Auto & Verkehr

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Autofahrerin fährt Radfahrer um

Sie nahm dem Rennradfahrer die Vorfahrt: Sein hohes Tempo begründet keine Mithaftung

Kurz nach 17 Uhr verließ Autofahrerin A mit ihrem Wagen den Betriebsparkplatz. Bei der Ausfahrt musste sie einen kombinierten Rad- und Fußweg überqueren. Der (bevorrechtigte) Radweg ist an dieser Stelle farbig markiert und mit gestrichelten Linien abgegrenzt. Zur gleichen Zeit war auf dem Radweg ein Rennradfahrer unterwegs: Der sportliche 47-Jährige trainierte für einen Triathlon-Wettkampf.

Wie später eine Unfallsachverständige errechnete, hatte er sich der Parkplatz-Ausfahrt mit ca. 42 km/h genähert. Die Autofahrerin habe den Radfahrer sehen müssen, als sie ihren Wagen vor dem Radweg kurz angehalten habe, so die Expertin. Trotzdem fuhr Frau A auf den Radweg — weil sie nicht auf den Radfahrer achtete oder seine Geschwindigkeit unterschätzte. Der Mann konnte mit seinem Bremsmanöver den Zusammenstoß nicht mehr verhindern, bei dem er sehr schwer verletzt wurde.

Der Radfahrer verlangte von der Autofahrerin Entschädigung. Sie müsse alle Folgekosten des Unfalls übernehmen und dem Verletzten zusätzlich 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth (8 O 5432/18). Hohes Schmerzensgeld sei hier gerechtfertigt, da er dauerhafte Schäden erlitten habe: Wegen gebrochener Wirbel habe man die Brustwirbelsäule mit Implantaten versteifen müssen, die gebrochene Hand sei nicht mehr so beweglich.

Frau A habe dem Radfahrer eindeutig die Vorfahrt genommen. Anders als die Autofahrerin meine, treffe den Rennradfahrer wegen seiner zweifellos hohen Geschwindigkeit kein Mitverschulden. Auf gerader Strecke, bei guter Sicht und trockenem Wetter könnten Rennradfahrer auch mal schnell fahren. Der Mann habe seine Geschwindigkeit auch nicht vorsorglich vermindern müssen, weil ein Wagen in der Parkplatzausfahrt stand. Vielmehr habe er sich darauf verlassen dürfen, dass die Autofahrerin sein Vorfahrtsrecht beachten würde.

Spurwechsel führt zu Verkehrsunfall

Der Unfallgegner haftet zu 25 Prozent mit, weil er auf der Autobahn mit 200 km/h unterwegs war

Als Autofahrerin A auf der Autobahn auf die linke Spur wechselte, um einen Laster zu überholen, übersah sie den von hinten mit ca. "200 Sachen" heranbrausenden Wagen von Herrn B. Da Frau A nur etwa 130 km/h schnell fuhr, kam es zum Auffahrunfall. Die Autofahrerin gab dem "Raser" die Schuld und forderte Entschädigung für den Schaden an ihrem Auto.

Doch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig beantwortete die Schuldfrage anders (7 U 41/22). Autofahrer dürften die Spur nur wechseln, wenn jede Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Spurwechsler treffe eine "besondere Sorgfaltspflicht". Ereigne sich bei einem Spurwechsel ein Unfall, liege das in der Regel daran, dass der Spurwechsler nicht umsichtig genug vorgegangen sei, betonte das OLG.

Und das sei auch hier der Fall, obwohl Frau A behaupte, sie sei vor der Kollision mindestens schon zehn Sekunden auf der linken Fahrspur gefahren. Wenn das zuträfe, hätte sie den großen Wagen von Herrn B auf dieser geraden Strecke im Rückspiegel geraume Zeit vor dem Unfall bemerken müssen. Angeblich habe sie ihn aber erst "direkt vor dem Krach" im linken Außenspiegel gesehen — dies spreche gegen ihre Darstellung, dass der Spurwechsel zum Unfallzeitpunkt bereits beendet war.

Frau A habe den Unfall überwiegend selbst verschuldet. Allerdings müsse Autofahrer B für 25 Prozent der Unfallfolgen mithaften, weil er deutlich schneller als mit Richtgeschwindigkeit unterwegs war. Zwar bestehe auf diesem Streckenabschnitt kein Geschwindigkeitslimit, gegen das Herr B verstoßen hätte. Grundsätzlich rechtfertige aber eine so hohe Geschwindigkeit eine Mithaftung, weil sie das Unfallrisiko vergrößere. Häufig reagierten nämlich die anderen Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht richtig und unterschätzten die Geschwindigkeit.

Bremst der Tesla-Tempomat zu "selbständig"?

Ein Mangel liegt nur vor, wenn der Autopilot nicht dem aktuellen "Stand der Technik" entspricht

Der Käufer eines Tesla Model 3 forderte vom Hersteller ein Ersatzfahrzeug, weil er seinen 45.990 Euro teuren Wagen mangelhaft fand. Der Tempomat halte die eingestellte Geschwindigkeit häufig nicht, beanstandete der Käufer. Vielmehr bremse der Autopilot selbständig, ohne vorherige Warnung und auch ohne erkennbare Hindernisse oder Verkehrszeichen.

