Auto und Verkehr

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Beschwipst mit E-Scooter unterwegs

Dem Bundesgerichtshof ging die Freiheitsstrafe für einen notorischen Verkehrssünder zu weit

Keinen Führerschein, aber gerne flott unterwegs — auch und gerade nach feucht-fröhlichen Runden. Auf diese Weise brachte es der Verkehrssünder zu einem beachtlichen Sündenregister. Häufig wurde er angetrunken (mit über 1,1 Promille) auf einem Elektroroller erwischt. Einmal missachtete er die Vorfahrt eines anderen Verkehrsteilnehmers und fuhr nach dem Zusammenstoß ungerührt weiter.

Wegen über 30 Straftaten im Verkehr verurteilte das Landgericht Hechingen den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Zudem verfügte es, dass er den Führerschein die nächsten zwei Jahre nicht zurückbekommen dürfe. Gegen das Urteil wehrte sich der Rollerfahrer und erreichte beim Bundesgerichtshof (BGH) zumindest einen vorläufigen Erfolg (4 StR 366/20). Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück.

Die Bundesrichter störte vor allem, dass das Landgericht die Vorschriften für Kraftfahrer angewendet hatte. Nicht alle E-Scooter seien als Kraftfahrzeuge einzuordnen. Um einen Rollerfahrer strafrechtlich wegen Trunkenheit im Verkehr und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu belangen, müsse zunächst einmal der benutzte Elektroroller technisch beschrieben und richtig bewertet werden. Für zahlreiche Fahrzeuge (z.B. Mofas oder elektrische Kleinstfahrzeuge) benötige man gar keine Fahrerlaubnis.

Auch die Rechtsprechung zur Fahruntüchtigkeit nach Alkoholkonsum sei für Kraftfahrer entwickelt worden. Ob man den Grenzwert von 1,1 Promille — bei Kraftfahrern Indiz für absolute Fahruntüchtigkeit — so einfach auf die Fahrer von E-Rollern übertragen könne, sei doch eher fraglich. Zudem habe das Landgericht nicht geklärt, ob der Unfall tatsächlich auf den Alkoholkonsum des Mannes zurückzuführen war. Ihn wegen Gefährdung des Straßenverkehrs zu verurteilen, sei auf dieser Basis unmöglich. Die fehlenden Feststellungen müsse das Landgericht nachholen.

Busfahrer prügelt sich mit Radfahrer

Kopfverletzung war Folge eines privat motivierten Streits und damit kein Arbeitsunfall

Kommunale Verkehrsbetriebe meldeten der Berufsgenossenschaft — Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung — einen Arbeitsunfall: Ihr Busfahrer T liege nach einem Konflikt bei einer Busfahrt mit schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus. Nachdem sich die Berufsgenossenschaft bei der Polizei über die Ermittlungsergebnisse informiert hatte, lehnte sie Leistungen für den Busfahrer ab.

Demnach hatte sich der Konflikt so abgespielt: Weil es regnete, stieg Herr R mit seinem Rad in einen Bus. T bat ihn, kurz auszusteigen, um einer Frau mit Kinderwagen Platz zu machen. R stieg aus — doch dann fuhr der Busfahrer ohne ihn los und ließ ihn im Regen stehen. R beschimpfte ihn lautstark und stieg aufs Rad. Einige Minuten später begegneten sich Bus und Radfahrer an einer Kreuzung wieder. T brüllte, der Radfahrer solle stehen bleiben, man habe noch was zu klären.

Als R weiterfuhr, schnitt T ihm mit dem Bus den Weg ab und brachte ihn zu Fall. Dann stieg T aus und trat nach dem Radfahrer. Der schlug ihm seinen Helm ins Gesicht. Das stachelte T nur weiter an: Er nahm einen Pflasterstein und warf ihn in Richtung R, verfehlte ihn und griff dann nach dem weggeschleuderten Rad. R glaubte, T wollte ihm das Rad wegnehmen und sprang ihm mit Anlauf in den Rücken. Als T bewusstlos zu Boden ging, alarmierte R Polizei und Notarzt. Die schockierten Fahrgäste gaben zu Protokoll, es habe eine "wilde Schlägerei" gegeben.

Als T nach acht Wochen aus der Klinik entlassen wurde, verklagte er die Berufsgenossenschaft auf Zahlung von Verletztengeld. Doch das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen entschied, für einen privat motivierten Streit bestehe in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Versicherungsschutz (L 17 U 626/16). Dieser Konflikt habe nichts mit der beruflichen Tätigkeit des Fahrers zu tun gehabt. T habe nicht im betrieblichen Interesse gehandelt, im Gegenteil.

Anstatt seine Fahrgäste sicher an ihr Ziel zu bringen, habe er sie durch einen rein persönlichen Streit in Gefahr gebracht, indem er seinen Bus gegen R als Waffe einsetzte. Die Zeugin mit dem Kinderwagen habe ausgesagt, sie habe um ihr Kind gebangt: Denn der Fahrer sei bei Rot über die Kreuzung gebraust, um den Radfahrer zu attackieren, der bei "grün" schon weitergefahren war. Durch den Verkehrsverstoß und das abrupte Bremsmanöver habe T die Fahrgäste gefährdet, so das LSG, um einen privaten Rachefeldzug gegen R zu führen.

Haftpflichtversicherung betreibt eigenes Mietwagenunternehmen

Unfallgeschädigte, die ein Ersatzauto benötigen, können den Autovermieter frei wählen

Ein Versicherungsunternehmen war Teilhaber der Autovermietung "carpartner". Wenn die Versicherung für Unfallschäden an Pkws aufkommen musste, stellte sie den Geschädigten während der Dauer der Reparatur Mietwagen von "carpartner" zu "günstigen Preisen" zur Verfügung. So versprach es jedenfalls die Reklame.

