Arbeitsrecht

Regelmäßiges Ableisten von Überstunden ...

... stellt für sich genommen keine Änderung eines Arbeitsvertrags dar

Seit 1976 arbeitet der Mann als Lagerverwalter bei seiner Firma. Die Arbeitgeberin übertrug ihm 1988 das Öffnen und Schließen der Tore. Die zusätzlich anfallende Arbeitszeit - etwa 30 Minuten täglich - sollte als Überstunden abgerechnet werden. So wurde es dann 18 Jahre lang praktiziert. 2006 entzog die Firma dem Arbeitnehmer den Schließdienst und zahlte keine Überstundenvergütung mehr.

Dagegen klagte der Lagerverwalter und pochte auf Gewohnheitsrecht. Die Arbeitgeberin dürfe ihm nach so langer Zeit die Zusatzaufgabe nicht wegnehmen. Das seien längst keine Überstunden mehr, hier handle es sich vielmehr um eine dauerhafte Verlängerung der Wochenarbeitszeit.

Dem widersprach das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 133/08). Allein dadurch, dass der Arbeitnehmer den Schließdienst durchgeführt habe, ändere sich nicht der Inhalt des schriftlichen Arbeitsvertrags. Es bleibe bei der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit - die könne nur durch ausdrückliche Erklärung beider Seiten erhöht werden.

Die Arbeitgeberin habe dem Lagerverwalter die Aufgabe nie als unbefristete Tätigkeit übertragen, sondern eben als zusätzliche, vorübergehende Aufgabe. Das zeige auch die Abrechnung als Überstunden. Deshalb könne die Arbeitgeberin dies auch widerrufen und den Schließdienst neu organisieren.

Telekom-Doping: Uniklinik entließ Oberarzt

Fristlose Kündigung des Sportmediziners wegen eines begründeten Verdachts war rechtmäßig

Der Sportmediziner und Oberarzt der Universitätsklinik Freiburg war Mannschaftsarzt des (2007 aufgelösten) Telekom- bzw. T-Mobile-Radteams. Ein ehemaliger Masseur beschuldigte ihn im Frühjahr 2007, den Radfahrern u.a. das Dopingmittel EPO gegeben zu haben. Die Universität berief sofort eine Expertenkommission ein, um die Dopingvorwürfe aufzuklären. Trotzdem durfte die Freiburger Sportmedizin von da an keine Athleten des Deutschen Olympischen Sportbunds mehr betreuen.

In Gesprächen mit dem Arbeitgeber leugnete der Oberarzt zunächst jede Beteiligung am Dopingsystem. Als in einer Fernseh-Talkshow ein Radprofi aussagte, der Sportmediziner habe das Team mit EPO versorgt, gab er es schließlich zu. Daraufhin kündigte ihm der Arbeitgeber - das Land Baden-Württemberg als Träger der Universitätsklinik - im Mai 2007 fristlos.

Vergeblich klagte der Oberarzt gegen die Kündigung: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erklärte sie für wirksam (22 Sa 5/09). Schon zum Zeitpunkt der Kündigung sei der Verdacht, dass dem Mediziner schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen sei, gut begründet gewesen. Allein der Verdacht zerstöre die Basis vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Arzt und Klinik.

Mittlerweile stehe fest, dass der Sportmediziner aktiv am systematischen Eigenblutdoping des Radteams beteiligt war - weit über sein damaliges Geständnis hinaus. Der Abschlussbericht der Expertenkommission bestätigte, der Oberarzt habe während der Tour de France 2006 mehreren T-Mobile-Fahrern unter Gefahr für deren Gesundheit Eigenblutinfusionen verabreicht. Und das in den Räumen und mit den Mitteln der Universitätsklinik.

Das verstoße offenkundig in grober Weise gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten eines Oberarztes und habe das Ansehen des Klinikums erheblich beschädigt. Dieser Umstand mache es für den Arbeitgeber unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Geld statt Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst?

Wer Freizeit in Anspruch nimmt, stimmt damit dem Freizeitausgleich zu

Die OP-Schwester arbeitet im Klinikum eines Landkreises. Im Frühjahr 2006 hatte sie beim Arbeitgeber beantragt, ihre Arbeitszeit aufzustocken. Mit der Vertragsänderung sei er einverstanden, so der Arbeitgeber, allerdings nur unter der Bedingung, dass die OP-Schwester einwillige, für den Bereitschaftsdienst künftig Freizeitausgleich statt Bereitschaftsdienstentgelt zu akzeptieren. Darauf einigte man sich und der Arbeitsvertrag wurde geändert.

