Arbeitsrecht

Prämie für Streikbrecher ist zulässig

BAG: Im Arbeitskampf herrscht Freiheit der Wahl bei den Kampfmitteln

Gewerkschaftsmitglied H arbeitet als Verkäufer in einem Einzelhandelsunternehmen. 2015 und 2016 wurde sein Betrieb an mehreren Tagen bestreikt. Ver.di, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, hatte während eines Tarifstreits mit dem Arbeitgeberverband dazu aufgerufen. Vor Streikbeginn versuchte der Arbeitgeber, die Mitarbeiter mit einem Lockangebot vom Streik abzuhalten.

Am "schwarzen Brett" des Betriebs hing sein Angebot aus: Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligten, sondern zur Arbeit kamen, versprach das Unternehmen eine Prämie. Zuerst sagte der Arbeitgeber pro Streiktag eine Prämie von 200 Euro brutto zu, in einem zweiten betrieblichen Aushang eine Prämie von 100 Euro brutto.

Verkäufer H war dem Streikaufruf von Ver.di gefolgt und hatte an mehreren Tagen die Arbeit niedergelegt. Er verdient im Monat 1.480 Euro brutto. Nach dem Streik zog er vor Gericht und pochte auf den Grundsatz der Gleichbehandlung. H verlangte vom Arbeitgeber, ihm ebenfalls Prämien zu zahlen, insgesamt 1.200 Euro brutto.

Die Forderung wurde von allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG) abgeschmettert (1 AZR 287/17). Wenn der Arbeitgeber den arbeitswilligen Beschäftigten eine Prämie zahle, behandle er sie zwar anders als die streikenden Arbeitnehmer, räumte das BAG ein. Das sei aber im Arbeitskampf gerechtfertigt.

Mit der freiwilligen Sonderleistung habe der Arbeitgeber der Störung des betrieblichen Ablaufs durch den Streik entgegenwirken wollen. Im Arbeitskampf gelte für beide Seiten die freie Wahl der Kampfmittel. Daher sei auch das Angebot einer Prämie für Streikbrecher grundsätzlich zulässig. Die Prämie sei nicht unangemessen, auch wenn sie den Tagesverdienst Streikender bei weitem überstieg.

Ingenieur soll eine Menge Schmiergeld eingesteckt haben

Fristlose Kündigung ist trotz eines Fehlers bei der Anhörung des Betriebsrats wirksam

Wenn ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter kündigen will, muss er den Betriebsrat informieren und dabei das Alter des Betroffenen und die Dauer der Betriebszugehörigkeit angeben. Wird gegen diese Vorschrift verstoßen, kann die Kündigung wegen nicht ausreichender Anhörung des Betriebsrats unwirksam sein.

Darauf berief sich ein Betriebsingenieur, dem sein Arbeitgeber fristlos gekündigt hatte. Gegen ihn bestand der dringende Verdacht, Schmiergelder in Millionenhöhe von anderen Firmen kassiert zu haben: Diese wollten so Aufträge des Arbeitgebers erhalten. Der Betriebsingenieur war berechtigt, Aufträge zu vergeben, wenn deren Wert jeweils unter 3.000 DM blieb.

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat die Kündigung Bestand (2 AZR 974/94): Angesichts der besonderen Umstände sei es unbeachtlich, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat vor der Entlassung nur das ungefähre Alter des Ingenieurs genannt habe und dass er "lange" im Unternehmen gearbeitet habe. Nachforschungen hätten ergeben, dass der Mitarbeiter zusammen mit einem Kollegen mindestens 1,4 Millionen DM an Schmiergeldern eingesteckt habe. Angesichts dieses schweren Vorwurfs komme es auf die exakten Sozialdaten nicht mehr an, die Kündigung sei trotzdem wirksam.

Freiwillige Grippeimpfung im Betrieb

Die Arbeitgeberin haftet auch dann nicht für eventuelle Impfschäden, wenn sie die Impf-Aktion bezahlt hat

Ein Betrieb kooperierte mit zwei Ärztinnen. Im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung riefen sie die Beschäftigten per E-Mail dazu auf, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Die Arbeitgeberin übernahm sogar die Kosten der Aktion.

Eine Mitarbeiterin will dabei einen Impfschaden erlitten haben. Der Ärztin, die sie geimpft hatte, warf sie vor, sie nicht über Risiken und mögliche Folgeschäden aufgeklärt zu haben. Schmerzensgeld forderte die Angestellte aber von der Arbeitgeberin: 150.000 Euro.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Zahlungsklage ab (8 AZR 853/16). Die Arbeitgeberin sei nicht verpflichtet, die Beschäftigten selbst über Risiken einer Schutzimpfung aufzuklären. Ein Behandlungsvertrag sei nur zwischen den Mitarbeitern und den beiden Ärztinnen zustande gekommen. Sollte einer Medizinerin Fehler unterlaufen sein, müsse die Angestellte ihre Forderung an diese Adresse richten. Die eventuellen Versäumnisse einer Ärztin müsse sich die Arbeitgeberin nicht zurechnen lassen.