Im Werbeschreiben erklärte das Unternehmen, es übernehme die Kosten für das Mietauto so lange, wie die Geschädigten auf das eigene Auto verzichten müssen. Dass die Versicherung selbstverständlich auch die Kosten für die Mietwagen anderer Unternehmen ersetzen muss, blieb unerwähnt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf erklärte dieses Vorgehen für unzulässig (20 U 1/95).

Bei den Kunden könnte aufgrund der Werbung der falsche Eindruck entstehen, Ersatz für die Mietkosten bekämen sie nur, wenn sie bei "carpartner" günstig einen Wagen mieten oder zu noch günstigeren Preisen anderswo. Tatsächlich müsse aber die Versicherung alle "marktgerechten" Mietkosten für Ersatzfahrzeuge anderer Autovermieter erstatten. Die Werbung könnte Kunden in die Irre führen und verstoße gegen das Wettbewerbsrecht, nach dem allen Anbietern von Mietwagen die gleichen Erwerbschancen offen stehen sollten.

Verkehrsunfall auf dem Parkplatz

Gericht geht trotz Vorfahrt eines Beteiligten von Mitverschulden aus

Auf Parkplätzen gilt meistens die Straßenverkehrsordnung. Häufig findet man auch Schilder, die eigens darauf hinweisen. Was aber bedeutet das bei einem Unfall? Rechts vor links - dieser Grundsatz gilt natürlich, bewahrt aber nicht in jedem Fall vor Mithaftung, wie folgender Fall zeigt.

Als auf einem Parkplatz zwei Fahrzeuge kollidierten, war die Rechtslage für den von rechts kommenden Autofahrer klar: Er war der Meinung, seinen Unfallgegner treffe die gesamte Schuld, weil dieser die Vorfahrt missachtet habe. Dem widersprach das Oberlandesgericht (OLG) Köln (18 U 117/94).

Autofahrer müssten auf Parkplätzen besonders umsichtig fahren, betonte das OLG, weil dort ständig Fahrzeuge ein- und ausparkten. Im konkreten Fall hätte der Vorfahrtsberechtigte schon deshalb sehr vorsichtig vorgehen müssen, weil seine Sicht - wie er selbst eingeräumt habe - durch geparkte Fahrzeuge eingeschränkt gewesen sei. Wäre er ständig bremsbereit gefahren und hätte dabei aufmerksam die wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer beobachtet, hätte er den Zusammenstoß vermeiden können. Aus diesem Grund hafte der Autofahrer für die Unfallfolgen zu einem Viertel mit.

Gebrauchtwagen mit falschem Tachostand

Haftet der private Verkäufer für eine unwissentlich falsche Angabe?

Ein Privatmann verkaufte seinen gebrauchten Mercedes. Im vorgedruckten Kaufvertrag des ADAC gab er in der Rubrik "Gesamtfahrleistung, soweit bekannt" an, der Wagen habe 134.000 km auf dem Tacho. Tatsächlich war der Wagen schon 234.000 km gefahren worden. Dies wusste er aber nicht, da er den Wagen selber gebraucht gekauft hatte. Als der Käufer den wahren Tachostand erfuhr, verlangte er einen Teil des Kaufpreises zurück.

Das Landgericht Aachen entschied, dass der Verkäufer nichts zurückzahlen muss (5 S 326/94). Der Mann sei kein Autofachmann. Er habe den Wagen selbst gebraucht gekauft und könne als Laie die wirkliche Gesamtfahrleistung eines Wagens nicht einschätzen. Außerdem stehe im Kaufvertrag "Gesamtfahrleistung, soweit bekannt". Nur wenn der Verkäufer dem Käufer den Tachostand explizit zugesichert und die Gewähr dafür übernommen hätte, dass der Wagen nur 134.000 km gefahren sei, hätte der Käufer Anspruch auf eine Minderung des Kaufpreises.

Eine lässliche Ampelsünde

Kaskoversicherung muss für die Unfallfolgen aufkommen

Weil er einen Parkplatz suchte, hatte ein 71-jähriger Autofahrer nicht bemerkt, dass die Ampel schon eine Sekunde lang Rot zeigte. Er fuhr in die Kreuzung ein und stieß mit dem Querverkehr zusammen. Die Kfz-Kaskoversicherung wollte für den Schaden nicht aufkommen: Der alte Mann habe den Unfall grob fahrlässig verursacht.

Das Amtsgericht Dortmund hielt diesen Vorwurf für übertrieben und gab dem Senior Recht, der seine Kfz-Kaskoversicherung auf Zahlung verklagt hatte (112 C 4668/94). Im Leben eines Autofahrers bestehe immer das Risiko, Fehler zu machen. Bei der Vielzahl von Gefahren im Straßenverkehr falle es rechtlich nicht besonders ins Gewicht, wenn ein abgelenkter Verkehrsteilnehmer eine rote Ampel übersehe. Der Autofahrer sei unaufmerksam gewesen, von grober Fahrlässigkeit könne hier jedoch nicht die Rede sein. Die Kfz-Kaskoversicherung müsse für den Schaden aufkommen.

