Auto und Verkehr

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SUV in der Waschanlage beschädigt

Anlageninhaber haften nicht automatisch für jeden Autoschaden

Ein Autobesitzer ließ sein breites Geländefahrzeug in einer Autowaschanlage reinigen. Vor der ersten Waschrolle wurde der Wagen vom Förderband auf der linken Seite etwas angehoben. Ein Mitarbeiter stoppte die Waschanlage. Doch auch ein zweiter Versuch schlug fehl. Der Wagen blieb schmutzig. Schlimmer noch: Vorne blieben Dellen und Lackkratzer zurück.

Vom Inhaber der Waschanlage forderte der SUV-Fahrer Schadenersatz für die Reparaturkosten. Seine Zahlungsklage scheiterte jedoch beim Landgericht Frankenthal (4 O 50/21). Prinzipiell hafteten Waschanlagenbetreiber für Autoschäden, die bei der Autowäsche entstehen, so das Landgericht. Aber auch von dieser Regel gebe es Ausnahmen, z.B. wenn ein Fahrzeug defekt gewesen sei oder der Kunde sich in der Anlage falsch verhalten habe. Das könne man hier ausschließen.

Darüber hinaus hafte der Anlagenbetreiber für Schäden auch dann nicht, wenn er nachweisen könne, dass er für den Fehler nicht verantwortlich war. Und das treffe hier zu. Die Waschanlage werde regelmäßig und sorgfältig kontrolliert: Sie werde alle sechs Monate gewartet und täglich einer Sichtprüfung mit Testwäsche unterzogen. Dabei gehe ein Mitarbeiter neben dem Förderband her und beobachte den Vorgang.

Sie funktioniere einwandfrei: Weder vor, noch direkt nach dem Schadensfall sei ein Defekt an der Anlage entdeckt worden. Die Mitarbeiter hätten den Betrieb nach dem strittigen Vorfall auch ohne Probleme wieder aufgenommen und fortgesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Inhaber den Schaden am Geländefahrzeug hätte vermeiden können, seien nicht zu erkennen. (Der Autobesitzer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Radfahrerin stürzt an Straßenbaustelle

Ist der Straßenbelag aufgefräst, müssen Bauarbeiter die Straße sperren oder Warnschilder aufstellen

Für die Stadtwerke verlegte ein Bauunternehmen an einer abschüssigen Straße Leitungen. Auf der linken Straßenseite hatten die Bauarbeiter den Asphalt aufgefräst und die Rinne provisorisch mit lockeren Steinen wieder aufgefüllt. Bergab fuhr eine Radfahrerin an der Baustelle vorbei. Da die Geradeausfahrt zu diesem Zeitpunkt gesperrt war, musste sie an einer Kreuzung nach links abbiegen und dabei die Rinne queren.

In der Rinne rutschte das Hinterrad weg. Die Frau stürzte, brach sich den linken Ellenbogen und verletzte sich am linken Handgelenk. Sie verspürt immer noch Schmerzen, kann den linken Arm dauerhaft nur eingeschränkt bewegen. Vom Straßenbauunternehmen forderte die Verletzte Schadenersatz und 8.500 Euro Schmerzensgeld. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (9 U 59/19).

Das Unternehmen sei für den Unfall verantwortlich, weil seine Mitarbeiter den Straßenbelag auffrästen und die Straße dann im provisorischen Zustand für den Verkehr freigaben. Die nur mit Sand, Kies und kleinen Steinen aufgefüllte Rinne sei für Radfahrer offenkundig gefährlich gewesen. Daher hätten die Bauarbeiter die Straße sperren oder Warnschilder aufstellen müssen ("Radfahrer absteigen" oder "unebene Fahrbahn").

Anwohner hätten beobachtet, dass an diesem Tag mehrere Radfahrer an der Unfallstelle stürzten oder sich nur mit Müh und Not auf dem Rad halten konnten. Hohe Unfallgefahr habe auch der Sachverständige festgestellt, der in seinem Gutachten das Sturzrisiko für Radfahrer auf 80 Prozent schätzte (d.h. von fünf Radfahrern könne nur einer so eine Rinne problemlos durchfahren). Das gelte erst recht, wenn Radfahrer bergab im Bereich einer Kreuzung eine Kurve fahren müssten.

Die Verletzte sei weder schnell gefahren, noch treffe sie aus anderen Gründen irgendein Mitverschulden. Auf einer asphaltierten Straße in einem Wohngebiet müssten Radfahrer nicht damit rechnen, dass plötzlich — ohne irgendeinen Warnhinweis — der Straßenbelag fehle. Anders als auf einem Waldweg bestehe hier kein Anlass, besonders auf den Boden aufzupassen. Abgesehen davon, habe die Radfahrerin die Rinne schon wegen der Baustellenabsperrung zunächst gar nicht sehen können. Sie habe erst kurz vor dem Queren das lockere Material bemerkt, in dem das Fahrrad keinen Halt fand.

Unfallwagen zu spät reparieren lassen?

Der Unfallgeschädigte darf mit dem Reparaturauftrag bis zur Regulierungszusage des Kfz-Versicherers warten

Am 24.4.2020 wurde bei einem Verkehrsunfall der "Seat Leon" von Autofahrer A stark beschädigt. Der Zusammenstoß ging eindeutig auf das Konto von Autofahrer B. Da der Seat nicht mehr verkehrssicher war, ließ A den Wagen abschleppen und auf dem Gelände der Abschleppfirma abstellen. Dem Kfz-Versicherer von B schickte er das Schadensgutachten und bat darum, die geschätzten Kosten von 10.300 Euro netto so schnell wie möglich zu überweisen: Er könne die Reparatur nicht vorfinanzieren.