Zwar habe die Unternehmensleitung die Impf-Aktion im Betrieb erlaubt und die Kosten getragen. Damit übernehme sie aber keineswegs die Haftung für die medizinische Behandlung. Die Ärztinnen hätten die Beschäftigten im eigenen Namen zur Impfung eingeladen. Wie alle Mitarbeiter habe auch die Klägerin freiwillig daran teilgenommen, sie sei für ihre Gesundheit selbst verantwortlich. Die Arbeitgeberin sei bei so einer Maßnahme nur verpflichtet, die ausführenden Personen sorgfältig auszuwählen und das sei geschehen.

"Spontaner" Mallorca-Kurztrip

Wer eigenmächtig nicht genehmigten Urlaub nimmt, muss mit Kündigung rechnen

Fast drei Jahre hatte Frau P als "Junior Business Excellence Manager" in der Controlling-Abteilung eines Unternehmens gearbeitet. Berufsbegleitend absolvierte sie ein Masterstudium (BWL Management), das sie im Juni 2017 erfolgreich abschloss. Für die Prüfung bekam sie zwei Tage frei. Am folgenden Montag erschien die Controllerin nicht im Betrieb.

Gegen Mittag schickte sie dem Vorgesetzten eine E-Mail mit dem Betreff "Spontan-Urlaub": Ihr Vater habe sie zur Belohnung für das bestandene Examen mit einem Kurzurlaub auf Mallorca überrascht, teilte Frau P mit. Vor lauter Eile und Freude habe sie sich nicht abgemeldet und entschuldige sich hiermit für die Überrumpelung. Fünf Tage werde sie fehlen.

Der Vorgesetzte antwortete am Nachmittag und schrieb, Frau P müsse unbedingt ins Büro kommen. Frei nehmen könne sie erst nächste Woche. Doch da war die Angestellte schon "abgeflogen". Sie erschien die ganze Woche nicht und fehlte auch am darauffolgenden Montag. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgemäß.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Kündigungsschutzklage der Angestellten ab (8 Ca 3919/17). Zu Recht habe der Arbeitgeber den Urlaub verweigert, denn Frau P wäre am Arbeitsplatz gebraucht worden. Die Arbeitnehmerin habe zwar behauptet, dass ihre Abwesenheit "arbeitstechnisch kein Problem darstellte". Doch das Unternehmen habe diese Ausrede widerlegt: Zusammen mit Frau P hätte der Vorgesetzte in der fraglichen Woche einen Bericht für die Finanzabteilung des Unternehmens erstellen sollen.

Ihre Kollegin habe ihn dabei nicht unterstützen können, weil sie während dieser Woche eine Fortbildung absolvierte. Das habe Frau P gewusst. Trotzdem habe sie eigenmächtig einen nicht genehmigten Urlaub angetreten und damit ihre arbeitsvertraglichen Pflichten bewusst grob verletzt. Dieses Fehlverhalten hätte auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Wilde Attacke auf Kollegen

Verletzt sich ein Arbeitnehmer bei einem tätlichen Angriff selbst, ist das kein Arbeitsunfall

Wer am Arbeitsplatz einen Kollegen tätlich angreift und sich dabei selbst verletzt, hat keinen Anspruch auf den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, stellte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) klar.

Im Warenlager eines Unternehmens kam es zwischen zwei Mitarbeitern — nicht zum ersten Mal — zu einer hitzigen Diskussion über die Arbeitsabläufe. Nachdem sie sich scheinbar beruhigt hatten, eskalierte eine halbe Stunde später die Situation. Erst beschimpften sie sich gegenseitig. Dann verließ Arbeitnehmer A seinen Arbeitsplatz und rannte mit gesenktem Kopf auf den Kollegen B zu.

Mit großer Wucht stieß er ihm seinen Kopf in den Bauch, so dass sie beide zu Boden fielen. Angreifer A zog sich beim Kopfstoß einen Halswirbelbruch zu, der angegriffene Kollege eine Rippenprellung. Von der zuständigen Berufsgenossenschaft forderte A Leistungen aufgrund eines Arbeitsunfalls. Das lehnte die Versicherungsträgerin der gesetzlichen Unfallversicherung ab.

Arbeitnehmer A verklagte die Berufsgenossenschaft auf Zahlung und behauptete vor Gericht, er habe sich beim Sturz über eine Palette verletzt — da sei die Auseinandersetzung mit B schon beendet gewesen. Doch die Zeugenaussagen weiterer Kollegen widerlegten dies. Auch laut ärztlichem Gutachten war der Wirbelbruch nur durch den wuchtigen Kopfstoß zu erklären.

Deshalb wies das LSG Baden-Württemberg die Klage ab (L 1 U 1504/17). Ein Arbeitsunfall setze einen Zusammenhang von Verletzung und betrieblichen Abläufen voraus, so das LSG. Zwar könne es durchaus auch mal im Interesse des Betriebs liegen, einen Konflikt über Arbeitspflichten auszutragen und zu klären. A habe aber nicht den Streit über die Arbeitsabläufe geklärt, sondern den Kollegen umgestoßen.

