Arbeitsrecht

Arbeitsgericht Köln definiert "Karnevalszeit"

Gastronom soll einer Kellnerin im Arbeitszeugnis bescheinigen, während der Karnevalszeit gearbeitet zu haben

Vier Jahre lang war Frau M in einem Kölner Gasthaus als Servicekraft beschäftigt, zum 31. August 2017 kündigte ihr der Arbeitgeber. Die Kellnerin erhob Kündigungsschutzklage und beanstandete zudem den Inhalt des Arbeitszeugnisses. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Dabei verpflichtete sich der Arbeitgeber unter anderem dazu, der Frau ein "wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis mit guter Leistungs- und Führungsbewertung" sowie Dankesformel auszustellen.

Als sie es erhielt, war die Ex-Angestellte aber nicht zufrieden. Anders als von ihr gefordert, werde im Zeugnis nicht erwähnt, dass sie während der Karnevalszeit gearbeitet habe. Tatsächlich hatte die Arbeitnehmerin 2014 im Karneval gearbeitet und war auch 2017 im Einsatz gewesen: am Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht. Doch der Arbeitgeber war der Ansicht, diese Tage zählten nicht zur Karnevalszeit und weigerte sich, das Arbeitszeugnis nochmals zu korrigieren.

Aus diesem Grund zog Frau M erneut vors Arbeitsgericht Köln und setzte sich mit ihrem Anliegen durch (19 Ca 3743/18). Die "Karnevalszeit" werde zwar vom Gesetz nicht exakt definiert, erklärte das Arbeitsgericht: Im Rheinland und insbesondere im Kölner Raum bestehe aber kein Zweifel daran, wie der Begriff auszulegen sei.

Wenn von "Karnevalstagen" die Rede sei, könnte sich das eventuell nur auf die "Hauptfeiertage" Weiberfastnacht, Rosenmontag und Karnevalsdienstag beziehen. Mit "Karnevalszeit" sei aber auf jeden Fall die gesamte Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch gemeint, also die Hochzeit der Karnevalsfeiern.

Frau M habe 2017 am Freitag nach Weiberfastnacht von 10 Uhr vormittags bis 23.30 Uhr gearbeitet, ebenso am Karnevalssamstag. Im Rheinland und vor allem im Kölner Zentrum sei in der Karnevalszeit die Arbeitsbelastung im Gastgewerbe — gerichtsbekannt — besonders hoch. Daher hätten in der Gastronomie Beschäftigte auch ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Arbeit in der Karnevalszeit im Zeugnis hervorgehoben werde.

Dienstrechner eines Angestellten durchsucht

Erkenntnisse aus Dateien, die nicht als privat gekennzeichnet sind, dürfen im Kündigungsschutzprozess verwendet werden

Der Angestellte war seit 1996 bei einem Autohersteller beschäftigt. Wegen des Verdachts, er könnte Inhalte eines Audit-Berichts unerlaubt an Dritte weitergegeben haben, sollte sein Dienstrechner untersucht werden. Der Arbeitnehmer kooperierte, nannte seine Passwörter und gab "private" Dateien auf dem Laptop an, die nicht durchsucht werden sollten.

Die Mitarbeiter der internen Revision entdeckten im Rechner eine — nicht als privat gekennzeichnete — Datei mit dem Namen "Tankbelege.xls". Darin hatte der Arbeitnehmer aufgelistet, wann er mit der Firmen-Tankkarte getankt hatte. Die Aufstellung erweckte den dringenden Verdacht, dass der Mann nicht nur den Dienstwagen, sondern auch sein Privatauto öfter auf Kosten der Firma vollgetankt hatte. Deshalb wurde der Mann fristlos entlassen.

Er erhob Kündigungsschutzklage und pochte darauf, der Arbeitgeber hätte die Datei auf seinem Dienstrechner nicht verwerten dürfen. Dem widersprach jedoch das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 426/18). Zunächst betonte es, dass der begründete Verdacht auf eine erhebliche Pflichtverletzung eine Kündigung rechtfertige. Schon der Verdacht zerstöre das nötige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Der Datenschutz stehe der Kündigung nicht entgegen: Der Arbeitgeber habe die Inhalte der Datei "Tankbelege.xls" öffnen, einsehen und kopieren dürfen. Das gelte für alle personenbezogenen Daten von Beschäftigten, wenn dies für das Arbeitsverhältnis notwendig sei — z.B. zur Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seine Pflichten erfülle, oder um eine Pflichtverletzung aufzudecken. Wenn zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründeten, könnten sie ebenfalls verwendet werden.

Arbeitgeber dürften auf dem Dienstrechner gespeicherte Daten einsehen, die nicht ausdrücklich als "privat" gekennzeichnet seien. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Anlass der Prüfung nicht willkürlich sei und die Maßnahme offen erfolge. Der Arbeitnehmer müsse vorher darüber informiert werden, warum sein Computer überprüft werde, und darüber, dass er "private" Daten auf dem PC sichern könne. Dann sei der Zugriff auf die dienstlichen Daten zulässig.

Im konkreten Fall sei dem Arbeitnehmer die Reichweite der Untersuchung klar mitgeteilt worden. Er habe gewusst, dass die gesamte Festplatte geprüft werden sollte. Eben deshalb habe der Angestellte gegenüber der internen Revision einige Dateien als privat gekennzeichnet. Deshalb habe der Arbeitgeber davon ausgehen dürfen, dass die übrigen Dateien dienstlich waren und der Arbeitnehmer mit ihrer Auswertung einverstanden war.