Der Autohersteller sah darin keinen Mangel, lehnte eine Nachlieferung ab und ließ es auf eine Klage ankommen. Das Landgericht München I und das Oberlandesgericht (OLG) München gaben ihm Recht (8 U 1627/22). Mangelhaft wäre der Wagen nur, wenn er nicht so beschaffen wäre wie bei "Sachen der gleichen Art üblich" und wie es "der Käufer nach Art der Sache erwarten" könne. Vergleichen könne man den Tesla nur mit Fahrzeugen, die ebenfalls mit GPS-unterstützten Abstands-Tempomaten ausgestattet seien, erklärte das OLG.

Der Autohersteller habe die Gründe für die angeblichen "Phantombremsungen" vor Gericht nachvollziehbar dargelegt und diese auch in ausführlichen Benutzerinformationen erläutert. Die Funktionsweise des Tempomaten hänge u.a. vom Kartenmaterial ab und damit von Drittanbietern, die die GPS-Daten zur Verfügung stellten. Verkehr verändere sich durch Umbaumaßnahmen und neue Verkehrsschilder ständig, das Kartenmaterial sei nicht immer 100-prozentig aktuell.

Deswegen könne bisher kein Hersteller garantieren, dass GPS-unterstützte Abstands-Tempomaten die eingestellte Geschwindigkeit immer einhalten. Einen völlig fehlerfreien Betrieb könnten die Käufer solcher Systeme (noch) nicht erwarten. Der Autohersteller habe aber die vom Käufer angegebenen "Problemstellen", an denen der Wagen unversehens bremste, korrigiert und das Kartenmaterial online verändert.

Der GPS-unterstützte Autopilot von Tesla entspreche damit dem derzeitigen "Stand der Technik". Wenn der "Stand der Technik" die Hoffnungen des Käufers enttäusche, stelle das keinen Mangel des Tesla dar. Im Übrigen rate das Tesla-Benutzerhandbuch: Bei selbständigem Bremsen des Tempomaten könne der Fahrer gegensteuern, indem er manuell beschleunige, also das Gaspedal betätige.

Motorradfahrer weicht Rehen aus

Die Kfz-Versicherung muss Schäden durch eine objektiv gebotene "Rettungshandlung" ersetzen

Im Herbst 2020 war Motorradfahrer M mit seinem Sohn in Frankreich unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve bemerkte er am rechten Straßenrand hinter Büschen zwei oder drei Rehe. Weil er fürchtete, sie könnten auf die Straße springen, lenkte er blitzschnell das Motorrad nach links. Das Manöver endete im Straßengraben.

Der Schaden am teilkaskoversicherten BMW-Motorrad betrug laut Sachverständigengutachten rund 3.500 Euro. Allerdings weigerte sich der Versicherer, für die Schäden an BMW und Motorradkleidung aufzukommen.

Die Tiere, die der Versicherungsnehmer angeblich gesehen habe, seien noch nicht einmal auf der Straße gestanden, wandte das Unternehmen ein: Das Ausweichmanöver sei völlig unnötig gewesen. Zudem sei die Schilderung des Vorfalls widersprüchlich, M habe nicht einmal genau angeben können, wann er die Rehe gesehen habe ("vielleicht aus 15 Meter Abstand").

Diese Einwände konnte das Oberlandesgericht Saarbrücken nicht nachvollziehen: Es verurteilte den Versicherer dazu, 4.300 Euro Schadenersatz zu leisten (5 U 120/21). Aufgrund von Zeugenaussagen stehe fest, dass an der Unfallstelle stetig Wildwechsel stattfinde. Da M den Zusammenstoß verhindert habe, fänden sich am Motorrad keine Tierspuren. Das widerlege aber seine plausible — vom Sohn und anderen Zeugen bestätigte — Schilderung nicht. M habe einen Ablauf beschrieben, der, objektiv betrachtet, dafür spreche, dass ein Zusammenstoß mit Rehen drohte.

Dass Tiere, deren Verhalten nicht berechenbar sei, möglicherweise auf die Straße laufen würden, damit sei in so einer Situation zu rechnen — auch wenn es nicht sicher feststehe. Anders als der Versicherer meine, sei in solchen Fällen eine sichere Prognose weder möglich, noch notwendig: Wenn eine Kollision zumindest wahrscheinlich sei, stelle das Ausweichmanöver eine gebotene "Rettungshandlung" dar, d.h. den Versuch, größere Schäden am Fahrzeug bzw. Verletzungen zu vermeiden. Die tatsächlichen Schäden seien als "Rettungskosten" zu ersetzen.

Vom Versicherungsnehmer könne man außerdem nicht verlangen, so einen Unfall in allen Details 100-prozentig korrekt zu schildern. Hier gehe es schließlich um ein rasch ablaufendes Ereignis, von dem Betroffene überrascht würden. Kein Wunder, dass sich da keine Einzelheiten eingeprägten. Motorradfahrer, die mangels Knautschzone Verletzungen fürchten müssten, wollten verständlicherweise Kollisionen unter allen Umständen vermeiden — M sei zudem noch für seinen Sohn verantwortlich gewesen.

Blitzer-App auf dem Handy

Dafür fällt Bußgeld an, auch wenn das Smartphone der Beifahrerin gehört

Die Verkehrsüberwachung auszutricksen, ist verboten und kostet Bußgeld: "Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören." (§ 23 Abs. 1c Straßenverkehrsordnung (StVO))

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe steht fest: Das gilt auch dann, wenn sich ein Autofahrer die Blitzer-Warnapp auf dem Smartphone einer Beifahrerin oder eines Beifahrers zunutze macht (2 ORbs 35 Ss 9/23). Der betroffene Autofahrer war im Januar 2022 in der Stadt Heidelberg so schnell unterwegs, dass Polizeibeamte auf ihn aufmerksam wurden.