Das sei alles andere als betriebsdienlich — auch wenn im Warenlager wohl allgemein ein "rauer Ton" herrsche und die Kollegen sich "immer mal wieder" in die Quere kamen. Körperliche Attacken störten das kollegiale Verhältnis so, dass vernünftige Zusammenarbeit unmöglich werde. Zudem habe A offenkundig in Kauf genommen, dass er selbst und sein Opfer B arbeitsunfähig wurden. Dass das nicht dem Interesse des Unternehmens diene, liege auf der Hand.

"Selbständiger Transportunternehmer" entlassen

Kündigungsschutz: Wer täglich um sechs Uhr früh antreten muss, arbeitet nicht selbständig

Ein Lkw-Fahrer hatte bei der Stadt Düsseldorf ordnungsgemäß einen Betrieb angemeldet - als Kleintransportunternehmer. Tatsächlich führte er Aufträge für eine Speditionsfirma aus. Laut Vertrag war der "Unternehmer" verpflichtet, zur Übergabe der Ladung morgens um sechs Uhr im Depot der Firma zu erscheinen. Maximal 20 Tage im Jahr war er berechtigt, keine Frachtaufträge auszuführen.

Als ihm die Speditionsfirma kündigte, reichte der Fahrer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein. Die Firma hielt die Klage für unzulässig, weil kein Arbeitsverhältnis bestehe. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht ging jedoch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf von einem Arbeitsverhältnis aus und gab dem Fahrer Recht (14 Ta 330/94).

Der Transport-"Unternehmer" sei von seinem Vertragspartner wirtschaftlich abhängig und könne deshalb auch wegen der Kündigung die Arbeitsgerichte anrufen, entschied das LAG. Der Fahrer müsse sich an feste Arbeitszeiten halten und bekomme die Anzahl der "freien" Tage vorgeschrieben. So arbeite kein selbständiger Unternehmer. Zumindest sei der Fahrer so ähnlich wie ein Arbeitnehmer beschäftigt. Daher gelte für ihn das Kündigungsschutzgesetz in gleicher Weise wie für Arbeitnehmer.

Arbeitgeberin fordert "Weihnachtsgeld" zurück

Tarifliche Sonderzahlung kann vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden

Busfahrer G arbeitete ab 1995 20 Jahre lang für ein kommunales Verkehrsunternehmen. Im Oktober 2015 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum Januar 2016.

Der für das Unternehmen gültige Tarifvertrag sah für die Arbeitnehmer eine Sonderzuwendung ("Weihnachtsgeld") am 1. Dezember vor. Sie war allerdings an die Bedingung geknüpft, dass das Arbeitsverhältnis mindestens bis zum 31. März des Folgejahres bestand. Wenn ein Arbeitnehmer bis zum 31. März des Folgejahres aus dem Betrieb ausschied — aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch —, musste er das Weihnachtsgeld zurückzahlen.

Mit der Abrechnung für November 2015 hatte Fahrer G die tarifliche Sonderzuwendung in Höhe eines Monatsgehalts bekommen. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte die Arbeitgeberin die Sonderzahlung zurück. Dagegen wehrte sich der Busfahrer: Die Regelung im Tarifvertrag sei unwirksam, meinte G, weil sie sein Recht auf Kündigung unverhältnismäßig einschränke und so gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit verstoße.

Doch die Klage des Arbeitnehmers scheiterte beim Bundesarbeitsgericht (10 AZR 290/17). Die "Stichtagregelung" im Tarifvertrag verletze kein höherrangiges Recht, betonten die Bundesrichter, auch wenn sie in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer eingreife. Denn die Einschränkung sei verhältnismäßig. Die Tarifpartner — der Verband der kommunalen Arbeitgeber und die Gewerkschaft — hätten bei ihren Regelungen einen weiten Gestaltungsspielraum. Das entspreche dem verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der Tarifautonomie.

Dieser Gestaltungsspielraum sei hier nicht überschritten worden. Die Tarifpartner seien nicht einmal verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genüge, wenn es für die getroffene Regelung einen sachlich vertretbaren Grund gebe — und das treffe zu. Denn der Sinn der Sonderzahlung bestehe nicht nur darin, geleistete Arbeit zu vergüten. Sie solle vor allem Betriebstreue belohnen.

Recht auf ungefaltetes Arbeitszeugnis?

LAG: Gefaltetes und getackertes Zeugnis ist kein unzulässiges Geheimzeichen

Ein Unternehmen entließ betriebsbedingt mehrere Arbeitnehmer. Im November 2015 endete auch das Arbeitsverhältnis von Herrn P. Mit dem Arbeitszeugnis, das ihm die Arbeitgeberin ausstellte, war er ganz und gar nicht einverstanden. Dabei ging es ihm aber gar nicht um den Inhalt, sondern um die Form: Denn das Zeugnis war gefaltet und getackert, d.h. geheftet.