Weihnachtsgeld nur für den Verlags-Innendienst

Zeitungszusteller werden durch Trinkgeld der Kunden entschädigt

Ein Zeitungsverlag zahlte seinen Innendienstangestellten jährlich ein Weihnachtsgeld. Das rief die Zeitungszusteller auf den Plan, denen diese Extrazahlung verwehrt wurde. Sie sahen darin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und verklagten den Verlag.

Das Bundesarbeitsgericht stellte sich auf die Seite des Zeitungsverlages (10 AZR 344/94). Während der Weihnachtszeit hätten die Zeitungszusteller nämlich die Möglichkeit, von den Abonnenten sehr viel Trinkgeld zu bekommen, die Verlagsangestellten im Innendienst aber nicht. Ob die Höhe des gezahlten Weihnachtsgeldes in etwa der des Trinkgeldes entspreche, spiele dabei keine Rolle. Gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße die Praxis des Zeitungsverlages jedenfalls nicht.

Unfall auf dem Betriebsgelände?

Arbeitnehmer zeigt fälschlich einen Arbeitsunfall an: So ein Schwindel rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Beim Verlassen des Betriebsgeländes habe er sich den Fuß in der Drehtür gestaucht und gezerrt, teilte der Versandmitarbeiter telefonisch dem Arbeitgeber mit. In einer Klinik war der Fuß untersucht und geröntgt worden. Der behandelnde Arzt attestierte dem Arbeitnehmer, er sei mindestens fünf Tage lang arbeitsunfähig.

Kurz darauf kündigte der Arbeitgeber dem Versandmitarbeiter fristlos, weil er einen Arbeitsunfall vorgetäuscht habe: Die Videoaufzeichnungen vom Eingang zum Betriebsgelände hätten keinen Unfall gezeigt. Dennoch einen Arbeitsunfall zu melden, sei Betrug zu Lasten des Arbeitgebers. Dieses Fehlverhalten mache es für das Unternehmen unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hatte beim Arbeitsgericht Fulda Erfolg (3 Ca 160/18). Auch wenn man zu Gunsten des Arbeitgebers unterstelle, dass sich der Mitarbeiter erst nach der Arbeit außerhalb des Betriebsgeländes verletzt und deshalb fälschlicherweise einen Arbeitsunfall gemeldet habe: Als Reaktion auf so einen Fehler hätte eine Abmahnung genügt, urteilte das Arbeitsgericht. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung sei nicht gerechtfertigt und unwirksam.

Immerhin arbeite der Mann seit acht Jahren ohne jede Beanstandung für das Unternehmen. Und von Betrug könne in diesem Fall überhaupt keine Rede sein. Dass sich der Arbeitnehmer den Fuß verstaucht habe, sei durch Röntgenaufnahmen und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klinikarztes belegt. Unabhängig davon, wo der Unfall passiert sei, stehe dem Mann damit Lohnfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu. Er habe diese Leistung nicht unberechtigt in Anspruch genommen.

Geschönte Pflegedokumentation

Pflegekraft trägt nicht erbrachte Leistungen ein: Dieses Fehlverhalten rechtfertigt eine fristlose Kündigung

Es war nicht das erste Mal, dass der Altenpflegerin Fehlverhalten vorgeworfen wurde. Während der fünf Jahre, die sie für einen ambulanten Pflegedienst arbeitete, war die Frau vom Arbeitgeber mehrmals abgemahnt worden. Unter anderem auch schon einmal deshalb, weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt und dies falsch dokumentiert hatte.

Im April 2019 fuhr die Pflegerin nicht persönlich zu einer Seniorin, um ihr die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte nur mit ihr. Trotzdem zeichnete sie einen nächtlichen Besuch ab und bestätigte wahrheitswidrig auf dem Tagestourennachweis, sie habe die Seniorin zwischen 22.55 Uhr und 23.06 Uhr persönlich versorgt. Als der Schwindel aufflog, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin scheiterte beim Arbeitsgericht Siegburg (3 Ca 992/19). Ein ambulanter Pflegedienst könne die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer nur schwer kontrollieren, so das Gericht. Wenn der Arbeitgeber deshalb den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Pflegern selbst übertrage, müsse er sich darauf verlassen können, dass sie ihre Leistungen richtig dokumentierten.

Fülle eine Arbeitnehmerin das einschlägige Formular wissentlich falsch aus, missbrauche sie auf schwerwiegende Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Obwohl sie wegen des gleichen Fehlverhaltens bereits einmal abgemahnt worden war, habe die Altenpflegerin erneut absichtlich nicht erbrachte Leistungen in ihren Tagestourennachweis eingetragen. Dieser schwerwiegende Pflichtenverstoß rechtfertige eine fristlose Kündigung.

Punktsieg für Betriebsrat

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat Einsicht in nicht-anonymisierte Bruttogehaltsliste verschaffen

Laut Betriebsverfassungsgesetz muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat alle Unterlagen zur Verfügung stellen, die für dessen Arbeit notwendig sind. Der Betriebsrat kann auch Einsicht in Gehaltslisten verlangen. Doch ein Betreiber von Reha-Kliniken weigerte sich, dem Betriebsausschuss des Betriebsrats eine Gehaltsliste mit Namen auszuhändigen — was er mit Datenschutz begründete. Er anonymisierte die Daten, bevor er die Liste übergab.

