Ein künftiger Pilot erhielt von einer großen deutschen Fluggesellschaft ein Darlehen von 60.000 Euro: Das war der geforderte Eigenanteil an der Pilotenausbildung, den der Mann nicht selbst hätte finanzieren können. Vertraglich wurde vereinbart, dass die Airline auf die Rückzahlung des Darlehens verzichten würde — für den Fall, dass sie dem Mann nicht innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der Ausbildung die Übernahme in ein "Cockpit-Arbeitsverhältnis" anbieten könne.
Die Ausbildung schloss der "Flugführer" am 26.10.2013 ab, demnach endete die Frist für das Arbeitsangebot am 26.10.2018. Ein entsprechendes Schreiben des Flugunternehmens erreichte den Piloten erst am 27.10. Doch die Airline pochte darauf, sie habe am vorletzten Tag der Frist eine E-Mail mit einem Arbeitsangebot abgeschickt. Der Pilot wurde eingestellt und musste in Raten von 500 Euro pro Monat das Ausbildungsdarlehen abstottern.
Nach fast zwei Jahren forderte er die Raten zurück und den Erlass des restlichen Darlehens: Der Arbeitgeber habe die vereinbarte Frist für das Arbeitsangebot nicht gewahrt: Am 25.10. und am 26.10.2018 sei ihm keine E-Mail dieses Inhalts zugegangen. Das Landesarbeitsgericht Köln gab dem Arbeitnehmer Recht (4 Sa 315/21).
Die Fluggesellschaft behaupte, das Schreiben als Anhang einer E-Mail am 25.10.2018 an die Mailadresse des Piloten gesendet zu haben. Dass eine E-Mail verschickt worden sei, belege jedoch nicht, dass sie dem Empfänger auch zugegangen sei. Das sei vielmehr ungewiss. Wie auch bei Briefpost sei es technisch möglich, dass eine Nachricht nicht ankomme: Dieses Risiko müsse nicht der Adressat der E-Mail tragen.
Der Versender einer E-Mail (hier: der Arbeitgeber) entscheide, auf welche Art er dem Empfänger seine Willenserklärung (hier: das Angebot auf einen Arbeitsvertrag) übermittle. Daher trage der E-Mail-Versender auch das Risiko, dass die Nachricht möglicherweise nicht ankomme. Zudem könne der Absender dieses Risiko ohne Weiteres vermeiden. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht habe, hätte der Arbeitgeber nur eine Lesebestätigung anfordern müssen.