Herr P hielt dies für ein Geheimzeichen: Ein getackertes Zeugnis signalisiere einem Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnis, dass der Zeugnisaussteller mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen sei. Der entlassene Arbeitnehmer zog vor Gericht und verlangte ein ungefaltetes und ungetackertes Arbeitszeugnis.

Damit hatte er jedoch beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz keinen Erfolg (5 Sa 314/17). Wenn ein Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses zusammenhefte, sei das kein unzulässiger Geheimcode, der anderen Arbeitgebern eine verschlüsselte Botschaft übermitteln solle. Für diesen Verdacht des Arbeitnehmers gebe es keinerlei Belege. Arbeitnehmer hätten keinen Anspruch auf ein nicht geheftetes, ungefaltetes Zeugnis.

Wenn die Personalabteilung eines Unternehmens Zeugnisse zweimal falte, um es in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe stecken zu können, sei das nicht zu beanstanden. Wichtig sei nur, dass das Zeugnis dabei kopierfähig bleibe und die Knicke sich nicht auf den Kopien abzeichneten, z.B. durch Schwärzungen. Arbeitgeber seien nicht verpflichtet, Zeugnisse ungefaltet in einem besonders geschützten DIN A4-Umschlag zu übersenden.

Mitbestimmung bei der Personalplanung

Einigungsstelle kann dem Arbeitgeber keine Mindestbesetzung für bestimmte Abteilungen vorschreiben

Anlässlich eines Streits um die Personalplanung in einer Klinik hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein ein Urteil gefällt, das generell für die Arbeit von Betriebsräten wichtig ist. Die Klinikbetreiberin und der Betriebsrat der Klinik stritten immer wieder über die personelle Besetzung einzelner Stationen. Schließlich bildeten sie eine Einigungsstelle zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Drei Gutachten zur Belastung des Personals wurden eingeholt. Doch wie deren Ergebnisse zu bewerten waren und welche Konsequenzen daraus folgen sollten, darauf konnte man sich auch in der Einigungsstelle nicht einigen. Trotzdem beschloss die Einigungsstelle einen Plan, der eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Arbeitskräften vorsah.

Dagegen ging die Arbeitgeberin gerichtlich vor und bekam vom LAG Schleswig-Holstein Recht (6 TaBV 21/17). Prinzipiell habe zwar der Betriebsrat (laut Betriebsverfassungsgesetz § 87 Abs.1 Nr.7) das Recht, bei betrieblichen Regelungen zum Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Dieses Recht umfasse auch Maßnahmen des Arbeitgebers gegen Gesundheitsschäden. Erzwingen könne der Betriebsrat die von ihm vorgeschlagenen Regelungen aber nur ausnahmsweise, wenn Gefahren objektiv festständen.

Hier habe jedoch die Einigungsstelle die Risiken fürs Personal eigenständig definiert, obwohl genau diese Punkte der Gutachten umstritten waren. Damit habe sie ihre Kompetenzen überschritten. Bei der Personalplanung des Arbeitgebers könne der Betriebsrat nur verlangen, informiert und bei der Beratung hinzugezogen zu werden.

"Diana"-Tattoo auf dem Unterarm

Bewerber um eine Stelle im Berliner Polizeidienst wegen "sexistischer" Tätowierung abgelehnt

Passt eine Tätowierung mit einer barbusigen Frau zu einem Objektschützer in Diensten der Berliner Polizei? Mit dieser Frage musste sich das Arbeitsgericht Berlin befassen (58 Ga 4429/18). Die Berliner Polizei hatte einen Bewerber abgewiesen, auf dessen Unterarm eine Frau mit entblößten Brüsten zu sehen war. Auf Nachfrage teilte man ihm mit, er sei wegen des Tattoos im Auswahlverfahren ausgeschieden.

Der abgewiesene Bewerber wandte sich ans Arbeitsgericht und erklärte, das Tattoo sei nicht sexistisch oder frauenfeindlich, sondern einfach eine Darstellung der Kriegsgöttin Diana, wie sie in der Antike üblich gewesen sei. Außerdem könne er die Tätowierung mit einem langärmligen Diensthemd verdecken.

Doch das Arbeitsgericht fand die Entscheidung der Berliner Polizei nachvollziehbar. Es komme nicht darauf an, wie der Tätowierte sein Motiv sehe, sondern darauf, wie Bürgerinnen und Bürger empfinden würden, wenn ihnen ein so tätowierter Angestellter der Polizei gegenüber träte.

Den meisten sei der historische Kontext der Kriegsgöttin Diana wohl nicht bekannt. Also bliebe als Eindruck das Bild einer kämpferisch dargestellten Frau mit entblößten Brüsten übrig. Dieses Bild würden vermutlich viele Bürgerinnen und Bürger als sexistisch ansehen.

Den Vorschlag, das Tattoo bei der Arbeit mit einem langärmligen Diensthemd zu verdecken, hielt das Gericht für nicht praktikabel — jedenfalls nicht bei Einsätzen im Außendienst oder in nicht klimatisierten Räumen bei heißen Sommertemperaturen.