Die Versicherung ließ sich Zeit und rückte erst am 18.6., also nach sieben Wochen, 6.815 Euro heraus. Nach dieser Teilzahlung gab A die Reparatur in Auftrag. Zu den Reparaturkosten kamen mittlerweile Standgebühren für sieben Wochen dazu, die ihm die Abschleppfirma in Rechnung stellte.

Der Kfz-Versicherer zahlte nur einen Teil der Standgebühren und der geforderten Nutzungsausfallentschädigung. Begründung: A habe die Reparatur unnötig hinausgezögert und so den zu ersetzenden Schaden erhöht.

Diesen Vorwurf wies das Amtsgericht Wiesbaden als unbegründet zurück (93 C 3797/20). Auch wenn die Reparatur erst ca. zwei Monate nach dem Unfall in Auftrag gegeben wurde: Herr A habe keineswegs gegen seine Pflicht verstoßen, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Schließlich habe er dem Versicherer schon im ersten Schreiben mitgeteilt, dass er die Reparatur nicht aus eigenen Mitteln bestreiten könne.

An dieser Aussage gebe es keinen Zweifel. Herr A habe einen Kontoauszug vorgelegt, nach dem sein Girokonto am 5.5.2020 ein Guthaben von 5.080 Euro aufwies. Zu genaueren Auskünften über die Vermögensverhältnisse seien Unfallgeschädigte nicht verpflichtet. Sie müssten für die Reparatur auch keinen Kredit aufnehmen, sondern dürften die Regulierungszusage der Kfz-Versicherung abwarten.

Dass die Versicherung dafür so lange brauchte, müsse sie auf ihre eigene Kappe nehmen. Auch die Entscheidung des Unfallgeschädigten, den Unfallwagen kostenpflichtig bei der Abschleppfirma abzustellen, sei keine Geldverschwendung, sondern zweckmäßig gewesen. A habe damit ja nicht mehr fahren können. Zudem habe er die Versicherung zur Eile gemahnt. Das Risiko, dass sich durch eine verzögerte Reparatur die Kosten erhöhten, trage der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers.

Keine Kabel-Stolperfalle auf dem Gehweg

Hausbesitzer darf seine Elektrofahrzeuge nicht vor dem Grundstück aufladen

Bei der Stadt Oberursel beantragte ein Hauseigentümer eine "Sondernutzungserlaubnis für den öffentlichen Verkehrsraum". Er wollte direkt vor seinem Grundstück seine zwei Kraftfahrzeuge aufladen: ein Plug-In-Hybridfahrzeug und ein Elektroauto.

Die Idee des passionierten Klimaschützers: zwei Kabelleitungen über den Gehweg hin zur Straße verlegen und die Elektroleitungen mit Kabelbrücken abdecken. Die Kabelbrücken seien höchstens 4,3 cm hoch und auffällig gelb-schwarz markiert, so dass Fußgänger die Leitungen gefahrlos überqueren könnten.

Daran mochte die Kommune jedoch nicht glauben. Sie hielt die Kabel für Stolperfallen und lehnte den Antrag ab. Dagegen klagte der Hauseigentümer: Die Kommune tue nichts für Klimaschutz und für die Mobilitätswende, stelle kaum Ladesäulen auf. Er benötige also eine Sondererlaubnis für die Kabel, um seine Fahrzeuge jederzeit aufladen zu können.

Doch das Verwaltungsgericht Frankfurt gab der Stadt Oberursel Recht (12 K 540/21.F). Sie habe sich korrekt nur am Gesichtspunkt "Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs" orientiert. Kabelbrücken auf dem Gehweg stellten generell eine Stolperfalle und für Personen mit Gehbehinderung ein Hindernis dar. Für Menschen, die auf einen Rollstuhl oder auf einen Rollator angewiesen seien, würden sie zur Barriere — und das bei jedem Ladevorgang vier bis sechs Stunden lang.

Gehwege müssten barrierefrei sein. Dieses öffentliche Interesse sei höher zu bewerten als das private Interesse des Autofahrers, seine Elektroautos direkt vor dem Haus aufladen zu können. Dass Klimaschutz zu den Zielen des deutschen Staates gehöre, ändere daran nichts. Daraus könne der Hauseigentümer kein Recht auf eine Sondernutzungserlaubnis für das Verlegen von Kabelleitungen ableiten. Mobil bleibe er ja trotzdem jederzeit. Da er über zwei Fahrzeuge verfüge, könne er diese nacheinander zu einer Ladestation bringen.

Nur eine "Bewährungsstrafe" bei Alkoholdelikt?

Trotz tödlicher Unfallfolgen ist bei "günstiger Täterprognose" Bewährung möglich

Bei einer nächtlichen Fahrt mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,43 Promille hatte ein Autofahrer zwei ihm entgegenkommende, unter Alkohol und Haschisch stehende kanadische Soldaten erfasst und getötet, einen dritten verletzt. Bei so schweren Folgen eines Verkehrsdelikts liegt es für das Gericht eher nahe, die Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen.

Dennoch muss der Strafrichter auch bei solchen Taten die besonderen Umstände des Einzelfalls beachten, urteilte der Bundesgerichtshof (4 StR 4/94). Manchmal sei trotz erheblicher Schuld eine Bewährungsstrafe angebracht. Das gelte vor allem dann, wenn schon die Verurteilung dem Angeklagten zur Warnung diene und deshalb zu erwarten sei, dass er nicht mehr straffällig werde (d.h. bei einer günstigen Täterprognose).