Sie stoppten den 64-Jährigen wegen überhöhter Geschwindigkeit und kontrollierten die Fahrzeugpapiere. Dabei fiel den Beamten auf, dass der Mann ein auf der Mittelkonsole abgelegtes Smartphone blitzschnell zur Seite schob. Auf dem Handy war eine so genannte "Blitzer-App" aktiv, die vor Geschwindigkeitsmessgeräten warnt.

Das Amtsgericht Heidelberg brummte dem Autofahrer deshalb 100 Euro Bußgeld auf: Als ihn die Polizisten kontrollierten, habe er bewusst das Handy weggeschoben. Das zeige deutlich: Er habe gewusst, dass auf dem Handy eine Blitzer-App installiert und am Laufen war. Vergeblich wehrte sich der Mann gegen die Geldbuße. 100 Euro muss er bezahlen, bestätigte das OLG.

Ein gemäß StVO verbotenes Verhalten liege nicht nur dann vor, wenn ein Autofahrer selbst eine App auf dem Handy aktiviert habe, die vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen warne. Verboten sei es auch, eine Blitzer-App auf dem Mobiltelefon von Mitfahrern zu nutzen — sofern sich der Autofahrer der Warnfunktion der Blitzer-App bediene. Und das sei im konkreten Fall belegt.

Windschutzscheibe mit Frostschutzfolie abgedeckt

Arbeitnehmerin stürzte dabei auf einem Parkplatz nahe dem Betrieb: Arbeitsunfall?

An einem frostigen Wintertag fuhr eine Angestellte mit dem Auto in die Arbeit. Sie stellte den Wagen auf einem Parkplatz ab, der etwa 200 Meter vom Betrieb entfernt liegt. Bevor sie die kurze Strecke zu Fuß zurücklegte, wollte die Frau allerdings noch die Frontscheibe abdecken. Um die Frostschutzfolie anzubringen, ging sie um den Wagen herum. Beim Zurücktreten auf der Beifahrerseite knickte sie um, stürzte und brach sich das Sprunggelenk.

Bei der zuständigen Berufsgenossenschaft — Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung — beantragte die Angestellte, ihren Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen: Sie sei ja auf dem Weg zum Arbeitsplatz verunglückt und bei so genannten Wegeunfällen seien Leistungen der Unfallversicherung vorgesehen. Doch die Berufsgenossenschaft winkte ab: Wenn ein Arbeitnehmer am Auto eine Frostschutz-Abdeckung anbringe, gehöre das nicht zum Arbeitsweg.

Erfolglos klagte die Angestellten Leistungen ein: Auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt verneinte einen Arbeitsunfall (L 6 U 61/20). Als sie die Windschutzscheibe des Autos abdeckte, habe die Angestellte ihren Arbeitsweg unterbrochen — aus Gründen, die nicht mit ihrer beruflichen Tätigkeit zusammenhingen.

Vielmehr habe die Frau wegen der Kälte die Frontscheibe geschützt, um sie vor der Heimfahrt nicht enteisen zu müssen. Sie habe also aus einem privaten Motiv heraus die spätere Fahrt vorbereitet. Diese privat motivierte Handlung sei nicht unfallversichert: Die Angestellte habe den Arbeitsweg unterbrochen, um eine vom Weg ganz unabhängige Aktion auszuführen.

Riskantes Überholmanöver vor einer Kurve

Autofahrer bremst wegen des Gegenverkehrs ab und bringt einige Rennradfahrer zu Fall

Eine Gruppe von fünf Rennradfahrern war im August 2019 in Nonnweiler-Primstal (Saarland) unterwegs: dicht hintereinander mit ca. 30 km/h. Kurz vor einer Kurve versuchte der Fahrer eines VW Golf mit Anhänger, die Gruppe zu überholen. Dass ihm ein anderer Wagen mit Pferdeanhänger entgegenkam, konnte der Golffahrer nicht sehen. Als sich der Golf neben dem vordersten Radfahrer befand, bemerkte der Fahrer den Gegenverkehr, brach den Überholvorgang ab, bremste und zog nach rechts.

Beim Ausweichen gerieten drei der Rennradfahrer aneinander und stürzten. Herr A erlitt dabei eine Schultereckgelenkssprengung, Schürfwunden und Prellungen. Er musste operiert werden und eine Abduktionsschiene tragen, war drei Wochen arbeitsunfähig und konnte monatelang nicht Autofahren.

A verklagte den Golffahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld: Der Autofahrer habe mit seinem riskanten Überholmanöver an einer unübersichtlichen Stelle den Unfall schuldhaft verursacht.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken gab dem Radfahrer Recht (4 U 136/21). Überholen dürfe nur, wer übersehen könne, dass kein Gegenverkehr komme und dass auch sonst niemand gefährdet werde. Da der Golffahrer vor der Kurve den Überholweg nicht vollständig überblicken konnte, hätte er die Gruppe der Radfahrer nicht überholen dürfen. Auch wenn er A nicht angefahren habe: Mit seiner Fahrweise habe der Golffahrer den Sturz der Radfahrer und die Verletzung von A ausgelöst. Daher müsse die Kfz-Versicherung einspringen.

