Arbeitsrecht

Justizangestellte verschläft mehrmals

Bei fehlendem Unrechtsbewusstsein ist eine Kündigung auch ohne Abmahnung wirksam

Die Angestellte arbeitete in der Poststelle eines Sozialgerichts in Schleswig-Holstein. Dort war sie an ihren Arbeitstagen die einzige Mitarbeiterin. Dennoch sah sie kein Problem darin, dass sie an vier aufeinander folgenden Arbeitstagen viel zu spät zur Arbeit kam. Sie leide eben unter Schlafmangel, erklärte die Angestellte schnoddrig, als sie vom Vorgesetzten wegen ihres Fehlverhaltens gerügt wurde.

Als sich die Pflichtverletzung mehrfach wiederholte, kündigte der Arbeitgeber. Die Kündigungsschutzklage der Angestellten blieb erfolglos. Ihre notorische Unpünktlichkeit rechtfertige eine ordentliche Kündigung, urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (1 Sa 70 öD/21).

Wer an Schlafmangel leide, müsse eben früher zu Bett gehen. Jedenfalls sei das ein privates Problem, betonte das LAG, das nichts an folgendem Grundsatz ändere: Es verletze die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, zur Arbeit zu spät zu kommen.

Die Kündigung sei wirksam, obwohl der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht vorher abgemahnt habe. Das sei überflüssig, wenn ein Arbeitnehmer offenkundig nicht beabsichtige, sich vertragsgerecht zu verhalten. Und so liege der Fall hier. Dafür spreche nicht nur die massive Unpünktlichkeit der Angestellten an vier Tagen hintereinander.

Auch die eindringliche Kritik des Vorgesetzten habe die Frau nicht dazu bewogen, den Wecker zu stellen, um künftig nicht mehr zu verschlafen. Dass ihr jedes Unrechtsbewusstsein fehle, habe sich auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal gezeigt. Da habe sie erklärt, es sei nicht so schlimm, wenn die Post mal liegen bleibe. Das störe den Betrieb am Gericht nicht.

Wahl ohne Wahlgeheimnis?

Eine Betriebsratswahl ist unwirksam, wenn die Stimmabgabe ohne Wahlumschläge stattfindet

Im Mai 2018 fand in einem Unternehmen eine Betriebsratswahl statt, bei der zwei konkurrierende Gewerkschaften antraten. Auf die Liste der Gewerkschaft V entfielen 195 Stimmen, auf die Liste N 69. Allerdings hatte der Wahlvorstand den Beschäftigten keine Umschläge zur Verfügung gestellt. Sie mussten ihre Stimmzettel offen in die Urne werfen.

Drei Mitarbeiterinnen fochten die Wahl mit der Begründung an, dass eine Stimmabgabe ohne Umschläge gegen die Wahlordnung verstößt. Das Arbeitsgericht Köln gab ihnen Recht und erklärte die Betriebsratswahl für unwirksam. Dagegen wehrte sich der gerade gewählte Betriebsrat vergeblich: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte die Entscheidung (7 ABR 3/20).

Gemäß Betriebsverfassungsgesetz könnten (mindestens) drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber eine Betriebsratswahl anfechten, wenn dabei wesentliche Vorschriften zum Wahlverfahren verletzt wurden. Das treffe hier zu, erklärte das BAG, denn die Wahlordnung schreibe die Stimmabgabe in Umschlägen zwingend vor. Daran hätte sich der Wahlvorstand halten müssen. Dass sich das Fehlen der Umschläge tatsächlich auf das Wahlergebnis ausgewirkt habe, sei zumindest nicht auszuschließen.

Dass die Stimmabgabe geheim bleiben müsse, gehöre zu den elementaren Grundsätzen einer Wahl. Das Wahlgeheimnis schütze die Wähler vor sozialem Druck. Müssten Arbeitnehmer annehmen, im Betrieb werde es sich herumsprechen, wie sie abstimmten, könnte das ihre Entscheidung beeinflussen. Sie sollten aber nach ihrer Überzeugung und frei von jedem Einfluss wählen. Dies sei gewährleistet, wenn Wähler den Stimmzettel unbeobachtet kennzeichneten und in einen Umschlag legten.

Vom Arbeitgeber unrechtmäßig gekündigt

Arbeitnehmerin hat dann Anspruch auf Lohnfortzahlung - auch, wenn sie erkrankt ist

Ist die Kündigung des Arbeitgebers unwirksam, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung. Gilt dies auch dann, wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit erkrankt? Das Bundesarbeitsgericht entschied die Frage zugunsten einer Arbeitnehmerin, die sich krank gemeldet hatte, nachdem ihr gekündigt worden war (2 AZR 179/94). Allerdings informierte sie den Arbeitgeber nicht über ihre Genesung.

Die Arbeitnehmerin hätte nicht einmal ihre Arbeitsunfähigkeit anzeigen müssen, urteilten die Bundesarbeitsrichter. Denn der Arbeitgeber habe schließlich mit der Kündigung klargestellt, dass sie künftig nicht mehr für ihn arbeiten sollte. Solange dieser Zustand andauere, müsse die Mitarbeiterin nichts melden. Das würde sich ändern, wenn der Arbeitgeber freiwillig die Kündigung zurücknähme oder ihr wenigstens eine Arbeitsmöglichkeit eröffnete (vorbehaltlich der ausstehenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung).