Im vorliegenden Fall leide der Angeklagte unter der Tat besonders stark, sehe sich als "Mörder". Seine Freundin habe sich nach dem Unfall von ihm getrennt. Die Tat stelle offensichtlich ein einmaliges Versagen dar und sei zudem von einem der berauschten Soldaten mitverursacht worden.

Eine Bewährungsstrafe werde in so einem Fall auch bei der Bevölkerung nicht auf Unverständnis stoßen, die von den Medien über die besonderen Umstände dieses Falles informiert worden sei. Daher könne man von einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe absehen, ohne dadurch das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit des Rechts zu erschüttern.

Ferrari bleibt an Gullydeckel hängen

Die Kommune muss für den überwiegend "bauartbedingten" Schaden nicht haften

Ein Gullydeckel wurde einem Sportwagenfahrer zum Verhängnis: Sein Ferrari F40, der nur 12,5 Zentimeter über der Straße liegt, setzte auf. Dabei entstand ein Schaden an der Karosserie, dessen Reparatur rund 60.000 Euro kostete. Der Autobesitzer und seine Kfz-Versicherung forderten Schadenersatz von der Kommune: Die Gemeinde müsse Gefahrenstellen auf ihren Straßen beseitigen oder zumindest Warnschilder aufstellen.

Doch die Haftpflichtversicherung der Kommune sah das ganz anders und lehnte jede Zahlung ab: Bei einem so extrem tiefergelegten Sportwagen müsse der Fahrer selbst darauf achten, wo er fahren könne und wo nicht. Der Unfall sei nur passiert, weil der Ferrari so wenig Bodenfreiheit habe. Das Oberlandesgericht Koblenz gab der Kommune Recht und lehnte die Schadenersatzklage ab (12 U 1012/21).

Die Straßenbehörde müsse nicht sicherstellen, dass alle für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge eine Straße befahren könnten. Autos mit extrem geringer Bodenfreiheit seien eben nicht für alle Straßen geeignet. Ein Ferrari sei nicht generell "alltagstauglich". Im konkreten Fall rage der Gullydeckel nicht nennenswert über die Straßenoberfläche hinaus. Aber die Straße sei gewölbt und falle seitlich zum Gehweg hin ab.

Fahrer tiefergelegter Sportwagen müssten auf solche Bodenunebenheiten besonders achten. Denn durch die spezielle Bauart dieser Fahrzeuge könnten sie leicht aufsetzen: Das Risiko sei aufgrund ihrer geringen Bodenfreiheit weitaus höher als bei "normalen" Autos. Das höhere Risiko müssten Sportwagenfahrer durch Aufmerksamkeit und Vorsicht ausgleichen. Die Tatsache, dass der Ferrari serienmäßig so produziert werde und dennoch für den Straßenverkehr zugelassen sei, ändere daran nichts.

Vorsicht beim Aussteigen aus dem Auto!

Auch in einer verkehrsberuhigten Zone müssen Autofahrer dabei besonders aufpassen

Ein Taxifahrer hielt am rechten Straßenrand an. Er öffnete die Fahrertür, um auszusteigen und sah dabei den Fahrgast auf dem Beifahrersitz an — und nicht zurück auf die Straße. Die Fahrertür stieß beim Öffnen gegen einen gerade von hinten heranfahrenden Renault. Die Renault-Fahrerin forderte vom Taxifahrer und seiner Haftpflichtversicherung Schadenersatz für die Reparaturkosten.

Das Amtsgericht gab ihr Recht. Der Taxifahrer legte mit dem Argument Berufung ein, dass die Autofahrerin im verkehrsberuhigten Bereich mit 20 km/h zu schnell unterwegs gewesen sei. Damit erreichte er beim Landgericht Saarbrücken allerdings nur einen Teilerfolg (13 S 135/21). Grundsätzlich habe die Autofahrerin Anspruch auf Schadenersatz, so das Landgericht, weil der Taxifahrer durch Unachtsamkeit den Unfall verursacht habe.

Auch und gerade in einem verkehrsberuhigten Bereich seien Autofahrer verpflichtet, beim Ein- und Aussteigen darauf zu achten, dass andere Verkehrsteilnehmer durch das Öffnen der Türe nicht geschädigt würden. Sie müssten sich sorgfältig vergewissern, dass sie niemanden gefährdeten und dabei besonders auf den fließenden Verkehr aufpassen. Diese Regeln habe der Taxifahrer ignoriert.

Ein Viertel des Schadens müsse die Renault-Fahrerin jedoch selbst tragen, weil sie sich in der verkehrsberuhigten Zone nicht an die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit gehalten habe. Wenn der beschädigte Wagen zu schnell vorbeifahre, begründe dies eine Mithaftung wegen "erhöhter Betriebsgefahr".

Ein Ausstellungsauto ist kein Neuwagen

Die Autokäuferin kann den Kaufpreis des Fahrzeugs um 1.000 Euro mindern

In einer Münchner Niederlassung von Mercedes kaufte Frau X Ende 2019 einen Sportwagen: statt zum Listenpreis von 61.788 Euro zum Schnäppchenpreis von 54.604 Euro. Der bereits 2018 hergestellte Wagen war in einer anderen Mercedes-Niederlassung ausgestellt. Besucher konnten ihn dort besichtigen, gefahren war aber noch niemand damit.

Etwa einen Monat nach dem Kauf benötigte die Autofahrerin Pannenhilfe, weil die Batterie defekt war. Nach und nach entdeckte sie Kratzer, kleine Dellen und Abschürfungen an den Einstiegsleisten. Ein fabrikneues Fahrzeug könne das nicht sein, reklamierte Frau X: Das Auto sei ihr schon gebraucht übergeben worden. Man habe ihr zwar mitgeteilt, dass das Lagerfahrzeug aus einer anderen Niederlassung überführt werden müsse. Aber von einem "Ausstellungsstück" habe sie nichts gewusst.