Die danach abgeleisteten Bereitschaftsdienste wurden der Krankenhausangestellten mit Freizeit abgegolten. Dennoch meinte die OP-Schwester, dass ihr Bereitschaftsdienstentgelt zusteht. Prinzipiell ist nach der tariflichen Regelung Freizeitausgleich nur zulässig, wenn er in einer Betriebsvereinbarung geregelt oder notwendig ist, um Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Oder wenn der Beschäftigte dem Freizeitausgleich zustimmt.

Einerseits habe die OP-Schwester dieser Regelung im Frühjahr 2006 zugestimmt, so das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 303/07). Andererseits komme es darauf gar nicht mehr an: Denn ein Krankenhausangestellter müsse das erforderliche Einverständnis mit dem Freizeitausgleich nicht unbedingt explizit formulieren. Wer die gewährte Freizeit widerspruchslos in Anspruch nehme, erkläre sich auf diese Weise mit dem Freizeitausgleich einverstanden. Damit entfalle der Anspruch auf Entgelt.

Arbeitnehmer müssen auch Sonntags ran

Grundsätzlich entscheidet darüber der Arbeitgeber

Ein Zulieferer der Automobilindustrie beantragte und erhielt beim Landratsamt die Genehmigung dafür, vorübergehend in einer bestimmten Zeitspanne die Arbeitnehmer auch Sonntags- und Feiertags zu beschäftigen. Dagegen klagte ein Arbeitnehmer und pochte auf seinen Arbeitsvertrag: Der Mitarbeiter sei für "Schichtarbeit 40 Stunden pro Woche eingestellt", hieß es da.

Weder der Arbeitsvertrag, noch die Tarifverträge für die Branche enthielten verbindliche Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit, stellte das Bundesarbeitsgericht fest. Dann sei der Arbeitgeber dazu berechtigt, sie nach seinem Ermessen einzuteilen und auch Sonn- und Feiertagsarbeit anzuordnen (9 AZR 757/08). Die zuständige Behörde habe die Ausnahmebewilligung gemäß den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes erteilt.

Der Arbeitsvertrag schränke das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht ein. Die Formulierung "40 Stunden pro Woche" sei nicht so auszulegen, dass Sonn- und Feiertagsarbeit grundsätzlich ausgeschlossen werde. Auch aus der Tatsache, dass im Betrieb früher keine Sonn- und Feiertagsarbeit geleistet wurde, könne man kein Verbot ableiten.

Im Urlaub auf dem Weihnachtsmarkt verkauft

Aus diesem Grund darf die Arbeitgeberin einer Angestellten nicht kündigen

Die Bürokauffrau arbeitete 37 Stunden die Woche für ein Unternehmen. Regelmäßig nahm sie im Dezember Urlaub, um ihren Ehemann zu unterstützen, der auf dem regionalen Weihnachtsmarkt einen Stand unterhielt. Als die Arbeitgeberin davon erfuhr, mahnte sie die Angestellte ab: Die Verkaufstätigkeit in der Kälte laufe dem Zweck des Urlaubs zuwider - da sollten sich die Arbeitnehmer erholen - und sei daher verboten.

Als die Bürokauffrau erneut am Marktstand gesichtet wurde, kündigte ihr das Unternehmen. Zu Unrecht, urteilte das Landesarbeitsgericht Köln (2 Sa 674/09): Das Verkaufen auf dem Weihnachtsmarkt verstoße nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Und selbst wenn, hätte die Arbeitgeberin ein milderes Mittel wählen müssen, um es abzustellen. Es hätte genügt, der Bürokauffrau im Dezember keinen Urlaub mehr zu geben.

Im Urlaub sollten Arbeitnehmer ihren eigenen Interessen nachgehen, ihre Persönlichkeit entfalten können. Diesem Zweck widerspräche es, wenn sie bezahlte Freizeit dazu nutzten, durch ein weiteres Arbeitsverhältnis Einnahmen zu erzielen. Wenn sie unentgeltlich im Familienbetrieb - oder auch in einer gemeinnützigen Organisation - mithelfen, sei das etwas anderes.

Zudem sei die Frau im Unternehmen nur 37 Wochenstunden beschäftigt. Laut Arbeitszeitgesetz dürfe sie bis zu 48 Wochenstunden arbeiten, also könne sie auch elf Stunden pro Woche etwas dazu verdienen.

Abfindung entfällt bei Kündigungsschutzklage

Das gilt auch dann, wenn die Klage nicht fristgerecht erhoben wird

Die Arbeitgeberin hatte dem Angestellten R aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Mit dem Kündigungsschreiben erhielt er das Angebot einer Abfindung für den Fall, dass er keine Kündigungsschutzklage erheben würde. Eine Kündigungsschutzklage ist innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung einzureichen.

