Auto und Verkehr

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Arbeitsplatz 85 Kilometer vom Wohnort entfernt

OLG Bamberg: Das ist kein Grund, ein Fahrverbot abzukürzen

Die Kundenbetreuerin eines Unternehmens war beruflich viel mit dem Auto unterwegs. Ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung brachte ihr ein Fahrverbot von zwei Monaten ein. Die Frau zog vor Gericht und beteuerte, das sei ein Härtefall: Das Fahrverbot bedrohe ihre Existenz, denn ihr Arbeitsplatz liege vom Wohnort 85 Kilometer entfernt. Sie sei dringend aufs Auto und auf den Führerschein angewiesen.

Das Amtsgericht ließ sich erweichen und verkürzte den Führerscheinentzug um einen Monat. Doch die Staatsanwaltschaft legte gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde ein und setzte sich beim Oberlandesgericht Bamberg durch (3 Ss OWi 196/09).

Die Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnung sei kein triftiger Grund, die Strafe abzumildern, entschieden die Bamberger Richter. Für die Verkehrssünderin sei es möglich und zumutbar, vorübergehend auf eigene Kosten ein Zimmer in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu mieten, in einem Hotel oder in einer Pension. Schließlich entfielen dadurch die Ausgaben für das tägliche Pendeln mit dem Wagen.

"Klamme" Unfallgeschädigte ...

... kann die Reparatur ihres Wagens nicht vorfinanzieren

Bei einem Verkehrsunfall war der Kleinwagen von Frau T ziemlich demoliert worden. Dass die Unfallgegnerin am Zusammenstoß schuld war, stand fest. Deren Haftpflichtversicherer ließ sich mit der Regulierung des Schadens viel Zeit. Dabei hatte ihn Frau T sofort darüber informiert, dass sie nicht imstande war, die Reparatur vorzufinanzieren. Erst gut zwei Monate später überwies der Versicherer Geld für eine Reparatur, die Frau T dann auch sofort in Auftrag gab.

Vom Versicherer forderte sie eine Entschädigung dafür, dass sie ihren Wagen so lange nicht benutzen konnte. Dafür sah der überhaupt keinen Grund: Wenn Frau T die Reparatur mit einem Kredit finanziert hätte, wäre das Auto schnell wieder fahrbereit gewesen. Dieses Vorgehen fand das Amtsgericht Magdeburg unverfroren: Es sprach der mittellosen Frau Nutzungsausfallentschädigung für die zwei Monate zu (140 C 24569/08).

Dass sich die Reparatur so in die Länge gezogen habe, sei ausschließlich der Verzögerungstaktik des Versicherers zuzurechnen. Frau T habe ihm gleich nach dem Unfall mitgeteilt, dass sie keine Mittel habe, um die Reparaturkosten erst einmal vorzustrecken. Mehr könne man von einem "klammen" Unfallgeschädigten nicht verlangen.

Wenn sich das Versicherungsunternehmen trotzdem nicht aufraffe, den Schaden zügig zu ersetzen, müsse es die Folgen tragen. Ein Unfallgeschädigter sei nicht verpflichtet, einen Darlehen aufzunehmen, um die Reparatur vorzufinanzieren.

Nach Autounfall Ersatz-Transporter gemietet

Haftpflichtversicherer muss den teuren Unfallersatztarif nicht finanzieren

Bei einem Verkehrsunfall im Herbst 2004 wurde ein Transporter beschädigt. Die Reparatur sollte eine Woche dauern. Deshalb mietete der K, der Fahrer des Transporters, bei einem Autohaus (Händler, Werkstatt und Autovermietung in einem Unternehmen) für diese Zeit ein Ersatzfahrzeug. Zuerst wurde der Werkstatt-Tarif vereinbart, später einigte man sich auf den fast doppelt so teuren Unfallersatztarif.

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ersetzte nur die Summe, die der Normaltarif für acht Tage gekostet hätte. K trat daraufhin seine Ansprüche an die Autovermieterin ab, die den Versicherer auf Zahlung des Differenzbetrags verklagte: Da sie ein höheres Risiko tragen musste, habe sie auch den höheren Tarif wählen dürfen.

Für das "höhere Risiko" sei sie jeden Beweis schuldig geblieben, erklärte das Amtsgericht München, und wies die Klage ab (343 C 35535/06). Unfallgeschädigte seien verpflichtet, sich um einen günstigen Miettarif zu bemühen, wenn sie ein Ersatzauto brauchten. Die Richterin kreidete K insbesondere an, dass er es zuließ, dass im Formular des Mietvertrags der zunächst eingetragene, günstigere Werkstatt-Tarif gestrichen und durch den Unfallersatztarif ersetzt wurde.

Dass die Autovermieterin so viel verdienen wolle wie möglich, sei nachvollziehbar. Aber K als Mieter müsse sich Gedanken über die Kosten machen. Das habe er anscheinend für überflüssig gehalten, sobald er erfuhr, dass der Versicherer die Mietwagenkosten übernehmen werde. Mehr als den Werkstatt-Tarif für eine Woche müsse der Haftpflichtversicherer nicht zahlen.

Schadenersatz für Reparatur eines uralten Mercedes?