Bei der Freundin übernachtet

Auf dem Arbeitsweg sind Arbeitnehmer auch gesetzlich unfallversichert, wenn Startpunkt nicht die eigene Wohnung ist

Ein junger Auslieferungsfahrer wohnte noch bei seinen Eltern. Deren Wohnung liegt nur zwei Kilometer entfernt von der Firma, für die er arbeitete. Meistens übernachtete der Mann allerdings bei seiner Freundin, die im Nachbarort lebte (ca. 40 km entfernt). Eines Morgens verunglückte der Arbeitnehmer auf der Fahrt von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte und wurde bei dem Verkehrsunfall schwer verletzt.

Die zuständige Berufsgenossenschaft, Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und zahlte dem Mann kein Verletztengeld. Versichert sei nur der direkte Weg von der Wohnung des Arbeitnehmers zur Arbeitsstätte und zurück.

Nach langem Rechtsstreit setzte sich der Versicherte beim Bundessozialgericht (BSG) durch: Das BSG änderte mit diesem Grundsatzurteil die Rechtsprechung zu Wegeunfällen (B 2 U 2/18 R). Das Sozialgesetzbuch lasse den Startpunkt des Arbeitswegs offen, stellte das BSG fest. Statt der Wohnung des Versicherten könne daher im Prinzip auch ein anderer ("dritter") Ort Ausgangspunkt des Arbeitswegs sein.

Im konkreten Fall habe der Versicherte am Unfalltag die Wohnung seiner Freundin kurz nach 7 Uhr früh verlassen, um von da aus zur Arbeitsstätte zu fahren und dort seine versicherte Tätigkeit als Auslieferungsfahrer anzutreten. Der Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit stehe damit fest.

Für den Versicherungsschutz komme es nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer einen weiteren Arbeitsweg in Kauf genommen habe. Der Versicherungsschutz hänge auch nicht vom Zweck des Aufenthalts am "dritten" Ort ab oder davon, welches Verkehrsmittel der Versicherte benutzt habe. Keines dieser Kriterien werde im Sozialgesetzbuch als Voraussetzung für Versicherungsschutz genannt. Wende man sie weiterhin an, führe das letztlich zu ungerechten Resultaten.

PS: Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gewinnt dieses Urteil weiter an Bedeutung. Auf seiner Basis haben Berufsgenossenschaften schon einige Male Vergleiche mit Versicherten geschlossen, meldet das Landessozialgericht Bayern: Immer ging es dabei um Wegeunfälle im Jahr 2020, bei denen die Arbeitnehmer — coronabedingt, z.B. wegen der Erkrankung eines Familienmitglieds — bei Freunden oder Verwandten übernachtet hatten.

Verzögert aus der Autowaschanlage ausgefahren

Der nächste Fahrer bremst deshalb auf dem Schleppband der Waschstraße: Wer haftet für den Schaden?

Autofahrer A ließ sein Fahrzeug in einer Autowaschanlage reinigen. Als am Ende der Waschstraße die Ampelanlage auf "grün" schaltete, sprang der Wagen nicht sofort an. Das Anlassen gelang A erst nach einer Weile im zweiten Versuch. Diese Verzögerung versetzte im nachfolgenden Auto Herrn B in Panik, weil das Schleppband sein Auto immer näher an das vordere Fahrzeug zog.

Aus Angst vor einer Kollision trat B auf die Bremse und richtete so noch größeren Schaden an. Dadurch rutschte nämlich sein Auto vom Transportband, stieß gegen den Trockner der Waschanlage und wurde dabei erheblich beschädigt. Autofahrer B verklagte Autofahrer A und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz.

Beim Oberlandesgericht Zweibrücken erreichte B nur einen Teilerfolg: Es sprach ihm 30 Prozent der Reparaturkosten zu (1 U 63/19). Nutzer einer Waschanlage müssten nach Abschluss des Waschvorgangs, wenn die Ampelanzeige auf "grün" schalte, sofort wegfahren und die Ausfahrt für die folgenden Autos freimachen. Als Kfz-Halter hafte Autofahrer A — auch unabhängig von Verschulden — für den Autoschaden des B.

Dass er verzögert aus der Waschstraße hinausgefahren sei, habe nämlich die falsche Reaktion des nachfolgenden Autofahrers ausgelöst. Dessen Sorge, die Fahrzeuge könnten zusammenstoßen, sei durchaus berechtigt gewesen. Trotzdem hätte Fahrer B wissen müssen, dass er auf dem Transportband nicht bremsen dürfe. Das sei allgemein bekannt.

Zudem erinnerten Warnhinweise in der Waschanlage die Benutzer ausdrücklich und eindeutig daran. Durch Abbremsen auf dem Schleppband werde die Vorwärtsbewegung des Fahrzeugs verzögert oder gestoppt, während sich das Transportband weiterbewege. Dadurch könne der Wagen gegen Teile der Waschstraße oder gegen andere Fahrzeuge stoßen. Überwiegend habe sich daher Autobesitzer B den Schaden selbst zuzuschreiben.

Fußgängerfreundliche Innenstadt

Stadt Aachen kann mit diesem Projekt kein Fahrverbot begründen

Die Stadt Aachen beschloss, ihre Innenstadt fußgängerfreundlich zu gestalten. Als erste Maßnahme verhängte sie dort ein Fahrverbot für den Privatverkehr, das jeden Samstag gelten sollte. Trotz einschlägiger Verkehrszeichen ("Verbot für Fahrzeuge aller Art") war ein Autofahrer an einem Samstag in der Innenstadt unterwegs. Gegen ihn wurde ein Bußgeld verhängt.