Teilzeitarbeit während der Elternzeit

Arbeitgeber lehnt den Teilzeitantrag einer Arbeitnehmerin ab, weil er eine Ersatzkraft eingestellt hat

Der Arbeitgeber der schwangeren Frau plante vorausschauend: Die Arbeitnehmerin war noch nicht im Mutterschutz, da stellte er bereits eine Ersatzkraft ein, um sie rechtzeitig einzuarbeiten. Denn er rechnete fest damit, dass seine Angestellte nach dem Mutterschutz Elternzeit beantragen würde.

Das tat die junge Mutter dann auch — und kündigte zugleich an, im zweiten Jahr der Elternzeit wolle sie wieder "einsteigen". Und zwar in Teilzeit, mit 25 Stunden Arbeit pro Woche. Als sie diese Absicht im zweiten Jahr der Elternzeit in die Tat umsetzen wollte, spielte der Arbeitgeber jedoch nicht mit. Er verwies auf die Ersatzkraft und lehnte den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung ab.

Dagegen klagte die Arbeitnehmerin und hatte beim Arbeitsgericht Köln Erfolg (11 Ca 7300/17). Arbeitgeber dürften Anträge auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit nur "aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen". Zu diesen Gründen gehöre es auch, wenn der Arbeitgeber für die Dauer der Elternzeit eine Ersatzkraft beschäftige, betonte das Arbeitsgericht.

Allerdings habe im konkreten Fall der Arbeitgeber über den Wunsch der Arbeitnehmerin Bescheid gewusst, im zweiten Jahr in Teilzeit zu arbeiten. Das habe sie ihm mitgeteilt, bevor sie "in Elternzeit ging". Daher hätte der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag der Ersatzkraft entsprechend befristen müssen.

Der Gesetzgeber habe es Arbeitnehmern nicht zumuten wollen, bereits vor der Geburt des Kindes verbindliche Erklärungen zur Elternzeit abzugeben. Nehmen Arbeitnehmer erst später zur Elternzeit Stellung, müssten Arbeitgeber dies abwarten. Erst danach könnten sie fürs Unternehmen Ersatzkräfte verpflichten und deren Arbeitsverträge dem Bedarf anpassen.

Wenn ein Arbeitgeber sich nicht an diese Abfolge halte, könne er sich nicht nachträglich — mit Verweis auf die Ersatzkraft — auf "dringende betriebliche Gründe" berufen, um den Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin in Elternzeit abzulehnen.

(Der Arbeitgeber erwägt noch, gegen das Urteil Berufung einzulegen.)

Arzthelferin sendet Patientenakte an ihre Tochter

Die Weitergabe von Patientendaten an unbefugte Dritte rechtfertigt eine fristlose Kündigung

Eine Bekannte der Arzthelferin hatte die Praxis aufgesucht. Anschließend öffnete die Arzthelferin im Computer die elektronische Akte der Patientin. Versehen mit dem Kommentar "Mal sehen, was sie schon wieder hat" schickte die Arzthelferin die Akte per Mail an ihre Tochter, die die Patientin ebenfalls kannte. Die Patientenakte enthielt Namen und Geburtsdatum der Patientin sowie Angaben zur medizinischen Untersuchung.

Als die Arbeitgeberin von der Weitergabe der Daten erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Diese Maßnahme sei unverhältnismäßig, fand die Arbeitnehmerin: Bei so einem Fehler hätte eine Abmahnung ausgereicht, sie habe "sich nichts dabei gedacht". Die Kündigungsschutzklage der Arzthelferin scheiterte beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (12 Sa 22/16).

Wer aus beruflichen Gründen Geheimnisse Fremder aus deren persönlichem Lebensbereich kennenlerne, dürfe diese nicht unbefugten Dritten offenlegen. Das stelle einen Straftatbestand dar (§ 203 Strafgesetzbuch), betonte das Gericht. Zudem verpflichte auch der Arbeitsvertrag Arzthelferinnen dazu, Patientendaten geheim zu halten. Nur um mit "Tratsch" familiäre Neugier zu befriedigen, habe die Arbeitnehmerin ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt.

Dieses Verhalten verstoße so grob gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, dass es allemal eine fristlose Kündigung rechtfertige. Deshalb habe die Ärztin darauf verzichten dürfen, die Angestellte vor der Kündigung abzumahnen. Wenn das Vertrauen der Arbeitgeberin in die Diskretion der Arzthelferin einmal zerstört sei, könne eine Abmahnung dieses Vertrauen nicht mehr "reparieren". Dass sich auch das nichtärztliche Personal an die ärztliche Schweigepflicht halte, sei eine wesentliche Voraussetzung für das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.

Handynummer für Arbeitgeber tabu

Schutz der Privatsphäre: Arbeitnehmer müssen nicht rund um die Uhr erreichbar sein

Der Schutz der Privatsphäre gilt auch im Arbeitsleben, stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen klar (6 Sa 442/17): Arbeitnehmer seien grundsätzlich nicht verpflichtet, beim Arbeitgeber ihre private Mobilfunknummer anzugeben.