Das Verbot, an unübersichtlicher Stelle zu überholen, solle nicht nur den Gegenverkehr, sondern auch die überholten Verkehrsteilnehmer schützen. Zudem müssten Autofahrer beim Überholen von Radfahrern mindestens 1,5 Meter Seitenabstand einhalten, weil deren Fahrlinie oft leicht schwanke. Der Golffahrer habe mit höchstens einem Meter Abstand überholt, wenn es überhaupt ein Meter gewesen sei — da seien die Zeugenaussagen unterschiedlich.

Da die Radfahrer außerdem im Pulk fuhren — für den Golffahrer erkennbar mit zu wenig Sicherheitsabstand —, sei die Sturzgefahr besonders groß gewesen. Das begründe allerdings auch ein Mitverschulden des Verletzten: Ein Drittel des Schadens müsse A deshalb selbst tragen. Bei organisierten Straßenrennen sei das anders zu beurteilen. Doch wenn sich Rennradfahrer im "normalen" Straßenverkehr bewegten, dürften sie nicht so dicht hintereinander fahren, sondern müssten zum eigenen Schutz Abstand halten.

Opel fährt gegen geöffnete Autotür

Übersieht eine Autofahrerin die offene Tür eines geparkten Wagens, ist sie für den Unfall mitverantwortlich

Ein BMW-Fahrer hatte gegen 22 Uhr sein Auto am Straßenrand geparkt und war ausgestiegen. Dann holte er Sachen aus dem Kofferraum, dabei ließ er Standlicht und Innenbeleuchtung brennen und die Fahrertür offenstehen. Nach einigen Minuten kam aus der entgegengesetzten Richtung eine Autofahrerin und fuhr mit ihrem Opel Astra gegen die geöffnete Tür des BMW. Die Reparatur des Schadens am Opel kostete rund 1.900 Euro.

Der Ehemann der Fahrerin, Kfz-Halter des Opel, verklagte den BMW-Besitzer und dessen Haftpflichtversicherung zunächst erfolgreich auf Schadenersatz in voller Höhe. Doch der BMW-Fahrer setzte sich dagegen zur Wehr: Die Autofahrerin treffe zumindest eine Mitschuld am Unfall, meinte er. Immerhin habe sie eine offenstehende, beleuchtete Tür übersehen, die sie von weitem hätte erkennen können.

So sah es auch das Landgericht Saarbrücken und entschied, dass die Versicherung des BMW-Fahrers nur zwei Drittel des Schadens ersetzen muss (13 S 23/22). Autofahrer dürften nur so schnell fahren, dass sie innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten könnten. Entweder sei der Bremsweg des Opel länger gewesen als die Sichtweite: Dann habe die Opel-Fahrerin gegen das Sichtfahrgebot verstoßen und sei zu schnell gefahren.

Oder die Autofahrerin habe auf die an sich rechtzeitig sichtbare Autotür zu spät reagiert: Dann sei sie unaufmerksam gewesen und für die Kollision ebenfalls mitverantwortlich. Der geöffneten Fahrertür hätte sie problemlos ausweichen können. Allerdings überwiege der Unfallbeitrag des sorglosen BMW-Besitzers den der Autofahrerin.

Autofahrer dürften Autotüren nicht länger offenstehen lassen. Wer ein- oder aussteige, müsse dies so vorsichtig tun, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährde. Wenn beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt werde, spreche schon der äußere Anschein dafür, dass der Ein- oder Aussteigende seine Sorgfaltspflicht fahrlässig verletzt habe.

Überholen bei "unklarer Verkehrslage"

Kurzartikel

Hält ein Auto hinter einem parkenden Kleinlaster an und ist unklar, ob die Fahrerin stehen bleiben oder vorbeifahren möchte, stellt es einen Verkehrsverstoß dar, wenn ein von hinten kommender Linienbus zum Überholen des Autos ansetzt. Schert die Autofahrerin im gleichen Moment nach links aus, ohne nach hinten zu blicken, und stößt mit dem Auto gegen den Bus, haften der Busfahrer und die Autofahrerin jeweils zur Hälfte für den Schaden.

Geschwindigkeitsverstoß verjährt oder nicht?

Wird die Identität eines Temposünders nicht rechtzeitig festgestellt, genügt auch ein Radarfoto

Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr verjähren innnerhalb von sechs Monaten. Sobald die Behörden jedoch einen bestimmten Verkehrsteilnehmer im Verdacht haben und gegen ihn ermitteln, wird dadurch die Verjährungsfrist unterbrochen.

Eine niedersächsische Kreisbehörde verfügte zwar über ein Radarfoto von einer Schnellfahrerin, hatte jedoch ihre Identität nicht klären können. Sie übersandte das Bild der Polizei zur Identifizierung. Als die Polizei den Namen der Verkehrssünderin endlich herausgefunden hatte, waren sechs Monate seit der Tat verstrichen. Dennoch wurde die Frau mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot belegt.

Das Oberlandesgericht Celle hatte daran nichts auszusetzen und wies die Klage der Autofahrerin gegen die Sanktion ab (2 Ss (OWi) 339/94). Einerseits sei zwar ihr Einwand richtig: Nur, wenn sich die Ermittlungen gegen einen individuell bestimmten Täter richteten, halte dies die Verjährung auf. Andererseits bedeute "individuell bestimmt" aber nicht, dass der Name des Täters oder der Täterin bekannt sein müsse. Es reiche vielmehr aus, wenn ein Foto vorliege - vorausgesetzt, es sei scharf genug und zeige so viele Merkmale, dass man ihn oder sie damit identifizeiren könne.