Dagegen klagte der Betriebsrat und verwies auf seine Aufgaben, zu denen auch Mitsprache bei der Lohngestaltung gehöre. Nachdem der Tarifvertrag vor kurzem gekündigt wurde, sei es besonders wichtig zu kontrollieren, nach welchen Grundsätzen der Arbeitgeber nun Sonderzahlungen oder Lohnerhöhungen gewähre. Das sei nur anhand einer Liste mit Klarnamen möglich. Der Betriebsrat setzte sich beim Bundesarbeitsgericht gegen den Arbeitgeber durch (1 ABR 53/17).

Ein Betriebsrat müsse darüber wachen, dass Gesetze und Tarifverträge zugunsten der Arbeitnehmer ausgeführt werden, so die Bundesrichter. Er müsse die effektiv gezahlten Gehälter kennen, um die Lohngerechtigkeit im Betrieb beurteilen und gegebenenfalls die Lohngestaltung beeinflussen zu können. Dazu müsse der Betriebsrat auch feststellen, welche Arbeitnehmer Sonderzahlungen bzw. Lohnerhöhungen bekämen und wie hoch diese seien. Ohne Namen nütze ihm die Bruttoentgeltliste nicht viel.

Der Arbeitgeber sei zwar nicht verpflichtet, eigens für den Betriebsrat eine Bruttogehaltsliste zu erstellen. Wenn die Daten aber, wie hier, bereits elektronisch erfasst seien, dann könne der Betriebsrat Einsicht verlangen.

Gesichtspunkte des Datenschutzes ständen dem nicht entgegen, betonte das Bundesarbeitsgericht. Das Datenschutzrecht erlaube es ausdrücklich, personenbezogene Daten von Arbeitnehmern zu verwenden, wenn der Betriebsrat sie benötige, um seine Pflichten zu erfüllen und seine Rechte wahrzunehmen.

Kranke Kinder zur Arbeit mitgenommen

Diese Pflichtverletzung einer Altenpflegerin rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Die gelernte Altenpflegerin hatte eine neue Stelle angetreten. Sie befand sich noch in der Probezeit, als ihre beiden Kinder Schnupfen und Fieber bekamen. Die Kinder müssten betreut werden, erklärte der Hausarzt. Daraufhin nahm die Frau die kranken Kinder zeitweise mit ins Altenheim — sie wollte wohl während der Probezeit keine Fehlzeiten ansammeln.

Einige Tage später erkrankte die Altenpflegerin selbst und informierte die Arbeitgeberin per SMS darüber, dass sie vermutlich eine Grippe habe und den Arzt aufsuchen müsse. Die Heimleitung kündigte der Frau fristlos, als sie vom Aufenthalt der Kinder im Heim erfuhr: Die Kinder zur Arbeit mitzunehmen, sei verboten — das gelte erst recht, wenn sie krank seien.

Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte, die Arbeitgeberin müsse zumindest die gesetzliche Kündigungsfrist einhalten (in der Probezeit: zwei Wochen). Das Arbeitsgericht Siegburg gab der Frau Recht (3 Ca 642/19).

Das Arbeitsverhältnis sei erst nach Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist zu Ende gewesen. Für diese Zeit stehe der Altenpflegerin Gehalt zu. Grundsätzlich hätte hier auch eine Abmahnung gereicht, erklärte das Arbeitsgericht.

Selbstverständlich sei es problematisch und verletze die arbeitsvertraglichen Pflichten, erkrankte Kinder in das Heim mitzunehmen. Aus versicherungsrechtlichen Gründen, vor allem aber wegen der Ansteckungsgefahr für die älteren Heimbewohner und Patienten. Das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, sei aber für die Arbeitgeberin durchaus zumutbar.

Hitlerbilder an türkischen Kollegen gesendet

Wer Kollegen beleidigt und mit fremdenfeindlichen WhatsApp-Nachrichten traktiert, kann fristlos gekündigt werden

Seit 1983 arbeitete der Mann als Anlagenwart für ein Unternehmen. Im November 2017 begann er damit, einen türkischen Arbeitskollegen zu mobben. Verbal wurde der Kollege als "Ziegenficker", "Arschloch" und "Dreckstürkenpack" beschimpft und zudem mit fremdenfeindlichen, rechtsextremen WhatsApp-Nachrichten bombardiert. Beinahe wöchentlich erhielt der Kollege auf dem Smartphone Hitlerbilder und Hakenkreuze.

Eine Bilddatei zeigte ein T-Shirt, bedruckt mit Reichsflagge und Hakenkreuz, daneben stand: "Wenn dich diese Flagge stört, helfe ich dir beim Packen." Ein anderes Mal schickte der Anlagenwart das Bild eines Muslims, der betend auf einem Teppich kniete und als "Fussellutscher" bezeichnet wurde. Ein paar Monate lang ließ sich der Kollege das Mobbing gefallen, dann beschwerte er sich bei seinem Teamleiter.