Käufer muss dem Händler eine Frist für die Mängelbeseitigung setzen

Im Dezember 2005 hatte der Mercedes-Liebhaber bei einem Gebrauchtwagenhändler für stolze 34.900 Euro einen fast vierzig Jahre alten Mercedes gekauft: SL 230 Pagode, Baujahr 1966. Wenige Monate später reklamierte er beim Verkäufer Mängel am Motor. Der Verkäufer sollte sie "umgehend beseitigen", ansonsten werde er eine andere Werkstatt damit beauftragen.

Ein Mitarbeiter des Händlers versicherte, er werde sich darum kümmern. Doch niemand meldete sich beim Käufer. Vergeblich versuchte der Mann, das Autohaus telefonisch zu erreichen. Dann ließ er den Mercedes woanders reparieren und zahlte dafür 2.194 Euro. Den Betrag sollte anschließend der Verkäufer ersetzen. Der weigerte sich und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen.

Das Landgericht wies die Klage des Käufers auf Schadenersatz ab. Begründung: Ist der Mangel einer Kaufsache behebbar, kann der Käufer vom Verkäufer nur dann Schadenersatz verlangen, wenn er ihm zuvor erfolglos eine angemessene Frist gesetzt hat, um den Mangel abzustellen. Das habe der Käufer im konkreten Fall versäumt. In diesem Punkt urteilte der Bundesgerichtshof anders (VIII ZR 254/08).

Der Mercedes-Käufer habe den Händler aufgefordert, den Mangel "umgehend" zu reparieren. Damit habe er ihm eine Frist gesetzt: Die Angabe eines bestimmten (End-)Termins sei dafür nicht erforderlich. Letztlich gehe es darum, dem Verkäufer vor Augen zu führen, dass er die von ihm geforderte Leistung - hier: die Reparatur des Motors - nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erbringen könne, sondern dass dafür eine zeitliche Grenze bestehe.

Achtjährige fährt mit dem Rad geparktes Auto an

Kein "fließender Verkehr" - war das Kind trotzdem überfordert?

Bei Unfällen mit Kindern im Alter von sieben bis zehn Jahren gehen die Gerichte davon aus, dass sie im motorisierten Straßenverkehr tendenziell überfordert sind (d.h. Geschwindigkeiten falsch einschätzen, Gefahren nicht erkennen etc.). Deshalb sind sie nicht verantwortlich, wenn sie einen Schaden verursachen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Argumentation nun ausgeweitet auf den so genannten "ruhenden Verkehr", d.h. Schäden an geparkten Autos. In besonderen Fällen - etwa wenn ein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß geparkt werde - sei auch bei Schäden an stehenden Fahrzeugen eine Haftung von Kindern dieses Alters ausgeschlossen (VI ZR 310/08).

Der konkrete Fall: Eine Achtjährige war mit dem Fahrrad einen Gehweg entlang gefahren und gegen die Heckseite eines Autos gestoßen, das in den Gehweg hinein ragte. Vergeblich klagte der Autobesitzer auf Schadenersatz. Kinder dürften auf Gehwegen Rad fahren, stellte der BGH fest. Da das Mädchen an mehreren geparkten Autos problemlos vorbeigefahren sei, liege die Annahme nahe, dass der betroffene Wagen weiter in den Gehweg hinein ragte als die anderen. Also sei es gut möglich, dass diese Situation die Reaktionsfähigkeit des Kindes überfordert habe.

Der Autobesitzer hätte laut BGH nur eine Chance auf Schadenersatz gehabt, wenn er hätte beweisen können, dass bei diesem Unfall keine "typische Überforderungssituation durch die besonderen Gefahren" des Verkehrs vorlag. Er hätte durch Fotos oder Zeugen belegen müssen, dass sein Wagen ordnungsgemäß abgestellt war und Kinder nicht irritierte. Das war ihm nicht gelungen.

Autohalterin soll Fahrtenbuch führen ...

... weil sie keine Auskunft gibt über den Fahrer, der mit ihrem Wagen zu schnell fuhr

Mit ihrem Auto hatte jemand die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträchtlich überschritten. Auf dem relativ deutlichen Foto, das von der Geschwindigkeitsmessstation aufgenommen worden war, konnte man gut erkennen, dass ein Mann gefahren war. Trotzdem lud die Bußgeldstelle des Landratsamts die Halterin des Fahrzeugs als "mutmaßliche Täterin" vor.

In dem Schreiben stand, der Halterin werde eine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt, die Betroffene könne die Aussage verweigern. Bei der Anhörung machte die Frau zum Fahrer keine Angaben. Da er nicht ermittelt werden konnte, verdonnerte das Landratsamt die Frau, sechs Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen.

Das hielt die Kfz-Halterin für rechtswidrig und wurde vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim in dieser Ansicht bestärkt (10 S 1499/09). Die Verwaltungsbehörde dürfe die Führung eines Fahrtenbuchs erst dann anordnen, wenn sie erfolglos alle zumutbaren Schritte unternommen habe, um den Fahrer zu ermitteln.

Im konkreten Fall hätte man die Frau als Zeugin anschreiben und zur Aussage auffordern müssen, um den Verkehrssünder zu finden. Als Täterin sei die Kfz-Halterin von vornherein nicht in Frage gekommen: Das stehe durch das Messfoto fest. Also sei sie Zeugin. Die Frau hätte auf Ladung der Behörde hin erscheinen und zur Sache aussagen müssen. Nur wenn ein Angehöriger mit ihrem Auto gefahren wäre, könnte sie dann noch die Aussage verweigern.