R erhob sie erst fünf Wochen später, behauptete aber, seine Klage sei noch fristgerecht: Die Post habe das Kündigungsschreiben viel später zugestellt, als die Arbeitgeberin behauptete. Eine Abfindung lehnte er ab. Wieder ein paar Wochen später zog R seine Klage zurück und forderte eine Abfindung. Die stehe ihm zu, weil die Kündigungsschutzklage sowieso zu spät erhoben wurde.

Fristgerecht oder zu spät - das spiele hier keine Rolle, urteilte das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 267/08). Zweck der Regelung sei es, gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags zu vermeiden. Wer einen Rechtsstreit beginne, solle daher seinen Anspruch auf eine Abfindung verlieren - das gelte auch für eine nach Ablauf der Klagefrist eingereichte Klage.

Werde die Klage zurückgenommen, ändere das ebenfalls nichts. Auch das liefe dem Sinn der Regelung zuwider. Denn dann könnten Arbeitnehmer erst einmal klagen und in Ruhe abwarten, wie der Kündigungsschutzprozess verlaufe. Sobald sich eine Niederlage abzeichne, könnten sie die Klage zurückziehen, um so wenigstens in den Genuss der Abfindung zu kommen.

Neues Betriebskonzept für Kantinen

Gekündigte Arbeitnehmerin muss nicht weiterbeschäftigt werden

Die A-GmbH führte bis Ende 2006 drei Betriebsrestaurants eines Automobilherstellers und ließ in den Kantinen das Mittagessen frisch zubereiten. In jeder Kantine wirkte ein Koch, unterstützt von zwei Küchenhilfen. Küchenhilfe S befand sich beim Jahreswechsel 2006/2007 in Elternzeit.

Ab Januar 2007 übernahm die H-GmbH die Betriebsrestaurants: Sie fertigt die Speisen zentral vor und lässt sie in den Kantinen nur noch - von Hilfskräften - aufwärmen und ausgeben. Köche arbeiteten dort nicht mehr. Die H-GmbH lehnte es ab, die Küchenhilfe S nach dem Ende ihrer Elternzeit weiterzubeschäftigen.

Die Frau zog vor das Arbeitsgericht, um feststellen zu lassen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der A-GmbH fortbestand. Diese sei immer noch ihre Arbeitgeberin, weil der Betrieb nicht auf die H-GmbH "übergegangen" sei. So beurteilte auch das Bundesarbeitsgericht die Sachlage (8 AZR 1019/08).

Die H-GmbH habe zwar einige Sachmittel von der A-GmbH übernommen. Sie benötige diese jedoch kaum - wegen eines grundlegend anderen Betriebskonzepts. Der früher mit dem Automobilhersteller ausdrücklich vereinbarte Betriebszweck, die Firmenmitarbeiter mit vor Ort gekochten Mahlzeiten zu versorgen, bestehe nicht mehr.

Die jetzige Betreiberin der Kantinen nutze die Küchen kaum noch - Personalstruktur, Betriebs- und Arbeitsorganisation seien vollkommen anders. Die H-GmbH führe also nicht den Betrieb der A-GmbH fort (juristisch: "Betriebsübergang"). Daher sei auch das Arbeitsverhältnis von S nicht auf die H-GmbH übergegangen, sondern bei der früheren Arbeitgeberin geblieben.

Arbeitnehmer müssen Pflegezeit "am Stück" nehmen

Die sechs Monate auf getrennte Zeiträume aufzuteilen, ist nicht möglich

Nach dem Pflegezeitgesetz von 2008 können Arbeitnehmer bis zu sechs Monate Pflegezeit nehmen, um für pflegebedürftige nahe Angehörige zu sorgen. Die Mutter eines Konstrukteurs wurde 2005 von der Pflegekasse als pflegebedürftig nach Pflegestufe I anerkannt. Anfang 2009 beantragte der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber einige Tage Pflegezeit im Juli. In dieser Zeit wurde er freigestellt.

Für Dezember beantragte der Konstrukteur dann noch einmal einige Tage Pflegezeit. Komme nicht in Frage, erklärte der Arbeitgeber, Pflegezeit sei "ununterbrochen" zu nehmen. So sei das nun einmal im Pflegezeitgesetz geregelt, erklärte auch das Arbeitsgericht Stuttgart, und wies die Klage des Arbeitnehmers auf erneute Pflegezeit zurück (12 Ca 1792/09).