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber dem Anlagenwart fristlos und begründete dies mit internen "Verhaltensrichtlinien" sowie der Gesamtbetriebsvereinbarung ("Wir diskriminieren niemanden und behandeln alle Menschen gleich"). Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab: Trotz seiner langen Betriebszugehörigkeit sei die Kündigung wirksam (11 Ca 3737/18). Dass der Arbeitnehmer den Kollegen massiv beleidigt habe, stehe fest.

Dieser Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag rechtfertige allemal eine fristlose Kündigung. Denn es habe sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher bei einem Streit unter Kollegen gehandelt. Vielmehr habe sich der Arbeitnehmer über Monate hinweg wiederholt fremdenfeindlich geäußert. WhatsApp-Nachrichten mit rassistischem Inhalt stellten Straftaten dar, auch dieses Verhalten würde allein für eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung ausreichen.

Nachrichten über Smartphones seien zwar im Prinzip vertraulich. Hier könne man aber nicht davon ausgehen, dass in gegenseitigem Einverständnis Nachrichten und Bilder ausgetauscht wurden.

Dass der Arbeitskollege ausländischer Herkunft und muslimischen Glaubens das Bild eines Moslems mit der Unterschrift "Fussellutscher" als "Witz" auffasste — so die Behauptung des Versenders — könne man getrost ausschließen. Wer einseitig Beleidigungen und Nazi-Bildsymbole über sein Mobiltelefon verschicke, könne sich weder auf Vertraulichkeit, noch auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen.

Volles Gehalt im Urlaub

Das gilt auch nach Kurzarbeit: Arbeitgeber darf deswegen nicht das Urlaubsgehalt kürzen

Der Streit eines deutschen Betonbauers mit seinem Arbeitgeber, einem Bauunternehmen, war Anlass für eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Arbeitnehmer H forderte vom Arbeitgeber eine Nachzahlung von 900 Euro, um die sein Urlaubsgehalt für 2015 gekürzt worden war. So ist es im Baugewerbe-Tarifvertrag vorgesehen, wenn vorher Kurzarbeit geleistet wurde.

H hatte vor dem Urlaub 26 Wochen lang überhaupt nicht gearbeitet ("Kurzarbeit Null"). Der Arbeitgeber berechnete die Urlaubsvergütung entsprechend, also fiel sie geringer aus. Da der Arbeitnehmer die Kürzung für unzulässig hielt, wandte er sich an das Arbeitsgericht Verden. Und das Arbeitsgericht fragte beim EuGH nach, ob es mit EU-Recht vereinbar sei, die Urlaubsvergütung wegen Kurzarbeit zu reduzieren.

Europäische Arbeitnehmer haben während des Mindesturlaubs Anspruch auf ihr normales Gehalt, urteilte der EuGH, und das gelte auch dann, wenn sie vorher wegen Kurzarbeit weniger Geld bekommen haben (C-385/17). Allerdings stehe dem Arbeitnehmer der jährliche Mindesturlaub von vier Wochen nur zu, wenn er auch das ganze Jahr über gearbeitet habe.

Herr H sei im Jahr 2015 26 Wochen lang nicht im Einsatz gewesen. Deshalb sei nach EU-Recht nur von zwei Wochen Jahresurlaub auszugehen. Darüber könne das Arbeitsgericht Verden allerdings nach deutschem Recht entscheiden: Das EU-Recht schließe es keineswegs aus, nach nationalem Recht oder per Tarifvertrag auch dann längeren Urlaub zu gewähren, wenn die Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit herabgesetzt war.

Laut Tarifvertrag haben deutsche Bauarbeiter unabhängig von Kurzarbeit Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Tagen. In diesem Punkt ist also der Tarifvertrag arbeitnehmerfreundlicher als das EU-Recht.

Deshalb ist fraglich, ob die (nun fällige) Anpassung des Baugewerbe-Tarifvertrags ans EU-Recht einen nennenswerten Vorteil für die Arbeitnehmer bringt — trotz des Verbots, die Urlaubsvergütung wegen Kurzarbeit zu mindern. Es könnte auch auf folgendes Ergebnis hinauslaufen: Weniger Urlaubstage mit höherer Urlaubsvergütung pro Tag — statt viele Urlaubstage mit gekürzter Urlaubsvergütung.

Arbeitnehmer kündigt fristgerecht

Arbeitgeber darf nicht allein aus diesem Grund mit früherer Kündigung kontern

Teamleiter A arbeitete seit 2016 im Unternehmen. Anfang 2019 teilte er dem Arbeitgeber mit, er wolle sich — nach einer im März und April anstehenden Kur — einen neuen Job suchen. Schriftlich kündigte der Arbeitnehmer am 22.1.2019 zum 15.4.2019. Eine Woche später kündigte im Gegenzug der Arbeitgeber — zum 28.2.2019.

Vermutlich wollte der Arbeitgeber das Gehalt für sechs Wochen einsparen. Begründet wurde der Schritt damit, dass Teamleiter A mit seiner Kündigung klar seinen Willen ausgedrückt habe, dem Unternehmen den Rücken zu kehren. Gegen die Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer und setzte sich beim Arbeitsgericht Siegburg durch (3 Ca 500/19).

Dass er freiwillig das Unternehmen verlassen wolle, rechtfertige es nicht, die Kündigung des Arbeitnehmers mit einer Kündigung in kürzest möglicher Frist zu beantworten. Das wäre nur in einer Ausnahmesituation berechtigt. Nämlich dann, wenn es schwierig sei, die frei werdende Stelle wieder zu besetzen und der Arbeitgeber gerade eine Ersatzkraft "an der Hand habe".