Widerruf beim Gebrauchtwagenhandel

Einen Kaufvertrag kann der Kunde nur widerrufen, wenn es um ein Fernabsatzgeschäft geht

Herr B suchte nach einem Gebrauchtwagen und fand im Internet die Anzeige eines Autohauses: Audi A3 Sportback e-tron, Erstzulassung März 2017, Kaufpreis 25.325 Euro. Er rief den Händler an und bekam per E-Mail ein Formular zugeschickt, das mit den Audi-Daten ausgefüllt war: "Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeugs mit Garantie". Herr B unterschrieb und schickte das Formular per Fax zurück. Daraufhin erhielt er vom Autohaus per E-Mail eine Auftragsbestätigung für den Kaufvertrag, der Deal war perfekt.

Schon bald häuften sich Beschwerden des Käufers über Mängel, die der Händler jedoch bestritt. Schließlich widerrief Herr B den Kaufvertrag. Da sich das Autohaus weigerte, das Geschäft rückgängig zu machen, erhob der Käufer Klage. Er forderte die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens. Vor Gericht ging es im Wesentlichen um die Frage, ob B den Kaufvertrag nach den Vorschriften zum Fernabsatzgeschäft widerrufen konnte.

Hintergrund: Im Versandhandel und im Onlinehandel (= Fernabsatzgeschäfte) steht Verbrauchern das Recht auf Widerruf zu. Sie können einen Kaufvertrag innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware widerrufen. Die Frist für den Widerruf ist aber nur dann auf zwei Wochen begrenzt, wenn der Verkäufer den Kunden korrekt über sein Widerrufsrecht informiert hat. Unterlässt der Händler diese Belehrung, besteht das Widerrufsrecht weiter.

Im konkreten Fall entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, B habe den Kaufvertrag wirksam widerrufen (3 U 81/22). Vergeblich pochte der Händler darauf, ein Autohaus sei kein Onlinehandel. Also stehe dem Käufer kein Widerrufsrecht zu. Dem widersprach das OLG: Hier handle es sich um ein Fernabsatzgeschäft, weil der Kaufvertrag allein mit "Fernkommunikationsmitteln" geschlossen wurde: B habe das Auto per Fax verbindlich bestellt, der Händler den Vertrag per E-Mail bestätigt.

Das Autohaus habe also sehr wohl ein Fernabsatzsystem eingerichtet, jedenfalls für daran interessierte Kunden entsprechende Kommunikationskanäle eröffnet. B habe problemlos einen Vertrag mit dem Autohaus schließen können, ohne persönlich dort zu erscheinen. Und das stelle keinen Ausnahmefall dar. Denn das Autohaus gehöre zu einer großen Gruppe von Autohändlern, die ihre Gebrauchtfahrzeuge eben auch "online" mit Garantie anbiete.

Heutzutage seien viele Verbraucher bereit, nur aufgrund einer Beschreibung im Internet — ohne Besichtigung und Probefahrt — einen Kaufvertrag abzuschließen. Da der Händler deshalb auch diesen Vertriebskanal regelmäßig nutze, liege ein Fernabsatzvertrag vor. Den habe B auch einige Monate nach dem Kauf noch widerrufen dürfen, da er vom Händler nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

Sex im Parkhaus

Kölner Parkhausbetreiber haftet nicht für Sex-Schäden an einer Motorhaube

Ein Geschäftsreisender hatte seinen Wagen über Nacht im Parkhaus am Kölner Hauptbahnhof abgestellt. Als er das Auto am Morgen abholen wollte, erlebte er eine böse Überraschung: Die Motorhaube hatte Dellen, der Lack war zerkratzt. Auf seine Beschwerde hin gingen Mitarbeiter des Parkhauses der Sache nach. Sie prüften die Videoaufnahmen der Überwachungskamera und bekamen überraschend Sex geboten.

Zwei Personen hatten sich in der Nacht auf der Motorhaube miteinander vergnügt — offenbar sehr intensiv. Zu erkennen waren die "Liebenden" auf der Aufnahme jedoch nicht. Verständlicherweise wollte der Autobesitzer die Folgen des Treibens nicht einfach so hinnehmen. Er forderte vom Parkhausbetreiber 4.700 Euro Schadenersatz für die Reparaturkosten.

Falsche Adresse, meinte jedoch das Landgericht Köln: Den Parkhausbetreiber treffe kein Vorwurf (21 O 302/22). Wie die Videoaufnahme dokumentiere, habe das Liebesspiel auf der Motorhaube nur neun Minuten gedauert. Diese Zeitspanne sei so kurz, dass hier von einer Pflichtverletzung des Betreibers oder seiner Mitarbeiter keine Rede sein könne, erklärte das Landgericht.

Weder der Betreiber, noch seine Mitarbeiter seien verpflichtet, die Videoaufzeichnungen Tag und Nacht ununterbrochen zu beobachten, um mögliche Verstöße gegen Sicherheit und Ordnung festzustellen oder sogar zu verhindern. Und so blieb der Autobesitzer auf dem Schaden sitzen.