Sein Anspruch auf Pflegezeit sei durch die Tage im Juli sozusagen "verbraucht". Die Möglichkeit, sie auf getrennte Zeiträume aufzuteilen, sei nicht vorgesehen. Für kurzfristigen, akuten Pflegebedarf sei trotzdem vorgesorgt: Dafür könnten Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine "kurzzeitige Arbeitsverhinderung" (§ 2 Pflegezeitgesetz) anzeigen und bis zu zehn Tagen freigestellt werden.

Die Pflegezeit zu "stückeln" sei auch deshalb nicht angesagt, weil sie mit Sonderkündigungsschutz verbunden sei. Der gelte von der Ankündigung der Pflegezeit bis zu deren Ende. Nach jeder Ankündigung einer Kurz-Pflegezeit würde dann der Kündigungsschutz greifen. Arbeitnehmer könnten also durch geschicktes Stückeln sich lange Zeit Sonderkündigungsschutz sichern. Das sei nicht der Sinn des Gesetzes.

Krankmeldung zu spät vorgelegt

Fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers ist wirksam

Schon seit 25 Jahren arbeitete der ältere Mann im Betrieb. Häufig war er krank. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seiner Ärzte gab er im Betrieb meist zu spät ab. Deshalb knöpfte sich der Chef den Arbeitnehmer vor und forderte ihn auf, die Krankmeldung künftig zuverlässig schon am ersten Tag einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vorzulegen.

Doch das war dem Mitarbeiter egal - er machte weiter wie vorher. Damit handelte er sich zwei Abmahnungen des Arbeitgebers ein. Als er beim nächsten Mal die Krankmeldung erst zwei Wochen nach dem ersten Krankheitstag mitbrachte, reichte es dem Arbeitgeber. Er kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist.

Eine fristgerechte Kündigung sei berechtigt und wirksam, urteilte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (2 Sa 130/09). Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheingung zu spät vorzulegen, sei keine "Bagatelle", sondern ein ernstzunehmender Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Damit verletze ein Arbeitnehmer das berechtigte Interesse des Unternehmens an zuverlässiger Arbeitsplanung.

Zu Recht habe der Arbeitgeber deshalb den Mitarbeiter aufgefordert, die Krankmeldung jeweils schon am ersten Tag abzugeben. Stur habe sich der Arbeitnehmer trotz mehrmaliger Abmahnung weiterhin vertragswidrig verhalten und keinerlei Einsicht gezeigt. Das mache es für den Arbeitgeber trotz des langjährigen Arbeitsverhältnisses unzumutbar, ihn weiterzubeschäftigen. An die ordentliche Kündigungsfrist müsse sich der Chef jedoch halten.

Verkäuferin mobbte Kolleginnen

Das rechtfertigt - zumindest nach fruchtloser Abmahnung - eine fristlose Kündigung

Seit über sieben Jahren arbeitete die 31-jährige Verkäuferin in einer Bäckerei mit mehreren Filialen. Schon öfter hatte es Reibereien mit Kolleginnen gegeben. Dann stellte die Bäckerei eine neue Auszubildende ein, mit der die Verkäuferin überhaupt nicht auskam. Ständig hatte die Frau etwas zu meckern. Ausdrücklich forderte die Chefin sie auf, die Auszubildende vernünftig zu behandeln und nicht vor Kunden zu kritisieren.

Doch das verbesserte das Arbeitsklima nicht. Bald bat die Filialleiterin die Verkäuferin erneut zu einem Personalgespräch. Danach beschimpfte die Verkäuferin die Auszubildende erst recht: Sie hielt ihr vor, an den Querelen schuld zu sein und gestikulierte dabei mit der Hand vor dem Gesicht der Auszubildenden herum. Das Mädchen brach in Tränen aus.

Am nächsten Tag forderte die Chefin die Verkäuferin ein weiteres Mal auf, ihre Kolleginnen angemessen zu behandeln und Beleidigungen und Drohungen zu unterlassen. Dies sei ihre letzte Chance. Unmittelbar nach dem Gespräch drohte die Verkäuferin wieder einer Arbeitskollegin mit den Worten: "Wer mich beim Chef anmachen will, den mache ich platt". Daraufhin kündigte ihr der Arbeitgeber fristlos.

Die Kündigungsschutzklage der Frau scheiterte beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (3 Sa 224/09). Die Angestellte lege seit Monaten "ungezügelt aggressives Verhalten" an den Tag. Das zerstöre den Betriebsfrieden und mache eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Filiale unmöglich. Trotz einer Abmahnung habe sich die Verkäuferin nicht zusammengerissen. Vielmehr sei sie erst recht auf ihre Kolleginnen losgegangen. Die fristlose Kündigung des langjährigen Arbeitsverhältnisses sei daher berechtigt.