Das Amtsgericht Aachen ersparte ihm die Geldstrafe (49 OWi 79 Js 654/94). In der Straßenverkehrsordnung sei die Gestaltung einer fußgängerfreundlichen Innenstadt nicht geregelt. Ein Fahrverbot an Samstagen komme allenfalls in Frage, um die Verkehrssicherheit zu verbessern oder um die Bevölkerung vor Lärm und Abgasen zu schützen. Den Zweck, Innenstädte so zu ändern, dass sich Fußgänger dort freier bewegen könnten, kenne das Gesetz (noch) nicht. Das zu ändern, sei aber Sache des Gesetzgebers und nicht der Kommune. Derzeit sei jedenfalls ein Bußgeld nicht gerechtfertigt.

Esche fällt auf Porsche

Die Stadt Essen haftet für den Abbruch eines morschen Baums am Straßenrand

Ein Anwohner der Kupferdreher Straße in Essen hörte im Juni 2016 lautes Scheppern. Von einer mehrstämmigen großen Esche, die auf dem Hang neben der Straße stand, war ein "Stämmling" abgebrochen. Er rauschte die Böschung hinunter und krachte auf einen gerade vorbeifahrenden Porsche Carrera. Sofort eilte der Anwohner auf die Straße. Er sah noch den Stämmling die Straße entlang rollen, der Wagen stand quer zur Straße mit Ästen auf dem Dach. Und neben dem Porsche zitterte der unverletzte Autofahrer vor Schreck.

Von der Stadt Essen forderte der Porschefahrer Schadenersatz für Reparaturkosten und Nutzungsausfall des Fahrzeugs. Der Baum sei morsch gewesen und hätte längst gefällt werden müssen, so sein Vorwurf.

Für die Baumkontrolle sei die Straßenverkehrsbehörde der Stadt zuständig, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Für die Unfallschäden müsse sie allerdings nur einstehen, wenn ihre Kontrolleure Anzeichen verkannt, übersehen oder ignoriert hätten, die auf Gefahren durch die Esche hindeuteten (11 U 34/20). Das sei hier der Fall.

Die Behördenmitarbeiter hätten sich mit Sichtkontrollen begnügt, obwohl sie am Baum Krankheitsanzeichen wie Pilzbefall bemerkten. Von der Esche sei schon einmal ein Stämmling abgebrochen, der Baum sei an der Bruchstelle morsch gewesen. Das sei bereits im Sommer 2015 und bei einer weiteren Kontrolle im April 2016 registriert worden.

Angesichts so einer Diagnose müsse man den Baum mit einem Sondierstab genauer auf Kernfäule im Stamm untersuchen, so das OLG, und zwar sofort. Bei Kernfäule werde der Baum instabil, das müsse geschulten Baumkontrolleuren klar sein. Daher sei es zumindest fahrlässig gewesen, weitere Maßnahmen zur Prüfung der Standsicherheit der Esche zu unterlassen. Dieses Versäumnis sei auch zweifellos die Ursache für den beträchtlichen Schaden am Porsche gewesen.

Nach einem Sachverständigengutachten sei der Stämmling wegen Kernfäule abgebrochen und die sei nicht erst 2016 entstanden, wie die Baumexpertin erläutert habe. Bei gründlicher Kontrolle hätten die Behördenmitarbeiter die Kernfäule schon 2015 feststellen können, auf jeden Fall aber im April 2016. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt pflichtgemäß angeordnet hätten, die Esche innerhalb von 14 Tagen zu fällen, wäre der Unfall nicht passiert.

Die Kommune musste dem Porschefahrer rund 38.000 Euro Schadenersatz zahlen.

Hund im Gewerbepark angefahren

Autofahrer war zu schnell unterwegs: 20.000 Euro Entschädigung für verletzte Vorderpfote

Gerade mal vier Monate alt war der Rhodesian Ridgeback Rüde, als sich der Unfall in einem Münchner Gewerbepark ereignete. Der Geschäftsführer einer dort ansässigen Firma hatte den Rüden angeschafft, um ihn als Wachhund einzusetzen. Am Unfalltag führte ein Firmenangestellter das Tier auf dem Privatgelände spazieren. Dort ist eine Höchstgeschwindigkeit von zehn km/h vorgeschrieben.

Weitaus schneller war ein Autofahrer unterwegs, der sich näherte, als der Angestellte eine Straße überquerte. Geistesgegenwärtig zog der Mann den Hund an der Leine so schnell zurück, dass das Auto bei der Kollision "nur" die linke Vorderpfote erwischte. Der Firmen-Geschäftsführer verklagte den Autofahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz für die Behandlungskosten.

Der Autofahrer wies jede Verantwortung für den Unfall von sich: Er sei keineswegs zu schnell gefahren. Vielmehr sei der nicht angeleinte Hund direkt vor den Wagen gesprungen — unberechenbar, wie es für Tiere typisch sei. Der Angestellte habe den jungen und sicher noch nicht gut erzogenen Hund nachlässig beaufsichtigt.

Doch so einfach kamen Autofahrer und Versicherung nicht davon: Das Landgericht (LG) München I sprach der Firma als Tierhalterin 20.000 Euro Entschädigung zu (20 O 5615/18).

Das LG hatte mehrere Zeugen des Unfalls befragt, die bestätigten, dass der Hund angeleint war. Durch ihre Angaben sei auch klar geworden, warum der Autofahrer das Gegenteil angenommen habe, erklärte das LG. Nach dem Zusammenstoß habe sich der Hund nämlich von der Leine losgerissen und sei vor Schmerz heulend auf eine Wiese gelaufen. Von einem Mitverschulden des Angestellten könne nicht die Rede sein: Er habe den Hund nicht frei laufen lassen.