Hinterbliebenengeld für Angehörige

Angehörige von Unfallopfern können bei "besonderem Näheverhältnis" Entschädigung erhalten

2018 war ein 81-Jähriger bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte seiner Tochter vorgerichtlich 3.000 Euro Hinterbliebenengeld.

Hintergrund: Wird der Tod einer Person schuldhaft verursacht (z.B. durch einen Verkehrsunfall oder einen Arztfehler), können Angehörige Anspruch auf Hinterbliebenengeld vom Schuldigen haben — vorausgesetzt, sie standen der getöteten Person besonders nahe (§ 844 Bürgerliches Gesetzbuch).

Im konkreten Fall war das Vater-Tochter-Verhältnis sehr eng. Er hatte der Tochter alle Vollmachten erteilt, sie kümmerte sich intensiv um alle Belange des Vaters. Nach dem Unfall litt die Tochter sehr unter dem Verlust und hatte lange mit Schlafstörungen zu kämpfen. Vom Kfz-Versicherer verlangte sie mehr Hinterbliebenengeld. Das Landgericht Flensburg sprach ihr weitere 3.500 Euro zu, das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig sogar 7.000 Euro.

Die Versicherung legte gegen das Urteil Revision ein und bekam vom Bundesgerichtshof im Prinzip Recht (VI ZR 73/21). Das OLG müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und die Höhe der Entschädigung überprüfen, so die Bundesrichter. Der in einem früheren Gesetzentwurf zum Hinterbliebenengeld genannte Betrag von 10.000 Euro sei nur eine Orientierungshilfe. Im Einzelfall hänge die Höhe des Betrags ab von Intensität und Dauer des seelischen Leids eines Angehörigen und vom Grad des Verschuldens auf der Seite des Schädigers.

Das Hinterbliebenengeld sei jedenfalls niedriger anzusetzen als Schmerzensgeld. Wenn ein Angehöriger den Tod einer nahestehenden Person direkt an der Unfallstelle miterlebe und durch den Schock selbst erkranke, spreche man von einem "Schockschaden". Dafür könnten Angehörige Schmerzensgeld beanspruchen.

Und das müsse in der Regel höher sein als Hinterbliebenengeld, denn das Schmerzensgeld gleiche einen eigenen Gesundheitsschaden des Hinterbliebenen aus. Das Hinterbliebenengeld solle die betroffenen Angehörigen für das Leid entschädigen, das mit dem Verlust einer geliebten Person verbunden sei. Der seelische Schmerz falle aber nicht so schwer ins Gewicht wie ein eigener Gesundheitsschaden.

Linksabbieger-Ampel zeigte "grün"

Anschließend fiel die Ampelanlage aus: Zusammenstoß auf der Kreuzung

An einer großen Kreuzung ist für Linksabbieger eine eigene Spur mit "Linksabbieger-Ampel" eingerichtet: Zeigt sie einen grünen Pfeil nach links, dürfen die Linksabbieger fahren. Autofahrerin A hatte sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und fuhr los, als die Ampel den grünen Pfeil anzeigte. Doch auf der Kreuzung kam ihr ein städtischer Omnibus entgegen. Der Bus erfasste ihren gerade abbiegenden Wagen hinten rechts und beschädigte ihn erheblich.

Des Rätsels Lösung: Kaum hatte die Autofahrerin die Ampel bei Grünlicht passiert, fiel plötzlich die Ampelanlage aus — und der Omnibus startete ebenfalls. Die kommunale Verkehrsgesellschaft, Kfz-Halterin des Omnibusses, wollte für die Reparaturkosten von Frau A nicht aufkommen (rund 7.000 Euro). Daraufhin zog die Unfallgeschädigte vor Gericht und bekam vom Landgericht Lübeck zunächst uneingeschränkt Recht.

Der Omnibusfahrer trage allein die Schuld an dem Zusammenstoß, so das Landgericht. Bei unklarer Verkehrslage müsse man besonders vorsichtig fahren. Zwar habe er nach dem Ausfall der Ampel Vorfahrt gehabt. Aber er habe den Ausfall bemerkt und darauf falsch reagiert. Für Frau A sei der Unfall dagegen unabwendbar gewesen, weil sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und den Ausfall der Anlage nicht mehr registrieren konnte.

Gegen das Urteil legte die Stadt Berufung ein. Sie erreichte beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig jedoch nur einen Teilerfolg (7 U 201/21). Das OLG setzte eine Haftungsquote vom 80% zu 20% zu Gunsten der Autofahrerin fest und korrigierte das Landgericht in diesem Punkt. Unabwendbar sei die Kollision für Frau A nicht gewesen, so das OLG.

Ein "unabwendbarer Unfall" sei zu verneinen, wenn ein ganz besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch hätte abwenden können. So ein "Idealfahrer" hätte hier bemerkt, dass die Fußgängerampel ausfiel, hätte daraus auf eine Fehlfunktion der gesamten Anlage geschlossen und den Gegenverkehr abgewartet, anstatt mit dem Abbiegen zu beginnen.

Ein Verkehrsverstoß sei Frau A aber nicht vorzuwerfen. Sobald der grüne Pfeil das Linksabbiegen erlaube, dürften die Linksabbieger darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt sei und entgegenkommende Fahrzeuge das Haltegebot beachteten. Dieser Grundsatz werde nicht dadurch aufgehoben, dass die Ampelanlage ausfalle. Frau A könne daher von der Kfz-Versicherung der Kommune Ersatz für 80 Prozent der Reparaturkosten verlangen.