Diesen Erfolg für Arbeitnehmer erstritten Mitarbeiter des kommunalen Gesundheitsamtes im Landkreis Greiz. Sie hatten sich geweigert, für Bereitschaftsdienste zusätzlich zur Festnetz-Telefonnummer ihre Handynummern anzugeben. Daraufhin mahnte sie der Arbeitgeber ab und trug die Abmahnung in die Personalakte ein.

Das ließen sich die Arbeitnehmer nicht bieten. Sie zogen vor Gericht und verlangten, der Landkreis müsse die Vermerke aus ihrer Personalakte entfernen. Dazu sei der Arbeitgeber verpflichtet, urteilte erst das Arbeitsgericht Gera und dann auch das LAG Thüringen. Wenn ein Arbeitgeber über die private Handynummer von Mitarbeitern verfüge, könne er die Arbeitnehmer fast immer und überall erreichen. Sie könnten nie mehr wirklich zur Ruhe kommen.

Das stelle einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter dar. Daher hätten Arbeitgeber nur unter besonderen Umständen und in engen Grenzen das Recht, die private Handynummer zu erfahren. Das gelte z.B. dann, wenn man die Arbeitspflichten von Mitarbeitern nur so sinnvoll organisieren könne. Im Gesundheitsamt treffe das aber nicht zu. In der Regel könnten Arbeitgeber den Kontakt zu den Beschäftigten in dringenden Fällen auch ohne private Handynummer sicherstellen.

Keine Extrawurst für Bundesligavereine

Auch kranke Fußballer bekommen "Lohnfortzahlung"

Zwei Spieler, einer von den Stuttgarter Kickers, der andere vom SV Waldhof Mannheim, fielen als Stammspieler wegen Krankheit aus. Sie erhielten zwar weiterhin ihr Grundgehalt, allerdings wurden dabei die Einsatz- und Punktprämien nicht berücksichtigt, die die Mannschaften während der krankheitsbedingten "Ausfallzeit" erhielten.

Die Vereine beriefen sich auf entsprechende vertragliche Regelungen, während die Fußballer verlangten, sie müssten so gestellt werden, als hätten sie mitgespielt und auch zu den Meisterschaftspunkten beigetragen. Das Bundesarbeitsgericht betonte, auch bei Berufsfußballern gelte die Entgeltfortzahlung (5 AZR 237/94 und 5 AZR 85/95).

Die beiden Spieler seien nach Angaben der Vereine nur aus gesundheitlichen Gründen - und nicht etwa wegen einer Sperre, eines Formtiefs oder schlicht aus taktischen Gründen - nicht zum Einsatz gekommen. Daher stünden ihnen die Einkünfte zu, die sie bezogen hätten, wenn sie nicht krank gewesen wären. Die zwei Fußballer hätten damit auch Anspruch auf die zusätzlichen Prämien, welche die anderen Spieler ihrer Mannschaften aufgrund der erreichten Meisterschaftspunkte kassierten.

Betriebliche Hinterbliebenenversorgung

"Altersabstandsklausel" eines Arbeitgebers ist zulässig: Keine Witwenrente für eine wesentlich jüngere Frau

Der 1950 geborene Angestellte hatte 1995 eine um 28 Jahre jüngere Frau geheiratet. Nach der "Versorgungsordnung" seines Arbeitgebers stand den Arbeitnehmern eine betriebliche Altersrente zu, den Angehörigen Hinterbliebenenversorgung. Allerdings mit einer Einschränkung: Anspruch auf Leistungen hatten Ehepartner nur, wenn sie höchstens 15 Jahre jünger waren als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer.

Als der Angestellte 2011 starb, verklagte die Witwe den Arbeitgeber auf Zahlung von Witwenrente: Die "Altersabstandsklausel" in der "Versorgungsordnung" des Unternehmens verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Regelung benachteilige sie nämlich aufgrund ihres Alters, das sei diskriminierend und rechtswidrig.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) teilte diese Bedenken nicht und wies die Klage der Witwe ab (3 AZR 43/17). Zwar sei es richtig, dass die Klausel eine genau definierte Gruppe von Ehepartnern wegen ihres Alters benachteilige, räumte das BAG ein. Das sei aber zulässig, weil sachlich gerechtfertigt: Verspreche ein Arbeitgeber den Mitarbeitern eine Hinterbliebenenversorgung, habe er ein legitimes Interesse daran, das damit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen.

Betroffen vom Leistungsausschluss seien nur Ehepartner, die sehr viel jünger seien. Ein Altersabstand von 15 Jahren übersteige den üblichen Abstand bei weitem. Die Regelung sei angemessen, da sie die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer nicht übermäßig beeinträchtige. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren sei die Lebensplanung der Ehepartner ohnehin darauf ausgerichtet, dass der jüngere Partner einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringe. Zumindest müssten die Partner damit rechnen.

Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit?