Vom Autohersteller forderte die Käuferin, den Kaufpreis um 5.000 Euro herabzusetzen. Das Unternehmen ersetzte die beschädigte Batterie, lehnte jedoch eine Preisminderung ab: Ausstellungsstück hin oder her, immerhin sei der Wagen erstmals auf die Käuferin zugelassen worden. Probefahrten hätten keine stattgefunden. Also handle es sich um einen Neuwagen und nicht um ein Vorführfahrzeug.

Die Käuferin klagte auf Preisminderung: Mehr als 1.000 Euro konnte sie beim Amtsgericht München jedoch nicht durchsetzen (271 C 8389/21). In einem Punkt gab ihr das Gericht allerdings Recht: Da zwischen Produktion und Abschluss des Kaufvertrags über zwölf Monate vergangen seien, sei das Auto nicht mehr als Neuwagen anzusehen. Und als Ausstellungsstück sei es genau genommen auch nicht völlig "ungenutzt".

In einer Niederlassung würden Ausstellungsautos von vielen Personen innen und außen angefasst. Türen und Kofferraum würden geöffnet. Interessenten wollten probesitzen und verstellten die Sitze etc. Das hinterlasse eben minimale Spuren. Doch solche Bagatellen rechtfertigten keine Preisminderung über die zuerkannten 1.000 Euro hinaus — zumal der Käuferin beim Vertragsschluss "bereits ein erheblicher Abschlag vom Listenpreis" eingeräumt worden sei.

Lkw löst mit Spurwechsel Unfall aus

Die Lkw-Haftpflichtversicherung haftet für die Folgen, auch wenn der Lkw kein anderes Fahrzeug berührt

Auf einer Bundesstraße zog ein Lkw-Fahrer nach links auf die Überholspur, während ihn gerade Autofahrerin A überholte. Der Lkw-Fahrer hatte den Pkw nicht bemerkt. Es kam zwar nicht zu einem Zusammenstoß zwischen Lastwagen und Auto. Doch das Auto geriet durch das Ausweichmanöver der Fahrerin ins Schleudern und kollidierte mit einem Motorradfahrer, der bei dem Aufprall schwer verletzt wurde.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung von Frau A kam für die Folgen auf. Anschließend verklagte das Unternehmen den Haftpflichtversicherer des Lastwagens auf Ausgleich der gezahlten Beträge. Die Versicherungen müssten sich den Schaden hälftig teilen, fand das Landgericht. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass ihn die Lkw-Haftpflichtversicherung allein tragen muss (7 U 81/20).

Dass der Lastwagen die anderen beiden Fahrzeuge nicht berührt habe, ändere daran nichts, so das OLG. Der Lkw-Fahrer habe die Ausweichreaktion der Autofahrerin herausgefordert, die am Ende zum Zusammenprall mit dem Motorrad geführt habe. Dies stehe aufgrund eines Unfallgutachtens fest. Auch ohne Berührung könne ein Verkehrsteilnehmer durch seine Fahrweise einen Unfall auslösen.

Ob das Ausweichmanöver im konkreten Fall nötig war, um eine Kollision mit dem Lkw zu vermeiden, oder ob dafür vielleicht auch Bremsen gereicht hätte, sei dabei ohne Belang: Selbst ein Unfall infolge einer voreiligen — also objektiv nicht notwendigen — Schreckreaktion könne dem Fahrzeug zugerechnet werden, das die Reaktion provoziert habe.

Der Lkw-Fahrer sei aus seiner Fahrspur ausgeschert, ohne nach hinten zu schauen und sich zu versichern, dass er dies gefahrlos tun konnte. Er habe selbst ausgesagt, den Pkw habe er erst wahrgenommen, als er mit dem linken Rad schon auf der linken Fahrspur gewesen sei. Frau A dagegen habe sich korrekt verhalten, ihr sei kein Beitrag zum Unfallgeschehen anzulasten. Sie sei weder zu schnell gefahren, noch habe sie bei unübersichtlicher Verkehrslage überholt.

Handy auf dem Oberschenkel

Kurzartikel

Legt eine Autofahrerin während der Fahrt ihr Mobiltelefon auf dem Oberschenkel ab und aktiviert mit einem Finger die Wahlwiederholung, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der Straßenverkehrsordnung dar. Wenn das Gerät vom Bein rutscht und die Fahrerin darauf spontan reagiert, kann Unfallgefahr entstehen. Da die Beschäftigung mit dem Handy vom Verkehrsgeschehen ablenkt - auch dann, wenn es der Fahrer nicht in der Hand hält! -, ist ein Bußgeld von 100 Euro angemessen.

Zusammenstoß mit anfahrendem Bus

Linienbusse haben an Haltestellen Vorfahrt, wenn der Fahrer mit dem Blinker das Einfahren in die Straße anzeigt

Der Fahrer eines Linienbusses fuhr von einer Bushaltestelle wieder auf die Straße und stieß dabei mit einem Auto zusammen. Der Autobesitzer verklagte das Busunternehmen auf Zahlung von rund 10.000 Euro Schadenersatz. Seiner Ansicht nach musste das Unternehmen für ein Fehlverhalten seines Arbeitnehmers haften: Der Busfahrer habe den Unfall verursacht, weil er vor dem Wegfahren von der Haltestelle nicht geblinkt habe.