Auto während des Urlaubs abgeschleppt

Kommune hatte wegen Gasleitungsarbeiten ein mobiles Halteverbot aufgestellt

Ende Juli war das Leipziger Ehepaar in Urlaub gefahren. Vorher hatte es sein Auto in einem Bereich geparkt, in dem die Stadt Gasleitungsarbeiten durchführen musste - ohne davon zu wissen. Die Kommune stellte am 3. August um 18 Uhr ein mobiles Halteverbotsschild auf: "Halteverbot ab 6. August, 7 Uhr früh". Am 7. August ließ eine Polizistin das Fahrzeug abschleppen.

Vorher hatte sie sich nach dem Fahrzeughalter erkundigt. Eine Nachbarin wusste zwar, wem das Auto gehörte. Doch es gelang ihr nicht, das Ehepaar telefonisch zu erreichen. Die Abschleppgebühr betrug 185 Euro. Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub fochten die Autobesitzer den Kostenbescheid an - vergeblich: Das Oberverwaltungsgericht Bautzen erklärte ihn für rechtens (3 B 891/06).

Einen Wagen vier Tage nach dem Aufstellen eines mobilen Halteverbotsschildes abzuschleppen, gehe grundsätzlich in Ordnung. Im konkreten Fall hätte das Auto die anstehenden Gasleitungsarbeiten behindert. In einer großen Stadt wie Leipzig müsse die Straßenbaubehörde notwendige Maßnahmen durchführen, ohne sie jeweils mehrere Wochen vorher anzukündigen.

Ein Halteverbotszeichen sei auch dann wirksam, wenn betroffene Verkehrsteilnehmer es nicht bemerkten. Wenn man den Haltern der geparkten Fahrzeuge, so wie hier, eine Reaktionsfrist von etwa 84 Stunden einräume, sei dies angemessen. Diese Frist verlängere sich auch nicht durch Schulferien. Sei eine Wanderbaustelle für jedermann erkennbar, komme sogar eine kürzere Frist in Betracht.

Den Fahrzeughaltern die Abschleppkosten aufzubürden, werde nicht dadurch rechtswidrig, dass die Nachbarin eventuell den Wagen hätte wegfahren können. Für die Polizeibeamtin sei es nicht absehbar gewesen, ob es der Nachbarin gelingen würde, die Urlauber zu erreichen und zu erfahren, wo die Autoschlüssel waren. Ein weiteres Zuwarten sei in so einer Situation nicht angesagt.

Verkehrsunfall und Anwaltskosten

Darf der Unfallgeschädigte trotz "klaren Sachverhalts" einen Anwalt einschalten?

Der Kunde eines Autovermieters hatte mit dem Mietwagen einen Unfall. Dass ihn der Unfallgegner verschuldet hatte und dessen Haftpflichtversicherer in vollem Umfang für den Schaden haften musste, stand von Anfang an fest. Dennoch beauftragte der Autovermieter - der auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktive Reparaturkosten abrechnen wollte - vorsichtshalber einen Anwalt damit, den Fall abzuwickeln.

Deswegen kam es zum Streit mit dem Haftpflichtversicherer, der die Anwaltskosten nicht ersetzen wollte. Begründung: Bei einem so klaren, rechtlich "einfach gelagerten Verkehrsunfall" sei es völlig überflüssig, einen Anwalt einzuschalten. Diesem Argument widersprach das Amtsgericht Kassel entschieden (415 C 6203/08). Für einen Rechtsunkundigen gebe es keinen "einfach gelagerten Verkehrsunfall", betonte der Amtsrichter, und das sei nicht zuletzt dem Regulierungsverhalten einiger Versicherer zuzuschreiben.

Die Rechtsprechung zum Umfang der Schadensregulierung habe mittlerweile eine Dimension und Komplexität erreicht, die für Nicht-Juristen unüberschaubar sei (Reparatur in Fachwerkstatt vs. freie Werkstatt, Höhe der Wertminderung und der Gutachterkosten, Unfallersatztarif, usw.usf.). Selbst wenn es um tatsächlich eindeutige Fälle gehe, kaprizierten sich Versicherungen oft auf juristische Spitzfindigkeiten und missachteten bewusst die herrschende Rechtsprechung.

In der Regel stehe eine Privatperson der hochspezialisierten Rechtsabteilung eines Versicherungsunternehmens oder einer für Versicherer tätigen Spezialkanzlei gegenüber und werde durch ellenlange juristische Schriftsätze verunsichert. Selbst wenn im konkreten Fall keine Privatperson, sondern ein gewerblicher Autovermieter betroffen sei, könne von "Waffengleichheit" beider Seiten keine Rede sein: Schließlich sei der Autovermieter kein Konzern mit eigenen Juristen. Es sei daher auf jeden Fall angezeigtund gerechtfertigt, eine in Unfallfragen versierte Anwaltskanzlei hinzuzuziehen. Der Versicherer müsse die Kosten in voller Höhe übernehmen.