Erst dann wäre die Arbeitnehmerin verpflichtet, ihre aktuelle Arbeitsunfähigkeit zu belegen und dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass sie prinziell bereit sei, die Arbeit wieder aufzunehmen, sobald die Krankheit ausgestanden sei. Ein Arbeitgeber, der unrechtmäßig kündige und deshalb in der Regel dem Arbeitnehmer Lohnfortzahlung schulde, dürfe jedenfalls keinen Vorteil daraus ziehen, dass die Arbeitnehmerin zufällig zum Zeitpunkt der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt sei.

Mit 55 neuen Job angetreten

Schließt der Arbeitgeber in so einem Fall den Anspruch auf Betriebsrente aus, ist das keine Altersdiskriminierung

Kurz nach ihrem 55. Geburtstag wurde eine Frau von der Gewerkschaft Ver.di als Sekretärin eingestellt. Zu spät, um bei Ver.di noch eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente zu erwerben. Die Mitarbeiterin hielt diese Regelung für unzulässig: Sie diskriminiere Personen wegen des Alters und des Geschlechts.

Die Angestellte verlangte vom Arbeitgeber, für eine Betriebsrente in die Unterstützungskasse des DGB einzuzahlen: Ständig steige die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Wenn ein durchschnittliches Erwerbsleben immer länger dauere, könne man ihr doch nicht im Alter von nur 55 Jahren eine Versorgungszusage verweigern.

Das Bundesarbeitsgericht sah darin keine Diskriminierung (3 AZR 147/21). Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sei es zulässig, Mitarbeiter unterschiedlichen Alters unterschiedlich zu behandeln — vorausgesetzt, dies geschehe auf angemessene Weise und sei durch ein "legitimes Ziel gerechtfertigt". Beide Bedingungen seien hier erfüllt.

Die Altersgrenze verfolge erstens ein legitimes Ziel: Das betriebliche System der sozialen Sicherheit solle nicht durch Leistungen für Mitarbeiter, die dem Betrieb nur während eines relativ kurzen Teils ihres Erwerbslebens angehörten, überfordert werden.

Zweitens sei der durch die Altersgrenze betroffene Teil des Erwerbslebens nicht unangemessen lang. Ein durchschnittliches Erwerbsleben dauere ca. 40 Jahre. Eine Versorgungsregelung dürfe Beschäftigte daher wirksam von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausschließen, wenn sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 55. Lebensjahr vollendet haben.

Die gewählte Altersgrenze führe auch nicht dazu, dass Frauen indirekt diskriminiert würden. Nach den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung kämen Frauen im Durchschnitt auf 36,5 Versicherungsjahre, Männer auf 41,9 Versicherungsjahre. Diese Differenz sei nicht so groß, dass Frauen durch die Wirkungen der Altersgrenze unangemessen benachteiligt wären.

Nicht ausgebildeter Auszubildender

Wird ein "Azubi" wie ein ungelernter Arbeitnehmer eingesetzt, steht ihm auch die entsprechende Vergütung zu

Am 1. September 2020 sollte die Ausbildung eines jungen Mannes zum Gebäudereiniger beginnen. Mit einer Reinigungsfirma hatte er einen Ausbildungsvertrag geschlossen und eine Ausbildungsvergütung von 775 Euro brutto vereinbart. Doch die Arbeitgeberin hatte schlicht nach einer billigen Arbeitskraft gesucht. Sie meldete den Auszubildenden weder bei der Berufsschule an, noch bei der Gebäudereiniger-Innung. Es gab auch keinerlei Ausbildungsplan.

Der Auszubildende lernte also nichts. Stattdessen erklärte ihm einmal ein Arbeitskollege, was er tun sollte. Anschließend arbeitete der junge Mann wie alle anderen Reinigungskräfte 39 Stunden die Woche. Mit einem entscheidenden Unterschied: Er bekam dafür nicht den Tariflohn, sondern nur die weit niedrigere Ausbildungsvergütung. Schließlich zog der Auszubildende vor Gericht und verlangte Bezahlung nach Tarif.

Zu Recht, entschied das Arbeitsgericht Bonn (1 Ca 308/21). Wenn der Auszubildende schon nichts lerne, dann stehe ihm zumindest der Tariflohn für ungelernte Arbeitnehmer zu: tarifliche Vergütung nach Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung.

Tatsächlich werde der Auszubildende ja wie eine ungelernte Kraft beschäftigt, gemessen an Art und Umfang seiner Tätigkeit. Damit erbringe er Leistungen, zu denen er nach dem Ausbildungsvertrag nicht verpflichtet sei.

"Aus" fürs Homeoffice

Die Arbeitgeberin verpflichtete einen Grafiker dazu, wieder im Büro zu arbeiten

Wegen der Corona-Pandemie arbeiteten die Mitarbeiter eines Münchner Unternehmens eine Zeit lang überwiegend im Homeoffice. Im Februar 2021 verlangte die Arbeitgeberin u.a. von einem Grafiker, seiner Tätigkeit wieder im Büro in München nachzugehen.

Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer: Es genüge doch, im Büro zu erscheinen, wenn es ausnahmsweise nötig sei, z.B. für Besprechungen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) München entschied den Streit zu Gunsten der Arbeitgeberin (3 SaGa 13/21).

Das Unternehmen berief sich auf betriebliche Gründe, die gegen das Homeoffice sprächen: Die technische Ausstattung sei am häuslichen Arbeitsplatz des Grafikers nicht so gut wie die im Büro. Zudem habe der Arbeitnehmer nicht überzeugend erläutert, wie er zuhause die betrieblichen Daten gegen den Zugriff Dritter (und der für die Konkurrenz tätigen Ehefrau) schütze.

Unter diesen Umständen dürfe die Arbeitgeberin die Rückkehr eines Mitarbeiters ins Büro anordnen, erklärte das LAG, auch wenn das Infektionsrisiko im Büro und in öffentlichen Verkehrsmitteln höher sei als im Homeoffice. Arbeitgeber legten die Arbeitspflichten der Arbeitnehmer fest, sie könnten ihr Direktionsrecht im Rahmen der rechtlichen Vorgaben frei ausüben. Auch aus der Corona-Arbeitsschutzverordnung sei kein Rechtsanspruch der Mitarbeiter auf Arbeit im Homeoffice abzuleiten.

Arbeitszeugnis mit Schulnoten

So ein Zeugnis ist zu schematisch: Leistung und Verhalten von Arbeitnehmern sind mit Worten zu beurteilen

Ein Elektriker war bis Sommer 2018 bei einem Kosmetikhersteller angestellt, das Arbeitsverhältnis hatte er selbst gekündigt. Mit Inhalt und Form des Arbeitszeugnisses, das ihm der Arbeitgeber ausstellte, war der Handwerker unzufrieden. Denn das Zeugnis sah aus wie ein Schulzeugnis mit Noten von "befriedigend" bis "sehr gut". Die "Note 1" gab es nur für sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten. Für Fachkenntnisse und Pünktlichkeit erhielt der Mann "befriedigend", was der "Note 3" entspricht.

Zum einen fand der Arbeitnehmer die Beurteilungen unzutreffend: Er habe stets gute Leistungen gebracht, behauptete er. Zum anderen fand der Elektriker die Schulnoten in einem Arbeitszeugnis ganz und gar unüblich — was sie auch sind. Das könne einen negativen Eindruck erwecken, wenn er sich anderswo bewerbe, wandte der Mann ein und verlangte ein Arbeitszeugnis mit Beurteilungen im "Fließtext".

Zu Recht, entschied das Bundesarbeitsgericht (9 AZR 262/20). Mit nur stichwortartig beschriebenen Tätigkeiten und einer Bewertung in Form von Schulnoten könne man Leistung und Verhalten eines Arbeitnehmers nicht differenziert genug beurteilen. Auf Stärken und Schwächen müsse der Arbeitgeber individuell eingehen. Das sei nicht mit einem Schema von "sehr gut" bis "mangelhaft", sondern nur mit Text zu erreichen.

Das umstrittene Zeugnis erwecke mit Schulnoten oberflächlich betrachtet den Anschein von Objektivität, entspreche aber in dieser Form nicht den Anforderungen an ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Es fehlten konkrete Feststellungen zu den vom Elektriker ausgeführten Tätigkeiten, zu seiner Arbeitsleistung und zu seinem Verhalten. Ob und wie die üblichen Bewertungskriterien erfüllt wurden, sei nur mit Worten angemessen darstellbar.

Arbeitsunfähigkeit nur vorgeschoben?

Arbeitgeber zweifelt die ärztliche Bescheinigung an und überweist dem Arbeitnehmer kein Geld mehr

Ein Experte für Arbeitssicherheit hatte zunächst die Arbeitgeberin gemahnt, weil sie ihm noch Entgelt für Überstunden schuldete. Darauf reagierte die Firma jedoch nicht mit einer Überweisung, sondern mit einer Abmahnung: Es fehlten diverse Arbeitsberichte über Kundenbesuche, bemängelte sie. Also habe der Arbeitnehmer wohl bei den Kunden gar nicht gearbeitet. Hat sich der Mitarbeiter über diesen Vorwurf womöglich krank geärgert?

Jedenfalls ließ er sich am nächsten Tag von seinem Hausarzt krankschreiben. Nun eskalierte der Konflikt. Die Krankheit sei nur vorgetäuscht, behauptete die Arbeitgeberin. Am Ende des Monats zahlte sie weder das Gehalt für die ersten zwei Wochen, noch Entgeltfortzahlung für die Krankentage. Da der Arbeitnehmer trotz mehrerer Mahnungen kein Geld bekam, kündigte er fristlos. Zudem klagte er auf Gehaltsnachzahlung, Entgeltfortzahlung, Überstundenentgelt und eine Abfindung für die rechtswidrig provozierte Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht Köln sprach ihm insgesamt fast 90.000 Euro zu (6 Sa 664/19). Der Vorwurf erschwindelter Überstunden sei haltlos: Wenn Protokolle von Kundenbesuchen fehlten, habe der Mitarbeiter seine Pflicht "Arbeitsbericht schreiben" vernachlässigt. Die Arbeitgeberin hätte ihn deswegen abmahnen können. Dass er im fraglichen Zeitraum beim Kunden keine Arbeitsleistung erbracht habe, ergebe sich daraus aber nicht.

