle der Verkehr ins Stocken und teilweise auch zum Erliegen kam. Viele Fahrer bildeten sofort eine Rettungsgasse und hielten sich auf der mittleren Spur vorschriftsmäßig möglichst weit rechts. Herr X dagegen fuhr auf der Mittelspur eher auf der linken Seite.

Weil das gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt (und einer Polizeistreife auffiel), verurteilte ihn das Amtsgericht zu einer Geldbuße von 230 Euro. Gegen die Sanktion legte der Verkehrssünder Rechtsbeschwerde ein. Sein Einwand: Eine Rettungsgasse müsse man doch erst nach einer gewissen Zeit der Überlegung bilden, wenn der Verkehr stillstehe.

Diesen Einwand ließ das Oberlandesgericht Oldenburg nicht gelten (2 Ss OWi 137/22). Bei Stop-and-Go-Verkehr auf der Autobahn müsse man fast immer auch mit längerem Stillstand rechnen. Doch dieser Zustand müsse nicht eine gewisse Zeit andauern, bevor es zur Pflicht werde, eine Rettungsgasse freizulassen. Autofahrer hätten hier keine Überlegungsfrist.

Beginne der Verkehr auf der Autobahn zu stocken, bestehe immer die Möglichkeit, dass die Ursache dafür ein Verkehrsunfall sei. Die dann notwendigen Rettungsfahrzeuge müssten eine Unfallstelle so schnell wie möglich erreichen. Daher seien Autofahrer verpflichtet, sofort eine Rettungsgasse zu bilden, sobald die Autos nur noch mit Schrittgeschwindigkeit vorwärts oder ganz zum Stillstand kämen.

Um die Geldbuße kam Herr X also nicht herum. Ein Fahrverbot wurde gegen ihn jedoch nicht verhängt, weil er mit seiner Fahrweise nur potenziell, aber nicht wirklich ein Rettungsfahrzeug behindert hatte.