Autofahrerin fuhr auf ein Taxi auf

Der Kfz-Haftpflichtversicherer darf den Schaden des Unfallgegners auch gegen ihren Willen regulieren

Eine unaufmerksame Autofahrerin war an einer Kreuzung auf ein vor ihr bremsendes Taxi aufgefahren. Ihr Anwalt teilte der Kfz-Haftpflichtversicherung mit, seine Mandantin habe den Unfall nicht verschuldet. Deshalb solle der Versicherer den Schaden des Unfallgegners auf keinen Fall regulieren.

Der Kfz-Versicherer ignorierte den Antrag. Er ersetzte dem Taxiunternehmen die Reparaturkosten und stufte anschließend die Versicherungsnehmerin in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse ein. Da zog die Frau vor Gericht und verlangte, die Maßnahme rückgängig zu machen: Der Versicherer habe überflüssigerweise bezahlt und so ihre Versicherungs-Prozente verschlechtert.

Das Unternehmen liege keineswegs daneben, entschied das Landgericht Coburg (32 S 15/09). Eine Pflichtversicherung müsse begründeten Ansprüchen von Unfallgegnern auf Schadenersatz gerecht werden und unbegründete abwehren. Wenn es darum gehe, den jeweiligen Sachverhalt zu beurteilen, habe die Haftpflichtversicherung einen weiten Ermessensspielraum. Solange dies nicht willkürlich geschehe, dürfe sie den Schaden eines Unfallgegners auch gegen den Willen eines Versicherungsnehmers begleichen.

Im konkreten Fall sprächen die Umstände gegen die Versicherungsnehmerin. Dass sie den Unfall verschuldet habe, stehe im Prinzip schon deshalb fest, weil sie auf das Taxi aufgefahren sei. Den Schaden des Taxiunternehmens zu regulieren, sei deshalb keineswegs unsachgemäß oder willkürlich gewesen.

"Qualifizierter Rotlichtverstoß"

Er kann unter Umständen auch durch polizeiliche Schätzung festgestellt werden

An einer Kreuzung überwachte eine Polizeistreife gezielt die Ampeln, um Verkehrsverstöße festzustellen. Einem Autofahrer warf sie einen so genannten qualifizierten Rotlichtverstoß vor, d.h. dass er die Haltelinie überfuhr, als die Ampel schon über eine Sekunde auf "Rot" stand. Das Amtsgericht verurteilte den Autofahrer zu einer Geldbuße von 187,50 Euro und entzog ihm für einen Monat den Führerschein.

Gegen dieses Urteil legte der Mann Rechtsbeschwerde ein: Wenn da nur ein Polizist die Zeitdauer schätze, sei das keine genaue Messung. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß sei so nicht zu beweisen. Doch das Oberlandesgericht Hamm hatte gegen die Zählmethode keine Bedenken und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts (3 Ss OWi 55/09).

Bei einer gezielten Ampelüberwachung wüssten die eingesetzten Polizeibeamten ganz genau, worauf es ankomme, erklärten die Richter. Sie dürften nicht zu schnell zählen, ihre Wahrnehmung sei entsprechend geschärft. Der im konkreten Fall als Zeuge vernommene Beamte habe in Gedanken langsam "einundzwanzig, zweiundzwanzig" gezählt und die Rotlichtphase auf mindestens zwei Sekunden geschätzt. Dann stehe mit Gewissheit fest, dass das Rotlicht jedenfalls mehr als eine Sekunde angedauert habe, als der Autofahrer die Haltelinie überfuhr.

Der Amtsrichter habe außerdem in seinem Urteil ausgeführt, dass der Polizist mit freier Sicht auf die ganze Kreuzung zwölf Meter entfernt von der Haltelinie stand. Den Wagen des Autofahrers habe er beim Umspringen der Ampel auf "Rot" noch gar nicht gesehen. Da müsse er also über 20 Meter von der Haltelinie entfernt gewesen sein. Unter diesen Umständen sei die Zählmethode genau genug, um Geldstrafe und Fahrverbot zu begründen.

Cabrio "in einem Superzustand" ...

... blieb schon auf der ersten Fahrt liegen: Verkäufer haftet für Mängel

Im Internet wurde der gebrauchte Mercedes-Benz SLK 230, der etwa 100.000 Kilometer auf dem Tacho hatte, in höchsten Tönen angepriesen: Der Sportwagen sei "in einem Superzustand". Für 8.700 Euro ein Schnäppchen, dachte eine Frau, die gerade ein Auto suchte. Zu Verkaufsverhandlungen trafen sich ihr Ehemann und der Mann der Autobesitzerin. Nach einer kurzen Probefahrt in München wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Die Gewährleistung für Mängel war darin ausgeschlossen.

Als der Käufer auf der Autobahn nach Hause fuhr, merkte er schnell, dass er den Mercedes nur auf etwa Tempo 80 beschleunigen konnte. Er bog nach etwa 20 Kilometern auf einen Autobahnrastplatz ab, rief den Verkäufer an und forderte ihn auf, den Wagen zurückzunehmen oder zumindest für die Reparaturkosten aufzukommen. Das fand der Verkäufer - ein Autohändler, wie sich später herausstellte - "geradezu lachhaft". Der Käufer fuhr mit der Sportwagen-Schnecke langsam weiter. Kurz vor dem Ziel machte das Auto endgültig schlapp und musste abgeschleppt werden.