Die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seien auch nicht plausibel. Zweifel seien angebracht, wenn z.B. ein Arbeitnehmer eine Krankheit vorher ankündige. Oder wenn jemand vergeblich Urlaub beantragt habe und dann genau im Urlaubszeitraum erkranke … Im konkreten Fall habe sich der Arbeitnehmer kurz nach einer Abmahnung krankgemeldet. Dieser Umstand allein reiche nicht, um das Attest in Frage zu stellen. Der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme ein hoher Beweiswert zu.

Wenn ein Arbeitgeber die Richtigkeit des "gelben Zettels" bezweifle, müsse er den medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten. Der überprüfe in solchen Fällen die Arbeitsunfähigkeit und erstelle ein Gutachten. Darauf habe die Firma jedoch verzichtet. Es sei nichts vorgefallen, was es rechtfertigt hätte, dem Arbeitnehmer Gehalt und Entgeltfortzahlung vorzuenthalten. Umgekehrt habe der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis zu Recht fristlos gekündigt, weil die Firma geschuldete Zahlungen hartnäckig verweigerte.

Corona-Quarantäne im Urlaub

Ohne eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können Arbeitnehmer verlorene Urlaubstage nicht nachholen

Eine Arbeitnehmerin wollte vom 30.11. bis zum 12.12.2020 Urlaub machen. Doch dann: Quarantäne statt Erholung! Weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert hatte, musste die Frau auf Weisung des städtischen Gesundheitsamts vom 27.11. bis zum 7.12. in häusliche Quarantäne. Krankschreiben ließ sie sich nicht, ihre Infektion verlief fast ohne Krankheitssymptome.

Vom Arbeitgeber verlangte die Arbeitnehmerin, ihr die verlorenen Urlaubstage gutzuschreiben. So sieht es das Bundesurlaubsgesetz vor, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt. Ihr Fall sei damit vergleichbar, meinte die Frau: Ihre Tätigkeit sei nur im Betrieb, im Kontakt mit anderen Arbeitnehmern auszuführen. Daher sei sie als Infizierte auch "arbeitsunfähig". Die amtliche Quarantäne-Verfügung komme einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gleich.

Darauf ließ sich der Arbeitgeber jedoch nicht ein, weil für die verlorenen Urlaubstage keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlag. Zu Recht, entschied das Arbeitsgericht Bonn (2 Ca 504/21). Nur wenn ein Arzt die Erkrankung während des Urlaubs bestätige, würden die Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet und könnten nachgeholt werden.

Dafür sei zwingend ein ärztliches Attest erforderlich, eine behördliche Quarantäneanordnung könne es nicht ersetzen. Das Gesundheitsamt beurteile nicht die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, nur ein Arzt sei dazu berechtigt. Bei einer Corona-Infektion könnten Arbeitnehmer infiziert und zugleich "arbeitsunfähig krank" oder eben "nur infiziert" (= ansteckend) sein ohne Krankheitssymptome. Nur ein Mediziner könne das einschätzen.

Ausnahmsweise hätten Mediziner wegen der Pandemie bis Ende 2020 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch nach telefonischer Befunderhebung ausstellen dürfen. Trotz der Quarantäne hätte sich die Arbeitnehmerin daher telefonisch um ein ärztliches Attest bemühen können und hätte so möglicherweise keine Urlaubstage eingebüßt.

Quarantänetage während des Urlaubs werden übrigens auch dann auf den Jahresurlaub angerechnet, wenn sich ein Arbeitnehmer nach Kontakt mit einer an Covid-19 erkrankten Person in Quarantäne begeben muss, ohne selbst schon infiziert zu sein. (Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 3.8.2021, AZ.: 3 Ca 362 b/21)

Arbeitgeberin stoppt Entgeltfortzahlung

Wenn ein Arbeitnehmer in Corona-Quarantäne muss, schließt das die Entgeltfortzahlung nicht aus

Im Mai 2020 meldete sich ein Arbeitnehmer bei seinem Hausarzt, weil er unter Kopfschmerzen und Magenproblemen litt. Der Mediziner schrieb den Patienten krank. Außerdem führte er einen Covid-19-Test durch und informierte das Gesundheitsamt darüber. Sofort ordnete die Behörde an, der Arbeitnehmer müsse in häusliche Quarantäne. Nachträglich stellte sich heraus, dass er sich nicht mit dem Corona-Virus infiziert hatte.

Als die Arbeitgeberin von der Quarantäne erfuhr, zog sie bei der nächsten Gehaltsabrechnung die Summe ab, die sie dem Arbeitnehmer während der Krankheitstage gezahlt hatte ("Entgeltfortzahlung"). Stattdessen überwies das Unternehmen die niedrigere Verdienstausfallentschädigung für Personen in Quarantäne, die das Infektionsschutzgesetz vorsieht.