Das Landgericht fand, der Unfallgeschädigte müsse die Hälfte der Reparaturkosten selbst tragen. Immerhin habe der Linienbus an der Haltestelle Vorfahrt, vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer müssten diesen Vorrang beachten. Gegen diese Entscheidung legte der Autofahrer Berufung ein. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle gab ihm zumindest in der Schuldfrage Recht (14 U 96/21).

Wenn ein Linienbus an einer Haltestelle wegfahre, habe er zwar Vorfahrt, so das OLG. Das setze aber voraus, dass der Busfahrer den anderen Verkehrsteilnehmern mit dem Blinker rechtzeitig anzeige, dass er losfahren und sich wieder in den fließenden Verkehr einfädeln wolle. Wenn der Busfahrer seinen Start nicht anzeige und dann beim Einfahren mit einem Pkw kollidiere, treffe ihn die Schuld an dem Unfall.

Dem Autobesitzer sei kein Verschulden vorzuwerfen. Doch sei die Betriebsgefahr, die generell von einem Auto ausgehe, hier mit 25 Prozent zu berücksichtigen. Daher bekomme er nur 75 Prozent der Reparaturkosten ersetzt.

Unfall durch verkehrsunsicheren Mietwagen

Schwer verletzte Autofahrerin erhält hohes Schmerzensgeld vom Autovermieter

Die Geschäftsfrau, Stammkundin des Autovermieters, hatte einen Wagen für eine Fahrt von Frankfurt nach Berlin und zurück gemietet. Auf dem Rückweg nahm die Autofahrerin kurz die linke Hand vom Lenkrad, um die offene Seitenscheibe zu schließen.

Plötzlich fing das Fahrzeug an zu schlingern, doch Gegenlenken war unmöglich. Das schleudernde Auto kippte nach links und rutschte von der Straße auf eine Grünfläche. Dabei geriet der linke Arm der Frau durch das Fenster und wurde irreparabel abgetrennt.

Weil der Mietwagen laut Sachverständigengutachten nicht verkehrssicher war, sprach das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt der schwer verletzten Frau 90.000 Euro Schmerzensgeld und eine Schmerzensgeldrente von 160 Euro monatlich zu (2 U 28/21). Laut Mietvertrag hafte der Autovermieter für Unfälle mit "Personenschaden" nur, wenn ihm grobes Verschulden oder eine fahrlässige Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, stellte das OLG fest.

Verschulden liege hier nicht vor. Wie der Kfz-Sachverständige ausgeführt habe, handle es sich um einen Produktionsfehler. Schon im Autowerk sei ein Lager in der unteren Lenksäule nicht richtig verbaut worden, daher sei das Auto von Anfang an nicht verkehrssicher gewesen. Während der Fahrt sei das Kreuzgelenk herausgesprungen, deshalb habe die Fahrerin nicht mehr lenken können.

Autovermieter müssten aber auch unabhängig von eigenem Verschulden für Mängel ihrer Fahrzeuge geradestehen, die bereits bei Vertragsschluss mit dem Mieter vorhanden seien. Diese Haftung könnten sie nicht per Vertragsklausel ausschließen — jedenfalls nicht, soweit es um ihre Hauptpflicht gehe: dem Kunden ein verkehrssicheres Auto zu übergeben. Lenkung und Bremsen müssten funktionieren. Automieter müssten sich darauf verlassen können, dass das gemietete Fahrzeug verkehrstüchtig sei und sie nicht in Gefahr bringe.

Fahrverbot nach Geschwindigkeitsverstoß

Weil er vorher mehrmals am Steuer telefonierte, kam ein Lkw-Fahrer nicht mehr mit Bußgeld davon

Auch kleine Fälle von Ordnungswidrigkeit können — insgesamt bewertet — zu einem Fahrverbot führen, wie folgender Fall zeigt. Auf einer Bundesstraße war ein Lkw-Fahrer mit 77 km/h unterwegs. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Lastwagen beträgt außerhalb geschlossener Ortschaften 60 km/h. Das Amtsgericht brummte dem Verkehrssünder eine Geldbuße von 140 Euro auf, ersparte ihm jedoch das vom Staatsanwalt geforderte Fahrverbot.

Gegen das Urteil legte der Staatsanwalt Rechtsbeschwerde ein und setzte sich beim Bayerischen Obersten Landesgericht durch (202 ObOWi 1044/20). Anders als der Amtsrichter meine, sei der Geschwindigkeitsverstoß hier nicht isoliert zu betrachten, betonte das Bayerische Oberste Landesgericht. Ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung könne und müsse auch nach mehreren leichten Ordnungswidrigkeiten verhängt werden. Der Lkw-Fahrer habe sich nun schon zum vierten Mal in nur eineinhalb Jahren einen Verkehrsverstoß geleistet.

Vorsätzliches Telefonieren während der Fahrt sei ebenso wenig eine Bagatelle wie zu schnelles Fahren. Wer am Lenkrad sitze und aufs Smartphone schaue, anstatt sich auf den Verkehr zu konzentrieren, gefährde Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer. Für Fahrer von Lastwagen mit 7,5 Tonnen gelte das erst recht. Wenn man die Vorgeschichte mitbedenke, sei ein Fahrverbot unvermeidlich. Zusammen genommen, belegten die Verkehrsverstöße mangelnde Verkehrsdisziplin und Rechtstreue des Lkw-Fahrers.

Automatische Tür erschreckt Fahrgast

Haftet das Verkehrsunternehmen für einen Sturz beim Schließen von Straßenbahntüren?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte zu entscheiden, ob ein kommunales Straßenbahnunternehmen für einen Unfall haften musste: Ein Fahrgast war beim Einsteigen in einen Wagen beim Schließen der automatischen Türen so erschrocken, dass er stürzte. Die Richter ersparten dem Verkehrsunternehmen die Zahlung von Schadenersatz (1 U 89/93).