Ein Kfz-Sachverständiger stellte diverse Mängel fest und schätzte die Reparaturkosten auf 1.040 Euro. Diese Summe (plus Gutachter- und Abschleppkosten) forderte der Käufer von der Vorbesitzerin des Cabrios. Die verwies ungerührt auf den Gewährleistungsausschluss und bestritt, dass der Wagen schon beim Verkauf defekt gewesen sein könnte. Doch Frechheit siegt nicht immer: Das Amtsgericht München verurteilte die Vorbesitzerin zu Schadenersatz in voller Höhe (251 C 19326/08).

Da der Defekt bereits nach wenigen Kilometern auftrat und das Cabrio gleich danach liegen blieb, stehe damit fest, dass der Defekt schon beim Verkauf vorlag, erklärte die Amtsrichterin. Das Gegenteil habe die Vorbesitzerin nicht beweisen können. Auf den Vertrag könne sie sich auch nicht berufen - der Gewährleistungsausschluss sei nichtig. Denn ein Autohändler sei sachkundig genug, um einen Defekt zu erkennen. Wider besseres Wissen habe der Verkäufer den "Superzustand" des Sportwagens gelobt und den Käufer arglistig getäuscht.

Vorsicht: Ozapft is

Während des Oktoberfestes müssen Verkehrsteilnehmer in Wiesn-Nähe mit Betrunkenen rechnen!

Während des Oktoberfestes 2006 fuhr eine Motorradfahrerin gegen Mitternacht mit annähernd 50 km/h die Paul-Heyse-Straße entlang, die nah an der Festwiese liegt. An der Kreuzung zur Schwanthalerstraße lief ein angetrunkener Oktoberfest-Besucher bei Rot über die Ampel und direkt vor das Motorrad. Die Frau stürzte nach einem abrupten Bremsmanöver. Sie erlitt Schürfwunden, Hämatome und eine geringfügige Prellung. Das Motorrad wurde beschädigt.

Vom Fußgänger forderte die Motorradfahrerin 2.478 Euro Schadenersatz und obendrein 1.000 Euro Schmerzensgeld. Der Festbesucher sah dafür keinen Grund: Er sei bei Grün auf die Kreuzung gegangen. Ein Freund habe ihm etwas zugerufen. Da habe er sich umgedreht und dabei müsse die Ampel von "Grün" auf "Rot" gesprungen sein. Die Motorradfahrerin sei sofort losgefahren, ohne auf ihn zu achten.

Das Amtsgericht München verurteilte den Mann dazu, der Motorradfahrerin die Hälfte des Sachschadens zu ersetzen (331 C 22085/07). Selbst wenn er die Straße nicht bei "Rot" überquert haben sollte: Zu 50 Prozent sei er an dem Zusammenstoß schuld, weil er nicht zügig gegangen, sondern als Hindernis auf der Kreuzung stehen geblieben sei. Allerdings treffe auch die Motorradfahrerin ein Mitverschulden von 50 Prozent.

Zur Oktoberfestzeit seien nachts auf der Schwanthalerstraße viele betrunkene Personen unterwegs. Jeder Münchner wisse das. Von denen könne man nicht immer erwarten, dass sie die Verkehrsregeln beachteten. Die Motorradfahrerin hätte daher ihre Geschwindigkeit reduzieren müssen, um notfalls einem bierselig schwankenden Festbesucher ausweichen zu können. In einer so offensichtlichen Gefahrensituation dürfe man nicht so schnell fahren wie üblich. Schmerzensgeld stehe der Frau nicht zu, da sie nur geringfügig verletzt gewesen sei.

Kollision mit dem Notarztwagen

Ist ein Autofahrer beiseite gefahren, muss er dort bleiben, bis der Notarztwagen vorbei ist

Mit Blaulicht und Martinshorn näherte sich von hinten ein Notarztwagen, der einen Patienten ins Krankenhaus brachte. Um ihm die Durchfahrt zu ermöglichen, wich Mercedes-Fahrer T nach links auf den Mittelstreifen der Straße aus. Vor ihm war ein Kleintransporter nach rechts in eine Einfahrt gefahren. Der war allerdings so lang, dass er trotzdem noch mit dem Heck den Fahrstreifen blockierte. Deshalb lenkte T seinen Wagen - ohne zu blinken - vom Mittelstreifen nach links auf die Fahrspur des Gegenverkehrs: Dann, so dachte er, hat der Notarztwagen genug Platz und kommt durch.

Zu seinem Pech hatte der Fahrer des Notarztwagens den Transporter vorher schon als Hindernis bemerkt und war seinerseits auf die Fahrspur des Gegenverkehrs geschwenkt: Dort stießen Mercedes und Rettungsfahrzeug zusammen. Vergeblich verklagte T Fahrer und Halter des Notarztwagens: Sie sollten für die Reparaturkosten von 1.735 Euro geradestehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm verurteilte jedoch umgekehrt den Mercedesbesitzer dazu, die Reparaturkosten des Einsatzfahrzeugs zu tragen (9 U 187/08).