Nicht das unberechenbare Verhalten des Tieres habe zu dem Unfall geführt, der gehe auf das Konto des Autofahrers: Laut Unfallgutachten sei er mindestens 20 km/h gefahren und damit deutlich zu schnell. Zudem hätten Zeugen angegeben, dass er mit dem Handy telefoniert habe. Kein Wunder also, dass er den Mann mit dem Hund übersehen habe.

Nach dem überzeugenden Gutachten eines tiermedizinischen Sachverständigen stehe fest, dass die Behandlungskosten angemessen waren. Bei solchen Verletzungen sei auch eine Physiotherapie notwendig, sofern sich ein Hund noch im Wachstum befinde.

Auto auf dem Firmenparkplatz abgestellt

Kehrt eine Arbeitnehmerin kurz zu ihrem Auto zurück, ist sie bei einem Sturz gesetzlich unfallversichert

Arbeitnehmer sind nicht nur während ihrer beruflichen Tätigkeit, sondern auch auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz gesetzlich unfallversichert — es sei denn, sie unterbrechen den Arbeitsweg aus privaten Gründen. An diesem Rechtsgrundsatz wäre beinahe der Versicherungsschutz für eine Arbeitnehmerin gescheitert, die auf dem Firmenparkplatz der Arbeitgeberin gestürzt war.

Sie hatte dort frühmorgens ihr Auto abgestellt und sich auf den Weg in den Betrieb gemacht. Nach wenigen Metern war die Frau stehengeblieben, weil sie nicht sicher war, ob sie den Wagen abgesperrt hatte. Sie wollte kurz umkehren und am Türgriff ziehen, um das zu überprüfen. Auf dem Rückweg stolperte die Arbeitnehmerin aus ungeklärten Gründen, stürzte und verletzte sich am Knie.

Die Verletzte hielt ihr Malheur für einen Arbeitsunfall und verlangte Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung. Doch die zuständige Berufsgenossenschaft — Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung — winkte ab: So wie die Arbeitnehmerin den Unfall dargestellt habe, sei sie auf dem Parkplatz aus privaten Motiven zu ihrem Auto zurückgekehrt. Damit habe sie den direkten Weg zur Arbeitsstelle unterbrochen.

So sah es auch das Sozialgericht Landshut. Doch die Frau legte gegen das Urteil Berufung ein und hatte beim Bayerischen Landessozialgericht Erfolg (L 3 U 54/20). Direkt, nachdem sie aus dem Wagen ausgestiegen war, sei die Versicherte ca. zwei Meter zurückgegangen, um zu prüfen, ob er verschlossen war, erklärte das Gericht. Durch eine so geringfügige Unterbrechung des Arbeitswegs entfalle der Unfallversicherungsschutz nicht.

Anders sei die Sachlage zu beurteilen, wenn ein Arbeitnehmer während des Arbeitswegs kurz anhalte, z.B. um beim Bäcker Brot zu besorgen oder an einem Geldautomaten Bargeld zu holen. Wer sich bei privaten Besorgungen verletze, die nicht "ganz nebenher erledigt werden können", sei nicht gesetzlich unfallversichert.

Gestürzte Radfahrerin verklagt Reiter

Beide Verkehrsteilnehmer waren verbotenerweise auf einem Gehweg unterwegs

In einer Unterführung unter dem Münchner Isarring trafen zwei Verkehrsteilnehmer aufeinander, die verbotswidrig auf dem Gehweg unterwegs waren. Eine Radfahrerin näherte sich von hinten einem Reiter. Sie klingelte und wollte am Pferd vorbeifahren. Weil die Frau beim Überholen mit dem Vorderrad einen leicht erhöhten Randstein links vom Gehweg berührte, stürzte sie und erlitt einen Oberschenkelhalsbruch.

Vom Reiter forderte die Radfahrerin 25.000 Euro Schmerzensgeld: Als Tierhalter müsse er dafür haften, dass sein Pferd den Unfall ausgelöst habe. Das Tier sei nach links geschwenkt, als sie überholte. Nur deshalb habe sie zum Randstein hin ausweichen müssen. Außerdem hätte der Mann sowieso nicht auf einem Pferd durch die Unterführung reiten dürfen.

Verwunderlich wäre es nicht, wenn das Pferd durch das heftige Klingeln erschreckt worden wäre. Doch der Reiter bestritt entschieden, dass sich das Tier abrupt nach links bewegt hatte.

Das Landgericht München I fand seine Darstellung des Vorfalls genauso glaubwürdig und plausibel wie die Version der Radfahrerin. Deshalb entschied es den Streit zu Gunsten des Reiters. Denn: Wer Entschädigung verlangt, muss die Schuld der anderen Seite beweisen. Im konkreten Fall hätte also die verletzte Frau beweisen müssen, dass das Pferd ihren Sturz verursacht hatte. Das sei nicht gelungen, urteilte das Landgericht (19 O 6004/20).

Dass der Mann unzulässig den Gehweg entlang geritten sei, spiele hier keine Rolle. Erstens habe sich dieser Umstand für sich genommen nicht auf den Unfall ausgewirkt. Zweitens sei der Gehweg weder für Fahrräder, noch für Reitpferde freigegeben. Da sie also selbst verkehrswidrig geradelt sei, könne die Radfahrerin ihren Anspruch nicht mit einem Verkehrsverstoß des Reiters begründen.

Letztlich habe sie sich den Unfall überwiegend selbst zuzuschreiben. Angesichts der Breite des Gehwegs hätte sie nämlich in der Unterführung das Überholmanöver gar nicht erst beginnen dürfen. Sogar nach ihren eigenen Angaben sei sie viel zu nah am Pferd vorbeigefahren. Wer ein Pferd oder einen Radfahrer überhole, müsse einen Abstand von mindestens 1,5 Metern einhalten. Nur dann könne der oder die Überholende auf plötzliche Reaktionen des Tieres oder auf Schlenker des Fahrradfahrers reagieren.