Haften müssten Verkehrsbetriebe nur, wenn feststehe, dass der Straßenbahnfahrer mit mehr Aufmerksamkeit den Unfall hätte vermeiden können. Schließlich sei allgemein bekannt, dass im modernen öffentlichen Nahverkehr automatische Türen eingesetzt würden. Die Türen seien mit einer Schutzvorrichtung versehen, die das Einklemmen von Fahrgästen verhinderten. Man könne davon ausgehen, dass Fahrgäste dies wüssten.

Außerdem wäre es für Straßenbahnfahrer unzumutbar, bei jedem Halt alle Türen zu überwachen und manuell zu betätigen. Automatisch schließende Türen seien ja gerade dafür da, das Personal zu entlasten und die Abwicklung des Personenverkehrs zu beschleunigen.

Motorschaden nach Autoreparatur

Kfz-Sachverständiger der Versicherung mischte sich in der Werkstatt zum Nachteil der Autobesitzerin ein: Mithaftung

Bei einem "Tankwartcheck" hatte der Mitarbeiter der Tankstelle vergessen, den Deckel des Kühlwasserausgleichbehälters wieder aufzuschrauben. Dieses Versehen verursachte einen Defekt am Zylinderkopf des Motors. Autobesitzerin A ließ den Wagen in ihre Kfz-Werkstatt abschleppen. An der Untersuchung des Defekts nahm auch ein Kfz-Sachverständiger der Betriebshaftpflichtversicherung des Tankstelleninhabers teil, die den Schaden regulieren sollte.

Der Kfz-Gutachter erklärte dem Mechaniker, neben den Arbeiten am Zylinderkopf sei auch der Zahnriemen zu tauschen. Dann müsse man auch die Zusatzriemen wechseln, die die Nebenaggregate antreiben, antwortete der Mechaniker. Unnötig, fand der Kfz-Sachverständige: Weitere Arbeiten würden nur die Kosten hochtreiben. Der Mechaniker gab nach und führte die Reparatur nach den Vorgaben des Kfz-Gutachters aus — wider besseres Wissen.

Dass die Zusatzriemen nicht getauscht wurden, führte zu Totalschaden. Daraufhin verlangte Frau A Schadenersatz von der Werkstatt und vom Versicherungsgutachter. Sie müssten sich die Kosten für ein Ersatzfahrzeug hälftig teilen, entschied das Amtsgericht. Gegen das Urteil wehrte sich der Kfz-Sachverständige vergeblich: Er sei für die mangelhafte Autoreparatur mitverantwortlich, entschied der Bundesgerichtshof (VI ZR 308/19).

Der Versicherungsgutachter habe sich zum Nachteil der Autobesitzerin in die Untersuchung des Schadens eingemischt und die Erneuerung der Zusatzriemen für überflüssig erklärt, weil sie unnötig die Kosten erhöhe. Deswegen eine korrekte Reparatur zu unterlassen, sei zwar ein Fehler der Werkstatt gewesen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass der Versicherungsgutachter mit der Autorität des Kfz-Sachverständigen auftrat und zugleich seinen Einfluss als Vertreter der Versicherung geltend machte.

Mit der Anspielung darauf, dass die Versicherung unnötige Reparaturkosten eventuell nicht regulieren würde, habe er den Mechaniker davon abgehalten, die der Auftraggeberin A geschuldete Leistung zu erbringen, d.h. eine korrekte Reparatur. Ohne Rücksprache mit der Geschädigten habe der Kfz-Gutachter so dafür gesorgt, dass die Reparatur unvollständig ausgeführt wurde. Zugleich habe er seine Pflicht ignoriert, im Interesse seiner Arbeitgeberin, der Betriebshaftpflichtversicherung, den Schaden richtig zu kalkulieren.

Kollision auf dem Supermarkt-Parkplatz

Autofahrer stößt beim Einparken gegen die geöffnete Fahrertür eines geparkten Wagens

Auf dem Parkplatz vor einem Münchner Supermarkt stand in einer Parkbucht der VW von Frau S. Ihr Mann saß auf dem Fahrersitz. In der Parkbucht links daneben parkte ein Autofahrer ein und stieß mit seinem Opel gegen die geöffnete Fahrertür des VW. Zunächst einigte man sich: Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Opel-Fahrers zahlte nach dessen Schadensmeldung einen Betrag für die Reparatur der VW-Türe.

Doch als Frau S mehr Schadenersatz einklagte, wurde über die Schuldfrage umso heftiger gestritten. Frau S behauptete, die Fahrertüre habe vor dem Unfall schon mehrere Minuten erkennbar offen gestanden. Der Opel-Fahrer habe nicht aufgepasst. Dagegen behaupteten der Opel-Fahrer und seine Versicherung, die Fahrertür des VW sei geschlossen gewesen, als der Opel in die Parkbucht einbog. Ohne auf das einparkende Auto zu achten, habe Herr S plötzlich die Türe aufgerissen …

Daher habe Frau S vorgerichtlich bereits mehr Geld kassiert, als ihr zustehe, fand die Kfz-Versicherung: Im Grunde müsse sie die Reparatur in voller Höhe selbst finanzieren. Zu diesem Ergebnis kam auch das Amtsgericht München, nachdem es ein Unfallgutachten in Auftrag gegeben und die Beteiligten sowie Zeugen befragt hatte (343 C 106/21). Deren Angaben blieben widersprüchlich.

