Wenn es die Verkehrslage erfordert, muss man auch
mal auf die Vorfahrt verzichten ...
Nachzugeben, obwohl man im Recht ist - für viele Verkehrsteilnehmer offenkundig unvorstellbar. Etwas mehr Flexibilität empfahl eine Münchner Richterin dringend einem Geschäftsmann, der von seinem Kontrahenten auf Schadenersatz verklagt worden war. Der Porschefahrer war in eine relativ enge Nebenstraße eingefahren, die auf der (aus seiner Sicht) linken Seite durchgehend zugeparkt war. Ein Mercedes kam ihm entgegen.
Beide Autofahrer blieben kurz stehen, weil der Platz nicht reichte, um aneinander vorbeizufahren. Da der Porschefahrer nicht zurücksetzen wollte, versuchte der Mercedesfahrer dann doch, zwischen dem Sportwagen und den geparkten Fahrzeugen durchzukommen. Dabei beschädigte er seinen linken Kotflügel. Die Reparaturkosten (1.567 Euro) forderte er vom Lenker des Porsche. Der verwies empört auf seine Vorfahrt: Warten müsse der, auf dessen Fahrbahnseite sich das Hindernis befinde.
Trotzdem verurteilte das Amtsgericht München den Geschäftsmann dazu, zwei Drittel des Schadens zu ersetzen (343 C 3667/09). Die Autos parkten rechts, also musste der Mercedes den entgegenkommenden Verkehr durchlassen, räumte die Amtsrichterin ein. Das gelte aber nicht in jedem Fall. Wenn es die Verkehrslage erfordere, müsse ein Verkehrsteilnehmer auch mal auf seinen Vorrang verzichten.
Hier hätte es sich sozusagen angeboten, meinte die Richterin, denn der Porschefahrer hätte die für beide Seiten missliche Situation viel leichter auflösen können. Auf seiner Seite habe er noch 30 Zentimeter Platz zum Rangieren gehabt und hinter ihm seien keine Autos nachgekommen. Noch klüger wäre es gewesen, wenn der Geschäftsmann schon im Kreuzungsbereich vor dem Einfahren in die Nebenstraße stehen geblieben wäre: Denn er habe den Mercedes von da aus schon sehen können.
Auch wenn der Mercedesfahrer im engeren Sinn den Schaden verursacht habe, treffe letztlich den Porschefahrer die Hauptverantwortung für den Unfall. Der Mercedesfahrer habe wenigstens versucht, die Situation zu entschärfen. Dagegen habe der Porschefahrer den "Engpass" durch sein Einfahren in die offensichtlich für beide Autos zu enge Passage erst herbeigeführt und sich dann stur gestellt. (Der Geschäftsmann und seine Haftpflichtversicherung haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.)