Ehemann stirbt bei verschuldetem Verkehrsunfall

Seine Kfz-Haftpflichtversicherung muss die Behandlungskosten der verletzten Ehefrau übernehmen

Beim Abbiegen mit dem Leichtmotorroller wurde ein Ehepaar vom hinter ihm fahrenden Auto erfasst. Der Ehemann, der den Motorroller lenkte, starb noch an der Unfallstelle. Die Frau wurde schwer verletzt und blieb querschnittgelähmt. Der Rollerfahrer und der Autofahrer hatten den Unfall gleichermaßen verschuldet. Für die Krankenhauskosten der Ehefrau wollte die Haftpflichtversicherung ihres Mann jedoch nicht aufkommen.

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm müssen beide Haftpflichtversicherungen, also die des Ehemannes und die des Autofahrers, jeweils die Hälfte der Kosten übernehmen (6 U 227/93). Die Ehefrau sei durch den Unfall zur Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes geworden. Damit habe sie als Unfallgeschädigte Anspruch auf Schadenersatz von der Haftpflichtversicherung ihres Ehemannes. Gleichzeitig gehe der Versicherungsvertrag auf sie als Erbin über.

Zwar führten in der Regel solche Konfusionen (Zusammenfallen von Anspruchsteller und Antragsgegner in einer Person) zum Erlöschen der Forderung. Hier spiele das aber keine Rolle. Im konkreten Fall überwiege das schützenswerte Interesse der Ehefrau an ihrem Schadenersatz.

Verkehrssünder beantragt neue Fahrerlaubnis

Nach 1,3-Promille-Fahrt kann die Behörde unter Umständen ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangen

Autofahrer B war mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille am Steuer seines Autos erwischt und wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden. Natürlich war damit auch der Führerschein weg. Nach der Zwangspause beantragte der Verkehrssünder bei der Stadt Kassel, ihm wieder eine Fahrerlaubnis zu erteilen.

Die zuständige Behörde forderte ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Man müsse erst einmal klären, ob auch künftig zu befürchten sei, dass er sich nach Alkoholkonsum ans Lenkrad setzen werde. Schließlich gebe es starke Indizien für Alkoholmissbrauch.

Nach einem "einmaligen Ausrutscher" sei dieser Verdacht unverschämt, fand Herr B. Er weigerte sich, ein Gutachten beizubringen. Da die Behörde darauf beharrte, zog der Autofahrer vor Gericht, um seinen Führerschein zurückzubekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht urteilte, die kommunale Behörde habe zu Recht vom Verkehrssünder ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangt (3 C 3.20). Richtig sei: Üblicherweise werde so ein Gutachten erst ab einem Wert von 1,6 Promille und mehr gefordert, räumten die Bundesrichter ein. Doch hier gebe es einen sachlichen Grund, davon abzuweichen.

Herr B habe seinerzeit trotz eines hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt. Das bedeute, dass er es gewöhnt sei, große Mengen an Alkohol zu konsumieren. In solchen Fällen bestehe erhöhte Rückfallgefahr. Auch oder gerade Menschen, die viel vertragen, könnten die Wirkungen des Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen. Deshalb sei es angebracht, die Eignung von B zum "Führen eines Kfz" zu prüfen.

Getrenntes Ehepaar streitet um Kfz-Brief

Ehemann muss ihn nicht übergeben: Fahren kann die Frau mit dem Familienauto auch ohne Kfz-Brief

Ein Ehepaar hatte sich getrennt und ein gerichtliches Verfahren zur Aufteilung der Haushaltsgegenstände eingeleitet. Wem der gemeinsam genutzte VW-Bus gehörte, war umstritten. Jedenfalls hatte der Ehemann der Ehefrau einstweilen das Familienauto "zum Gebrauch überlassen", wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) heißt.

Zusätzlich verlangte sie von ihm den Kfz-Brief (jetzt: Zulassungsbescheinigung Teil II). Den herauszugeben, lehnte der Ehemann jedoch ab. Nun sollte die Justiz den Konflikt lösen. Das Amtsgericht war der Ansicht, die Ehefrau sei die Eigentümerin des Fahrzeugs. Daher stehe ihr auch der Kfz-Brief zu.

Doch das Oberlandesgericht Brandenburg gab dem Ehemann Recht (13 UF 114/20). Die Ehefrau sei auf ein Fahrzeug angewiesen, aber nicht auf den Kfz-Brief. Um mit dem VW-Bus zu fahren, benötige sie nur den Kfz-Schein (jetzt: Zulassungsbescheinigung Teil I). Nutzen könne sie also das Familienauto ohnehin.

Unabhängig von der Eigentumsfrage habe ein getrenntlebender Ehepartner gegen den anderen Partner Anspruch auf die Herausgabe von Haushaltsgegenständen, wenn er/sie diesen Gegenstand benötige, um einen eigenen Haushalt zu führen (§ 1361a BGB). Die Eigentumsverhältnisse würden dadurch nicht verändert. Wieso ein Kfz-Brief erforderlich sein sollte, um einen eigenständigen Haushalt zu führen, sei nicht ersichtlich.