Eine Zeugin versicherte, die Tür habe höchstens fünf Zentimeter aufgestanden. Doch laut Sachverständigengutachten musste sie bei der Kollision mindestens 60 Zentimeter weit geöffnet gewesen sein. Letztlich spreche der äußere Anschein für ein Verschulden des Herrn S, fand das Amtsgericht. Laut Straßenverkehrsordnung müssten Autofahrer und Beifahrer beim Ein- und Aussteigen besonders vorsichtig sein, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.

Das gelte auf einem Parkplatzgelände erst recht. Denn hier müsse man jederzeit mit ein- oder ausparkenden Fahrzeugen und Rangiermanövern rechnen, also besonders auf solche Vorgänge achten. Selbst wenn Herr S, wie angegeben, die Türe schon Minuten vor dem Zusammenstoß geöffnet haben sollte — was nach Überzeugung des Gerichts nicht zutreffe —, wäre ihm ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten beim Aussteigen vorzuwerfen. Denn die Türe auf einem Parkplatz länger offenstehen zu lassen, sei ziemlich leichtsinnig.

MB-Trac bog unversehens nach links ab

Ein überholender Autofahrer prallte beim Ausweichmanöver gegen einen Baum

Auf einer Landstraße wollte ein Traktorfahrer nach links in einen Feldweg abbiegen. Angeblich blinkte er und reduzierte ein wenig seine Geschwindigkeit von ca. 40 km/h — was der Fahrer des nachfolgenden BMWs später bestritt. Jedenfalls zog der MB-Trac (ein älteres Modell von Daimler-Benz) genau in dem Moment nach links, als der ca. 80 km/h schnelle BMW-Fahrer zum Überholen ansetzte. Um eine Kollision zu vermeiden, wich der BMW-Fahrer aus. Auf diese Weise berührte er zwar den Traktor nicht, prallte jedoch gegen einen Baum.

Für den Unfall machte der BMW-Fahrer den Traktorfahrer verantwortlich. Das Landgericht wies seine Klage auf Schadenersatz ab, doch das Oberlandesgericht München gab ihm Recht (10 U 1012/19). Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Traktorfahrers müsse für den Schaden in vollem Umfang einstehen, denn dessen Fahrweise habe den Unfall ausgelöst. Der BMW-Fahrer habe mit seinem Ausweichmanöver darauf reagiert. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Traktorfahrer seine Abbiegeabsicht nicht rechtzeitig deutlich machte.

Die genauen Abstände habe der Unfallsachverständige zwar nicht mehr rekonstruieren können. Er habe aber mit Sicherheit festgestellt: Hätte der Traktorfahrer vor dem Abbiegen vorschriftsmäßig nach hinten geblickt, hätte er den BMW sehen müssen und das Abbiegen stoppen können. Seiner eigenen Aussage nach habe der Traktorfahrer das Auto beim Abbiegen "aus dem Augenwinkel" registriert — und dann habe es "auch schon gekracht". Letztlich habe der Traktorfahrer so ziemlich alle Regeln missachtet, die für das Linksabbiegen gelten.

Er habe in den Außenspiegel, aber nicht zusätzlich über die Schulter zurückgeblickt. Der linke Außenspiegel sei falsch eingestellt: So habe der Traktorfahrer nur die Gegenfahrbahn, nicht die eigene Fahrbahn beobachten können. Über einen Rückspiegel verfüge der Traktor nicht. Geblinkt habe der Fahrer seinen Angaben nach ungefähr zehn Meter vor dem Feldweg. Selbst wenn das zutreffe: Auf einer Landstraße mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sei das zu spät — zumal ein Feldweg für den nachfolgenden Verkehr schlechter zu erkennen sei als eine ausgebaute Querstraße.

Den BMW-Fahrer treffe kein Mitverschulden. Da er die Absicht des Traktorfahrers, nach links abzubiegen, nicht rechtzeitig erkennen konnte, bestand keine "unklare Verkehrslage". Aus seiner Sicht sprach also nichts dagegen, den Traktor an dieser Stelle zu überholen.

Wohnmobil-Panne in der Schweiz

Versicherung will den Rücktransport wegen der Höhe des Wohnmobils nicht finanzieren

Im Sommer 2019 machte das Wohnmobil eines deutschen Urlaubers in der Schweiz schlapp: Motorschaden. Er verständigte telefonisch seine Autoversicherung und beauftragte eine Transportfirma damit, das Fahrzeug nach Deutschland zurückzubringen. Dafür zahlte der Mann rund 2.500 Euro. Anschließend folgte die nächste unangenehme Überraschung.

Der Autoversicherer zahlte nicht und verwies auf seine Versicherungsbedingungen: Das Wohnmobil sei laut Fahrzeugschein 3,40 Meter hoch. Versichert seien die Kosten eines Rücktransports aber nur, wenn ein Wohnmobil die Höhe von 3,20 Metern inklusive Ladung nicht überschreite.

Daraufhin klagte der Womo-Fahrer auf Zahlung: Vor dem Transport habe er die Dachklimaanlage abgebaut, den Reifendruck reduziert und die Luftfederung abgelassen. Danach sei das Fahrzeug nur noch 3,06 Meter hoch gewesen. Also müsse die Versicherung die Transportkosten übernehmen.

Das Amtsgericht München gab dem Womo-Besitzer Recht (191 C 5230/20). Laut der einschlägigen Vertragsklausel sei die Übernahme der Transportkosten ausgeschlossen, wenn es um Wohnmobile ab 3,20 Metern Höhe "einschließlich Ladung" gehe. Auf den Eintrag im Fahrzeugschein komme es daher hier nicht an, sondern auf die tatsächliche Höhe beim Transport. In den Fahrzeugpapieren stehe zur Ladung natürlich nichts, die falle ja bei jedem Wohnmobil anders aus.