Der Anspruch auf diese Entschädigung "verdränge" den Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn Quarantäne und Krankheit zusammentreffen, so die Arbeitgeberin. Das sah der Arbeitnehmer anders: Seine Klage auf Zahlung des Differenzbetrags hatte beim Arbeitsgericht Aachen Erfolg (1 Ca 3196/20).

Es sei unzulässig, die Entgeltfortzahlung mit der Quarantäne-Entschädigung zu verrechnen, erklärte das Arbeitsgericht. Sei ein Arbeitnehmer, wie hier, tatsächlich wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig, bestehe weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Da spiele die Quarantäne keine Rolle. Umgekehrt sei die Verdienstausfallentschädigung gemäß Infektionsschutzgesetz auch nicht für arbeitsunfähige Kranke gedacht.

Sie biete einen finanziellen Ausgleich für Personen in Quarantäne, also für Verdachtsfälle. Bei der Quarantäne gehe es darum, eine Ansteckung weiterer Personen zu vermeiden. Anspruch auf die Verdienstausfallentschädigung bestehe daher nur, wenn wirklich eine Corona-Infektion vorliege oder jedenfalls vorliegen könnte und wenn das Einkommen des möglicherweise Infizierten wegen der behördlich angeordneten Infektionsschutz-Maßnahme vorübergehend ausfalle.

Zugführer als unzuverlässig eingestuft

Geschwindigkeitsverstöße rechtfertigen den Entzug des Triebfahrzeugführerscheins

Das Eisenbahnbundesamt entzog im Oktober 2020 einem Zugführer den Triebfahrzeugführerschein, unter anderem wegen mehrerer Geschwindigkeitsverstöße. Dagegen klagte der Mann, scheiterte jedoch im vorläufigen Verfahren um Eilrechtsschutz beim Oberverwaltungsgericht Münster (11 B 2060/20).

Die zuständige Behörde könne einem Zugführer den Triebfahrzeugführerschein entziehen, wenn er sich als unzuverlässig erweise, erklärte das Oberverwaltungsgericht. Habe er erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen, treffe das eindeutig zu. Dann dürfe das Eisenbahnbundesamt davon ausgehen, dass der Zugführer auch künftig seine Tätigkeit nicht ordnungsgemäß ausführen werde.

Im August 2020 sei der Eisenbahner als Führer eines mit Gefahrgut beladenen Güterzugs schneller gefahren als die erlaubten 90 km/h. Anders als der Zugführer meine, sei dieser Fehler nicht mit einem Kfz-Geschwindigkeitsverstoß vergleichbar. Denn ein Pkw habe offensichtlich ein anderes Beschleunigungs- und Bremsverhalten als ein Güterzug. Bereits bei einer Fahrt im April 2019 habe der Zugführer mehrmals die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 10 bis 30 km/h überschritten und sei zudem an einem haltzeigenden Einfahrsignal vorbeigefahren.

Dieses Fehlverhalten, das zu einem Unfall hätte führen können, liege nicht so lange zurück, als dass es bei der Einschätzung seiner Zuverlässigkeit keine Rolle mehr spielen dürfte. Damals habe der Zugführer auf eine Ausnahmesituation verwiesen. Aber auch sein späteres Verhalten zeige, dass er nicht nur in so einer Situation Regeln missachte, sondern auch unabhängig von äußeren, beeinträchtigenden Umständen.

So habe der Zugführer während einer Fahrt mit ca. 90 km/h ein Video aufgenommen und später ins "Netz" gestellt. Das lasse auf einen erheblichen Mangel an Sicherheitsbewusstsein und Verantwortlichkeit schließen, erst recht, da er Gefahrgüter transportierte. Dass ein Zugführer sachfremde, ablenkende Nebentätigkeiten wie das Anfertigen von "Selfie-Videos" mit dem Handy unterlassen müsse, verstehe sich von selbst.

Das Eisenbahnbundesamt habe daher angemessen reagiert. Es müsse die am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Personen und Sachgüter vor Gefahren schützen. Dieses Ziel rechtfertige den Entzug des Führerscheins, zumal der Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufsausübung nicht endgültig sei. Der Zugführer könne nach einer Sperrzeit von sechs Monaten den Triebfahrzeugführerschein erneut beantragen.

Maskenverweigerer verliert Arbeitsplatz

Servicetechniker wollte bei der Arbeit mit Kundenkontakt keinen Mund-Nasen-Schutz tragen

Wegen der Corona-Pandemie mussten alle Servicetechniker eines Kommunikationsunternehmens im Außendienst, also bei Kundenbesuchen, einen Mund-Nasen-Schutz tragen. So lautete die Anweisung des Arbeitgebers. Im Dezember 2020 verlangte ein Kunde bei der Auftragsvergabe ausdrücklich, der Techniker müsse Maske tragen. Aus diesem Grund weigerte sich Servicetechniker T, den Auftrag durchzuführen.

Um eine Abmahnung zu vermeiden, legte er dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest auf Blankopapier vor. Unter dem "Betreff: Rotzlappenbefreiung" stand da: Für den Arbeitnehmer sei es aus medizinischen Gründen unzumutbar, eine Maske im "Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung" anzulegen. Das Attest enthalte keine nachvollziehbaren Angaben, erklärte der Arbeitgeber und forderte den Servicetechniker erneut auf, den Auftrag auszuführen — vergeblich.