Alkoholbedingter Autounfall?

War die Fahrerin "relativ fahruntüchtig", muss der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler beweisen

Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer Diskothek kam Autofahrerin S um vier Uhr früh in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Das Auto erlitt Totalschaden. Die Polizei entnahm um ca. 7.30 Uhr eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,85 Promille ergab. Aus diesem Grund lehnte es die Vollkaskoversicherung von Frau S ab, den Schaden zu regulieren.

Ohne Erfolg klagte die Versicherungsnehmerin auf Zahlung. Sie habe den alkoholbedingten Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, urteilte das Oberlandesgericht Saarbrücken: Anspruch auf Schadenersatz habe sie daher nicht (5 U 22/22). Zum Unfallzeitpunkt habe Frau S mindestens eine BAK von 0,85 Promille, maximal eine BAK von 0,99 Promille gehabt. Bis zur Grenze von 1,1 Promille gehe man von relativer Fahruntüchtigkeit des Verkehrsteilnehmers aus.

Ein Unfall mit einer BAK von über 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) werde von vornherein als alkoholbedingt und damit als grob fahrlässig angesehen. Für so verursachte Unfallschäden müsse der Kfz-Versicherer prinzipiell nicht einstehen.

In Fällen relativer Fahruntüchtigkeit dagegen müsse der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen des Versicherungsnehmers nachweisen, die auf einen alkoholbedingten Unfall schließen lassen. Im konkreten Fall sei der Unfall ohne erheblichen Alkoholkonsum kaum plausibel zu erklären.

Angeblich sei Frau S nur 70 km/h gefahren — und habe trotzdem einen Auffahrunfall nur knapp vermeiden können, als der vor ihr fahrende Wagen bremste. Dadurch sei sie auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern geraten. Die Autofahrerin habe also zu wenig Abstand eingehalten oder sei unaufmerksam gewesen. Wenn ein Autofahrer in einer einfachen Verkehrssituation ohne ersichtlichen Grund am Baum lande, spreche dies für einen alkoholbedingten Unfall (Bremsen des Vordermanns zu spät erkannt, Fehleinschätzung der Straßenverhältnisse).

Nüchtern wäre Frau S vorsichtiger gefahren und hätte so einen Unfall ganz einfach vermeiden können. Dem Polizeibericht sei obendrein zu entnehmen, sie habe glasige Augen und eine leicht verwaschene Aussprache gehabt. Frau S selbst habe angegeben, sie habe sich "fast nüchtern" und in der Lage gefühlt, sicher zu fahren. Das zeuge von Unterschätzung der Folgen von Cocktails und von Überschätzung der eigenen (Fahr-)Fähigkeiten, ebenfalls eine typische Folge des Alkoholkonsums.

Verkehrsunfall vor dem Baumarkt

Auf öffentlichen Parkplätzen gilt der Grundsatz "rechts vor links" nicht!

Auf dem großen Parkplatz eines Baumarkts waren zwei Autos an einer Kreuzung zusammengestoßen. Die Sicht war durch parkende Fahrzeuge, vor allem durch einen Laster eingeschränkt, die Vorfahrt nicht durch Schilder oder Markierungen geregelt. Autofahrer A war von rechts, der Wagen von Autofahrer B von links gekommen. Die Kfz-Versicherung von B übernahm die Hälfte der Reparaturkosten von A.

Ohne Erfolg klagte Autofahrer A auf Schadenersatz in voller Höhe. Das Amtsgericht Lübeck legte eine Haftungsquote von 70:30 zu seinen Gunsten fest. Und bei dieser Haftungsverteilung blieb es, auch der Bundesgerichtshof hielt sie für richtig (VI ZR 344/21).

Den von links kommenden Autofahrer B sei kein alleiniges Verschulden vorzuwerfen, so die Bundesrichter. Denn die Vorfahrtsregel "rechts vor links" (§ 8 Straßenverkehrsordnung) gelte auf öffentlichen Parkplätzen nicht. Diese allgemeine Regel lasse sich auf die Situation dort nicht übertragen, auf Parkplätzen herrsche eine besondere Verkehrslage.

Hier stehe nicht im Vordergrund, den fließenden Verkehr zügig abzuwickeln. Vielmehr gelte auf Parkplätzen grundsätzlich das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Denn alle Autofahrer suchten hier einen Parkplatz, rangierten, parkten ein oder aus. Auf öffentlichen Parkplätzen gelte der Grundsatz "rechts vor links" nur dann, wenn die Fahrbahnen eindeutig Straßencharakter hätten oder erkennbar der Zu- und Abfahrt dienten.

Radfahrerin in der Fußgängerzone

Nach folgenreichem Zusammenstoß mit einem Passanten erhält die Frau keinen Schadenersatz

Auf dem Frankfurter Opernplatz kollidierte bei Dunkelheit eine Radfahrerin mit einem Fußgänger, der wegen eines Regenschauers ziemlich schnell zum U-Bahn-Eingang unterwegs war. Die Radfahrerin stürzte und zog sich einen doppelten Beckenbruch zu. Dafür verlangte sie vom Fußgänger Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht Frankfurt verneinte jedoch einen Anspruch der verletzten Frau auf Entschädigung (17 U 216/93). In der Fußgängerzone sei ein Passant nicht verpflichtet, besonders auf Radfahrer zu achten. Das gelte erst recht, wenn dort das Zusatzschild "nur Schritttempo" für Radfahrer aufgestellt sei und diese ermahne, auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen. Anders hätte es ausgesehen, wenn der Fußgänger gerannt wäre und den Zusammenstoß durch grobe Unachtsamkeit verursacht hätte. Dafür habe es aber keine Beweise gegeben.