Das Amtsgericht schloss vor allem aus den Unterlagen der Transportfirma, dass es dem Womo-Besitzer gelungen war, die Höhe des Fahrzeugs auf mindestens 3,20 Meter zu reduzieren.

Nach den Transportpapieren sei das Wohnmobil ohne Ausnahmegenehmigung für einen Spezialtransport regulär von der Schweiz nach Deutschland befördert worden. Laut der Rechnung sei auch kein Aufpreis für Überhöhe berechnet worden. Und nicht einmal der Versicherer selbst habe behauptet, dass beim Transport die gesetzlichen Vorschriften zur Maximalhöhe missachtet wurden.

Sechsjährige verkratzt beim Radfahren ein Auto

Erst mit acht Jahren dürfen Kinder baulich nicht von der Straße abgetrennte Radwege benützen

Ein Düsseldorfer Familienvater war mit seinen drei Kindern auf Rädern in der Stadt unterwegs: mit zwei Söhnen, elf und 15 Jahre alt, und der sechsjährigen Tochter. Die Familie fuhr einen nur auf der Straße markierten Radweg entlang, der von der Fahrbahn nicht baulich abgetrennt war. Plötzlich stand da dick und breit ein falsch geparktes Auto und versperrte den Radweg. Der Vater wich auf die Straße aus, das Mädchen folgte ihm.

Dabei kam das Kind einem Opel Corsa, der in die gleiche Richtung fuhr, mit dem Fahrradlenker zu nahe. Den Lackkratzer in der Werkstatt ausbügeln zu lassen, kostete die Autobesitzerin 790 Euro. Ihrer Ansicht nach musste die Haftpflichtversicherung des Vaters für die Reparatur aufkommen. Dieser Ansicht war auch das Amtsgericht Düsseldorf: Es verurteilte den Versicherer zu Schadenersatz (37 C 557/20).

Der Vater des Kindes müsse für den Schaden haften, weil er seine Aufsichtspflicht verletzt und dadurch indirekt den Schaden verursacht habe. Kinder, die noch keine acht Jahre alt seien, gehörten mit ihren Fahrrädern auf die Gehwege. Laut Straßenverkehrsordnung dürften sie Radwege nur benutzen, wenn diese "baulich" von der Fahrbahn abgetrennt seien — wie das häufig bei kombinierten Geh- und Radwegen der Fall sei.

Sinn dieser Vorschrift sei es natürlich, kleinere Kinder vor Risiken zu schützen: Meistens beherrschten sie ihr Rad noch nicht richtig und bewegten sich unsicher. Die Söhne seien alt genug und rad-erfahren. Aber dem Mädchen hätte es der Vater nicht erlauben dürfen, auf dem Radweg zu fahren. Stattdessen hätte er mit der Sechsjährigen den Gehweg nutzen müssen — das sei Erwachsenen erlaubt, wenn sie Kinder unter acht Jahren beaufsichtigen müssten.

Strafzettel wegen Falschparkens

Verfahrenskosten darf die kommunale Behörde erst nach einer Anhörung der Kfz-Halterin verlangen

Im März 2021 steckte eine Politesse einen Strafzettel hinter den Scheibenwischer eines Firmenfahrzeugs: Der Fahrer hatte falsch geparkt. Gezahlt wurde das Verwarnungsgeld nicht. Zwei Mal, im April und im Juni, schickte die Kommune der Kfz-Halterin einen so genannten Anhörungsbogen: Die Firma müsse den Namen des Falschparkers angeben, andernfalls werde man ihr die Kosten des Verfahrens auferlegen.

Auf die Schreiben reagierte die Firma nicht. Daraufhin erhielt sie von der Stadt einen Kostenbescheid, gegen den die Kfz-Halterin Klage erhob. Ihr Argument: So ein Kostenbescheid setze laut § 25a Straßenverkehrsgesetz voraus, dass die Verkehrsbehörde den Falschparker trotz "angemessenem Aufwand" nicht ermitteln konnte. Zur Täterermittlung gehöre auch eine Anhörung des Kfz-Halters, die jedoch nicht stattgefunden habe.

Der Einwand sei berechtigt und der Kostenbescheid rechtswidrig, entschied das Amtsgericht Straubing (9 OWi 441/21). Es sei unbillig, der Kfz-Halterin die Verfahrenskosten aufzubrummen, wenn sie keine Chance gehabt habe, den Verkehrssünder rechtzeitig zu benennen. Dass sie diese Möglichkeit nicht hatte, sei jedenfalls nicht auszuschließen, so das Amtsgericht.

Dass die Firma schon vor dem ersten Schreiben der Straßenverkehrsbehörde über die Verwarnung Bescheid wusste, stehe nicht fest. Der Fahrer könne den Strafzettel vergessen oder übersehen haben. Vielleicht habe er auch nicht gewusst, welchen Ansprechpartner in der Firma er informieren sollte. Unternehmensfahrzeuge würden in der Regel von mehreren Personen genutzt. In der Firma sei vielleicht nicht immer bekannt, wer damit unterwegs gewesen sei.

Außerdem habe die Behörde den Anhörungsbogen nicht rechtzeitig geschickt (= innerhalb von zwei Wochen nach der Verwarnung), sondern erst nach drei Wochen. Eventuell könne sich der/die Zuständige in der Firma nach so langer Zeit nicht mehr erinnern, wer gefahren sei. Alles in allem habe sich die Behörde hier bei der Täterermittlung nicht genug bemüht. Vorschnell habe man einen Kostenbescheid erlassen, anstatt die Kfz-Halterin anzuhören und auf Auskunft zu bestehen.