T meinte, der Fahrer des Notarztwagens hätte warten müssen, bis er ihm "freie Bahn" verschafft habe, wie es seine Pflicht sei. Doch das OLG stellte klar: Wenn ein Autofahrer bereits zur Seite gefahren sei, müsse er warten. Es sei allein Sache des Einsatzfahrers, über die günstigste Fahrlinie zu entscheiden. Der wartepflichtige Verkehrsteilnehmer, der den Weg frei geräumt habe, dürfe erst dann wieder seine Position verändern, wenn er sicher sei, den Einsatzwagen dadurch nicht mehr zu behindern.

T habe gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßen, wenn auch in der Absicht, dem Notarztwagen den - seiner Meinung nach einfacheren - Weg frei zu räumen. Das sei falsch: Wer beiseite fahre, akzeptiere erkennbar den Vorrang des Einsatzfahrzeugs. Damit sei er aus Sicht des Einsatzfahrers "neutralisiert" und nicht mehr zu beachten. Der Fahrer eines Rettungsfahrzeugs müsse sich darauf verlassen können, dass alle Fahrzeuge am Fahrbahnrand stehen bleiben, bis er vorbei ist. Zumindest hätte M blinken und sich vergewissern müssen, welchen Fahrweg der Einsatzfahrer hinter ihm einschlug.

Regentropfen im Kofferraum

Kein Grund für einen Cabrio-Käufer, das Auto zurückzugeben

Das neue Cabrio X1 war wirklich ein schickes Auto. Es hatte aber einen kleinen - für den Käufer entscheidenden - Nachteil: Wenn es regnete und er den Kofferraum öffnete, liefen Regentropfen in das Innere des Kofferraums. Er forderte vom Verkäufer, den Mangel zu beheben oder den Kaufvertrag rückgängig zu machen.

Als der Autohändler beides ablehnte, zog der Käufer vor Gericht. Er dürfe den Kaufpreis nicht zurückfordern, entschied das Landgericht Frankenthal (3 O 19/08). Wenn beim Öffnen des Kofferraums bei Regen einige Tropfen in den Kofferraum gelangten, stelle dies keinen Sachmangel des Fahrzeugs dar.

Der Sachverständige habe unterschiedliche Cabrio-Modelle getestet: Wenn bei Regen der Kofferraum vollständig geöffnet werde, tropfe ein wenig Wasser ins Innere - das sei bei allen gleich. Der kleine Schönheitsfehler sei also keine Besonderheit des bestimmten Cabrios, dessen Beschaffenheit weiche nicht negativ "von Sachen der gleichen Art ab".

Die Wassermenge, die in den Kofferraum eindringe, sei so gering, dass sie von selbst trockne und weder Rost noch Schimmel nach sich ziehe. Und selbst diese geringe Menge Feuchtigkeit im Kofferraum könne man vermeiden, wenn man ihn bei Regen nur halb öffne. Auch dann sei er noch problemlos zu beladen. Das hatten die Richter mit einem Karton selbst ausprobiert.

Auto und Zugewinnausgleich

Zählt ein Wagen bei der Scheidung zum Hausrat oder wird er beim Zugewinnausgleich berücksichtigt?

Das kommt darauf an: Wird ein Wagen während der Ehe von beiden Partnern benutzt, gehört er zum Hausrat. Dann bekommt ihn der Partner, der ihn dringender braucht - also z.B. die Ehefrau, wenn sie das Sorgerecht für Kinder übertragen bekommt und diese mit dem Auto in die Schule bringen muss. Der Wert des Autos wird dann beim Zugewinnausgleich - wenn bei der Scheidung das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen aufgeteilt wird - nicht berücksichtigt.

Im konkreten Fall hatte eine Frau kurz nach der - zunächst als vorübergehend geplanten - Trennung ein Darlehen aufgenommen und damit ein Auto finanziert. Diese Zahlungsverpflichtung sollte beim Zugewinnausgleich angerechnet werden, forderte die ausgleichspflichtige, weil mehr verdienende Ehefrau, um einen geringeren Betrag ausgleichen zu müssen.

Dagegen verwahrte sich ihr Mann und behauptete, der Wagen sei ein Familienfahrzeug und zähle zum Hausrat. Davon könne hier keine Rede sein, erklärte das Oberlandesgericht Naumburg (8 WF 19/09). Seine Frau habe das Auto nach der Trennung gekauft und sei alleinige Halterin. Auch den Kredit zahle sie allein ab. Mit dem Familienleben habe das Fahrzeug nichts mehr zu tun. Der Wagen und die dazugehörigen Kredit-Verbindlichkeiten seien daher beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen.

Gebrauchtes Auto gekauft und zurückgegeben

Käuferin fuhr 36.000 Kilometer, verweigerte aber "Nutzungswertersatz"

Beim Autohändler hatte die Frau einen gebrauchten BMW 316i gekauft (Kostenpunkt: 4.100 Euro, Tachostand: 174.500 km). Ein paar Wochen später trat sie wegen Mängeln des Fahrzeugs vom Kaufvertrag zurück. Dazwischen hatte sie allerdings mit dem Wagen 36.000 Kilometer zurückgelegt. Nach einigem Hin und Her war der Händler sogar bereit, das Geschäft rückgängig zu machen. Doch die Nutzung des Fahrzeugs wollte er der unzufriedenen Käuferin verständlicherweise berechnen.

