Wie sind bei nicht fachgerechter Reparatur Restwert und Versicherungsleistung zu ermitteln?
Autofahrerin S beschädigte bei einem Unfall ihren Wagen. Die Kaskoversicherung musste für den Schaden aufkommen und ließ das Auto von einem ihrer Kfz-Sachverständigen begutachten. Ergebnis: Reparaturkosten von 9.137 Euro netto, ein Wiederbeschaffungswert von 10.500 Euro. Den Restwert des Autos schätzte der Gutachter auf Basis der Preise am überregionalen Gebrauchtwagenmarkt auf 5.799 Euro.
Frau S wollte das Fahrzeug weiter nutzen. Sie ließ es aber nicht in einer Fachwerkstatt reparieren, sondern von Bekannten instandsetzen. Die Kaskoversicherung überwies ihr 4.401 Euro.
Den Betrag errechnete das Unternehmen so: 10.500 Euro Wiederbeschaffungswert minus 5.799 Euro Restwert minus 300 Euro Selbstbeteiligung. Mit 4.401 Euro begnügte sich die Versicherungsnehmerin nicht — ihrer Ansicht nach hatte die Versicherung den Restwert viel zu hoch angesetzt. Frau S klagte auf Zahlung weiterer 2.377 Euro.
Das Landgericht wies die Klage ab: Ein Restwert von 5.799 Euro sei angemessen. Für Versicherungsnehmer sei es prinzipiell zumutbar, das Auto an den im Gutachten der Versicherung benannten Autohändler zu verkaufen, auch wenn er nicht in der Region ansässig sei. Angesichts eines bundesweit verfügbaren Angebots von Online-Autoaufkäufern sei es nicht mehr zeitgemäß, sich beim Restwert am regionalen Markt zu orientieren.
Mit dieser Argumentation war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden (IV ZR 105/20). Was das Unfallauto noch wert sei, sei hier fiktiv zu ermitteln, da Frau S ihren Wagen nicht wirklich verkaufe. Der Restwert bestimme sich nicht nach dem Höchstgebot eines mit der Versicherung kooperierenden Händlers, sondern danach, wie ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Versicherungsnehmer das beschädigte Auto verkaufen würde.
Sicher würde er bzw. sie keinen Kaufvertrag mit einem weit entfernten, unbekannten Händler abschließen. Das wäre nicht wirtschaftlich vernünftig, denn dessen Seriosität könne er bzw. sie nicht überprüfen. Ein Autotransport über mehrere hundert Kilometer sei aufwändig und berge große Risiken, im Konfliktfall würde der Streit nicht am Wohnort ausgetragen.
Frau S sei daher nicht verpflichtet, das von der Versicherung benannte fiktive Kaufangebot eines unbekannten Händlers zu akzeptieren. So erhöhten Versicherungen allzu gerne rechnerisch den Restwert, um die Versicherungsleistung zu schmälern.
Die Versicherungsnehmerin müsse keine Marktforschung in ganz Deutschland betreiben oder den im Internet etablierten Sondermarkt für Restwertaufkäufer analysieren, wenn es um den Restwert gehe. Sie dürfe sich an den — von einem Sachverständigen an ihrem Wohnort ermittelten — Preisen am regionalen Automarkt orientieren.