Nach einer ebenso erfolglosen Abmahnung kündigte das Unternehmen dem Mann fristlos. Seine Kündigungsschutzklage scheiterte beim Arbeitsgericht Köln (12 Ca 450/21). Die Kündigung sei berechtigt und wirksam, so das Arbeitsgericht. Denn der Arbeitnehmer habe wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er sich beharrlich weigerte, bei der Arbeit eine Maske zu tragen — wie es vom Arbeitgeber und vom Kunden verlangt wurde.

Das Attest des Technikers sei weder aktuell, noch aussagekräftig gewesen. Ohne konkrete Diagnose einer Krankheit, die das Maskentragen tatsächlich unzumutbar mache, könne ein Attest Arbeitnehmer nicht von der Maskenpflicht befreien.

Außerdem sei es ohnehin zweifelhaft, ob hier tatsächlich medizinische Probleme vorlägen. Schließlich habe der Arbeitnehmer das Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung rundweg ausgeschlagen und mit der Bezeichnung "Rotzlappen" für den Mund-Nasen-Schutz deutlich kundgetan, dass er das Tragen von Masken grundsätzlich ablehne.

Verkäuferin nennt ihre Vorgesetzte "Ming-Vase"

Arbeitsgericht Berlin: Rassistische Äußerungen rechtfertigen eine fristlose Kündigung

In einem Berliner Kaufhaus leitet eine Mitarbeiterin asiatischer Herkunft eine Abteilung. Eine Verkäuferin dieser Abteilung, Mitglied des Betriebsrats, sagte eines morgens zu einer Kollegin: "Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase".

Ein zufällig anwesender Vorgesetzter fragte, was sie damit meine. "Na, sie wissen schon, die Ming-Vase", antwortete die Verkäuferin und zog als Erklärung die Augen mit den Fingern nach hinten, um asiatische Augen zu imitieren.

Als der Vorgesetzte sie wegen dieser despektierlichen Geste kritisierte, entschuldigte sich die Frau damit, dass sie eben nicht "Schlitzauge" hätte sagen wollen. Und überhaupt: Eine Ming-Vase sei doch ein schöner, wertvoller Gegenstand. Schwarze Menschen und Kunden nenne sie "Herr Boateng", weil sie den Fußballer toll finde.

Daraufhin kündigte der Kaufhausbetreiber der Verkäuferin. Weil die Frau dem Betriebsrat angehörte, musste der Arbeitgeber die Kündigung vom Arbeitsgericht genehmigen lassen.

Das Arbeitsgericht Berlin hielt die Kündigung für gerechtfertigt (55 BV 2053/21). Eine Vorgesetzte "Ming-Vase" zu nennen und auch die Geste, mit der die Verkäuferin ihre Worte verstärkt habe, seien beleidigend. So grenze man Mitmenschen anderer Herkunft aus und setze sie herab. In der Gesamtbetrachtung verrate dies eine verfestigte rassistische Einstellung.

Im konkreten Fall verletze diese außerdem die Pflicht der Arbeitnehmerin, Rücksicht auf berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu nehmen. Schließlich arbeite die Verkäuferin in einem Kaufhaus mit internationalem Publikum. Täglich seien hier die Mitarbeiter in Kontakt mit Kunden aus vielen Ländern und Kontinenten — und damit Aushängeschilder eines Hauses von internationalem Ruf. Für so einen Arbeitgeber sei es nicht akzeptabel, wenn eine Verkäuferin womöglich asiatische Kunden als "Ming-Vase" bezeichne oder Kunden mit dunkler Hautfarbe als "Herr Boateng" anspreche.

Fahrradkuriere wehren sich

Sie mussten bei der Arbeit ihr eigenes Rad und das eigene Smartphone verwenden

Arbeitgeber müssen Arbeitnehmern die nötigen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen. Eigentlich selbstverständlich, möchte man meinen. Nicht so bei Lieferando und Co.

Zwei Fahrradkuriere, die Essen und Getränke auf Bestellung bei Restaurants abholen und zu Kunden fahren, zogen vor deshalb vor Gericht. Sie wollten nicht länger ihr eigenes Datenvolumen für die Internetnutzung in der Arbeit einsetzen bzw. das eigene Fahrrad verschleißen.

Zwar steht in den Arbeitsverträgen der beiden Kuriere, dass sie für die von ihnen genutzte Ausstattung des Lieferdienstes ein Pfand von 100 Euro hinterlegen müssen. Zur Ausstattung gehören aber weder das Fahrrad, noch ein Handy.

Ein Smartphone benötigen die Fahrradkuriere, weil sie die App des Lieferdienstes nutzen müssen. Vertraglich sind sie verpflichtet, nur Räder in "verkehrstauglichem Zustand" zu benützen. Für Fahrradreparaturen bekommen die Arbeitnehmer aber nur minimale Guthaben bei einem Vertragspartner des Arbeitgebers.

Diese Gestaltung des Arbeitsvertrags ist unzulässig, entschied das LAG Hessen (14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20). Ohne jeden finanziellen Ausgleich müssten die Lieferfahrer ihr Fahrrad und ihr Smartphone zur Arbeit mitbringen. Dass der Arbeitgeber den Kurieren nicht einmal diese unverzichtbaren Arbeitsmittel zur Verfügung stelle, benachteilige die Arbeitnehmer unangemessen.