"Berührungsloser" Unfall

Radfahrerin steigt wegen eines überholenden Rettungswagens ab und stürzt

Mit eingeschaltetem Martinshorn fuhr ein Rettungswagen durch eine schmale Straße und setzte an, mehrere Radfahrer zu überholen. Eine 72-jährige Radfahrerin befürchtete, das Fahrzeug könnte ihr zu nahe kommen. Deshalb versuchte sie etwas hektisch, vom Rad zu steigen und stürzte dabei, obwohl es gar nicht zu einer Kollision kam. Die Frau brach sich einen Fußknöchel, musste wochenlang einen Gipsverband tragen.

Vom Rettungsdienst forderte sie Entschädigung. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Oldenburg zu (2 U 20/22). Hier handle es sich um einen so genannten "berührungslosen" Unfall. Auch wenn der überholende Rettungswagen die Radfahrerin nicht gestreift habe, habe er dennoch zu dem Unfall beigetragen.

Seinetwegen habe die Frau ein Ausweichmanöver eingeleitet und sei vom Rad gestiegen. Sehr gut nachvollziehbar und objektiv berechtigt habe die Radfahrerin in der engen Straße die Verkehrslage, d.h. das Überholen des Rettungswagens, als gefährlich empfunden.

Die Bedingung für eine Haftung des Kfz-Halters sei daher gegeben: Der Schaden — die Behandlungskosten — sei "beim Betrieb" des Fahrzeugs entstanden, da sich die vom Rettungswagen ausgehende Gefahr zumindest indirekt ausgewirkt habe. Der Rettungsdienst müsse für 20 Prozent des Schadens aufkommen und der Verletzten 2.400 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Verkehrt herum durch die Einbahnstraße

Kann sich die Autofahrerin trotzdem auf den Grundsatz "rechts-vor-links" berufen?

Autofahrerin A bog langsam nach links in eine Einbahnstraße ein. Da kam ihr der Wagen von Autofahrerin B entgegen, der die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr. Die beiden Autos stießen zusammen. Autobesitzer A verlangte von Autofahrerin B, d.h. von deren Kfz-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz für die Reparatur seines beschädigten Autos.

Die Gegenpartei müsse nur die Hälfte der Kosten ersetzen, entschied das Landgericht Wuppertal. Mehr stehe Autobesitzer A nicht zu, denn seine Ehefrau habe zu dem Unfall in gleichem Maß beigetragen wie Frau B (9 S 48/22). Frau A habe nämlich gegen das Gebot "rechts-vor-links" verstoßen. Laut Unfallgutachten hätte sie den Zusammenstoß vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut hätte.

Das Vorfahrtsrecht der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmerin werde nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahre. Das gelte schon deshalb, weil Fahrradfahrer diese Einbahnstraße in beiden Richtungen nutzen dürften. Ein Radfahrer, der die Einbahnstraße zulässigerweise in der Gegenrichtung befahre, habe also ebenfalls Vorfahrt.

Wer nach links in die Einbahnstraße einbiege, müsse daher mit von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Radfahrern rechnen und dürfe nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug komme. So eine Annahme sei allenfalls bei völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straßen gerechtfertigt.

Unbrauchbares Kfz-Schadensgutachten

Muss die Versicherung des Unfallverursachers das Gutachten trotzdem bezahlen?

Das alte Auto von Herrn X wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt, den eindeutig der Unfallgegner verschuldet hatte. Trotzdem kam es zum Streit über die Höhe des zu regulierenden Schadens. Denn der Privatgutachter des Unfallgeschädigten schätzte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 7.000 Euro viel zu hoch ein. Zudem hatte X den Kfz-Sachverständigen nicht über Vorschäden am Auto informiert, die er in Eigenregie repariert hatte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war der Ansicht, dass sie für das missratene Gutachten gar nichts zahlen musste. Doch das Landgericht Essen sprach Autobesitzer X Schadenersatz für die Gutachtenkosten zu (696 Euro) sowie 4.471 Euro für den Fahrzeugschaden. Dabei ging das Gericht von einem Wiederbeschaffungswert von nur 2.200 Euro aus.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (I-7 U 33/21). Die Fehleinschätzungen des Privatgutachters seien nicht dem Unfallgeschädigten anzulasten, so das OLG. Träfe das zu, wäre sein Anspruch auf Ersatz der Gutachtenkosten ausgeschlossen. Dass Herr X seinem Sachverständigen die Vorschäden an der Front und am vorderen rechten Kotflügel verschwieg, habe aber dessen Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes überhaupt nicht beeinflusst.

Der gerichtliche Kfz-Experte habe erläutert, dass ein durchschnittliches Fahrzeug mit diesem Alter und dieser Laufleistung bereits an einem Punkt angekommen sei, an dem kein großer Wertverlust mehr eintreten könne. Daher spielten kleinere Vorschäden bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts kaum noch eine Rolle. Z.B. habe der gerichtliche Kfz-Experte selbst, als er den Wiederbeschaffungswert auf 2.200 Euro taxierte, für einen Streifschaden einen Abschlag bei den Lackierkosten vorgenommen, der sich auf 21,25 Euro belief.