Die Frau pochte nun auf eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), den "Quelle"-Fall: Wer mangelhafte Ware liefere, könne vom Kunden keinen Wertersatz für deren Nutzung verlangen, habe der EuGH geurteilt. Was für einen defekten Backofen gelte, müsse auch für ein Auto mit Macken gelten, meinte die Käuferin. Dem widersprach der Bundesgerichtshof (VIII ZR 243/08).

Im "Quelle"-Fall habe die Kundin nicht den Kaufpreis zurückgefordert, sondern die Lieferung eines funktionierenden Herds verlangt, erklärten die Bundesrichter. Für die Zeit zwischen Lieferung des kaputten Herds und dem Austausch habe die Verkäuferin ein Nutzungsentgelt von 70 Euro gefordert. Eine Ersatzlieferung müsse jedoch für den Verbraucher kostenlos sein: Der solle uneingeschränkt seinen Anspruch auf einwandfreie Ware geltend machen können.

Beim BMW gehe es aber um die Rückabwicklung des Vertrags und nicht um eine Ersatzlieferung. Die Kundin habe den Kaufpreis zurückgefordert und werde ihn plus Zinsen bekommen. In so einem Fall müsse sich der Kunde die während der Besitzzeit gefahrenen Kilometer auf den Kaufpreis anrechnen lassen.

Porschefahrer stellte sich stur

Wenn es die Verkehrslage erfordert, muss man auch mal auf die Vorfahrt verzichten ...

Nachzugeben, obwohl man im Recht ist - für viele Verkehrsteilnehmer offenkundig unvorstellbar. Etwas mehr Flexibilität empfahl eine Münchner Richterin dringend einem Geschäftsmann, der von seinem Kontrahenten auf Schadenersatz verklagt worden war. Der Porschefahrer war in eine relativ enge Nebenstraße eingefahren, die auf der (aus seiner Sicht) linken Seite durchgehend zugeparkt war. Ein Mercedes kam ihm entgegen.

Beide Autofahrer blieben kurz stehen, weil der Platz nicht reichte, um aneinander vorbeizufahren. Da der Porschefahrer nicht zurücksetzen wollte, versuchte der Mercedesfahrer dann doch, zwischen dem Sportwagen und den geparkten Fahrzeugen durchzukommen. Dabei beschädigte er seinen linken Kotflügel. Die Reparaturkosten (1.567 Euro) forderte er vom Lenker des Porsche. Der verwies empört auf seine Vorfahrt: Warten müsse der, auf dessen Fahrbahnseite sich das Hindernis befinde.

Trotzdem verurteilte das Amtsgericht München den Geschäftsmann dazu, zwei Drittel des Schadens zu ersetzen (343 C 3667/09). Die Autos parkten rechts, also musste der Mercedes den entgegenkommenden Verkehr durchlassen, räumte die Amtsrichterin ein. Das gelte aber nicht in jedem Fall. Wenn es die Verkehrslage erfordere, müsse ein Verkehrsteilnehmer auch mal auf seinen Vorrang verzichten.

Hier hätte es sich sozusagen angeboten, meinte die Richterin, denn der Porschefahrer hätte die für beide Seiten missliche Situation viel leichter auflösen können. Auf seiner Seite habe er noch 30 Zentimeter Platz zum Rangieren gehabt und hinter ihm seien keine Autos nachgekommen. Noch klüger wäre es gewesen, wenn der Geschäftsmann schon im Kreuzungsbereich vor dem Einfahren in die Nebenstraße stehen geblieben wäre: Denn er habe den Mercedes von da aus schon sehen können.

Auch wenn der Mercedesfahrer im engeren Sinn den Schaden verursacht habe, treffe letztlich den Porschefahrer die Hauptverantwortung für den Unfall. Der Mercedesfahrer habe wenigstens versucht, die Situation zu entschärfen. Dagegen habe der Porschefahrer den "Engpass" durch sein Einfahren in die offensichtlich für beide Autos zu enge Passage erst herbeigeführt und sich dann stur gestellt. (Der Geschäftsmann und seine Haftpflichtversicherung haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Fehlfunktion von Seitenairbags

Haftet der Autohersteller für die Verletzung eines Autofahrers?

Mit seinem drei Jahre alten BMW (Modell 330 D) geriet ein Autofahrer im Frühjahr 2003 in ein tiefes Schlagloch. Durch den heftigen Schlag gegen den Unterboden des Fahrzeugs wurden Seitenairbags fehlerhaft ausgelöst, die den Mann an der Halsschlagader verletzten. Dadurch erlitt er einen Hirninfarkt. Seither kämpft der Kunde um Schmerzensgeld vom Autohersteller.

Das Oberlandesgericht verneinte einen Konstruktionsfehler und sah das Unternehmen nicht in der Pflicht. Der Bundesgerichtshof kritisierte das Urteil, hob es auf und verwies die Sache zurück (VI ZR 107/08). Ein Konstruktionsfehler liege vor, wenn das Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibe, der nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sei.