Reifenplatzer auf der Autobahn

Die Vollkaskoversicherung muss den Schaden nur übernehmen, wenn es sich um einen Unfall handelt

Im November 2017 hatte der Autofahrer in einer Kfz-Werkstatt die Winterreifen montieren lassen. Er holte seinen Mercedes E 270 dort ab und fuhr auf die Autobahn A 5. Während der Fahrt platzte plötzlich mit lautem Knall der linke Hinterreifen. Dem Autofahrer gelang es mit Müh und Not, den schleudernden Wagen auf dem Standstreifen anzuhalten. Die gelösten Reifenteile beschädigten Radkasten, die linke Seitenwand und den Stoßfänger. Die Vollkaskoversicherung übernahm den Schaden nicht.

Nach Ansicht ihres Kfz-Sachverständigen lag ein Totalschaden vor, den die Versicherung aber nicht regulieren müsse: In der Lauffläche des Reifens habe er keinen Fremdkörper gefunden — die Ursache für den Reifenschaden stehe nicht fest. Daraufhin klagte der Mercedes-Besitzer auf Zahlung. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe beauftragte einen auf Reifen spezialisierten Sachverständigen mit der Ursachenforschung (9 U 124/18).

Vollkaskoschutz bestehe bei einem Reifenplatzer nur, wenn es sich um einen Unfall handle, erklärte das OLG, d.h. um ein "von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis". Das treffe zu, wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platze. Wenn der Reifen dagegen durch eine "innere" Ursache platze — wegen falschen Luftdrucks, wegen eines bereits vorher vorhandenen Reifenschadens, wegen fehlerhafter Montage —, handle es sich nicht um einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen.

Nach dem Gutachten des Reifensachverständigen habe im konkreten Fall falsche Montage den Reifenschaden verursacht, der letztlich zum Platzen führte. Daher müsse die Versicherung für den Schaden nicht einstehen. Der Fehler sei nicht am Unfalltag, sondern schon ein, zwei Jahre früher passiert, als die Winterreifen auf Felgen aufgezogen wurden. Es sei nicht außergewöhnlich, dass es länger dauere, bis sich ein so verursachter Reifenschaden bemerkbar mache.

Es gehe hier um Runflat-Reifen, deren Montage viel komplizierter sei als die normaler Reifen. Das setze Spezialwissen beim Monteur und besonderes Werkzeug voraus. Dass der Wulstkern des Reifens durch fehlerhafte Montage beschädigt wurde, erkenne man vor allem an den Werkzeugspuren an der Felge, die bei korrekter Montage mit Spezialwerkzeugen nicht entstehen könnten. Wenn sogar der Wulstkern eines Reifens reiße, setze das einen Vorschaden zwingend voraus. Das sei nicht durch das Eindringen eines Fremdkörpers möglich, z.B. durch einen auf der Autobahn liegenden Nagel.

Auto auf dem Werkstattgelände geklaut

Den Autoschlüssel in den Werkstatt-Briefkasten zu werfen, ist nicht immer grob fahrlässig

Für Autofahrer mit 8-Stunden-Job ist es gar nicht so einfach, das Auto während der Öffnungszeiten in die Werkstatt zu bringen. Da bietet es sich geradezu an, den Wagen am Vortag auf dem Werkstattgelände abzustellen und den Autoschlüssel in den Briefkasten zu werfen. Ist das wegen der Diebstahlsgefahr leichtsinnig? In der Regel schon, sagt die Rechtsprechung — aber eben nicht immer.

Das Landgericht Oldenburg hatte so einen Fall zu entscheiden: Der Autobesitzer hatte den Fahrzeugschlüssel am Sonntagabend in den Briefkasten gesteckt und den Wagen vor dem Autohaus geparkt. Am Montagmorgen war der Wagen weg. Der Autobesitzer habe den Diebstahl durch grob fahrlässiges Verhalten erleichtert, erklärte die Kaskoversicherung und weigerte sich, den Verlust zu ersetzen.

Die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers hatte beim Landgericht Oldenburg Erfolg (13 O 688/20). Ausschlaggebend seien die Umstände des Einzelfalles, so das Landgericht. So komme es z.B. darauf an, wie der Briefkasten beschaffen sei: Mache er den Eindruck, man könne einen Schlüssel leicht wieder herausziehen? Oder legten andere Umstände den Verdacht nahe, der Schlüssel sei dort nicht sicher?

Im konkreten Fall treffe das nicht zu. Der Briefkasten sei sehr stabil und sehe auch so aus, als sei er nicht leicht aufzubrechen. Außerdem sei er so groß, dass ein von oben in den Schlitz geworfener Schlüssel weit falle. Da hätten sich dem Autobesitzer keine Bedenken aufdrängen müssen, unbefugte Dritte könnten den Schlüssel aus dem Briefkasten herausfischen. Der Versicherungsnehmer habe auch darauf geachtet, dass der Schlüssel wirklich nach unten fiel.

Dazu komme: Der Briefkasten hänge zwar im Eingangsbereich des Autohauses, aber schlecht sichtbar — weit zurückgesetzt im Gebäude, hinter den Schaufenstern der Ausstellung. Vor dem Eingang rage ein Vordach weit hinaus. Angesichts dieser Örtlichkeit habe man durchaus den Eindruck, der Briefkasten befinde sich in einem geschützten Bereich. Dass der Versicherungsnehmer den Diebstahl durch grob fahrlässiges Verhalten begünstigt habe, könne man ihm daher nicht vorwerfen: Die Versicherung müsse den Schaden regulieren.

Autokreditvertrag nach drei Jahren widerrufen

Verbraucher können wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung aus einem Verbraucherdarlehensvertrag aussteigen

Grundsätzlich können Verbraucher Kreditverträge mit Unternehmen und Banken innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss und Erhalt der Widerrufsbelehrung widerrufen. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt jedoch nicht zu laufen, wenn der Kreditnehmer über sein Widerrufsrecht nicht richtig informiert wurde. Dann können sich Verbraucher zeitlich unbefristet vom Vertrag lösen. Im konkreten Fall widerrief ein Autokäufer im Juni 2019 einen Darlehensvertrag, den er im März 2016 mit der VW-Bank abgeschlossen hatte.