Schlechte Deutschkenntnisse ...

... können eine Kündigung rechtfertigen: Das ist nicht notwendig Diskriminierung

Der aus Spanien stammende Arbeitnehmer arbeitet seit 1978 bei einem Automobilzulieferer als Produktionshelfer. Laut Stellenbeschreibung gehörte es zu den Anforderungen dieses Jobs, die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen. Auf Kosten des Arbeitgebers absolvierte der Arbeitnehmer 2003 einen Deutschkurs. Doch dann erlahmte der Eifer: Mehrere Folgekurse, die ihm sein Chef wärmstens empfahl, lehnte er ab.

Bei mehreren internen Qualitätschecks wurde festgestellt, dass der Produktionshelfer Arbeits- und Prüfanweisungen nicht lesen konnte. Im Herbst 2005 wurde er vom Arbeitgeber erneut aufgefordert, seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Einige Monate später drängte ihn der Chef ein weiteres Mal dazu und wies darauf hin, dass der Arbeitnehmer ansonsten mit Kündigung rechnen müsse.

Als der Produktionshelfer bei einer Prüfung der Arbeitsqualität 2007 die Vorgaben wieder nicht einhalten konnte, war die Geduld des Arbeitgebers zu Ende. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31.12.2007. Daraufhin zog der Arbeitnehmer vor Gericht und pochte auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: Das Unternehmen habe ihn wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt, kritisierte er.

Doch das Bundesarbeitsgericht verneinte jegliche Diskriminierung (2 AZR 764/08). Von Arbeitnehmern Sprachkenntnisse zu verlangen, sei sachlich begründet, wenn der Arbeitsablauf dies voraussetze. Der Arbeitgeber verfolge damit nicht das Ziel, ausländische Mitarbeiter zu benachteiligen: Vielmehr sei es aus Gründen der Qualitätssicherung notwendig, schriftliche Arbeitsanweisungen umsetzen zu können, die in deutscher Sprache abgefasst seien. Im Übrigen habe der Arbeitgeber dem Produktionshelfer ausreichend Gelegenheit gegeben, Deutsch zu lernen.

Kinderreisebett aus dem Müll gezogen

Abfallentsorgungsunternehmen kündigte deswegen einem Müllmann

Seit gut acht Jahren arbeitete der Mann als Hofarbeiter bei einem Abfallentsorgungsunternehmen. In einem Altpapiercontainer, dessen Inhalt zu entsorgen war, fand der Mann einen Karton, der ein Kinderreisebett enthielt. Das nahm der Müllmann mit, ohne den Arbeitgeber zu fragen.

Das Unternehmen kündigte daraufhin dem Arbeitnehmer fristlos und warf ihm Diebstahl vor: Man habe ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es verboten sei, Gegenstände mitzunehmen. Selbst wenn sie weggeworfen wurden, müsse er auf jeden Fall vorher um Erlaubnis fragen. Der Arbeiter klagte mit Erfolg gegen die Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erklärte sie für unwirksam (13 Sa 59/09). Auch wenn der Müllmann schon einmal aus dem gleichen Grund abgemahnt worden sei: Der Anlass - eine Sache ohne jeden Wert, die bereits im Müll gelandet war - stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zur Kündigung und zum Nachteil, der dem Arbeitnehmer dadurch entstehe. Immerhin bestehe das Arbeitsverhältnis seit vielen Jahren und sei im Wesentlichen störungsfrei verlaufen.

Daimler darf linken Arbeiter nicht vor die Tür setzen

Kündigung wegen kritischer Äußerungen über den Arbeitgeber ist unwirksam

Schon seit 1986 arbeitet der 1954 geborene Maschinenbediener bei Daimler, zuerst im Betrieb Stuttgart-Zuffenhausen. Seit 2002 versucht der Konzern vergeblich, den Mann vor die Tür zu setzen. 2002 hatte er als Mitglied eines Solidaritätskreises ein Informationsschreiben veröffentlicht, in dem es hieß: "Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück. Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab."

