Arbeitgeber müssen lange erkrankten Arbeitnehmern Eingliederung anbieten, wenn die Mitarbeiter das wollen
Laut Gesetz müssen Arbeitgeber einem Beschäftigten, der länger als sechs Wochen "am Stück" oder wiederholt krankgeschrieben ist, ein "betriebliches Eingliederungsmanagement" anbieten. Was bedeutet das praktisch?
Bevor der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigt, muss er mit ihm besprechen, ob und wie erneute Arbeitsunfähigkeit zu verhindern wäre. D.h. mit welchen Leistungen oder Hilfen das Unternehmen dazu beitragen kann, dass der Mitarbeiter wieder arbeiten und seine Stelle behalten kann.
Diese Pflicht gilt allerdings nicht ausnahmslos, wie folgender Fall zeigt. Ein Arbeitnehmer hatte bei einem Arbeitsunfall den linken Daumen fast ganz verloren. Zudem litt er an Asthma und psychischen Problemen. Nach dreieinhalb Jahren Arbeitsunfähigkeit kündigte die Firma dem Mann krankheitsbedingt. Zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement kam es nicht.
Der Firmenchef hatte wiederholt versucht, mit dem Verletzten über seinen Gesundheitszustand und die Zukunft im Unternehmen zu sprechen. Doch der Mitarbeiter lehnte hartnäckig jeden Kontakt ab: Er fühle sich "total schikaniert". Der Chef werfe ihm ja doch bloß vor, nun einen "auf Rentner zu machen". Die Klage des Arbeitnehmers gegen die Kündigung scheiterte beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (17 Sa 1605/18).
Nach mehr als dreieinhalb Jahren Arbeitsunfähigkeit sei eine Besserung seines Gesundheitszustandes nicht absehbar, erklärte das LAG. Das habe auch die behandelnde Fachärztin bestätigt: Nichts spreche dafür, dass der Arbeitnehmer noch einmal für die Firma arbeiten könne. Deshalb würde es deren Interessen in unzumutbarer Weise beeinträchtigen, am Arbeitsverhältnis noch länger festzuhalten.
Ausnahmsweise habe der Arbeitgeber auch darauf verzichten dürfen, ein Eingliederungsmanagement durchzuführen, weil dies nur mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers möglich sei. Doch der weigere sich, das Betriebsgelände zu betreten und blockiere jeden Kontakt. Auch, als das Integrationsamt den kranken Mann vor der Kündigung zu einem Gespräch über seine Gesundheitsprognose eingeladen habe, sei er nicht erschienen. Unter diesen Umständen dürfe der Arbeitgeber davon ausgehen, dass es sinnlos wäre, ihm Eingliederungsmaßnahmen vorzuschlagen.