2016 hatte er den Kauf eines VW Passat mit einem Kredit der VW-Bank finanziert. 2019 verlangte er von der Bank — gegen Rückgabe des Fahrzeugs — die gezahlten Kreditraten zurück. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle (3 U 47/20). Nach den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei die Widerrufsbelehrung der Volkswagen Bank unklar, also fehlerhaft.

Laut Widerrufsbelehrung beginne die Widerspruchsfrist des Kreditnehmers zu laufen, wenn er alle Pflichtangaben zum Verbraucherkreditvertrag "nach § 492 Abs.2 BGB" erhalten habe. Dieser BGB-Paragraf verweise wiederum auf "vorgeschriebene Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch". Der Hinweis auf § 492 sei deshalb vom EuGH als unverständlicher Kaskadenverweis kritisiert worden: Der Verbraucher müsse mehrere Gesetze studieren, um zu ermitteln, wann die Widerspruchsfrist zu laufen beginne (EuGH-Urteil vom 26.3.2020, Az. C-66/19).

Zwar könnten Verbraucherkreditverträge trotz dieses Mangels nicht ohne Weiteres widerrufen werden, so das OLG: Deutsche Banken verwendeten nämlich die kritisierte Formulierung, weil sie in einem gesetzlichen Musterformular stehe. Sie müssten sich also daran halten, bis der Gesetzgeber das Formular im Sinne des EuGH korrigiere.

Im konkreten Fall sei der Widerruf aber wirksam, weil das gesetzliche Muster falsch umgesetzt worden sei: Die Bank habe in die Widerrufsbelehrung den unnötigen Hinweis aufgenommen, dass der Kreditnehmer bei einem Widerruf nicht mehr an die Restschuldversicherung gebunden sei, die der VW-Kunde jedoch gar nicht abgeschlossen habe.

Wegen dieses Hinweises entspreche die Belehrung nicht der gesetzlichen Vorgabe, so das OLG. Das sei zwar nur ein formaler Fehler. Es sei aber nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Kreditnehmer sich darauf berufe. Daher dürfe er das Auto zurückgeben und könne die Rückzahlung der Kreditraten verlangen. Den Wertverlust durch die Nutzung des Wagens müsse er allerdings ersetzen.

Kfz-Werkstatt sollte Fehlerursache suchen

Dann steht ihr auch Werklohn für Leistungen zu, die nicht direkt zum Reparaturerfolg beitragen

Ein Autofahrer hatte Probleme mit seinem Wagen: Er sprang schlecht an, der Motor lief unruhig, die Fahrleistung verminderte sich. Deshalb brachte der Mann den Wagen in eine Kfz-Markenwerkstatt. Die Fahrzeugdiagnose zeigte Zündaussetzer an, der Werkstattinhaber vermutete einen Fehler im Ansaugsystem. Zunächst wurde aber nicht repariert. Eine Woche später verlangte der Kunde, die Zylinderkopfhaube auszutauschen. Der Kfz-Unternehmer erklärte ihm, es sei nur eine Vermutung, dass das die "Wurzel des Übels" sein könnte.

Da der Kunde aber auf dem Auftrag bestand, wurde dem Werkstattvertrag hinzugefügt: "Die Reparatur erfolgt auf Kundenwunsch ohne gesicherte Diagnose". Die Zylinderkopfhaube wurde ersetzt. Weil das aber die Defizite nicht behob, wurden — abgesprochen mit dem Autobesitzer — nach und nach Injektoren, Zündspulen und Kerzen ausgewechselt, sodann das Steuergerät und die Lambdasonde. Danach waren die Probleme beseitigt.

Doch die Rechnung über 6.340 Euro wollte der Kunde nicht bezahlen: Für unnütze Reparaturen habe er keinen Auftrag erteilt. Die Werkstatt habe die Fehler beheben und nicht "Verdachtsreparaturen" durchführen sollen. Verpflichtet sei er nur dazu, die wirklich notwendigen Arbeiten zu vergüten, so sein Standpunkt. Dem widersprach das Oberlandesgericht (OLG) Hamm: Es entschied den Streit zu Gunsten des Werkstattinhabers (12 U 177/19).

Hier seien die Besonderheiten eines Kfz-Reparaturvertrags zu beachten, erklärte das OLG. Wenn die Fehlerursache unbekannt sei, müsse der Mechaniker zunächst danach suchen und technische Prüfungen vornehmen, um anschließend den Fehler reparieren zu können. Mögliche Fehlerquellen müssten geprüft und nacheinander ausgeschaltet werden, bis die tatsächliche Ursache entdeckt werde. Insofern seien alle durchgeführten Arbeiten der Werkstatt sinnvoll und nötig gewesen.

Natürlich müsse die Werkstatt bei der Fehlersuche wirtschaftlich arbeiten und zuerst die wahrscheinlichsten Ursachen überprüfen. Grundsätzlich gelte aber: Wenn der Unternehmer mit der Fehlersuche beauftragt sei, müsse der Kunde auch die Arbeiten bezahlen, die nicht direkt zum Reparaturerfolg beitragen. Dass sich der Mechaniker bei der Fehlersuche vom Hersteller-Diagnoseprogramm leiten ließ, sei laut Sachverständigengutachten die völlig korrekte Vorgehensweise: Sie zeige zuverlässig die wahrscheinlichsten Fehler an.