Da als Kontaktadresse die Adresse des Maschinenbedieners angegeben war, wusste der Arbeitgeber sofort, wem er die Attacke zuzuschreiben hatte. Damit begründete er die Kündigung, die er sofort aussprach. Weitere folgten, doch scheiterte das Unternehmen immer wieder vor Gericht. Auch sein letzter Versuch, den Arbeitnehmer loszuwerden, misslang. Diesmal wurde die Kündigung darauf gestützt, dass der Mann seine Vorwürfe in einem Internetbeitrag in abgewandelter Form wiederholt hatte.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erklärte die Kündigung erneut für unwirksam (2 Sa 59/09). Der Beitrag im Internet sei vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und verletze nicht die Pflicht des Arbeitnehmers, auf die Belange des Unternehmens Rücksicht zu nehmen. Kritik rechtfertige weder eine Kündigung, noch den alternativen "Vorschlag", das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung aufzulösen. Das Verhalten des Arbeitnehmers lasse keineswegs den Schluss zu, dass es unmöglich sei, mit ihm auf gedeihliche Weise im Interesse des Betriebs zusammenzuarbeiten.

Jugend- und Auszubildendenvertreterin im Betrieb

Muss der Arbeitgeber einen Leiharbeiter entlassen, um sie nach der Ausbildung einzustellen?

Eine Jugend- und Auszubildendenvertreterin hatte einige Wochen vor dem Ende der Ausbildung vom Arbeitgeber - einem Unternehmen der Automobilindustrie - verlangt, auf unbestimmte Zeit in ein Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Dazu hat sie als gewählte Vertreterin ein Recht. Hält der Arbeitgeber dies für unzumutbar, muss er beim Arbeitsgericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragen.

So geschah es hier: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm löste auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis der Auszubildendenvertreterin auf. Die junge Frau, die mittlerweile ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, legte Berufung ein. Das Bundesarbeitsgericht machte ihr wieder Hoffnung auf einen festen Arbeitsplatz und hob den Beschluss des LAG auf (7 ABR 89/08).

Begründung: Das LAG habe die Umstände des Einzelfalls nicht genau genug geprüft. Vor allem: In dem Unternehmen seien zum Zeitpunkt, zu dem die Auszubildende ihr Ausbildungsverhältnis beendete, Leiharbeitnehmer beschäftigt gewesen.

Laut Betriebsverfassungsgesetz könne ein Arbeitgeber verpflichtet sein, einen Jugend- und Auszubildendenvertreter nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, wenn es im Betrieb einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz gibt, der mit einem Leiharbeitnehmer besetzt sei.

Das LAG müsse nun prüfen, ob der Leiharbeitnehmer-Arbeitsplatz für die Auszubildendenvertreterin geeignet und ob es für den Arbeitgeber zumutbar sei, diesen Arbeitsplatz für sie freizumachen. Das hänge auch davon ab, inwieweit er dem Verleiher der Leiharbeiter vertraglich verpflichtet sei.

Betriebsrat fordert am Schwarzen Brett: "Nein zum Krieg"

Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass er politische Äußerungen generell unterlässt

Laut Betriebsverfassungsgesetz dürfen sich Betriebsräte im Betrieb nicht parteipolitisch engagieren. Einen Verstoß gegen diesen Grundsatz glaubte der Arbeitgeber zu erkennen, als er im Jahr 2003 während des Irak-Kriegs am Schwarzen Brett einen Aufruf entdeckte: "Nein zum Krieg". Die Protestnote gegen Bush hatte einer der Betriebsräte aufgehängt. 2007 rief der gleiche Betriebsrat Mitarbeiter des Betriebs auf, sich an einem Volksentscheid in Hamburg zu beteiligen.

Auch das passte dem Arbeitgeber nicht: Er beantragte beim Arbeitsgericht, dem Betriebsrat politische Äußerungen zu untersagen. So ein Anspruch sei gesetzlich nicht vorgesehen, stellte das Bundesarbeitsgericht klar (7 ABR 95/08). Das Gebot für Betriebsräte, im Betrieb parteipolitisch neutral zu agieren, schließe nicht jede allgemeinpolitische Meinungsäußerung aus.

Der Betriebsrat dürfe sehr wohl Mitarbeiter zur Teilnahme an politischen Wahlen oder Abstimmungen auffordern: Das stelle keine parteipolitische Betätigung dar. Bei groben Verstößen des Betriebsrats habe der Arbeitgeber die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Er könne aber nicht von einem Betriebsrat verlangen, bestimmte politische Meinungsäußerungen zu unterlassen.

Leistung unzutreffend beurteilt?

Hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer Formulierungen fürs Zeugnis vereinbart, ist die Absprache verbindlich

Als feststand, dass das Arbeitsverhältnis enden würde, sprach die Arbeitgeberin mit der Angestellten ab, was in ihrem Zeugnis stehen sollte. Doch dann kamen dem Personalchef Bedenken: Er fand die geplante Beurteilung objektiv falsch, deshalb hielt er sich nicht an den vereinbarten Wortlaut.