EuGH: Auch wenn Arbeitnehmer Bereitschaftszeit zu Hause verbringen, kann sie zur Arbeitszeit gehören

Ein Feuerwehrmann der belgischen Stadt Nivelles verlangte von der Kommune Entschädigung für Bereitschaftsdienste. Jeden Monat schob er eine Woche Bereitschaftsdienst, die Zeit ist seiner Ansicht nach als Arbeitszeit anzusehen. Über diesen Rechtsstreit sollte der Arbeitsgerichtshof Brüssel entscheiden. Er bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung der Frage, ob zu Hause verbrachte Bereitschaftszeit nach EU-Recht als Arbeitszeit gilt.

Unter bestimmten Bedingungen sei diese Frage mit "Ja" zu beantworten, erklärte der EuGH, und die seien im konkreten Fall erfüllt (C-518/15). Denn der Feuerwehrmann müsse offenbar während seines Bereitschaftsdienstes für den Arbeitgeber nicht nur erreichbar sein. Er sei darüber hinaus verpflichtet, sich in dieser Zeit zu Hause aufzuhalten und einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten.

Selbst wenn sich der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht am Arbeitsplatz, sondern in der Wohnung aufhalte: Die Pflicht, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, und die Auflage, sich bei einem Einsatz innerhalb kürzester Zeit am Arbeitsplatz einzufinden, schränke die Möglichkeiten des Arbeitnehmers erheblich ein, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen.

Unter diesen Umständen sei Bereitschaftszeit allemal als Arbeitszeit einzustufen. Die Frage des Arbeitsentgelts regle die EU-Arbeitszeitrichtlinie allerdings nicht einheitlich: Die Mitgliedsstaaten könnten im nationalen Recht bestimmen, dass Arbeitnehmer für die "Arbeitszeit" anders bezahlt werden als für die "Ruhezeit".

In Deutschland steht nach einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts von 2016 (5 AZR 716/15) Arbeitnehmern für Bereitschaftsdienst der Mindestlohn zu. Diesen Lohn darf der Arbeitgeber allerdings kürzen, wenn der Arbeitnehmer in der normalen Arbeitszeit mehr als den Mindestlohn verdient.

Wer für Bereitschaftsdienst unter den vom EuGH formulierten Bedingungen vom Arbeitgeber keine Entschädigung oder Freizeitausgleich bekommt, kann sich auf das Urteil des EuGH berufen und seine Ansprüche geltend machen.

Sonntagsarbeit bei Amazon

Ver.di klagt nachträglich gegen die Ausnahmeerlaubnis für den Einsatz der Arbeitnehmer an Adventssonntagen

Sonntagsarbeit ist bekanntlich nur ausnahmsweise zulässig. So eine Ausnahmegenehmigung hatte Amazon (genauer: die Amazon Fulfillment Germany GmbH in Rheinberg) für Dezember 2015 bei der Bezirksregierung Düsseldorf beantragt und erhalten. Das Unternehmen durfte wegen des Weihnachtsgeschäfts die Arbeitnehmer an zwei Adventssonntagen einsetzen, um Bestellungen zu bearbeiten und Waren zu verpacken.

Gegen diese Erlaubnis klagte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und bekam vom Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf Recht (29 K 8347/15). Den arbeitsfreien Sonntag zu opfern, sei nur gerechtfertigt, wenn einem Unternehmen andernfalls großer Schaden entstünde, erklärte das VG. Klar: Üblicherweise laufe an Weihnachten das Geschäft besonders gut.

Aber weiche es vom Normalzustand so eklatant ab, dass das Geschäftsinteresse das Interesse an der Sonntagsruhe überwiege? Das sei hier doch eher zweifelhaft. Denn letztlich habe Amazon den Lieferdruck selbst herbeigeführt: Das Unternehmen halte auch im Weihnachtsgeschäft an eng bemessenen Lieferfristen fest und verspreche den Kunden "Same-Day-Delivery". Damit sorge Amazon natürlich für eine entsprechende Erwartungshaltung bei den Kunden.

Um die Sonn- und Feiertagsruhe der Mitarbeiter zu schützen, hätte der Versandhändler das Geschäftsmodell in der Vorweihnachtszeit entsprechend umgestalten können und müssen. Das sei versäumt worden. Die Erlaubnis der Bezirksregierung sei rechtswidrig gewesen. Die Verantwortlichen hätten das Interesse der Belegschaft nicht ausreichend berücksichtigt und die Rechte der Gewerkschaftsmitglieder verletzt, die der Erlaubnis seinerzeit widersprachen.

Bei der Arbeit "Mein Kampf" gelesen

Kurzartikel

Das Bezirksamt Reinickendorf hat zu Recht einen Mitarbeiter entlassen, der während der Arbeitszeit im Pausenraum des Dienstgebäudes in einer Originalausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf" gelesen hatte. In den Buchdeckel war ein Hakenkreuz eingeprägt. Verfassungswidrige Symbole wie das Hakenkreuz öffentlich zu zeigen, sei ein schwerwiegendes Fehlverhalten, urteilte das Landesarbeitsgericht, das eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertige. Im Bezirksamt repräsentiere der Mitarbeiter in seiner Uniform das Land Berlin und müsse als Repräsentant des Landes jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes eintreten.