Laut Gesetz müssten Arbeitgeber die Betriebsmittel stellen bzw. diese finanzieren. Arbeitgeber müssten auch das Risiko dafür übernehmen, dass Arbeitsmittel gelegentlich nicht funktionierten. Das gelte auch für den Lieferdienst: Mini-Guthaben für Fahrradreparaturen reichten bei diesem Job nicht aus.

Firma schickte Mitarbeiter in Quarantäne

Darf die Arbeitgeberin die ausgefallene Arbeitszeit von seinem Arbeitszeitkonto abziehen?

Ein deutsches Ehepaar, bei derselben Firma angestellt, war vom 11.3. bis 15.3.2020 Skifahren in Tirol. Während des Kurzurlaubs wohnten die Eheleute in einer Ferienwohnung. Nach der Rückkehr teilte ihnen die Arbeitgeberin mit, sie sollten in Quarantäne gehen. Denn Tirol/Österreich sei vom Robert-Koch-Institut am 13.3. zum Risikogebiet erklärt worden. Das Ehepaar isolierte sich zwei Wochen lang zu Hause.

Die Arbeitgeberin warf den Arbeitnehmern fahrlässiges Verhalten vor. Als sie die ausgefallene Arbeitszeit des Mannes (62 Stunden und 45 Minuten) von seinem Arbeitszeitkonto abzog, wehrte er sich und klagte.

Begründung: Die Quarantäne sei nicht vom Gesundheitsamt, sondern von der Firma verhängt worden. Als er mit seiner Frau am 11.3. weggefahren sei, sei Tirol noch nicht als Risikogebiet eingestuft gewesen. Zudem hätten sie sich in einer Ferienwohnung selbst verpflegt: Bei dieser Art von Urlaub sei das Infektionsrisiko gering.

Das Arbeitsgericht Dortmund stellte sich auf die Seite des Arbeitnehmers (5 Ca 2057/20). Das Ehepaar vorsichtshalber in Quarantäne zu schicken, um die Belegschaft zu schützen, sei vernünftig gewesen. Gehalt müsse die Arbeitgeberin in dieser Zeit aber weiterhin zahlen.

Von dieser Pflicht wäre sie nur befreit, wenn die Gesundheitsbehörde den Betrieb dicht gemacht oder eine Quarantäne der Mitarbeiter angeordnet hätte. Schließe ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb den Betrieb oder verhänge Quarantäne für einzelne Arbeitnehmer, trage er das Vergütungsrisiko selbst.

Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn ein Arbeitnehmer "quasi sehenden Auges" im Urlaub in ein Risikogebiet fahre. Das treffe hier aber nicht zu. Wohl habe es Anfang März öffentliche Diskussionen über Auslandsreisen gegeben. Es habe aber keine Reisewarnung vorgelegen, Tirol sei noch nicht zum Risikogebiet erklärt worden.

Zu Recht habe der Arbeitnehmer auch darauf hingewiesen, dass in einer Ferienwohnung das Infektionsrisiko deutlich geringer sei als in einem gut besuchten Hotel oder Gasthof. Der Mitarbeiter habe den Ausfall von Arbeitszeit keineswegs fahrlässig herbeigeführt.

Betriebsrat erhält Technik für Videokonferenzen

Kurzartikel

Während der Pandemie sollen Sitzungen mit vielen Personen in einem Raum möglichst vermieden werden, um das Infektionsrisiko gering zu halten. Diese Anordnung gilt mindestens bis Ende Juni 2021 und natürlich auch für Treffen des Betriebsrats. Arbeitgeber sind daher verpflichtet, den Mitgliedern des Betriebsrats die technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um ihre Aufgabe von zuhause aus per Videokonferenz zu erfüllen.

Betriebsrat im Homeoffice

Corona-Pandemie: Arbeitgeber müssen Videokonferenzen des Betriebsrats zulassen

Ein Unternehmen hatte während des ersten Lockdowns 2020 akzeptiert, dass der Betriebsrat seine wöchentlichen Besprechungen per Videoschalte abhielt. Doch im Herbst 2020 erklärte die Arbeitgeberin, Videokonferenzen seien jetzt nicht mehr angebracht: Sieben Betriebsratsmitglieder könnten sich auch im Unternehmen treffen.

Wer sich aus dem Homeoffice zuschalte, müsse nun mit Gehaltsabzügen rechnen, kündigte die Arbeitgeberin an. Sitzungen, die nicht in den Betriebsräumen stattfänden, würden nicht mehr bezahlt. Gesagt, getan: Ende 2020 kürzte das Unternehmen das Gehalt dreier Betriebsratsmitglieder. Im März 2021 mahnte es sogar fünf Betriebsräte ab, die per Videoschalte an einer Sitzung teilnahmen — wegen unentschuldigten Fehlens im Betrieb.