Im konkreten Fall habe das Unternehmen aber keineswegs mühsam am Arbeitsmarkt nach einem Nachfolger suchen müssen. Vielmehr habe der Arbeitgeber auf eine bereits bei ihm beschäftigte Mitarbeiterin zurückgreifen können. Da also kein Ausnahmefall vorliege, ende das Arbeitsverhältnis gemäß der Kündigung des Angestellten erst am 15. April.

Fingernagel-Norm für Heimmitarbeiter

Arbeitgeberin darf aus Hygienegründen lange, lackierte und künstliche Nägel im Altenheim verbieten

Frau R legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres und besonders stolz war sie auf ihre schicken Gelnägel. Als Helferin im Sozialen Dienst arbeitet sie in einem Altenheim, kümmert sich um Unterhaltung und Beschäftigung für die Senioren. Anfang 2018 hing am "Infoboard" des Heims eine Dienstanweisung, die Frau R überhaupt nicht gefiel: Aus hygienischen Gründen sei künftig allen Mitarbeitern verboten, während der Arbeitszeit lange oder lackierte Fingernägel, Gelnägel und andere künstliche Nägel zu tragen.

Sie gehöre doch nicht zum Pflegepersonal, wandte Frau R ein. Wenn sie hin und wieder mit den Senioren Kuchen backe, könne sie Handschuhe anziehen. Das wirke sich nicht so auf ihr Privatleben aus: Gelnägel könne man schließlich nicht schnell mal ab- und anlegen. Doch die Arbeitgeberin blieb hart: Hygienefachbeauftragte hätten empfohlen, das Verbot auf alle Mitarbeiter auszuweiten. Handschuhe seien keine geeignete Alternative.

Nun zog die Arbeitnehmerin vor Gericht, um diese "Einmischung in ihr Privatleben" abzuwenden. Doch das Arbeitsgericht Aachen entschied den Streit zu Gunsten der Arbeitgeberin (1 Ca 1909/18). Sie habe ihr Weisungsrecht rechtmäßig ausgeübt, urteilte das Gericht. Arbeitgeber dürften den Mitarbeitern ein bestimmtes Erscheinungsbild während der Berufsausübung vorschreiben. Wenn so eine Vorschrift sachlich begründet sei, sei sie gerechtfertigt, auch wenn sie die freie Entfaltung der Mitarbeiter einschränke.

Sachlich begründet sei die Dienstanweisung der Heimträgerin zweifellos, denn sie setze damit die Empfehlungen des Bundesgesundheitsblatts und des Robert-Koch-Instituts zur Hygiene um. Saubere Hände sollten in Kliniken und Pflegeheimen selbstverständlich sein, Nagellack verdecke jedoch den Blick auf die Nägel. Auch sei die Bakteriendichte auf natürlichen Nägeln geringer als auf künstlichen Nägeln. Künstliche Nägel minderten die Wirkung der Handhygiene und erhöhten das Risiko, Einmalhandschuhe zu zerreißen.

Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die Gesundheit der Heimbewohner und Bewohnerinnen so gut wie möglich zu schützen. Da müsse das Recht der Helferin auf ein stylisches Outfit zurückstehen. Dass sie nicht regelmäßig Lebensmittel zubereite, ändere daran nichts. Auf jeden Fall stehe sie ständig in engem Kontakt zu den Heimbewohnern.

Job-Bewerberin darf eine Behinderung nicht verschweigen

Das gilt auch dann, wenn sie die volle Arbeitsleistung erbringen kann

Eine Reinigungskraft bewarb sich erfolgreich bei einem Rechenzentrum. Sie hatte allerdings beim Einstellungsgespräch verschwiegen, dass sie seit ein paar Jahren als Schwerbehinderte anerkannt war: Sie ist nämlich auf einem Auge blind. Als sie später dem Arbeitgeber diesen Sachverhalt offenbarte, warf er ihr arglistige Täuschung vor und machte die Anstellung rückgängig.

Dagegen wehrte sich die Arbeitnehmerin. Sie meinte, die beim Einstellungsgespräch gestellte Frage nach einer Behinderung habe sie verneinen dürfen. Denn auf die Arbeit wirke sich ihr Handikap nicht aus. Um die Chancengleichheit zu wahren, hätte der Personalchef die Frage gar nicht stellen dürfen.

Das Bundesarbeitsgericht entschied gegen die Arbeitnehmerin (2 AZR 923/94). Auch in Fällen, in denen das Handikap eines Arbeitnehmers die Arbeitsleistung nicht beeinträchtige, dürfe der Arbeitgeber vor der Einstellung fragen, ob der Bewerber behindert sei. Schließlich habe die Einstellung eines Schwerbehinderten rechtliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Wenn der Arbeitgeber über eine Behinderung nicht Bescheid wisse, könne er seine Pflichten nach dem Schwerbehindertengesetz nicht erfüllen.

Da die Arbeitnehmerin trotz berechtigter Nachfrage verschwiegen habe, dass sie auf einem Auge blind sei, habe sie den Arbeitgeber mutwillig getäuscht. Daher sei es gerechtfertigt, dass er aus diesem Grund den Arbeitsvertrag aufgehoben habe.