Zwölf Tage Arbeit am Stück

Europäischer Gerichtshof: Arbeitnehmer müssen nicht unbedingt am "siebten Tag" der Woche frei bekommen

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) musste über die Klage eines portugiesischen Arbeitnehmers entscheiden, der an mehr als sieben aufeinanderfolgenden Tagen hatte arbeiten müssen. Das portugiesische Gericht leitete den Rechtsstreit zum EuGH weiter: Nach seiner Entlassung verlangte der Arbeitnehmer von der ehemaligen Arbeitgeberin Entgelt für Überstunden.

Begründung: Seine Arbeitszeit habe gegen die europäische Arbeitszeitrichtlinie (2003/88 EG) verstoßen: Demnach stehe jedem Arbeitnehmer in einem Zeitraum von sieben Tagen zusätzlich zur täglichen Ruhezeit von elf Stunden eine Mindestruhezeit von 24 Stunden zu. Nach Ansicht des Arbeitnehmers bedeutete das, dass eine Sechs-Tage-Arbeitswoche verbindlich festgelegt ist.

Doch der EuGH sah das anders (C-306/16): An welchem Wochentag der Ruhetag zu gewähren sei, schreibe die EU-Richtlinie nicht vor — das müsse nicht immer der letzte Tag der Woche sein. Daher sei es auch zulässig, wenn Arbeitnehmer einmal zwölf Tage am Stück arbeiten müssten. Das könne vorkommen, wenn der Arbeitgeber die Ruhetage an den Anfang der ersten Arbeitswoche (Montag) und ans Ende der zweiten Arbeitswoche lege (Sonntag).

Immerhin kämen die Arbeitnehmer auf diese Weise zu zwei Ruhetagen hintereinander. Eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit sei nicht vorgeschrieben. Verbindlich einzuhalten sei nur die tägliche Ruhezeit von elf Stunden und die wöchentliche durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Wenn einzelne EU-Mitgliedsstaaten die Arbeitszeit arbeitnehmerfreundlicher regeln wollten, stehe dem nichts entgegen, betonte der EuGH.

In Deutschland sind zwei Ruhetage pro Woche die Regel, der Sonntag ist als Ruhetag gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch ist das EuGH-Urteil für deutsche Arbeitnehmer wichtig — in Branchen, in denen auch sonntags gearbeitet wird.

In diesen Branchen haben deutsche Arbeitnehmer nämlich Anspruch auf einen Ruhetag unter der Woche, der den Arbeitssonntag ausgleicht. Mit diesem Ausgleich kann sich der Arbeitgeber jedoch nach dem Arbeitssonntag zwei Wochen Zeit lassen: So können sogar 19 aufeinanderfolgende Arbeitstage zusammen kommen, während der EuGH die EU-Richtlinie so auslegt, dass maximal zwölf Arbeitstage am Stück zulässig sind.

Kfz-Mechaniker wegen schlechter Arbeit entlassen

Die Leistung eines Mitarbeiters ist im Vergleich zur Leistung anderer Arbeitnehmer mit gleichen Aufgaben zu beurteilen

Ein Autohaus kündigte einem Kfz-Mechaniker wegen schlampiger Arbeit. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer vor, er habe bei einem Werkstatt-Test nur vier von sechs Fehlern im Auto erkannt. Bei einem Auftrag habe er einen Teil der anstehenden Servicearbeiten nicht durchgeführt. Das schade dem Ruf des Autohauses. Da die Firma den Kfz-Mechaniker schon drei Mal abgemahnt habe und kein Wille zur Besserung erkennbar sei, sei es unzumutbar, ihn weiterhin zu beschäftigen.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und bekam vom Arbeitsgericht Siegburg Recht (3 Ca 1305/17). Wenn ein Arbeitnehmer trotz Abmahnung seine Pflichten nicht erfülle, sei eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt, betonte das Arbeitsgericht: "Der Arbeitnehmer muss tun, was er kann, und zwar so gut, wie er kann."

Allerdings müsse der Arbeitgeber darlegen, warum und inwiefern die Leistung des betroffenen Arbeitnehmers schlechter sei als eine durchschnittliche Leistung. Dass das eine vorwerfbare Pflichtverletzung darstelle, müsse der Arbeitgeber ebenfalls erläutern. Das sei hier nicht geschehen. Das Autohaus habe die Kündigung (fast) nur mit einem Werkstatt-Test begründet, bei dem der Mechaniker schlecht abgeschnitten habe.

Um festzustellen, ob dieses Ergebnis für seine Leistungen repräsentativ sei, benötige man aber einen Leistungsbericht über einen längeren Zeitraum. Und vor allem einen Vergleich mit der Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer, d.h. mit der Leistung anderer Arbeitnehmer, die gleiche Aufgaben zu erledigen hätten. Ansonsten könne das Gericht nicht beurteilen, ob der gekündigte Arbeitnehmer tatsächlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorwerfbar verletzt habe.