Die vom Zeugnis enttäuschte Arbeitnehmerin zog vor Gericht und verlangte, das Unternehmen müsse ihr Arbeitszeugnis korrigieren. Wenn er wider besseres Wissen ein unzutreffendes Urteil abgebe, könnte er ja vom nächsten Arbeitgeber dafür verantwortlich gemacht werden, wandte der Personalchef des Unternehmens ein.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg verneinte dies (7 Sa 641/08). Diese Gefahr bestehe nicht, auch wenn die Leistung eines Arbeitnehmers falsch bewertet werde und der Arbeitnehmer sich mit diesem Zeugnis bewerbe. Denn der neue Arbeitgeber könne dessen Leistungen selbst beurteilen und in der Probezeit herausfinden, ob der Arbeitnehmer die Anforderungen des Arbeitsplatzes erfülle.

Die Arbeitgeberin müsse daher der Angestellten das Zeugnis mit dem von ihr gewünschten Inhalt ausstellen. Auch wenn die Bewertung objektiv unzutreffend wäre, sei das Unternehmen an die Vereinbarung gebunden. Anders liege der Fall, wenn ein Arbeitszeugnis in Bezug auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit eines Arbeitnehmers einen völlig falschen Eindruck erwecke. Das sei sittenwidrig, weil dann das Risiko bestände, dass der Bewerber/die Bewerberin Vermögen oder Eigentum des neuen Arbeitgebers schädigen könnte.

Arbeitgeber kündigt einem Mitarbeiter wegen langer Krankheit

Behinderter Arbeitnehmer fühlt sich durch die unwirksame Kündigung diskriminiert

Wegen häufiger und langer krankheitsbedingter Fehlzeiten kündigte ein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag eines Mitarbeiters. Der Angestellte klagte dagegen und hatte Erfolg: Die Kündigung wurde vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt. Anschließend zog der Angestellte erneut vor Gericht und forderte Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Begründung: Er habe wegen einer "chronisch degenerativen Erkrankung des Bewegungsapparats" so oft gefehlt, die nach Aussage seiner Ärzte eine Behinderung darstelle. Wenn der Arbeitgeber deswegen kündige, sei das als Diskriminierung eines Behinderten anzusehen. Als Ausgleich sei eine Summe von 30.000 Euro angemessen.

Das Bundesarbeitsgericht winkte ab: Selbst wenn man die Krankheit des Mitarbeiters als Behinderung bewerte, handle es sich hier nicht um Diskriminierung (8 AZR 642/08). Diskriminierung bedeute: Einen Mitarbeiter wegen seiner Behinderung zu benachteiligen. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber den Angestellten jedoch nicht schlechter oder anders behandelt als andere Mitarbeiter.

Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitgeber mit der Kündigung an eine mögliche Behinderung des Arbeitnehmers anknüpfen wollte oder die Kündigung dadurch (zumindest auch) motiviert war. Einem Arbeitnehmer wegen häufiger Fehlzeiten zu kündigen, sei im Prinzip gerechtfertigt, auch wenn dies hier als unzulässig eingestuft worden sei. Fehlzeiten störten den betrieblichen Ablauf und belasteten den Betrieb finanziell.

Arbeitgeber verlangt vom Bewerber Röntgenaufnahme

Das kann ein Indiz für Diskriminierung wegen einer vermuteten Behinderung sein

Ein Biologe bewarb sich um eine Stelle. Im Bewerbungsgespräch fragte der Personalchef, ob der Bewerber psychiatrisch behandelt werde. Der steife Gang des Biologen könnte auf die Krankheit "Morbus Bechterew" hindeuten, vermutete er. Mit dieser Wirbelsäulenversteifung gingen häufig Depressionen einher. Daher müsse sich der Bewerber - bevor ein Arbeitsvertrag geschlossen werden könne - röntgen und den Zustand seiner Wirbelsäule untersuchen lassen.

Der Bewerber verweigerte eine medizinische Untersuchung und bekam deshalb einen Korb. Nun pochte der Mann auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und klagte eine Entschädigung ein: Der Arbeitgeber habe ihn wegen einer vermuteten Behinderung abgelehnt.

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass eine unzulässige Benachteiligung auch dann vorliegen könne, wenn der Bewerber in Wirklichkeit nicht behindert sei (8 AZR 670/08). Auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes würden Menschen oft bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben.