Spitzel im Seniorenheim

Arbeitgeberin wollte aufmüpfige Betriebsratsmitglieder loswerden: Detektive konstruierten Kündigungsgründe

Was sich 2012 in einem Bad Nauheimer Altersheim abspielte, klingt wie ein "Dreigroschen-Krimi". Die Heimbetreiberin X-GmbH wollte nach einigen Streitereien um Mitbestimmung die Vorsitzende des Betriebsrats, Frau S, und deren Stellvertreterin C loswerden. Die Geschäftsführerin der X-GmbH ließ sich von Anwalt Helmut Naujoks beraten, der für solche Aufträge bestens qualifiziert ist: Eines seiner Bücher heißt "Kündigung von ‚Unkündbaren‘".

‚Unkündbar‘ sind u.a. Betriebsräte, weil sie unter besonderem Kündigungsschutz stehen. Das heißt: Der Arbeitgeber darf sie nur aus schwerwiegenden Gründen entlassen. Daher war schnell klar: In der Bad Nauheimer "Seniorenresidenz" mussten solche Kündigungsgründe gefunden oder erfunden werden.

Die Intrige flog erst Jahre später auf, als einer von zwei Detektiven auspackte, die damals von der Geschäftsleitung ins Heim eingeschleust worden waren. Sie gaben sich als Praktikant bzw. Leiharbeiter aus. Anwalt Naujoks hatte die "Dienstleister" empfohlen.

Ein Detektiv bot Frau C während der Nachtschicht Sekt an — trotz Alkoholverbots im Heim. Das war mit der Geschäftsleitung abgesprochen. Gegen ein Uhr nachts wurde der Pausenraum kontrolliert und die Sektflasche "entdeckt". Frau C wurde entlassen, obwohl sie nichts getrunken hatte.

Frau S suchten die Spitzel in ihrem Betriebsratsbüro auf. Bei dem Gespräch beschimpften und bespuckten sie die Frau, um sie zu einem Angriff herauszufordern. Da sie sich nicht provozieren ließ, schlug ein Detektiv dem anderen ins Gesicht und beschuldigte dann die Betriebsratsvorsitzende, sie habe einen Kollegen verletzt. Ihr wurde ebenfalls gekündigt.

Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Gießen müssen die Arbeitgeberin und ihr Rechtsberater Frau C 20.000 Euro Entschädigung zahlen (3 Ca 433/17). Die Heimbetreiberin X-GmbH habe gemeinsam mit dem Anwalt ein Strategiekonzept entwickelt, um unliebsame Mitglieder des Betriebsrats entlassen zu können, so das Gericht. Lockspitzel sollten die Mitarbeiterinnen in Verruf bringen, Kündigungsgründe provozieren oder erfinden. Um Frau C fristlos entlassen zu können, habe man ihr einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben — das sei eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

PS: Frau S hatte ebenfalls Entschädigung verlangt. Ihre Klage blieb jedoch erfolglos, weil sie 2014 vor Gericht einem Vergleich mit der X-GmbH zugestimmt hatte. Das Arbeitsverhältnis war "einvernehmlich" beendet worden, Frau S verzichtete auf finanzielle Ansprüche daraus. Frau C ist dagegen nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess wieder bei der X-GmbH beschäftigt.

EuGH-Urteil: Rückkehr zur Stechuhr?

EU-Staaten müssen die Arbeitgeber dazu verpflichten, die Arbeitszeit systematisch zu erfassen

Selten hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) derart viel Aufsehen erregt. Der Arbeitgeberverband BDA befürchtet gar die "Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert". Dabei hat das Gericht nur ausgesprochen, was im Grunde selbstverständlich sein sollte: Nur dann, wenn die Arbeitszeit systematisch erfasst wird, kann die Einhaltung der Arbeitszeitregeln kontrolliert und der Gesundheitsschutz für die Arbeitnehmer gewährleistet werden (C-55/18).

Ausgangspunkt dieses Urteils war die Klage einer spanischen Gewerkschaft. Sie hatte von der Deutschen Bank verlangt, die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu registrieren: So entspreche es den Grundrechten und der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Die Deutsche Bank war dagegen der Ansicht, das spanische Gesetz schreibe nur vor, die Überstunden der Arbeitnehmer zu dokumentieren.

Doch ein spanisches Gericht fand, diese Regelung sei mit EU-Recht wohl nicht vereinbar. Zudem würden mehr als die Hälfte geleisteter Überstunden in Spanien gar nicht erfasst. Das spanische Gericht legte das Problem dem EuGH vor, der den Streit zu Gunsten der Arbeitnehmer entschied: Alle EU-Mitgliedsstaaten müssten dafür sorgen, dass Regelungen wie die Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten für Arbeitnehmer durchgesetzt werden. Das setze eine systematische Erfassung der Arbeitszeit voraus.

Wenn das nicht gewährleistet sei, könne man weder die Verteilung der Arbeitsstunden auf Tage und Wochen, noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermitteln, so der EuGH. Die Arbeitszeitrichtlinie solle Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die EU-Staaten mit nationalen Regeln die Arbeitszeiterfassung sicherstellen. Ohne sie nützten wöchentliche Höchstarbeitszeiten den Arbeitnehmern nicht viel.