Schon beim Vorgängermodell des (im Frühjahr 2000 erstzugelassenen) Wagens sei 1999 eine Rückrufaktion durchgeführt worden, weil die Software der elektronischen Sensoren nicht richtig funktionierte und die Seitenairbags zur Unzeit auslöste. Der Hersteller habe dieses Risiko für beseitigt gehalten, weil im neuen Modell eine veränderte Steuergerätesoftware installiert wurde.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen habe allerdings (um die Jahreswende 1999/2000) 692 Unfälle analysiert, bei denen Fehlfunktionen von Airbags vermutet wurden, darunter auch das neue Modell 330 D. Dass BMW dieser Forschungsbericht erst im Sommer 2000 zuging, als der Wagen des Verletzten schon ausgeliefert war, entlaste das Unternehmen nicht.

Denn hier komme es nicht auf den subjektiven Kenntnisstand an, sondern darauf, ab wann Erkenntnisse über mögliche Fehlauslösungen von Seitenairbags mit elektronischen Sensoren objektiv verfügbar waren. BMW hätte die Konstruktion ändern oder zumindest die Kunden warnen müssen. Das mit der gewählten Konzeption allgemein verbundene Fehlerrisiko sei dem Autohersteller spätestens seit dem Rückrufaktion im Mai 1999 bekannt gewesen.

Motorradfahrer landete bei Überholmanöver am Baum

Das Auto vor ihm berührte er nicht: Hat es den Unfall ausgelöst?

Ein schwer verletzter Motorradfahrer kämpft seit fünf Jahren vergeblich um Schmerzensgeld von einem Autofahrer: Während ihm das Landgericht 75.000 Euro zugesprochen hatte, wies das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg seine Klage ab. Gegenseitig warfen sich die beiden Fahrer vor, den Unfall allein verschuldet zu haben. Trotz der Untersuchungen von Verkehrsexperten war der genaue Unfallhergang nicht mehr zu klären.

Fest stand: Auf einer Landstraße fuhren zwei Wagen hintereinander her. Hinter dem zweiten folgte der Motorradfahrer und beschloss, die Autos zu überholen. Der Motorradfahrer behauptete: Plötzlich sei der Autofahrer vor ihm, ohne zu blinken, auf die linke Seite geschwenkt, um ebenfalls zu überholen. Da habe er ausweichen müssen und sei gegen den Baum gefahren. Der Autofahrer bestritt dies. Jedenfalls hatten sich die beiden Fahrzeuge nicht berührt.

Trotz eines sorgfältigen Gutachtens der Sachverständigen stehe nicht fest, mit welcher Geschwindigkeit die Fahrzeuge unterwegs waren und ob die Fahrweise des Autofahrers den Unfall ausgelöst habe, erklärte das OLG Brandenburg (12 U 263/08). Verschiedene Varianten des Unfallhergangs seien möglich. Zum Beispiel die, dass der Motorradfahrer noch auf der rechten Fahrspur unterwegs war, als das Auto vor ihm zum Überholen ansetzte.

Dann wäre völlig unverständlich, warum er ein Ausweichmanöver nach links unternahm - denn dann drohte keine Kollision. Wäre diese Variante richtig, läge überhaupt kein Verstoß des zweiten Autofahrers vor: Denn dann hätte er die Absicht des Motorradfahrers, ihn zu überholen, nicht erkennen können. Nach der Lebenserfahrung käme in dem Fall als Unfallursache eher überhöhte Geschwindigkeit des Motorradfahrers oder ein unzureichender Sicherheitsabstand in Frage.

In dieser Instanz ging der Verletzte also leer aus. Er hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt.

Automatisierte Videoüberwachung ...

... auf der Autobahn ist nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig

Auf Grund eines Erlasses des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern wurde an einer Autobahn der Verkehr per Video überwacht. Alle durchfahrenden Autos wurden verdeckt gefilmt. Gleichzeitig wurden mit dem geeichten Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 Geschwindigkeit und Sicherheitsabstand gemessen.

Ein Autofahrer wurde auf Basis dieser Messung zu einer Geldbuße von 50 Euro verurteilt, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte. Als Beweis diente das Bildmaterial der Videokamera. Nach erfolgloser Rechtsbeschwerde gegen das Urteil erhob der Mann Verfassungsbeschwerde und bekam vom Bundesverfassungsgericht Recht (2 BvR 941/08).

Das aufgezeichnete Material diene der Identifizierung der Autofahrer; es werde zu Beweiszwecken abgerufen und ausgewertet. Die Videokamera fixiere technisch Lebensvorgänge und greife so in das Persönlichkeitsrecht der Autofahrer ein: Dabei habe im Prinzip jedes Individuum ausschließlich selbst darüber zu bestimmen, welche persönlichen Daten es preisgeben wolle.

Trotzdem sei im Interesse der Verkehrssicherheit dieser Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zulässig - aber nur auf der Basis eines Gesetzes. Das Parlament müsse darin die Voraussetzungen eines derartigen Eingriffs definieren und seinen Umfang klar und für die Bürger nachvollziehbar festlegen. Verwaltungsvorschriften seien interne Anweisungen und könnten keinen Eingriff in ein Grundrecht rechtfertigen.

Der Beschluss betrifft nur die automatisierte (verdachtsunabhängige) Videoüberwachung, bei der ausnahmslos alle Fahrzeuge aufgezeichnet werden. Es ging also nicht um Messstationen, die konkrete Verkehrsverstöße bestimmter Fahrer dokumentieren.