"Morbus Bechterew" könne in der Tat zu Depressionen führen. Durch das "Ultimatum" - Einstellung nur nach einer Untersuchung - habe der Arbeitgeber deutlich gemacht, dass für ihn das mögliche Stadium der Krankheit bzw. Behinderung eine große Rolle spielte. Eine Nachfrage sei zwar zulässig, denn Bewerber müssten für die auszuübende Tätigkeit auch gesundheitlich geeignet sein.

Doch hier habe der Personalchef im Bewerbungsgespräch keinen Bezug zwischen der dem Bewerber unterstellten Krankheit und seinen künftigen Aufgaben aufgezeigt. (Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf, das die Klage abgewiesen hatte, und verwies die Sache aus formellen Gründen an die Vorinstanz zurück.)

Beamter in Altersteilzeit nicht befördert

Das Bundesland erteilt falsche Auskunft, muss aber keinen Schadenersatz leisten

Der 1944 geborene Beamte arbeitete in der Bauverwaltung eines Bundeslandes. Zuletzt erhielt er Gehalt nach BAT-Vergütungsgruppe II a, ab 2001. Demnach hätte er 2007 in die nächst höhere Vergütungsgruppe aufsteigen können: Sechs Jahre Bewährungszeit sind vorgeschrieben.

2003 schloss der Beamte mit dem Arbeitgeber einen Altersteilzeitarbeitsvertrag. Altersteilzeit im Blockmodell: also zuerst eine Arbeitsphase und anschließend eine Freistellungsphase. Die Freistellungsphase sollte von 2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses 2009 laufen.

Bevor er den Vertrag unterschrieb, erkundigte sich der Beamte, ob die Vereinbarung am Aufstieg in die höhere Vergütungsgruppe etwas ändern würde. Nein, teilte das Bundesland ohne jeden Vorbehalt mit: Altersteilzeitarbeit führe auch im Blockmodell nicht dazu, dass sich der Beförderungszeitraum verlängere.

Doch 2007 drehte der Arbeitgeber dem Beamten "eine lange Nase" und verweigerte den "Bewährungsaufstieg". Dessen Klage auf Beförderung scheiterte beim Bundesarbeitsgericht (9 AZR 184/09). Die Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell unterbreche die für die Beförderung notwendig vorausgesetzte Bewährungszeit, so die Arbeitsrichter. Wer nicht arbeite, könne sich auch nicht bewähren.

Das Land habe dem Beamten zwar eine falsche Rechtsauskunft erteilt und schuldhaft pflichtwidrig gehandelt. Doch der Kläger habe nicht ausreichend begründet, dass er ohne diesen Fehler des Bundeslandes auf jeden Fall am Bewährungsaufstieg hätte teilnehmen können. Bei falscher Auskunft könne der Arbeitgeber zu Schadenersatz verpflichtet sein - aber nur, wenn der Arbeitnehmer dadurch nachweislich einen Schaden erleide.

Zahlung von Dumpinglohn erstmals als Straftat bewertet

Ehemaliger Reinigungsunternehmer wurde zu Geldstrafe verurteilt

Die in Magdeburg ansässige Reinigungsfirma setzte zwischen 2002 und 2007 russisch sprechende Immigrantinnen als Putzfrauen ein: in Autobahnraststätten und Autohöfen. Obwohl der verbindliche Mindestlohn für Gebäudereiniger bei 7,68 Euro lag, zahlte der Unternehmer Oleg S. den Frauen bestenfalls 1,79 Euro, oft weniger als einen Euro in der Stunde.

Sie waren offiziell als Minijobber beschäftigt, arbeiteten in Zwölf-Stunden-Schichten bis zu 14 Tage am Stück und erhielten 60 bis 300 Euro bei freier Kost und Logis. Das sei sittenwidrig, urteilte das Landgericht Magdeburg (9 O 1277/09).

Den Sozialkassen habe der Arbeitgeber Arbeitsentgelt vorenthalten, weil er die Beiträge zur Sozialversicherung nicht vorschriftsgemäß nach dem Mindestlohn berechnete, sondern nach dem tatsächlich gezahlten, viel niedrigeren Lohn. Den Sozialkassen sei so ein Schaden von ca. 69.000 Euro entstanden. Das erfülle den Straftatbestand des Veruntreuens von Arbeitsentgelt.

Damit wurde das Zahlen von Dumpinglöhnen erstmals als Straftat eingestuft und nicht nur als Ordnungswidrigkeit, wie bisher üblich. Die Geldstrafe dafür fiel mit 1.000 Euro allerdings relativ milde aus. Wegen der langen Verfahrensdauer, weil der Angeklagte nicht vorbestraft sei und derzeit selbst nur noch einen 400-Euro-Job habe, erklärte die Richterin. Denn das Reinigungsunternehmen ging pleite.