Anders als der Unternehmerverband behauptet, gefährdet das Urteil des EuGH keineswegs die in der digitalen Arbeitswelt nötige Flexibilität oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Denn es schreibt keine fixen Arbeitszeiten vor. Es geht vielmehr darum, die Arbeitszeit zu erfassen, wie diese auch immer auf Tage oder Wochen verteilt ist. Einige deutsche Unternehmen dokumentieren die Arbeitszeiten bereits freiwillig — ohne an Flexibilität einzubüßen —, in Österreich und in der Schweiz ist dies längst Pflicht.

Ist Schwangerschaft eine Krankheit?

Schwangere Pilotin verlangt Berufsunfähigkeitsrente

Als die Pilotin einer Fluggesellschaft schwanger wurde, beantragte sie Leistungen von ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Das Versicherungsunternehmen lehnte den Antrag ab: Wenn die Frau aufgrund einer Schwangerschaft fluguntauglich werde, sei das kein Versicherungsfall. Versichert sei nur der "Verlust der Flugtauglichkeit aus gesundheitlichen Gründen". Die Pilotin habe daher keinen Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsrente.

Das Oberlandesgericht Bremen entschied anders - mit einer etwas komplizierten Argumentation (3 U 149/94): Im Versicherungsvertrag werde Berufsunfähigkeit als eine Folge von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall definiert. Diese Klausel könne man auf zwei Arten interpretieren. Erstens sei die Ansicht vertretbar, eine problemlose Schwangerschaft sei weder eine Krankheit, noch ein "Fehlen von Gesundheit". Zweitens könne man die körperliche Veränderung, die mit der Schwangerschaft verbunden sei, aber auch als als "gesundheitlichen Grund" im Sinne der Versicherungsklausel ansehen.

Für die zweite Auffassung sprächen vor allem die strengen Anforderungen, die Piloten körperlich und geistig erfüllen müssten. Da die Klausel mehrdeutig sei und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten zulasse, habe das Gericht nach der gesetzlichen Vorschrift die für den Versicherungsnehmer günstigere anzuwenden. Deshalb müsse die Versicherung der Pilotin die Berufsunfähigkeitsrente zahlen.

Arbeit an "hohen Feiertagen"

Sieht der Tarifvertrag dafür einen besonderen Zuschlag vor, gilt er auch für Ostersonntag

Arbeitnehmer X ist seit 1998 bei einem Unternehmen der Backwarenindustrie beschäftigt. Der für sein Arbeitsverhältnis gültige Manteltarifvertrag sah folgende Zuschläge zum Stundenlohn vor: Für Arbeit an Sonntagen unter drei Stunden 75%, für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen 150%, für Arbeit an hohen Feiertagen 200% (Neujahr, Ostern, 1. Mai, Pfingsten und Weihnachten).

Bis Ende 2016 zahlte die Arbeitgeberin für Ostersonntag und Pfingstsonntag 200% Zuschlag. Dann teilte sie den Arbeitnehmern mit, für diese Tage werde künftig nur noch Sonntagszuschlag gezahlt, weil das keine gesetzlichen Feiertage seien.

Herr X arbeitete am Ostersonntag 2017 und klagte anschließend auf Zahlung von 282,56 Euro Feiertagsvergütung. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen dem Zuschlag für Arbeit an "normalen" Sonntagen und dem Zuschlag von 200% für Arbeit an hohen Feiertagen.

Beim Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf setzte sich der Arbeitnehmer durch (6 Sa 996/18). Auch wenn Ostersonntag kein gesetzlicher Feiertag sei, handle es sich doch um einen hohen Feiertag, erklärte das LAG. Nach allgemeinem Sprachverständnis umfasse dieser Begriff die hohen christlichen Feste — Weihnachten, Ostern und Pfingsten — und das inklusive Sonntag, Auch der Sinn der einschlägigen Regelung im Tarifvertrag spreche für die Zahlung eines erhöhten Zuschlags.

Ostersonntag und Pfingstsonntag würden — jedenfalls in unserem Kulturkreis — als besonders wichtige Tage angesehen, die jeder gerne im Kreise der Familie verbringe. Der Zuschlag solle die Arbeitnehmer für die Unannehmlichkeit entschädigen, an so einem Tag arbeiten zu müssen. Die Belastung, einen Feiertag statt mit der Familie am Arbeitsplatz zu verbringen, sei am Ostersonntag mindestens ebenso so groß wie am Ostermontag.

Entlassener Arbeitnehmer verschweigt neuen Job

Bei der Verhandlung über eine Abfindung dürfen Ex-Arbeitnehmer nicht lügen

Wollen sich Arbeitnehmer gegen eine Kündigung wehren, können sie zwar dagegen klagen. Selten führt dies jedoch zur Weiterbeschäftigung. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Richter einen Vergleich zwischen den Kontrahenten vorschlägt: Der Gekündigte nimmt den Arbeitsplatzverlust hin und erhält dafür eine Abfindung.

Deren Höhe hängt nicht nur von der Dauer der Beschäftigung ab, sondern auch davon, ob der Arbeitnehmer bereits einen anderen Job gefunden hat. Eine Firma verlangte die vereinbarte und bereits bezahlte Summe zurück, weil der ehemalige Mitarbeiter gelogen habe. Bei dem Gespräch über die Abfindung habe er verheimlicht, dass er bereits einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben habe. Dabei habe man ihn ausdrücklich danach gefragt.