Dagegen wehrte sich der Betriebsrat und bekam vom Arbeitsgericht Köln Recht (18 BVGa 11/21). Die Arbeitgeberin habe die Mitglieder des Betriebsrats unter Druck gesetzt und vor die Wahl gestellt, entweder Nachteile in Kauf zu nehmen oder sich im Betrieb dem Infektionsrisiko auszusetzen. Damit habe sie die Arbeit des Betriebsrats rechtswidrig behindert.

Laut Corona-Arbeitsschutzverordnung — gültig bis 30.6.2021 — müssten Arbeitgeber den Mitarbeitern Homeoffice ermöglichen, wo immer dies vom Arbeitsablauf her machbar sei. Bis dahin seien sie verpflichtet, Personenkontakte und damit das Infektionsrisiko so weit wie möglich zu reduzieren. Also dürften auch Betriebsräte bis Ende Juni an Sitzungen von zu Hause aus teilnehmen.

Das gelte jedenfalls dann, wenn im Betrieb die Corona-Regeln nicht eingehalten werden könnten. Und das treffe hier zu. Denn dort gebe es keinen Raum, der groß genug wäre, um mit genügend Abstand eine Betriebsratsbesprechung mit allen Mitgliedern durchzuführen. Daher sei es für die Betriebsräte unzumutbar, im Betrieb zu tagen. Die Arbeitgeberin müsse die Videokonferenzen dulden.

Sollte tatsächlich ein Arbeitseinsatz von Betriebsräten unbedingt erforderlich sein, müssten sie notfalls nach einer Betriebsratssitzung in die Firma kommen. Gründe, die es rechtfertigen könnten, sie zu Betriebsratssitzungen vor Ort zu zwingen, seien jedoch nicht ersichtlich.

Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitkräfte?

Zuschlag für Überstunden gibt es nur, wenn über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet wurde

Eine Teilzeit-Sekretärin in der chemischen Industrie hatte in einem Zeitraum von sieben Monaten 100 Überstunden geleistet. Dabei hatte sie pro Woche nicht mehr als höchstens 39 Stunden gearbeitet. Für die Überstunden verlangte sie den im Manteltarifvertrag vorgesehenen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Mehrarbeitszuschlag nur gezahlt werden muss, wenn es sich tatsächlich um Mehrarbeit handelt (3 AZR 684/93). Im Manteltarifvertrag für die chemische Industrie stehe: "Mehrarbeit ist die über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit." Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit sei im Tarifvertrag auf 39 Stunden festgelegt. Da die teilzeitbeschäftigte Sekretärin nie mehr als 39 Wochenstunden gearbeitet habe, stehe ihr folglich kein Mehrarbeitszuschlag zu.

Mit dem Mehrarbeitszuschlag werde eine Obergrenze für die Arbeitszeit definiert, die Unternehmen der chemischen Industrie ihren Arbeitnehmern abverlangen dürften. Weitere Arbeitsleistungen seien im Prinzip unerwünscht, um die Arbeitnehmer nicht unangemessen zu belasten. Wenn mehr Überstunden unumgänglich seien, sollten die betroffenen Arbeitnehmer wenigstens einen Ausgleich für die überproportionale Belastung erhalten, d.h. eine Vergütung, die über das regelmäßige Entgelt hinausgehe. Das sei der Mehrarbeitszuschlag.

Bei einer Teilzeitkraft könne man nicht von Überbelastung sprechen,, wenn sie einmal länger arbeite als vertraglich vereinbart. Erst bei mehr als 39 Stunden Arbeitszeit pro Woche stehe auch ihr ein Mehrarbeitszuschlag zu.

"Krankengespräche" sollen Fehlzeiten reduzieren

Arbeitgeber fordert von Mitarbeitern, ihre Hausärzte von der Schweigepflicht zu entbinden

Im Furnierwerk eines Holzverarbeitungsunternehmens kam es zu überdurchschnittlich vielen krankheitsbedingten Ausfallzeiten. Der Arbeitgeber griff zu einem dubiosen "Gegenmittel": Der Personalleiter führte mit den Arbeitern so genannte Krankengespräche. Den Arbeitern wurden schriftliche Erklärungen vorlegt, in denen sie ihren behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden sollten. Der Betriebsrat wurde nicht eingeschaltet.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts war das Vorgehen rechtswidrig (1 ABR 22/94). Ziel dieser Krankengespräche sei es in erster Linie gewesen, die Arbeiter unter Druck zu setzen. Sie sollten nicht bei jeder leichten Erkrankung den Arzt aufsuchen, sondern arbeiten gehen. Von den Arbeitnehmern zu verlangen, dass sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden sollen, greife erheblich ihre persönlichen Rechte ein. Um die Mitarbeiter zu schützen, dürften solche Krankengespräche nur mit Zustimmung des Betriebsrats stattfinden.

Wegen Quarantäne gekündigt!

Kurzartikel

Wird ein Dachdecker als Kontaktperson eines positiv auf Covid-19 getesteten Bekannten vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt, muss er dieser Anordnung Folge leisten. Wenn der Chef des Handwerksbetriebs dem Arbeitnehmer nicht glaubt, dass er in Quarantäne muss und eine Bestätigung des Gesundheitsamts verlangt, die aber wegen der Arbeitsüberlastung der Behörde tagelang auf sich warten lässt, ist eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses sittenwidrig und unwirksam.