Diese Frage hätte der Arbeitnehmer natürlich wahrheitsgemäß beantworten müssen, erklärte das Landesarbeitsgericht Hamm (16 (10) Sa 1545/93). Nur wenn er gar nicht gefragt worden wäre, hätte er die neue Stelle verschweigen dürfen. Trotzdem könne die Firma in diesem Fall das Geld nicht zurückverlangen. Begründung: Die Abfindung, die der Arbeitnehmer bekommen habe, sei relativ niedrig. Nach der gängigen Praxis hätte er so einen Betrag auch erhalten, wenn er noch keinen Job in Aussicht gehabt hätte. Daher sei der Firma durch die Lüge kein Schaden entstanden.

Witwenrente erst nach zehn Ehejahren?

Bundesarbeitsgericht kippt diese Klausel einer betrieblichen Hinterbliebenenversorgung

Im Sommer 2011 hatte Frau R ihren Mann geheiratet, der im Frühjahr 2015 verstarb. Das Unternehmen, bei dem Herr R früher beschäftigt war, hatte dem Arbeitnehmer eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Diese Zusage war allerdings an die Bedingung geknüpft, dass die Heirat mindestens zehn Jahre vor dem Tod des Arbeitnehmers stattgefunden hatte. War die "Mindestehedauer" nicht erreicht, entfiel die Witwenrente.

Witwe R hielt diese Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für unwirksam. Zunächst blieb ihre Klage auf Witwenrente erfolglos, doch das Bundesarbeitsgericht gab ihr Recht (3 AZR 150/18). Die Klausel, die eine Mindestehedauer von zehn Jahren verlange, benachteilige die Versorgungsberechtigten unangemessen.

Hinterbliebenenversorgung solle die Ehepartner der Arbeitnehmer absichern. Arbeitgeber dürften diesen Personenkreis nicht so einschränken, dass dieser Zweck gefährdet werde. Die Ausschlussklausel hänge weder mit dem Arbeitsverhältnis, noch mit dem Zweck der Hinterbliebenenversorgung sachlich zusammen. Sie lege vielmehr willkürlich eine Zeitspanne von zehn Jahren als Mindestehedauer fest.

Urlaub und Elternzeit

Der Arbeitgeber darf den Jahresurlaub gemäß Elternzeitgesetz kürzen

Seit 2001 war die Assistentin der Geschäftsleitung bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Ende 2012 bekam sie ein Kind und ging drei Jahre durchgehend in Elternzeit, bis zum 15. Dezember 2015. Nach ihrer Rückkehr in die Firma kündigte die Frau im März 2016. Zugleich beantragte sie finanziellen Ausgleich für 89,5 Arbeitstage Urlaub, die ihr während der Elternzeit zugestanden hätten.

Der Arbeitgeber lehnte den Antrag ab. Dagegen wehrte sich die Angestellte, scheiterte mit ihrer Klage jedoch in allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht (10 AZR 43/14). Gemäß Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) dürfe der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der der Arbeitnehmerin zustehe, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen, so die Bundesrichter.

Wenn ein Arbeitgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wolle, müsse er nur eine entsprechende Erklärung abgeben: Damit für den Arbeitnehmer klar sei, dass der Arbeitgeber den Urlaub kürzen werde. Zu Recht habe es daher der Arbeitgeber im konkreten Fall abgelehnt, finanziellen Ausgleich für den auf die Elternzeit entfallenden Urlaub zu gewähren. Falls im Arbeitsvertrag mehr als der gesetzliche Mindesturlaub vereinbart sei, gelte das Kürzungsrecht auch für den Mehrurlaub.

Diese gesetzliche Regelung verstoße weder gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie, noch gegen die EU-Rahmenvereinbarung zum Elternurlaub. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlange das europäische Recht nicht, Arbeitnehmer, die während einer Elternzeit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.

Zwei Jahre im unbezahlten Sonderurlaub

Angestellte kann für diese Zeit nicht zusätzlich gesetzlichen Mindesturlaub verlangen

Seit Sommer 1991 arbeitet die Angestellte für ihre Firma. 2013 beantragte die Frau eine "Auszeit", also unbezahlten Sonderurlaub. Den genehmigte die Arbeitgeberin vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014, anschließend wurde der Sonderurlaub um ein Jahr verlängert.

Als die "Auszeit" im September 2015 beendet war, verlangte die Frau, ihr für das Jahr 2014 nachträglich den gesetzlichen Mindesturlaub oder finanziellen Ausgleich zu gewähren (Mindestjahresurlaub: 24 Werktage bei 6-Tage-Woche, 20 Werktage bei 5-Tage-Woche). Diesen Antrag lehnte die Arbeitgeberin ab. Zu Recht, wie das Bundesarbeitsgericht entschied (9 AZR 315/17).

Wenn die Parteien des Arbeitsvertrags einen unbezahlten Sonderurlaub vereinbarten, dann einigten sie sich darauf, ihre jeweiligen Leistungspflichten — Arbeit gegen Gehalt — vorübergehend auszusetzen. Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin entfalle komplett, wenn er/sie sich während eines ganzen Kalenderjahrs durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befinde. Daher stehe ihm/ihr für dieses Jahr auch kein Erholungsurlaub zu.